Die Berlin «? Bartsigenoffenschaft beging gestern Ferdinand Lassalles hundertsten Geburtstag durch eine erhebende Feier im Großen Schauspielhaus. Ein Orgelpräludium leitete stiinmung». voll über zu dem alten Kampsgedicht der Arbeiterschaft, zum.Bei' und arbeite*, das Georg Herwegh dem von Lassalle gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein als Vundeslied dichtete, und das Heinrich Witte vom Staatstheater meisterhaft vortrug. Däh. rsnddesien erschien im Hintergründe der noch verdunkelten Bühne das in Schwarz-Weih-Maleret skizzenhaft einfach gemalte Bildnis Lassalles. Beethovens ernste Egmont-Ouvertüre.vom Sinfonie« Orckester unter Dr. HeinzUngers Leitung gespielt, folgte. Dann hgichnete Reichstagsabgeordneter Genosse heiarich Ströbel das Bild des großen Toten. Er zog eine Parallele zwischen Marx und Ferdinand Lassalle : er zeigt«, wie sich der Entwick- lungsgang bei unserem größten Theoretiker, bei Karl Marx , grab- linig, in ruhiger, abgeklärter Gelehrtenarbeit vollzog, wahrend da» Werden Lastalles verschlungene Wege gmg, die sich oft bi» zum chaotischen Durch« und Nebeneinander verwickelten. Sein frühreifer Genius ließ in ihm den Glauben erstehen, ein neuer Befreier des Judentums zu fern. Aber bald erkannte er. daß nicht die Be- freiung eines einzelnen Volks stamme-, sondern die geistige, sittliche und materielle Höherstellung des gesamten Proletariat» nötig sei. Maßlos ehrgeizig, selbstbewußt, aber edel und gut. gab es für den jungen Juden aus Breslau nichts, wae «r nicht übernahm und was er nicht durchführte. Seine großen Zeit- genossen verstanden nicht, daß er viele Jahre seine» kurzen Lebens iür den Rechtsstreft der Gräfin Hatzfeld opferte. Für Lassalle war dieser Rechtsstrett mehr als ein Prozeß: Es war ein Kampf gegen de« Zeudallsmn». gegen das Junkertum, dessen unheilvollen Einfluß auf die Geschicke Preußens Lassalle danials schon erkannt hatte. Die Rechtsgegner in diesem Streft um da« Privateigentum der Gräfin wurden zu seinen politischen Gegnern: Lassalle gewann diesen Riesenkampf trotz der persönlichen Schmähungen seiner Widersacher. Dieser Kampf lähmte die direkte polftische Tätigkeit Lassalles. Sobald er aber frei war, ging er mit Feuereifer daran, den Widerstand gegen die preu- hische Regierung zu organisieren. Lassalle sah den Kampf des liberalen Bürgertums gegen die Krone, und er riet ihm zu den schärfsten Mitteln. Aber schwach und unentschlossen, wie das Bürger- tum schon damals war, versagte es Lassalle die Gefolgschaft. Ströbel verstand es, den Zuhörern ein klares Bild der Befreiungsarbeft Lassalles für da» Proletariat zu geben. Im Vordergrund der reo».
lutionäre» Tättgkeft stand bei Lassalle die Erkenntnis, daß die wirt- schastlichen Verhältnisse ausschlaggebend für die Gestallung der poli« tischen Lage und des polftischen Einflusses der Arbeiterklasse sei. Diese bis dahin kaum ausgesprochene Erkenntnis veranlaßte ihit. von einem besonderen Klasseninteresse des Proletariats zu sprechen, das dem Klasseninteresse der Regierenden entgegengestellt werden müsse. Das war für die damalige Zeft eine unerhörte revolutionäre Tat. Die Konsequenz seiner Gedankengänge fuhrt« den jungen Lassalle dazu, im Proletariat die gewaltige, Völker- und staats- umwälzende Macht zu erkennen, die nur allein in der Lage fei, die Reaktion zu befestigen. So wurde er zu dem eigentlichen Gründer der sozialistischen Arbeilerbeweguug in Deutschland , der die Arbeiter lehrte, sich auf sich selbst zu verlassen, eine eigene Klassenpolftik zu treiben und eine eigene Klassenkultur zu pflegen. Nach einem Ueberblick über das ungeheure geistige Schassen Lossalles als Schriftsteller betonte der Redner, daß Lassalles Schrif- ten noch heut« durch den Glanz ihrer Sprache und ihre auf- rüttelnde Werbekraft an erster Stelle in der sozialistischen Literatur stehen.— Im letzten Teil seiner Gedenkrede ging Genosse Ströbel auf Lassalles Bedeutung als Revolutionär ein. Lassalle kannte sich selbst zu genau, als daß er nicht gewußt hätte, daß Borwärtsdränger, wie er einer war. an ihren eigenen taktischen Fehlern scheitern würden. Das hat er in seherischer Weise in seinem Drama„Franz von Sickingen * geschildert. Trotz- dem danken wir dem Revolutionär Lassalle die Organisation der Arbefterkläfle. Und wenn wir heute ungleich größere, umfassendere Aufgaben als ein Test de» Weltproletariats haben, so wollen wir diese Aufgaben im Geiste Ferdinand Lassalles lösen. Karl E b e rt vom Staatstheater las aus den Werken Lassalles, aus seinen Briefen und Reden. Man hörte die Anklage Lassolles gegen die .verdammte Bedürsnislosigkeft* der Arbester, die sie hindere, ihre Klassenlage zu erkennen. Cbert brachte aber auch die Derteidigungs- rede des angeklagten Revolutionärs zu Gehör, die sich dagegen wandte, daß er Revolutionen.gemacht haben sollte. Es war, als ob Lassalle damals schon vor(50, 70 Iahren die Argumente der heutigen honetten Gesellschaft und die Tättgkeft der Berussbolschewisten von beute geißeln wollte. Nun erklang Beethovens Eroika-Sinfonie. die dieser Größte im Reiche der Musik.zur Feier des Andenkens eines großen Mannes* komponiert hat. Gewaltig strebten die Klänge st» den weiten Raum, als eine Heldensinfonie, die Kraft und die Tat eines Freiheftshelden zu feiern. Der Sprechchor ließ das von ihm vorgetragene Chorwerk in den gemeinsamen Gesang der Mar- s e i l l a i s e ausklingen. Voller Begeisterung sangen die Tausende Feiernder mit, vor sich den leuchtendroten Sonnenaufgang einer neuen, besseren Zeit, wie sie das Flammenfanal Lassalle ge- sehen hatte.
Hege« öle Schäüea öe» flltohollsnmsl Eine Reche führender Parteigenossen veröffentlicht folgenden Ausruf: .Wieder reckt sich der«lkoholismus drohend empor. Längst sind die günstigen Folgen der Alkoholtnapobeft. die die Kriegsjahre brachten, verflogen. Mft dem wicher reichlich fließenden Alkohol ergießt sich eine neue Flut von Unglück, Siechtum und Bersimpelung d, das Voll. Die Arbeiterklasse leidet unter dem Alkohol!». inus am schwersten. Denn die drückenden Sorgen de» Alltag», da» ewige Einerlei der Arbeftsfron. die Einsörmigkeft der Stahrung, die vede der dürftigen Wohnung, kurz, die proletarischen Ledensverhält- nisse trechen viele Arbester ins Wirtshaus, in die Alkoholbetäubung her, ihr an sich schon geschwächter Organismus nur wenig Wider. flu ich leisten kann. Aber so eng der Wohosismu» mft der geistigen und leiblichen Not der Massen zusammenhängt, so notwendig ist seine Bekämpfung schon jetzt.— trotz aller Hemmungen der Gegenwart. Die Arbefterklasse braucht alle ihre Kraft für den wirtschaftlichen und polftischen Kampf, sie darf ihren Kulturwillen. ihren Bildungsdrang, ihr Streben nach edleren Lebensformen niemals abstumpfen. Sie muß gerade jetzt, wo die Reaktion an- stürmt, alles von sich fernhallen, was Ausdauer und Besonnenheft zu lähmen, Urtell und Gefühl zu trüben vermag. Well der Alkohol diese Wirkungen aueübt. muß ,hn die sozialistisch« Arbeiterschaft als ihren Feind betrachtenl An dem Alkoholgenuß der Massen ist nur ein profitgieriger Kapitalismus und ein» herrschsüchtige Reaktion interessiert. Wir. die wir wollen, daß eine geistig und sittlich starke Arbeiterschaft eine höhere Kultur aufbaut, wir Sozialisten müssen die Alkoholnarkose verabscheuen und mit Wort und Tat ihr ent- gegenwirken. Do» dieser Ueberzeugung durchdrungen, hat die Sozialdemokratie auf chren Parteitagen wiederholt auf die Altoholgefahr warnend hingewiesen und Wege zur Ein- dämmung des Llkoholismu» gezeigt. Auch der letzte Partestag bat «ine Emschlietzung angenommen, worw die Notwendigkeit gesetzlicher Maßnahmen und großzügiger Aufklärung durch Wort und Bild betont wird. Diese Beschlüsse gilt es durchzuführen Genoffen! In dieser Zeit steigenden Alkoholverbrauchs rufen wir Euch zu: Hallet den Altohol fern von Euren Sitzungen. Dersamm- lunge» und Kundgebungen! Schafft alkoholfreie Bolkshäuserund Jugendheime! Verringert d, e T r i n k, gelegenheiten wo Ihr könnt! Berdreitet immer wieder Ausklärung über die großen Schäden de» Alkoholismus ! Unterstützt las Wert de» Arbeiter- Ab st inenten-Bunde», der seft Jahrzehnten tapfer gegen die Trinksitten ankämpft!* tore Agnes. Clara Bohm-Lchuch. Dr. Alfred sraualnal. Prof. Groljahn. Dr. Paul hoch. Gustav hoch. Otto Zensseu. Marie Zvchacz. Paul Löbe . Dr. Kurt Löweuflei». loui Pfülf. Dr. Rabbruch. C. Schreck. Tool Send«. W, Sollmanv. Dr. Hildegard Wegscheidel. Rud. Wissel!. Mathilde Wurm . Wer hat Schuld? Degen Unterschlagung wurde der 45 Jahre alle Oberpostsekretär Ernst Lehmann au» der Gabelsbergerstraße verholtet. Lehmann war auf dem Postamt 112 angestellt und verwaftete dort di« Zeitungsstelle. Auf seine Fürsprache hin wurde auch SIN«nt- fernler Verwandter von ihm. ein gewisser Willy Münk«, in den Postdienst aufgenommen. Münk« verkehrte auch in der Familie seines Gönners und knüpft« zum Dank für das ihm bewiesen« Wohl- wollen mit seiner Frau, di« au» einer Pastorenfamilie Mittel- deutschlands stammt, ein Liebesverhältnis an. Seitdem schmückte sich di« Frau noch mehr, als sie es sonst schon getan hatte. Ihr Auf- wand brachte Lehmann dahin, daß er wiederHoll kleine Be» träge von 2 bis 1t> M. unterschlug, um sie zusriedenstellen zu können. Zu spät erfuhr er. daß die Frau sich nicht für ihn, sondern für«inen anderen geschmückt hatte. Seine Deruntreuunaen. im ganzen 85 Fälle, kamen ans Licht, und er wurde verhastet. Jetzt zog sich Münk« auch von seiner Frau mehr und mehr zurück, nachdem er sie früher wiederholt angeborgt hafte. Al« sie erfuhr, daß er seine Neigung einer Artistin schenkt«, machte sie die An- zeig«, daß Münk« ähnlich« Veruntreuungen begangen habe wie ihr Mann. Der Beschuldigte wurde auch zur Red« gestellt, aber wieder enttassen. weil ihm nichts nachzuweisen war. Au» dem Post» dienst aber wurde er entfernt. Der schwer getäuscht« und betrogen« Oberpostsekretär hat die Scheidungsklage angestrengt und gegen Munke Strafontrag wegen Ehebruchs gestellt. Ein Kellerbrand beschäftigte gestern abend die Feuerwehr in dem Hause Reisstraße 1«. Dort war das Seifenlager de« Seifenhändler» Max Krause auf bisher unaufgeklärte Weife in Brand geraten. Der Sachschaden ist gering. vootsunglück am Möggelschlößchen. Auf der Spree kenterte am 10. April mittag» vor dem Lokal MLggelschlößchen infolge de, hohe» Wellenganges et» Paddelboat. Die beide« Insasse», der
Kaufmann Fritz Holz au» Charlottenburg und dessen Braut Friedet Braekow fielen ins Wasser. Holz konnte sich durch Schwimmen über Wasser halten und wurde von dem Führer des Motorbootes»Venus* der Reederei Müller in Erkner gerellet. wäh» rend Fräulein Braekow in den Fluten versank. Ihre Leiche tonnte noch nicht geborgen werden. das verbrechen eines kotainlstea! Ein merkwürdiger Krimiaalfall. Zwischen Stockholm und Upsala befindet sich das kleine Städtchen Hammarby . Am 1. Dezember 1912 abends wurden di« Haus- genossen des Apothekers Halber�son durch dessen Schrei:»Hier ist ein Wahnsinniger* plötzlich ausgeschreckt. Kaum hatte Frau Halbergson ihren Mann, mtt einem Revolver in der einen und einer leeren Flasche in der anderen Hand, aus sie hintaumelnd er» blickt, al» er schon umfiel und verstarb. Das muttge 17jährige Kinderfräulei» Treten Larsen stürzte in die Zlpothete und stieß auf einen Unbekannten, der gegen sie«in Mesier zückt«. Auf ihr ab- wehrende» Schreien ließ der Unbekannte von ihr ab und lief davon. Es fehlte jede Spur von ihm. Die Besichtigung des Tatortes ergab, daß die Kasse unberührt geblieben war. Dagegen wurde eine ab- gebrochene Messerspitze in dem Gistschrank gefunden. Der Revolver in der Hand des Getöteten gehörte dem Mörder. Der Apotheker hatte ihm denselben entwunden. Der Tod war durch einen Messerstich verursacht. Ganz Schweden geriet in Ausregung. Ein Mord in diesem Lande gehörte in der Dortriegszeft zu einer außerordentlichen Seltenheit. Wer konnte der Täter gewesen sein? Ein Schwede? Unmöglich! Ein paar Tage darauf wurden zwei Italiener Giakonelli und Valento festgenommen. Dalento gestand den Mord. Die Todesstrafe schien unausbleiblich. Da nahm sich der berühmt« Staatsanwalt und Advokat Akselkarlson der Sache an. Ihm(chion da etwas nicht zu stimmen. Es gab zuviel Wider- sprüch«. Und er trug den Sieg davon: Es gelang ihm, den Nach- weis zu führen, daß der Italiener sich fälschlicherweise be- z ich t igt hatte. Dieser gab es schließlich auch zu. Beide Der- hafteten wurden auf freien Fuß gesetzt. Wer war aber nun der Mörder? Seftdem sind zwölf Jahre ins Land gegangen und plötzlich ist der Fall wieder aktuell geworden. Etwa vor einem Monat ist in Schweden von dem Universitätsrettor Dr. Wedermann ein Buch er- schienen, in dem er in der umständlichsten Weise den Nachweis zu führen versucht, daß der Mord des Apothekers das Werk eines in Schweden gut bekannten Arztes Dr.- D a l e n gewesen sei. Was be- hauptet nun Dr. Wedermann? Dr. Daten war vor zwölf Iahren Arzt in einem nahe der Apotheke gelegenen Hospital. Als exzessiver Kotainist war Dr. Dalen häufiger Gast in der Apatheke, wo er sich sein Narkotikum hotte. Als ober der Apotheker ihm die Derabfolgung des Giftes in den ver- langten Dosen zu oerweigern begann, kam es zwischen den beiden zu Streitigkeiten. Am fraglichen Abend erschien Dr. Dalen, um den gesamten Borrat an Kokain an sich zu nehmen. Dazu mußte er aber erst den Aotheker beseitigen. Deshalb tötete er ihn. So erklärt es sich, daß er dem Apotheker nicht folgte, als letzterer in die Wohnung lief, daß man di« abgebrochen« Spitze de» Messers im Gistschrank fand und daß der Mörder von Fräulein Larsen abließ, als jene Alarm schlug und er sich Überzeugen mußte, daß er doch nicht in den Besitz des Gifte» kommen könne. Soweft Dr. Wedermann. Dr. Dalen ist bereits verhaftet. Freten Larsen ist aber nicht mehr in d« Lag«, nach zwölf Iahren. den Menschen wieder zu erkennen. der am verhängnisvollen Abend das Messer gegen sie erhob. Die Presse behauptet, daß die Behörden damals sicher gewußt hätten, wer der wahr« Schuftige war. Es werden sogar gegen das Justiz- Ministerium Anschuldigungen vorgebraibt. Man geht selbst so well. zu behaupten, daß Urkundenfälschungen vorgekommen seien. Auf das wettere Resultat der Nachforschungen darf man ge- spannt sein. Das eine muß jedoch gesagt werden: Fälle, wo Kokai- nisten, um sich Kokain zu verschaffen, selbst vor Mord nicht zurück- schrecken, sind im allgemeinen äußerst sellen. Ausgeschlossen erscheint es jedoch nicht.
€ine Staöt öurch Erdbeben zerstört. Nach einer Meldung aus Mexiko wird berichtet, daß S o m- b r e r e t«,«in« Stadt von 10 000 Einwohnern im Staat« Zacateca» im Mittelpunkt de» Silbergrubengebietes, fast vollständig durch die Eruptionen benachbarter Bulkane und gleichzeittge, üch etwa zwölfmal wiederholend« Erdstöße z« r st ö r t worden ist. Man dt. daß Hunderte von Menschen ihr Leben verloren haben. Ueber Gebiet ist da» Kriegsrecht verhängt worden. Die genau« Zahl der Toten und Verwundeten wird erst in einigen Tagen festgestellt werden können. Nach einer Meldung aus M« r a n wurde in der O r t l« r- g r u p p« am 8. April ein starker Erdstoß von etwa fünf Sekunde» Dauer verspürt, der von starkem Dröhne» begleitet war.
SewerWbajwbewegung Die presse der Laaöarbeiter. Die freigewerkschaftlich« Organisation der Landarbeiter, der Deutsche Landarbefterverband, gibt neben seinem zweimal monat- lich erscheinenden Derbandsorgan, das eine Auflage von well über 200 000 Exemplaren hat. noch eine Reche allwöchenttich erscheinenber sogenannter Gauzeitungen in den verschiedensten Bezirken des Reich«» heraus. Dtese Gauz�itungen haben sich der Besprechung der mehr lokalen Ereignisse auf dem Lande zu widmen und unter den Kreisen der Landarbefter oll- mählich Derständnis für da« Studium der sozialistischen Tagespresse zu erwecken. Dies« Erziehungsarbeit, deren Erfolg sich bereits bei den letzten Wahlbewegungen sehr deullich offen- bart hat, macht es notwendig, den Gauzeitungen eine stärkere p o- litisch« Not« zu geben, wie sie das Verbandsorgan aufweist. Nach den letzten Feststellungen existieren im Reiche 12 Gau- zeftungen des Deutschen Landarbefterverbandes. Ihre Namen lau- ten:»Brandenburger Landpost*(Provinz Brandenburg),„West- deutsche Landpost*(Westfalen, Hannover und Rheinprovinz ),»Feld und Wald*(Thüringen ),»Der Lnndbote"(Bezirk Halle ),»Schles wig-Holsteinische Landpost*(Sckileswig-Holstein),„Der Landbotc* (Ostpreußen ),»Die Landpost*(Bezirk Magdeburg ).»Der Eilbote* (Bayern ),»Der Landbote*(Schlesien ),„Mecklenburger Landbote* (Mecklenburg ),»Pommerscher Landbote*(Pommern ) und»Süd- deutsche Landpost*(Württemberg ). Die Zahl der Abonnen- ten dieser Gauzeitungen beträgt mehr als 31 000. Diese Angaben lassen erkennen, daß der Deutsche Landarbeiter- verband über eine achtunggebietende Pressemacht verfügt. Er ist aus dem besten Weg«, di« Landarbefter allmählich auch geistig für die Sache des Sozialismus zu gewinnen. Daraus geht hervor, daß sich die Gegner der freigewerkschastlichen Landarbeiterorganisation noch manchen Zahn ausbeißen müssen, bevor es chnen gelingen wird, den vielgehaßten Deutschen Landarbefterverband zu verschlingen. Drohender Streik im Leitergerustbau. Der Tarifvertrag für das Leitergerüstbaugewerbe ist vom Deutschen Berkehrsbund dem Berein der Leitergerüstbaugeschäfte von Berlin und Umgegend am 12. März zum 2S. März 1925 gekündigt worden. Gleichzetlig wurden die neuen Forderungen überreicht. Am 26. März 1925 fand die erste Verhandlung statt. Die Arbeit- geber erklärten, nur über die L o h n f r a g e zu verhandeln. Um zu einer Verständigung zu gelangen, erklärte sich die Lohnkommission der Arbeitnehmer damit«inverstanden und stellte die Forderungen zum Mantcttarif noch zurück. Nach mehrstündiger Verhandlung er- klärten die Arbeitgeber die gleichen Löhne zu zahlen, wie sie im Bau- gewerbe gezahll werden. Darüber hinaus könne man nicht gehen von wegen neuer Inflation, weil da» Gewerbe darunter leide und außerdem die Spitzenorganiiation der Arbeitgeber die Löhne vorschreib«. Die größte Firma im Leitergerüstbau. Altmann-Charlotten- bürg, trat �diesem»billigen* Standpunkt bei. Sollte Herr Altmonn nach zweijähriger stiller Zurückgezogenheft jetzt wieder den Diktator spielen? Bisher waren die Löhne für die Leitergerüst er höher al» die im Baugewerbe. Die Berechtigung der höheren Be- Wertung der Arbeftsleistung ergibt sich aus der schweren und b e- sonder» lebensgefährlichen Arbeit, wie sie in der Auf- stellung der Gerüste an Fassaden, Schornsteinen. Markthallen, Eisen- bahnen und Kirchtürmen liegt. Sachkenntnisse und Vorsicht sind in hohem Maß« erforderlich, um nicht Menschenleben in Gefahr zu bringen und zu vernichten. Di« Arbeftgeber gingen von ihrem Vor- schlag« nicht ab, sondern wünschten di« Einführung der Akkordarbeit, die di« Gefahren noch erheblich steigern müßte. In einer Poller- und Dertrauensmännersitzung sowie anschließenden Dranchenversammlung berichtete Eydow über da« Ergebnis der Derhandlung. In beiden Versammlungen wurde nach eingehenden stürmischen Debatten be- schlössen, das Angebot der Arbeftgeber abzulehnen. Ein größerer Tefl forderte sogar die sofortige Arbettseinstellung. Eine Eni- s ch l i e ß u ng, die die Lrganisotionsieitung und die Lohnkommission beauftragt, nochmal» in Verhandlungen zu treten, um weitere Zugeständnisse zu erzielen, ward gegen eine starte Minder-. Heft angenommen. Di« erneute stundenlange Verhandlung am Mittwoch, den 8. April, führte zu keinem Ergebnis, trotzdem sich die Lohn- kommission der Arbeitnehmer bemuhte, zu einer Verständigung zu gelangen. Die Arbeitgeber gingen vielmehr zur Provokatton über, indem st« anstatt der notwendigen Derbesserungen weitere Ber- schlechterunaen boten. Ein« Versammlung der Arbeiter wird zu dieser Sachlage Stellung nehmen. Es ist damft zu rechnen, daß der Streit im Leftergerüstbau beschlossen wird. Das Washingtoner Abkommen. Za Frankreich Zustimmung. Bei der Beratung de» Haushaltes de» Arbeitsministeriums hat der Arbeitsminister Justin G o d a r t in der Kammer erklärt: Jede Arbeitsregelung kann zu Unzuträglichkeiten führen, die man übrigens nicht übertreiben soll, wenn sie nicht den Charakter einer internationalen Maßnahme trÄjt. Der Vertrag von Versailles hat in seinem Teil XIII zur Erreichung diese» Zieles die Internationale Arbeitskonferenz und das Internationale Arbeitsamt geschaffen. Die Regierung gewährt diesen Einrichtungen ihre vollste Unter- stützung, und ich habe als Arbeitsminister an der Berner Konferenz und am sozialpolftischen Kongreß in Prag teilgenommen. Das Internationale Arbeftsamt, mit dessen Leitung aus Grund einer gemeinsamen Internationalen Uebereinstimmung ein Franzose be- traut wurde, hat dank der Arbeit und der Autorität von Albert Thomas ein große» Werk der internationalen Organisation und de» Frieden» geschaffen, dem ich meine Anerkennung zollen muß. Wir können an seiner Tättgkeft mitwirken, indem wir die dem Senat oder der Kammer vorgelegten Uebereinkommensentwürfe ratifizieren. Sie beziehen sich auf das Verbot der industriellen Nacht- arbeit für Frauen und Kinder, auf die Erwerbslosigkeit, auf das vollständige verbot der Verwendung von Bleiweiß , eines aefürcbteten Giftstoffe», auf die Abschaffung der ungesunden und zwecklosen Brot- fabrikation bei Nacht und aus den Achtstundentag. Ich werde bei den Ausschüssen und den Plenarversammlungen auf eine schnelle Beratung und Abstimmung drängen. Zn England—»feine Möglichkeit". Bei der Erörterung der Konventton über den Achtstundentag im Unterhaus am 9. April betonte Tom Shaw namens der Ar- beiterpartei, Frankreich , Italien und Belgien seien zur Ratifizierung der Konvention bereit, wenn sie auch von den anderen Ländern ratifiziert würde. Der deutsche Reichsarbeitsminister habe erklärt, er beab- sichtige, dem Reichstag die Ratifizierng zu empfehlen. Arbeits- minister Steel Maitland erwiderte, der deutsche Reichsarbeitsminister habe lediglich erklärt, er sei bereit, mit den anderen Staaten zu einer Verständigung bezüglich der Auslegung und Tragweite der Konvention zu gelangen. Tom Show blieb demgegenüber bei seiner Dar- stellung, worauf der Minister erwiderte, Shaw habe vielleicht neuere Informationen al« er selber. In der Praxis passe sich Großbritannien dem Geist der Konoentton an und sei in dieser Frage bis zu einem gewissen Grad« anderen Ländern voraus. Der Minister erklärt« weiter, es sei zu beklagen, daß die K o n v e n- t i on über die Abgrenzung der täglichen Arbeitszeit und der Ueber- stunden so starr sei. Sie scheine kaum berücksichtigt zu haben. daß gewisse Industrie» lontimiierlich arbeiten müßten. Weder die