Abendausgabe
Ne. 15342. Jahrgang Ausgabe B Nr. 76
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5 Pfennig
Dienstag
31. März 1925
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Massenunglück bei der Reichswehr .
Eine Pontonbrücke eingestürzt.- Hundert Soldaten ertrunken.
Detmold , 31 März.( WTB.) An der Oberweser zwischen| präsidenten am 26. April zum Siege zu verhelfen, mit allen Kräften Beltheim und der Stadt Hausberge fand heute morgen eine große festhalten. Er kann den Manövern der Linksparteien mit voller Felddienstübung der Reichswehr statt. Im Verlaufe Ruhe entgegensehen." biefer militärischen Uebung ereignete sich ein schredliches Massenunglüd. Eine von den pionieren über die Wefer gebaute Brücke stürzte gerade in dem Augenblid ein, ais fie von großen Truppenverbänden passiert wurde. Die Set daten, die in vollkommen feldmarschmäßiger Ausrüstung waren, türzten ins Wasser und sind fast sämtlich erfrunten. Die Zahl der Opfer wird in den ersten Meldungen auf fünfzig bis hundert geschätzt. Nähere Mitteilungen fehlen bis zur
Stunde.
Das Wahlergebnis im Reich. Endgültige Zahlen.
Nachdem nunmehr beim Reichswahlleiter die Ziffern aus ben noch fehlenden fleinen Wahlbezirken eingelaufen sind, stellt sich das vorläufige amtliche Wahlergebnis der Reichspräsidentenwahl wie folgt:
Abgegebene gültige Stimmen: 26 856 002.
Braun
Held
Hellpach
Jarres
Ludendorff Μπατε Thälmann
Zersplittert
7.798 346 1006 790 1567 197 10 408 365
281 975 3 884 877 1 871 207 34 245
Die endgültigen Ziffern bringen nur verhältnismäßig geringe Verschiebungen gegenüber den gestern veröffentlichten porläufigen Zählungen.
Zusammentritt des Parteiausschusses. Der Sozialdemokratische Parteiausschuß tritt am Donnerstag, den 2. April, nachmittags 3 Uhr zu einer gemeine famen Tagung mit der Reichstagsfraktion im Reichstage zu fammen.
Marx wieder Kandidat. Beschluß des Zentrums.
Der Reichsparteivorstand des 3entrums trat heute mittag im Landtag zusammen und beschloß einstimmig, für den zweiten Wahlgang den preußischen Ministerpräsidenten Marg als Präsidentschaftskandidaten wieder aufzustellen. Cine besondere& cmmission wurde eingesetzt, die die Wahlarbeilen zu
leiten hat.
Landtagsauflösung?
Im Preußischen Landtage sind heute vormittag um 11 Uhr fämtliche Fraktionen zusammengetreten, um zu der politischen Lage Stellung zu nehmen. Der Aeltestenrat wird sich um 1 Uhr versammeln, um darüber zu beraten, ob die für heute vorgesehene Wahl des Ministerpräsidenten bis nach erfolgter Reichspräsidentenwahl vertagt werden soll. Ferner wird er die Frage erörtern, ob eine Auflösung des Landtags schon in dieser Woche erfolgen soll, damit die Neuwahl gegebenenfalls schon am 26. April gleichzeitig mit der Reichspräsidentenwahl erfolgen fann.
Die Sorgen der andern.
Die Angst vor der republikanischen Kandidatur. Das Studium der Rechtspresse nach dem Wahlreinfall gewährt ein seltenes Vergnügen. Mit Statistiken fann man bekanntlich vieles, manchmal sogar alles beweisen. Aber das sezt doch voraus, daß die Statistiken nicht nach ge prüft werden können. Leider besteht eine solche Möglichkeit bei den Wahlergebnissen aber doch. So wird denn wohl die Rechtspresse ihre Bersuche, Herrn Jarres als den Mann hinzustellen, der sogar noch Stimmen gewonnen habe, bald aufgeben. Sie ist überhaupt in diesem Punkte bis auf einige Ausnahmen etwas schweigsam. Nur die 3eit" ist nach mie vor von offiziösem Stresemann - Optimismus erfüllt und schimpft fürchterlich auf die Intrigen gegen die Kandidatur Jarres. Sie tut so, als ob sie damit die Linke meint, fie will aber natürlich die Kreise treffen, die im Rechtsblod etwas nüchtern mit dem Rechenstift in der Hand zu dem Ergebnis gefommen sind, daß Jarres das Rennen nicht machen wird. Die Beit" versichert, daß der Rechtsblock unier allen Umständen an der Kandidatur Jarres festhalten" werde, daß man nicht im entferntesten daran denke, die ,, im ersten Wahlgang so glänzend bewährte Kandidatur Jarres zugunsten irgendeiner anderen ganz unsicheren Kombination aufzugeben". Wahrscheinlich kommt das daher, weil die Trauben einer anderen Kombination" ein wenig zu hoch hängen. Daß die Strategen des Rechtsblocks eine andere Sombination sehr ernsthaft überlegen, zeigt der ,, Lokal- Anzeiger", der berichtet:
"
" Heute wird auch der Reichsblock zusammentreten, um über die Lage zu beraten. Er wird die Ergebnisse des ersten Wahlganges mit größter Sorgfalt nachprüfen und selbstverständlich an dem Verfuch. Jeinem Gedanken der Ueberparteilichkeit für die Wahl des Reichs.
Es ist zu Ende.
Der Zusammenbruch der Kommunistischen Partei. Die Position der Kommunistischen Partei in der Arbeiterschaft ist endgültig erschüttert. In ihren stärksten Bezirken bricht sie zusammen. Seit dem 4. Mai 1924 hat sie eine Niederlage erlitten, von der es teine Erholung mehr gibt. Die Ziffern des Wahlergebnisses sprechen so laut, daß sie keiner überhören kann.
,, Bedeuten diese Ziffern, daß der Einfluß der KPD. auf die Arbeiterschaft zurückgegangen ist, während der Einfluß der SPD. verhältnismäßig zugenommen hat? haben wir also eine Niederlage erlitten? Selbstverständlich wird niemand leugnen, daß unsere Stimmenzahl gegenüber dem 7. Dezember unbefriedigend ist. Aber ebenso verkehrt wäre die Auffassung, daß unser Stimmenverlust eine Erschütterung der fommunistischen Position im Proletariat darstelle. Es ist Pflicht unserer Genossen, allen Berdrehungen der Tatichen in dieser Beziehung energisch entgegenzutreten."
Um so größer sind die Sorgen, die sich die bedauernswerten Rechtsblockmänner um die Taktik der republika= In der„ Roten Fahne" bemüht sich trotzdem Herr nischen Parteien machen. Mit Bergnügen sieht man die Arthur Rosenberg , das niederschmetternde Ergebnis der Leitartikler der Hugenberg- Presse sich in sozialdemo- Wahl für die Kommunisten zu beschönigen. Er schreibt: fratische Parteiftrategen verwandeln, die aus ihrer tiefen Kenntnis und ihrem großen Verständnis für die Sozialdemokratie heraus die einzig richtigen Schlüsse für unsere kommende Haltung ziehen. Man wird wirklich die Herrschaften bitten müssen, in Zukunft an den Beratungen fozialdemokratischer Parteiausschüsse teilzunehmen. Wer könnte es verantworten, so viel Wohlwollen und so viel gute Ratschläge unbeachtet zu lassen. Die schwarzweißrote Deutsche Beitung" ist allerdings schon wieder etwas giftig geworden. Sie phantasiert vom, Kuhhandel der Linken". Das Wort, uh handel" lag ihr sicher besonders nahe, weil sie die Erinnerung an die vierzehntägigen Verhandlungen des Loebell- Ausschusses noch nicht ganz verloren hatte. Wir fürchten nur, daß die sorgenvolle Anteilnahme der Rechten an unserem Wohlergehen sich sehr bald in schmerzliche Enttäuschung verwandeln wird, wenn Herr Dr. Jarres sich einem republikanischen Kandidaten gegen übersehen wird.
Es wäre beffer gewesen, die Kommunisten hätten das Wahlergebnis nicht durch einen Privatdozenten für alte Geschichte, sondern durch einen Statistiter mit politischem Fingerspitzengefühl würdigen lassen, durch einen Statistiker, der den Tatsachen ruhig ins Auge sieht und sich nicht vor ihnen scheut, selbst wenn sie eine harte, brutale, niederschmetternde Sprache sprechen. Nicht Illusion sondern Die Germania " trift heute morgen in einem Leitartikel realistische Ansch au um g gebührt diesem Wahlergebnis offiziell für Marr ein. Sie sieht in dieser Kandidatur eine so wie es Sinowjew in Mostau in seiner letzten Rede, die Garantie der Fortführung der bisherigen deutschen Politik. eine Absage an die Weltrevolution war, proklamiert hat. Sie meint, daß die verfassungstreuen Parteien keine Lust haben, sich der Zumutung zu unterwerfen ,,, in einer Staatsferm auf Abbruch zu leben". Sie erteilt noch einmal der Kandidatur Jarres eine unzweideutige Ablehnung:
„ Das Zentrum fühlte offenbar, was es hieße, einen Präfidenten zu Türen, der nicht nur persönlich zum Verfassungswerk von Weimar ein froffiges Berhältnis hat, sondern dem seine bis zu den Wotansanbefern reichende Anhängerschaft direkt zumutet, die demokratische und republikanische Verfaffung als ein vorübergehendes Interim zu behandeln und darüber hinaus die mit schwerer Mühe dem nationalen Leben gewonnene Sozialdemokratie nach Bismarckischen Rezepten als den inneren Feind zu betrachten und zu behandeln. In dem Begriff allein des„ nationalen" Lagers, der alles, was nicht zu ihm gehört und gehören fann, als bewußt paterlandsfeindlich in Verruf zu bringen sucht und mit dem Kainszeichen der internationalen Staatsfeindlichkeit stempelt: in ihm allein liegt schon eine nationalen Staatsfeindlichkeit stempelt: in ihm allein liegt schon eine ungeheuerliche Ueberhebung, ja eine Art Bürgerkriegsstimmung."
Die Germania " tommt vielmehr zu dem Ergebnis, daß auch ein den Reihen des Zentrums entnommener republika nischer Sammeltandidat der Sozialdemokratie an nehmbar fein muß. Die Sozialdemokratie fönne mit Recht verlangen,
„ daß der bürgerliche Kandidát, dem die Repräsentanz der deutschen Nation für die nächsten sieben Jahre übertragen wird und von dessen Haltung die Eingliederung des Reiches unter die wegweisenden Demokratien Europas und des Planeten wesentlich abhängt, fein Klassenfämpfer von oben, fein unverföhnlicher Wirtschaftsmonopoliſt ſei; daß er den Willen zur Harmonisierung der natürlichen Gegenfäße innerhalb der bürgerlich- fapitalistischen Welt habe; daß er den Aufstieg aller Begabten aus dem Volte in Aemter und Würden bei der ihm verfassungsrechtlich zustehenden Aemterpatronage nicht hemmen werde; daß er nicht daran denke, dem Moloch des überlieferten obrigkeitlichen Bureaukratendünfels zu opfern; daß er, vor allem, der geschworene Feind aller außenpolitischen 3llufionspolitik fei und den Willen zur Versöhnung unter den europäischen Bölkern um der Rettung des Erdteils willen nicht bloß als Lippenbekenntnis betäti
gen werde.
Jedenfalls werden die nächsten Tage sicher bereits eine Entscheidung bringen und bei aller Anerkennung für die liebenswürdige Fürsorge, die die Rechtsblockpresse für das Wohlergehen der Sozialdemokratie an den Tag legt, erfcheirt es taum wahrscheinlich, daß die einzige Hoffnung der Rechten, die Hoffnung auf eine angebliche Verwirrung der Linksparteien in Erfüllung gehen könnte.
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Haben die Kommunisten eine Niederlage erlitten? Ist ihre Position im Proletariat erschüttert? Bir antworten darauf zur Belehrung der tommunistischen Arbeiter der Roten Fahne" nicht mit allge meinen Deflamationen, sandern mit statistisch feststehenden Tatsachen. Wir prüfen die Entwicklung der Sozialdemokratie und der Kommunistischen Partei vom 4. Mai über den 7. Dezember bis zum 29. März in folgenden Bezirken: GroßBerlin( Wahlkreis Stadt Berlin , Potsdam I, Botsdam II) Hamburg , Mitteldeutschland ( Wahlkreis Halle Merseburg), Westliches Industrierenier( Wahlkreis Westfalen- Süd, Westfalen- Nord , Düsseldorf - West, Düsseldorf Ost). Das sind die Bezirke, in deren die industrielle Arbeiter schaft dicht gedrängt wohnt. Das waren zur Zeit der Maiwahlen, als die Arbeiterschaft noch unter dem Eindruck der. Inflationsverzweiflung stand, die Hochburgen der Kommunist en. Dort war der Siz der radikalen linken Kommunisten. Von dort aus eroberten sie die Zentrale der Kommunistischen Partei. Von dort aus kam der Ruf nach der Bolschemisierung der Kommunistischen Partei.
Welche Entwicklung hat sich in diesen Bezirken vollzogen? Wir geben zunächst eine Zahlenzusammenstellung für GroßBerlin:
Groß- Berlin.
Berlin Stadt, Potsdam I, Potsdam II 4. Mai 7. Dezember 578 689 887 060 20 30 471 512 18
Sozialdemokraten Prozent der Gesamtstimmen kommuniffen
Prozent der Gesamtstimmen Die Sozialdemokratie gewann: 58 497 vom 7. Dez. bis 29. März vom 4. Mai bis 29. März 366 868
29. März 945547 34 349 489 12 Die Kommunisten verloren:
432 176 15
82 687 122 023
Die Sozialdemokratie hat seit dem 4. Mai in Groß- Berlin dreimal soviel Stimmen gewonnen wie die Kommunisten verloren haben. Die Steigerung ihres Anteils an der Gesamtstimmenzahl von 20 Proz. auf 34 Proz. zeigt, daß sie die Massenpartei der Ar. beiterschaft ist. Das Proletariat der Reichshauptstadt. folgt ihren Fahnen. Diese Entwicklung vollzieht sich am Siz der kommunistischen Zentrale, im Gebiet einer tommunistischen Parteiorganisation, die sich selbst für eine der besten und schlagfertigsten hält. Diese Zahlen zeigen aber auch noch ein weiteres: Wieder ein Landesverratsprozeß. Rechnet man die Anteile der sozialdemokratischen und der kom munistischen Stimmen an der Gesamtstimmenzahl zusammen, Buchthaus für einen polnisch deutschen Arbeiter. so ergibt sich, daß trcz des Rückganges des kommunistischen Breslau , 21. März.( WTB) Der 1. Straffenat tes Breslauer Anteils von 18 Proz. auf 12 Proz. der Anteil beider zusammenOberlandesgerichts verurteilte ben 46jährigen Grubenhäuer gerechnet, Don 38 Bros. auf 46 Broz. gestiegen ist. Die Beter Pronobis aus Beuthen ( Oberschlesien ) wegen versuchten Sozialdemokratie, die Massenpartei der Ar Landesverrets unter Ausschluß mildernder Umstände zu drei beiterschaft, steigert den politischen Einfluß Jahren Zuchthaus, fünf Jahren Ehrverlust und Zulässigkeit der Arbeiterschaft in raschem Tempo. Don Stellung unter Polizeiaufsicht. Der Angeklagte, der deutscher Aehnlich wie in Groß- Berlin liegen die Verhältnisse in Staatsangehöriger ist, war im polnischen Konsulat in Beuthen stän- Hamburg und in Mitteldeutschland . Dafür geben diger Gaft. Er hatte angeblich in wiederholten Fällen Kollegen anwerben wollen, um für das polnische Konsulat wichtige mili. tärische Nachrichten zu schaffen, deren Geheimhaltung im werben wollen, um für das polnische Konfulat wichtige mili. Interesse des Deutschen Reiches lag.
find folgendermaßen befeßt: Ministerpräsident: Tulenheimo( fonDas neue finnishe kabirett ift gebildet worden. Die Hauptposten fervativ): Aeußeres: 3dman; Verteidigung:& ampen; Finanzen: Relander. Dem Kabinett gehören an fünf Mitglieder der Koalition, fünf Agrarier und drei Bareilose.
wir die folgenden beiden Tabellen:
Diese großen industriellen Bezirke bildeten das Rückgrat der Kommunistischen Partei. Sie waren ihre Hoffnung. Dort arbeitete ihr Organisationsapparat fieberhaft. Dorthin entsandte sie ihre besten Organisatoren und Agitatoren. Die Niederlage der Kommunisten in diesen Bezirken ist entscheidende Niederlage für die Gesamtpartei. Wer Tatsachen fehen und zur Grundlage seines Urteils machen will, muß die Entwidlung in diesen Bezirken nachprüfen.