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Nr.148 42. Jahrgang Ausgabe A nr. 75

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

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Sonnabend, den 28. März 1925

Vorwärts- Verlag G.m. b. H., Berlin   SW. 68, Lindenstr. 3

Poftichedkonto: Berlin   37536- Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gesellschaft, Depofitentaffe Lindenstraße 3

Freies Volk oder Kapitalsherrschaft.

Mit den Arbeiterorganisationen für Otto Braun  !

Noch einen Tag bis zur Präsidentenwahl! Noch einen Tag werden die großen Organisationen fieberhaft werben, um die Entscheidung vom 29. März vorzubereiten. Die Ent fcheidung fällt zwischen Otto Braun   und Jarres. Beide Namen bezeichnen die großen Fronten, die in diesem Wahl­fampf gegeneinander stehen. Der erste Kampf um die Präsi­dentschaft in Deutschland   ist um sieben Kandidaten geführt worden, aber um zwei hat sich der Kampf fonzentriert. Eine Entscheidung, die vom ganzen Bolt gefällt mird und den letzten Mann und die letzte Frau im legten Dorfe erfassen foll, fann nur fallen im Kampfe großer Organisationen, die über das ganze Reich hinweggreifen und bis in die letzten Orte hineinreichen. Es gibt nur zwei große Organisations­apparate in Deutschland  , die technisch imftande sind, große Teile des Bolfes, ja Mehrheiten des Boltes zu erfaffen. Auf Der einen Seite die Organisationen der Arbeiterschaft, auf der anderen Seite der Organisationsapparat der Sch we r= industrie.

Wir wiederholen in Deutschland   die Erfahrungen, die Amerifa von seinen Präsidentenwahlen her längst fennt. Nicht Der Mann, nicht die einzelne politische Idee fleinen oder mitt­leren Ranges ist es, die es vermögen, ein ganzes Bolt zu einer Entscheidung mitzureißen, sondern große Organisatio= nen. In Amerika   fämpfen bei den Bräsidentenwahlen Re: publikaner und Demokraten miteinander. Beiden Barteien ftehen Organisationsapparate zur Verfügung, die auf Papita­liftischen Interessen aufgebaut sind, von Interessenten finanziert merden. Ihr Ringen ist nicht ein Ringen um große ideelle Zielfezungen, um große staatspolitische Ideen, sondern um21 Intereffen. Die Organisationen, um die sich in Deutschland  der entscheidende Kampf zusammendrängt, ringen Bormachtstellung dieser oder jener Gruppe der Wirtschaft; Arbeiterorganisationen gegen Schwerindustrie in diesem Gegensatz treten die Kräfte zutage, von deren Sieg oder Niederlage die fünftige Gestaltung des Lebens und der Entwicklung des deutschen  Boltes abhängen wird.

nicht um

die

| Schwerindustrie ist, Deutschland   aufzulösen in ein Nebenein ander von Geschäften. Nicht der Staat, nicht die Nation und ihre Wohlfahrt sind die Zwecke dieser Organisation. An Stelle des Staates ficht die Schwerindustrie mur das Wirtschafts­gebiet, an Stelle der Nation nur Hände und Abnehmer. Was in der Betätigung des Organisationsapparates der Schwer­industrie an ideologischen Zielsetzungen und ideeller Argu­mentation erscheint, dient nur dazu, die Geschäftszwecke zu verhüllen, für die diese Organisation arbeitet. Die politische

Nur ein Tag

trennt uns noch von der Entscheidung!

Aber an diesem Tag fönnen noch Tausende und aber Tausende gewonnen werden,

|

fichten auf einen erträglichen Friedensschluß gleich Null wur­den. Ihr brutaler Geschäftsegoismus, ihre politische Be­schränktheit, ihr Unverständnis gegenüber den nationalen Not­mendigkeiten ist schuld an dem Unglück Deutschlands  . Die Schwerindustrie ist die wahrhaft Schuldige am Bertrag zu Versailles  .

Das ist die andere Front! Sie sammelt die Interessenten, die mit der Schwerindustrie verbunden sind. Sie sammelt die reaktionären Elemente in Deutschland  , die mit der Schmer­industrie den Staat schwächen wollen.

Arbeiterorganisationen gegen den Apparat der Schwer­industrie: Das heißt nicht Idee gegen Idee, sondern Idee gegen brutalen geist und seelenlosen Besitz= egoismus.

Wer soll es glauben, wenn der Apparat der Schwer­industrie den Sah von der Reinheit des öffentlichen Lebens predigt, derselben Schwerindustrie, die Staat und Bolt im Kriege auf das schmählichste erpreßt hat! Wer wird es ernst nehmen, wenn dieser Apparat die Arbeiterorganisatio= nen der kapitalistischen   Berseuchung verdächtigt!

Arbeiterorganisationen gegen Apparat der Schmer­industrie! Das find die beiden Fronten, die gegeneinander

durch raftlose Arbeit im Dienste der Organisationen, durch Aufklärung von Mund zu Mund! Tausende wissen heute noch nicht, wie sie morgen wählen stehen. Otto Braun   und Jarres sind ihre Vormänner. follen. Sagt es ihnen!

Werbt

Werbt für Otto Braun  !

Idee wird im Apparat der Schwerindustrie erniedrigt zum Rang einer Geschäftsreklame, die politische Preffe auf eine Stufe geftellt mit den Werbedrucksachen, die man hinaus­schickt, um Kunden zu gewinnen. Hier geht es nicht um das Bolk und sein Bestes, hier geht es um das Geschäft, und nur um das Geschäft.

Alles, mas ideenlos ist im deutschen   Bürgertum, ist diesem Apparat der Schwerindustrie verfallen. Die deutschen  Spießbürger, die einft sich der Führung der Monarchie und der regierenden Schichten willenlos und gedankenlos hinge. Schwerindustrie. Hier herrscht das Schlagwort, das nicht im Einklang steht mit dem wahren Willen der Hintermänner des Rechtsblods. Hier wird die schwarzweißrote Fahne geschmentt, hier werden donnernde Reden gegen die Erfüllungspolitik ge­halten, hier wird die Republik   beschimpft und verächtlich ge­macht. Hier führt man die, nationilen Interessen im Munde. Aber die Schmerindustrie hat kein Organ für die wahren nationalen Interessen. Ihre engen Geschäftsinteressen gehen ihr über alles. Der Schwerindustrie ist es gleichgültig, ob Republik   oder Monarchie. Sie nimmt jede Staatsform hin, wenn sie nur ungestört vom Staate ihre Machtausbreitung weiter betreiben fann. Nicht eine bestimmte Staatsform ist ihr Ziel, sondern die Unabhängigkeit der Schwerindustrie als Gruppe vom Staate. Sie will für sich das Recht, ihre Inter effen vor die Interessen der Nation zu stellen. Sie nimmt eine Republik  , die ihr diese Möglichkeit gibt, ebenso hin wie die Monarchie.

Nicht Technik gegen Technif, nicht Organisation gegen Organisation, nicht Apparat gegen Apparat allein bezeichnet das Wesen des Kampfes, der bei der Präsidentenwahl ausgegeben hatten, folgen jetzt den politischen Organisationen der tragen wird. Arbeiterorganisationen gegen den Apparat der Schwerindustrie  - das ist die Auseinandersehung der großen staaatspolitischen und gesellschaftlichen Idee mit der geistlosen und seelenlosen Geschäftspolitik der führenden fapitalistischen Kräfte in Deutschland  . Die Arbeiterorganisationen find nicht Teile eines geschäftlichen Apparates, sie sind nicht aufgebaut auf der Grundlage tapitalistischer Profite, die zu politisch geschäftlichen Zweden verwendet werden. Sie stehen auf der Grundlage der Idee. Was die Massen in ihnen zusammen führt, ist die Begeisterung für Gerechtigkeit, die vor Opfern nicht zurückschredt. In ihnen leben die großen Ideale und die Traditionen des deutschen   Geisteslebens. In ihrem Rin gen, ihren Zielsetzungen, in der geistigen Bewegung der Waffen, die sie zusammenschließen, lebt die große Zukunfts vision des deutschen   Volkes. Aus der Not der Massen heraus, aus der edlen Empörung über Unterdrückung sind sie geboren morden und gewachsen. In ihnen ist der Glaube an den Auf­stieg des deutschen   Volkes lebendig.

Was wären die deutschen   Arbeiterorganisationen, was wäre der deutsche Staat, was das deutsche Volt ohne die großen, ideellen und sittlichen Werte, die in diefen Organisa fionen leben? In der Zeit der Entfeclung des öffentlichen Lebens durch den Mechanismus der fapitalistischen Wirtschaft haben sie den Glauben an den Menschen, an das Edle im Menschen hochgehalten. Dem Mechanismus der Entwicklung der Wirtschaftskräfte stellen sie den hohen Gedankenflug ihrer Ideale und den Glauben entgegen, daß es gelingen wird, den großen Ideen die materiellen Grundlagen der Wirtschaft und des Lebens anzupassen. Ihr Ringen um den Aufstieg der Arbeiterschaft ist Ringen um Menschenwürde. Es gilt nicht nur der einzelnen Klaffe, es gilt dem ganzen Bolke.

Auf der anderen Seite der Organisations apparat der Schwerindustrie. Neben ihm treten die Organisationen der bürgerlichen Parteien zurück. Die wirtschaftliche Macht, die im Lager der Schwerindustrie zu­fammengeballt ist, hat sich in politische Organisation umgesetzt. Die Schwerindustrie beherrscht nicht nur die rechtsstehenden bürgerlichen Parteien, fie hat sie in eine Front gezwungen und hat ihnen den Apparat gegeben, der ihnen eine Bearbei­tung des ganzen Rolfes ermöglicht. Damit aber hat sie die bürgerlichen Parteien der Rechten auf immer in ihre Dienste eingespannt.

In diesem Lager geht es nicht um große, ideale Ziel jegungen, nicht um staatspolitische Ideen. Das Ziel der

Zwischen beiden fällt die Entscheidung. Zu einer der beiden Fronten gehört jeder Mann und jede Frau in Deutschland  . Am Sonntag gilt es das offene Bekenntnis, zu welcher Front ein jeder steht!

Soll in Deutschland   das Volk herrschen, das die Freiheit und Würde des einzelnen wahrt und die Wirtschaft den Be­dürfnissen des Staates und des Boltes unterwirft, oder ein von turzsichtigen, ideenlosen, in wirtschaftsapparat, der brutalem Besizegoismus befangenen Männern geführt wird, und den Menschen, seine Freiheit und Würde in den Staub Mit dem Bolf, den Arbeiterorganisationen für Otto Braun  !

tritt?

Wer ist Jarres?

1915-1923.

Von einem Reichspräsidenten muß man ver­langen, daß er einen sicheren Blick für das Mögliche und in allen Lagen ein fühl abwägendes Urteil hat. Er muß es ver stehen, ausgleichend zu wirken und darf feinen Extremen zu neigen, wenn das Land vor schweren Erschütterungen bewahrt bleiben soll. Hat Jarres diese Eigenschaften?

Als im Jahre 1923 der passive Widerstand an der Ruhr zusammenbrach und Deutschland   am Ende seiner Kraft mar, verlor Jarres den Kopf. Er war bereit, das Rhein­land preiszugeben, er sah keinen anderen Ausweg als die voge Hoffnung auf einen zukünftigen Krieg. Alle maßgebenden Bolitiker waren entsetzt über die damalige Haltung des jetzigen Reichspräsidentenkandidaten des Rechtsblods. Herr Jarres selbst ist über seine damalige Haltung heute derart entsetzt, daß er fie, als man daran erinnerte, zunächst verleugnen wollte und später durch unwürdige Manöver den Grad seiner Berantwortlichkeit für den verantwortungslosen Borschlag ab­zuschwächen versuchte. Er sieht heute selbst ein, daß 1923 das furchtbarste unheil angerichtet worden wäre, menn er der maßgebende Mann gewesen wäre.

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Die Schwerindustrie ist a national. Ihr Gesichtskreis beschränkt sich auf das Gebiet ihrer engsten Konzernintereffen. Sie versteht nicht mit großen Bolfsfräften, nicht mit 3deen zu rechnen. Ihre Kurzfichtigkeit, ihre Anationalität hat den Aber Jarres hat schon früher einmal bewiesen, daß ihm deutschen   Staat in schwersten Beiten in größte Gefahr ge­bracht. Mit einem Maß von politischer Kurzsichtigkeit, das in der Politik jeder Blick für das Mögliche fehlt. Das war nicht übertroffen werden kann, hat sie im Weltkrieg das be im Jahre 1915, als die Altdeutschen in maßloser rüchtigte Annexionsprogramm der sieben Verbände vertreten. Ueberschäßung der Lage Deutschlands   die Reichsregierung mit Sie verstand es nicht, daß ein Volksfrieg, der ganz Europa   über annegionistischen Forderungen bestürmten. umfaßt und von den Massen der Völker getragen war, nicht Unter einer dieser Adressen, die von tausend deutschen geführt werden konnte um die Konkurrenzintereffen einiger Männern" unterzeichnet war, findet man auch den Namen meniger schwerindustrieller Konzerne. Was Ludendorff auf des Herrn Dr. Jarres. Jarres wollte Belgien  , Jarres wollte dem Gebiete der Kriegführung im Weltfriege war, mit seinem Nordfrankreich bis zur Somme, Jarres wollte Ostfrankreich fehlenden Verständnis für das politische und geistige Leben bis zur Maaslinie, Jarres wollte die Erzgebiete von Langwn im Bolke, ohne Organ für die Boraussetzungen eines Bolts- und Brien, Jarres wollte weite Landwirtschaftsgebiete Ruß­frieges, das war die Schwerindustrie auf wirtschaftlichem und lands usw. annettieren. Wer will heute noch bezweifeln, daß politischem Gebiete während des Krieges. Sie hat den Krieg daß Treiben der Annexionisten unheilvoll auf die Haltung der als Geschäft aufgefaßt. Sie hat die Notwendigkeiten der tech- kaiserlichen Regierung eingewirkt hat und daß ihre Blindheit nischen Kriegführung benutzt, um eine wirtschaftliche Er mit ein Grund für den späteren Zusammenbruch ge­presserpolitik gegenüber dem Staate zu betreiben Sie wefen ist? Jarres gehörte zu den nationalistischen Heißspornen da­hat als Munitionslieferantin die Eisen- und Stahl­preise in einer Weife in die Höhe getrieben, daß die Fi- mals wie im Jahre 1923. Er hat beidemal das vertreten, was nanzen des Staates in Unordnung geraten mußten. Sie hat nach Ansicht der einsichtigen Bolitiker das Verkehrteste war, die Preissteigerungen in Deutschland   herbeigeführt, die am was man tun tonnte. Beide Male hat die Geschichte ihm un­Beginn des verhängnisvollen Inflationsprozesses stand. Sie recht gegeben. Beide Male hat er die Eigenschaften gezeigt, die hat die Oberste Heeresleitung zur Ausraubung Bel einem Bande zum Verderben gereichen müssen, wenn fic giens getrieben und damit dazu beigetragen, daß bie Muss ein Mann an verantwortungsnoller Stelle besitzt

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