Abendausgabe
Nr. 17542. Jahrgang Ausgabe B Nr. 86
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Vorwärts
Volksblatt
5 Pfennig
Dienstag
14. April 1925
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Um Herriots Nachfolge.
Briands Aussichten fraglich.
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Unstimmigkeiten im Linksblock.
Paris , 14. Arpil.( Eigener Drahtbericht.) Während„ Ere| wirtschaftlichen Erfordernisse drängten zu einer Lösung. Von den Nouvelle" und das neuerdings in den Besitz von Caillaug überge- in der alten Entente tätigen Kräften arbeite Benesch jetzt auf die gangene„ Deuvre" für ein Kabinett Briand eintreten und die attive Errichtung der Donautonförderation hin. Damit würde Damit würde Beteiligung der Sozialisten an diesem neuen Minifterium fordern, aber nur der alte Herd der Konflikte wieder geschaffen, wie er vor erklärt der„ Quotidien", der die Auffassung des linken Flügels dem Kriege bestand und zum europäischen Bölkerbrand führte. Allein des Kartells wiedergibt, daß Briand nicht darauf Anspruch machen Italien sei dem entgegen und wünsche die kommende gemeinschaftkönne, als ein Vertreter der gegenwärtigen Kammermehrheit zu liche Grenze mit dem Deutschen Reiche statt des Wiederauflebens gelten. Das Kartell, das Herriot mit unwandelbarer Treue gefolgt der alten Habsburger Morarchie in irgendwelcher neuer Form. sei, werde nicht in der Lage sein, Briand mit der gleichen Treue zu Amerika und England ständen dem anzustrebenden Ziel minunterstühen. Das Blatt hält es für ganz ausgeschloffen, daß destens neutral gegenüber. Nun werde es auf die Rührigkeit der Parteiausschuß der sozialistischen Partei sich zugunsten eines Ein- auch im Deutsch - Desterreichischen Volksbund ankommen, um die enttritts der sozialistischen Politiker in ein Kabinett Briand entscheiden gegenstehenden Bestrebungen zu brechen. Deutsch - Dester werde, ja es sei sogar sehr fraglich, ob die sozialistische Partei auch reich muß zum Mutterland Deutschland zurücknur die Politik aktiver Unterstützung Briands gegenüber forffeßen tehren, und das werde um so eher zu erreichen sein, je mehr werde. Das Blatt hält seine Meinung aufrecht, daß der Präsident Deutschland sich von dem Schein imperialistischer Ziele befrete der Republik die politiker des Nationalen Blods, die und als wahrhaft demokratisches, friedliches das Ministerium Herriot gestürzt haben, mit der Bildung des Staatswesen die Achtung und das Vertrauen der übrigen neuen Ministeriums beauftragen müsse. Wenn diese auch Völker gewinne. nicht wagen würden, die Regierung zu übernehmen, so sei es doch andererseits im Interesse der Klärung der Lage notwendig, daß die Unmöglichkeit einer auf die Mehrheit des Senats gefügten Regierung unzweideutig festgestellt werde. Denn dann falle das lehte Argument gegen die Rückkehr eines neuen Cinfeministeriums, und dann sei die Hoffnung wahrscheinlich nicht ganz unberechtigt, daß die fozialistische Partei in einem neuen, wirklichen Kabinett der Linken den ihr zukommenden Anteil an affiver Berantwortung übernehmen
werde.
Verhandlungen mit Painlevé.
Paris , 14. April. ( WTB.) Wie Havas berichtet, ist der Kammerpräsident Painlevé geffern abend neuerlich durch mehrere Senatoren und Abgeordneten der Radikalen Partei gedrängt worden, feine ablehnende Haltung in bezug auf Uebernahme der Re
gierungsbildung aufzugeben. Sie hätten ihm vor Augen geführt,
Deutschland vor der Entscheidung. Die englischen Konservativen gegen Hindenburg und Tirpik London , 13. April. ( WTB.)„ Sunday Times"( fonservativ) führt aus, es sei bezeichnend, daß in Hindenburgs Profla mation feinerlei direkte Bezugnahme auf die Republik enthalten fci. Der alte Krieger sei offenbar der Ansicht, daß es nicht länger nötig sei, seine royalistischen Sympathien zu verbergen, nicht einmal bei einer so fritischen Gelegenheit wie dieser. Die Art, in der die große Masse des deutschen Volkes Hindenburgs Kandidatur aufgenommen habe, mache die Aussichten für seinen Erfolg beträchtlich(?).
„ Observer"( fonservativ) schreibt: Die politische Weisheit und Welt durch eine Bolfsabstimmung auf die Probe gestellt werden, das politische Verantwortlichkeitsgefühl Deutschlands wird vor aller die ihresgleichen in der deutschen Geschichte nicht hat. Die Auf
daß ein Kabinett mit ihm an der Spihe und mit Serriot als Außenminister sicher sein würde, von der Mehrheit, die in der Kammer das vorangegangene Kabinett unterstützt habe, günstig aufstellung Hindenburgs als Präsidentschaftskandidat ist genommen zu werden.
Paris , 14. April. ( WTB.) Nach Beendigung der gestrigen Vormittagsberatung der sozialistischen Kammerfraktion erklärte der sozialistische Abgeordnete Leon Blum : Einige Blätter hätten heute vormittag berichtet, der Nationalrat der Partei sei für heute zusammenberufen worden, um Briand eine Antwort zu erteilen. Das sei nicht richtig. Der Nationalrat fei zusammenberufen worden, nachdem die Ministertrife ausgebrochen fei. Wenn es sich nur darum gehandelt hätte, Beschluß über die Beteiligung der Sozialisten an einem Ministerium Briand zu fassen, dann hätte man den Nationalrat nicht einzuberufen brauchen. Im übrigen gehe der Beratung des Nationalrats der sozialistischen Partei heute vormittag eine Beratung der Delegierten der sozialistischen Partei des Seine- Departe
n: ents voraus.
... die ernsteste Wendung in der deutschen Politik seit dem Waffenstillstand. Die Wahl Hindenburgs würde die Wiederwahl der Hohenzollern und die Wiederaufnahme der Ideen bedeuten, die vor dem Kriege Deutschland beherrschten und die deutsche Politik diftierten. Die Wahl zwischen Hindenburg und Marg wird eine Wahl für oder gegen das demokratische System sein. Hindenburg ist lediglich das Instrument des Nationalismus. Er ist aber nicht wie Ludendorff ein eifriger Organisator reaktionärer Intriguen. Sein Impresario und Regisseur in dem ganzen monarchistischen Komplott ist
Tirpik,
dessen Laufbahn eine lange Rette schlechter Dienste ist die er feinem Lande geleistet hat. Tirpik hat mehr als jede andere Einzelperson durch seine Marinepolitik zum Kriege beigetragen. Er Seine- Departe- hat Deutschland durch seine Marinepolitit zur
Die belgische Regierungsbildung. Bandervelde mit der Kabinettsbildung betraut. Brüssel , 14. April. ( WTB.) Der König hat Bandervelde gebeten, die Bildung des neuen Kabinetts zu übernehmen. Vandervelde hat sich die Zusage vorbehalten, da er zuvor feine Freunde zu Rate ziehen will.
Parteitag der JLP.
Vertrauensvotum für Macdonald.
Condon, 14. April. ( Eigener Drahtbericht.) Am Sonntag ist in Gloucester der Parteitag der Unabhängigen Arbeiterpartei zusammen getreten, auf dem 600 Delegierte anwesend sind. Er wurde durch eine Programmrede des Parteivorsitzenden Clifford Allen eröffnet, in der dieser darauf hinwies, daß der Mitgliederzuwachs des vergangenen Jahres eine Rekordziffer darstelle. Aufgabe der JLP. sei es heute mehr wie je, die englische Arbeiterbewegung mit einer aufbauenden sozialistischen Idee zu erfüllen. Er sprach die Ueberzeugung aus, daß eine tiefe Rückwirkung des Sozialismus in England noch im Laufe unserer Generation möglich sei. Nach einer Diskussion über den Bericht des Vorstandes über die Tätigkeit im vergangenen Jahre trat der Parteitag in eine Diskussion des Problems des Mindestlohnes. Den Höhepunft erreichte der Parteitag am Montag vormittag bei der Beratung einer Rejo lution, in der die Arbeiterregierung zu ihrer innen- wie außenpolitischen Tätigkeit beglückwünscht wird. Diese Refolution wurde nach heftiger Debatte, in der einzelne Maßnahmen der Regierung Macdonald heftig kritisiert wurden, mit großer Mehrheit angenommen. Zu Beginn der Nachmittagsfigung trat Macdonald den Kritikern entgegen und verlangte unter lebhaftem Beifall ein: gerechte Beurteilung der Taten seiner Regierung.
Eine Rede Löbes.
Der Anschluß Deutsch - Oesterreichs . Frankfurt a. M., 14. April. ( Mtb) Im Desterreichisch- Deut schen Volksbund, Ortsgruppe Frankfurt , berührte Reichstags präsident öbe, der Borsigende des Gesamtbundes, in einer Ansprache die Frage des Anschlusses von Deutsch - Desterreich an das Reich. Er bezeichnete eine zunächst wirtschaftliche Entscheidung als in naher Zeit bevorstehend. Die sogenannte Sanierung Desterreichs erweise sich als vollkommen unhaltbar und die
Strede gebracht. Der Tag, an dem Amerika in den Krieg eingriff, bildete den Höhepunkt seiner patriotischen Taten. Dieser vertrauenswürdige deutsche Staatsmann ist es, der den bejahrten Hindenburg auf die Bühne gestellt und den monarchistischen Wiederaufbau in Szene gefeßt hat. Das deutsche Volt wird sich zu entscheiden haben. 3um ersten Male wird die deutsche Demokratie wirklich auf die Probe gestellt wer den. Wir wollen nicht von vornherein annehmen, daß diese Probe die geringschäßige Ansicht, die die Nationalisten von der politischen Intelligenz ihrer Landsleute haben, bestätigen wird.
" Daily Mail" schreibt in einem Leitartikel, die britische Deffentlichkeit werde gut tun, dem Wahlfeldzug Hindenburgs besondere Aufmertfamkeit zu schenken. Die Kandidatur habe die Unterstützung des gefährlichen Brandstifters" Tirpitz und der Deutschnationalen Partei, die den Wunsch nach einem Rachefrieg taum verhehle. Hindenburg fönne geradezu als Kandidat der Hohenzollern bezeichnet werden. Das Blatt erklärt, wenn Deutschland wieder zu Frieden und Freundschaft mit seinen ehe maligen Feinden gelangen wolle, müsse es die Tatsachen an erkennen und sich klar machen, daß die Wiedereinsetzmng der Hohen zollern und Junker ihm ein größeres Mißtrauen denn je eintragen würde.
London , 14. April. ( EP.) Die Times" schreiben zur Reichs präsidentenwahl: Der Kampf zwischen Hindenburg und Marg ist ein Kampf zwischen Republit und Monarchie, zwischen Militaris. mus und Parlamentarismus, zwischen Reaktion und Demokratie. Europa wird in dem neuen Ministerpräsidenten den Staatschef erblicken, den das deutsche Volk in freier und verantwortlicher Wahl selber gewählt hat. Daily Expreß " schreibt: Die Wahl Hinden burgs hätte die gleiche Bedeutung, als wenn man
Marschall Foch
zum Präsidenten der französischen Republik gemacht hätte. Benn Hindenburg nicht entscheidend geschlagen wird, so wird der schlechte Eindruck seiner Kandidatur nicht verwischt werden. Sollte er aber gewählt werden oder nur mit einer geringen Stimmenzahl unterlicgen, so wird die Reaktion in Frankreich unmittel bar einfegen, und ein Kabinett Boincaré wird nicht mehr lange auf sich warten lassen. Loucheur und seine Freunde würden dann wieder einen neuen Grund haben, für die Nicht bezahlung der französischen Schulden an England einzutreten. Der Militarismus Frankreichs würde neuerdings erwachen und die Etimmen der Gemäßigten würden durch das Motorgetöse der Flugzeuge übertönt werden.
Hindenburgs Schuld.
Aus Geheimprotokollen der Heeresleitung. Seit fünf Jahren bestand in den republikanischen Parteien eine Art stillschweigende Vereinbarung, den greifen Feldmarschall v. Hindenburg aus den scharfen Polemiken über die Schuld am Verlust des Krieges möglichst herauszulassen. Einmal mit Rücksicht auf sein hohes Alter, ferner aber auch im Hinblick auf die Gefühle der Verehrung, die ein Teil der deutschen Bevölkerung seit Tannenberg empfand, Gefühle, die man ihrer aufrichtigen Naivität wegen ebenso ungern zerzerstören wollte, wie man kleine Kinder in ihren harmlosen Spielereien gewaltsam stört.
Diefe Haltung gegen Hindenburg hatte allerdings zur Voraussetzung, daß die Gegner der Republik ihn ebenfalls aus dem politischen Spiel ließen. Statt dessen haben sie wieder einmal unsere Rücksichtnahme zynisch mißbraucht und Hindenburg als ihren Bannerträger in den Wahlkampf gezerrt.
Ihre Schuld ist es, wenn wir uns jetzt gezwungen sehen, noch zu Lebzeiten des Achtzigjährigen die Legende zu zerstören, die um ihn gewoben wurde. Galt bisher in den Augen der breiten Massen des Volkes Ludendorff als der Hauptschuldige an der deutschen Katastrophe, so lag zwar ein großer Kern von Wahrheit in der Auffassung, daß Hindenburg nur deffen Strohpuppe gewesen sei. Aber die ganze Wahrheit ist das nicht. Hindenburg ist faum weniger schuidig an den Entscheidungen der Obersten Heeresleitung, vor allem an jener unheilvollen Dummheit, der wir fast ausschließlich den fatastrophalen Berlust des Weltkrieges verdanken. Wir meinen damit den Entschluß zum rücksichtslosen U- Boot- Krieg, von dem man wußte, daß er den Eintritt Ameritas in den Krieg zur fofortigen Folge haben würde.
Der Reichskanzler v. Bethmann- Hollweg und mit ihm fein Staatssekretär Helffe rich, die beide auf Grund eingehender Botschaftsberichte aus Washington und New einigten Staaten militärisch für Deutschland bedeuten würde, Dorf genau wußten, was diese aktive Feindschaft der Verfämpften bis zuletzt verzweifelt gegen diese Forderung der Heeresleitung.( Mit der ihm eigenen Charakterfestigkeit: murde allerdings Helfferich, nachdem die Entscheidung gegen seine bessere Ueberzeugung gefallen war, zu einem der am meisten begeisterten Aposteln des U- Boot- Krieges, mit dem er England innerhalb von sechs Monaten aushungern wollte...)
Hauptquartier in Pleß , um seine Bedenken vorzutragen. In letter Stunde reiste Bethmann- Hollweg nach dem Am Tage vorher, am 8. Januar 1917, hielten die Militärs und Marinisten, Hindenburg , Ludendorff und Holzendorff einen Kriegsrat ab, um ihre Haltung verfaßten Geheimprotokoll dieser Sitzung entnehmen wir die Aus dem vom General Bartenwerffer festzulegen. wichtigsten Stellen:
v. Holzendorff: Der Kanzler tommt morgen hier an. Feldmarschall: Welche Schmerzen hat er?
D. Holzendorff: Der Kanzler will sich die diplomatische Borbereitung des uneingeschränkten U- Bootfrieges vorbehalten, um Amerika draußen zu halten. Das Auswärtige Amt meint, wenn Nordamerika eingriffe, würde auch Südamerika in den Krieg eingreifen. Dann denken sie an die Zeit nach Friedensschluß. Feldmarschall: Erst müssen wir mal siegen.
v. Holzendorff: Was tun wir, wenn der Kanzler nicht mitmacht?
Feldmarschall: Das macht mir auch Ropfzerbrechen. v. Holzendorff: Dann müssen Sie Kanzler werden. Feldmarschall: Nein, das kann ich nicht und will ich nicht. Ich kann nicht mit dem Reichstag verhandeln.
v. Holzendorff: Der Kanzler genießt im Auslande großes Bertrauen.
Feldmarschall: Also wir halten zusammen. Es muß sein. Wir rechnen mit dem Kriege mit Amerika und haben alle Borbereitungen getroffen. Schlechter fann es nicht werden. Der Krieg muß mit allen Mitteln abgekürzt werden.
v. Holzendorff: Volk und Armee schreit nach dem uneingeschränkten U- Bootfrieg.(?)
Erz. Ludendorff : Das stimmt.(?)
v. Holzendorff: Staatssekretär Helfferich sagte zu 3hr Weg führt zur Katastrophe." Ich erwiderte ihm:„ Sie lassen uns in die Katastrophe treiben."
mir:
Feldmarschall: Das stimmt. Die Hauptsache für mich ist, es ist teine Operation, die uns an anderer Stelle militärisch schwächt. Am nächsten Tag, am 9. Januar 1917, fand die entschei dende Sigung mit dem Reichskanzler statt, desen Sturz die Herren Militärs zu erzwingen entschlossen waren, falls er nicht nachgeben wollte. Bethmann , eine offene, wenn auch schwankende Natur, trug alle seine Bedenken vor, war aber, wie aus dem zweiten, von Bartenwerffer redigierien Geheimprotokoll deutlich hervorgeht, durch die Siegeszuversicht der Halbgötter des großen Hauptquartiers sichtlich eingeschüchtert:
Kanzler: Der Entschluß zum Eintritt in den rücksichtslosen il- Bootkrieg ist also abhängig von der Wirkung, die wir erwarten tönnen. Admiral v. Holhendorff stellte in Aussicht, bis zur nächsten Ernte England klein zu haben. Die Erfahrungen der U- Boote in den letzten Monaten, die größere Zahl von Booten, Englands schlechte wirtschaftliche Lage bilden allerdings einen 3uwachs an Chance. 3m großen sind die Aussichten für den rücksichtslosen U- Bootfrteg recht günstig. Beweisträftig lassen sich die Aussid; ten freilich nicht hinstellen. Man müßte fich flar fein, daß große militärische Schläge nach der militärischen Lage laum