Abendausgabe
Nr. 17942. Jahrgang Ausgabe B Nr. 88
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Donnerstag
16. April 1925
Vorwärts=
Berliner Volksblatt
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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands
Hindenburg, der Kriegsverlängerer.
Er weist den Vorwurf der Friedensliebe mit Entrüstung zurück.
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Der schwerindustrielle Tag" nennt es eine Berdrehung| geistigen Bäter der Boincaréschen Ruhrbealler Tatbestände", wenn man Hindenburg als fegungspolitit! Ihre Forderung war natürlich das Kriegsverlängerer bezeichne. Wir wollen nicht mit genaue Gegenteil eines flaren Berzichts auf Belgien der weinerlichen Rhetorit tonfurrieren, mit der das Organ der und hat ben Friedensschritt des Papstes zum Kriegsgewinnler den Taufpaten des profitlichen Hindenburg - Scheitern gebracht. Programms vom Vorwurf der Kriegsverlängerung reinzuwaschen sucht. Wir wollen einfach einige authentische Dokumente sprechen lassen.
Im Sommer 1917 unternahm bekanntlich der Bapst seinen Friedensschritt, dessen erfolgverheißende Voraussetzung der offene Berzicht Deutschlands auf Belgien war. Dieser Verzicht wurde von der Obersten Heeres leitung zusammen mit dem damaligen Reichskanzler Michaelis hintertrieben. Zu diesem Zweck verfaßte Ludendorff eine Denkschrift, die Hindenburg mit einem Geleit brief an den Reichskanzler Michaelis versah. In diesem Briefe Hindenburgs vom 15. September 1917 heißt es:
Ich verhehle mir nicht, daß in der Marine und in weiten politi schen Kreisen ein Berzicht auf die flandrische Küste als ein Schlag empfunden wird, der nur dann gemildert wird, menn die auch Don Eurer Erzellenz der Marine zugestandenen Kompensatio nen zur Tat werden. Ich sehe mit General Ludendorff diese Kom penfationen in Stützpunkten innerhalb und außerhalb unseres Kolonialreiches... Die wirtschaftliche Angliederung Belgiens an Deutschland wird ohne einen Drud auf Belgien auch nach Friedensschluß nicht gehen. Hierzu wird eine mehrjährige Oftupation dienen... Ueber die mehrjährige Offupation hinaus muß die deutsche Stellung in Cütfich wirken... Ich vermag mir
daher nicht zu denken, daß wir in irgendeiner absehbaren und vertragsmäßig festgefehten Zeit aus Lütfich herausgehen könnten. Im übrigen erklärt sich Hindenburg vollkommen mit der Denkschrift Ludendorffs einverstanden, in der es heißt:
Wir müssen das Gebiet zu beiden Seiten der Maas und füb. wärts bis St. Vieth fest in der Hand behalten. Daher sehe ich nur in der Einverleibung durch das Deutsche Reich das Mittel, dies zu erreichen. Ob es ein anderes Mittel gibt, muß ich dahingestellt sein laffen. Borläufig scheint es mir noch nicht gefunden. Der Befih der Maaslinie allein genügt nicht, um dem Industriegebiet die er forderliche Sicherheit zu geben. Wir müssen ein englisch - belgiich französisches Heer noch weiter zurüdichieben. Das kann nur dadurch geschehen, daß Belgien mirischaftlich an uns fo eng gefchloffen wird, daß es auch seinen politischen Anschluß an uns fucht. Der wirtschaftliche Anschluß wird ohne starten militärischen Drud längere Offupation- und ohne Befitzergrelfung von Cüffich nicht ins Wert zu feßen fein.
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Aber gerade Hindenburg hat sich noch viel deut licher als unbedingter Anhänger der Annerions plitif ausgefprochen. Als nämlich zur Zeit des Friedensschlusses von Brest Litonst angeblich sich das Gerücht rerbreitete, auch Hindenburg fei für einen Frieden ohne Er oberungen, da verfaßte Hindenburg folgendes Dokument, das der Historiker Karl Friedrich Now at auf Seite 281 feines bekannten Wertes Chaos" bereits vor anderthalb Jahren bekannten Berkes Chaos" bereits vor anderthalb Jahren veröffentlicht hat und das von Hindenburg bis heute noch nicht dementiert worden ist:
Großes Hauptquartier, den 25. 2. 1918.
Jn Brest- Citomst foll behauptet worden sein, daß ich mich für einen anneffionslosen Frieden und das Selbstbestim
mungsrecht der Böller erklärt hätte, also auf dem Boden der Reichstagsresolution ftünde.
Indem ich eine derartige Zumutung mit Entrüstung zurüdweije,
ersuche ich Euer Hochwohlgeboren ergebenst, bel jeder lich bietenden Gelegenheit gegen derartige unwahre Aeußerungen energisch einzuschreiten.
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der vergangenen
( Von unserem Londoner Rorrespondenten.) • London , 14. April. Man kann ruhig sagen, daß in England man den Deutschen immerhn allerhand zutraut dennoch bis zum Mittwoch abend Boche niemand eine Kandidatur Hindenburgernsthaft in Erwägung gezogen hat. Man hatte mohl begriffen, waru.n die deutschen Faschisten Ludendorff im ersten Wahlgang aufgestellt hatten, denn man weiß aus dem Anschauungsunterricht, den die eigenen britischen Faschisten erteilen, daß Faschismus und Vernunft unvereinbar find. Aber ein tonservatives Bürgertum, das einen Baldwin, mit seinem zweifellos start ausgeprägten persönlichen sozialen Berantwortungsgefühl und seiner Mäßigung zum Ministerpräsidenten gemacht hat, wird niemals begreifen, warum die deutschen Konservativen", die sich doch so gern mit den englifchen vergleichen, einen beinahe achtzigjährigen Mann auf die Schultern heben, der bisher nicht die geringsten Pro= ben politischer Befähigung abgegeben und außer dem in sich alle rückwärtsweisenden Kräfte politischer, wirtschaftlicher und fozialer Natur vertörpert.
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So durften die Blätter mit Recht Plakate aushängen, die alle„ Die Hindenburg - Sensation" als Ueberschrift trugen. Seine Nominierung wurde vom ersten Augenblick an als ein außenpolitisches Ereigniis ersten Ran ges empfunden und mit einer Mischung aus Staunen und ungläubigem Lächeln aufgenommen. Das resultierte vorwiegend aus dem völligen unverständnis des Engländers für Generalskandidaturen im allgemeinen und die Kandidatur eines geschlagenen Feldherrn insbesondere. Denn troh Krieg und Sieg ist im Bewußtsein des gesamten Indem ich eine derartige Zumutung mit Entrüftung englischen Boltes der Feldherr, der General felbst ein fiegzurückweise..." Eines weiteren Zeugnisses bedarf es wohl reicher, nebenbei bemerkt! nichts als ein militärischer nicht. Hindenburg empfindet es als Verlegung seiner Tecnifer, ein Fachmann; ein Werkzeug der Politik, persönlichen Ehre, wenn man ihm nachfagt, für einen nicht wie zeitweise in Deutschland und Frankreich ihr Komannettionslosen Frieden und für das Selbstbestimmandeur. Der Engländer hat zwar eine Menge ehemaliger mungsrecht der Bolter einzutreten! Diese geistige Offiziere um linier- und Oberhaus figen, aber er ist im Grimbe Einstellung ist so unzweideutig, so flassisch einfach, daß sich doch der sehr gefunden Auffassung, daß die militärische Vorjeder weitere Zusatz erübrigt. bildung und Braris weniger als irgend einer der bürgerlichen Berufe für große politische Berufe vorbildet, weil er meniger als irgend ein anderer Beruf mit den tatsächlichen Problemen der Zeit zu schaffen hat. Das hat sich schon während des Krieges gezeigt, wo nicht die Feldherren als die Strategen des. Weltkrieges, sondern die Politiker als die Organisatoren des Sieges im Vordergrund der Bopularität standen, geschweige denn nach dem Krieg, wo die Generäle des großen Krieges lediglich näßlich von Wohltätigkeitsveranstaltungen für ehemalige Soldaten, Krüppel und Baisen in den Vordergrund treten.
Als unwiderlegliches Resultat ergibt sich: Hindenburg mollte Eroberungen, er war ein gefoworener Feind des Selbstbestimmungsrechts der Bölfer; er hat damit eine Politit getrieben, die einen rechtzeitigen ehrenvollen Friedensschluß für Deutschland unmöglich machte, den Krieg bis zum völligen Weißbluten des deutschen Boltes verlängerte und die Katastrophe von 1918 herbeiführte. Für all diese Dinge trifft ihn die persönliche Berantwortung!
Die Erinnerung an all diese Dinge mag heute dem Greis Don fast achtzig Jahren peinlich sein. Aber sie ist notwendig, nachdem die Ballenbieger ihn in den politischen Kampf um das Schicksal der deutschen Republik gezerrt haben. Jegt tönnen Rüdsichten auf das Ruhebedürfnis eines alten Mannes nicht gelten, jetzt geht es um die Zukunft unseres Landes. Der Annegionist und Kriegsverlängerer, der Feind des Selbfider Republit, das wäre eine Katastrophe! Deshalb werden die Wähler in freier Selbstbestimmung sie verhindern!
Das Ziel Hindenburgs und Ludendorffs war also, den östlichen Teil Belgiens bis über die Maas hinaus- un verhüllt zu annettieren, dem westlichen Teil nur eine Scheinfreiheit zu lassen und ihn mit ganz ähnlichen Methoden an Deutschland zu fetten, wie das nur in umgekehrtem Sinne der französische Imperialismus mit seiner Bebestimmungsrechts des Volkes und der Völker als Präsident fegungspolitik an Rhein und Ruhr versucht. Hinden burg und Ludendorff zeigen sich in dieser Dentschrift als die
Painlevés Schwierigkeiten.
Noch feine Ministerliste.
Gouverneur der Bank von Frankreich zusammentrifft, um sich über gewiffe Punkte, besonders über den Stand der Staatsfinanzen Aufschluß geben zu laffen.
Paris , 16. April. ( WTB.) Kammerpräsident Painlevé . " Matin" schreibt über die Lösung der Ministerfrise, obzwar der gestern abend erst nach 10 Uhr im Elysée aniam, verhandelte die Hoffnung bestehe, daß die Bildung eines Kabinetts Painlevé 40 Minuten mit dem Präsidenten der Republik Doumergue nicht aufgegeben werde, dürfe man doch die Unruhe nicht verDanach empfing er Briand . Gegen Mitternacht erschien Call- tennen, die sich gestern in den Wandelgängen des Senats und der laug, begleitet von Malvy und dem unabhängigen fozialistischen Kammer offenbart habe, als man die mögliche Zusammensetzung des Abgeordneten Pierre Laval 40 Minuten nach Mitternacht ge- Kabinetts Bainlevé erfahren habe. Als gestern abend im Senat die fellte sich zu diefen Politikern Senator de Monzie, der Painlevé Möglichkeit eines Eintritts Caillaug in das neue Ministerium bemittellen konnte, daß der Senat das Gesetz über die Erhöhung des fannt wurde, habe Boincaré ausgerufen: Die Wahl Caillaur Notenumlaufs ratifiziert habe. Als die Unterredungen ein Ende bedeutet eine Herabfehung des Senats. Diese Aeußerung Boingefunden hatten, gab das Bureau des Kammerpräsidenten folgendes carés habe einen großen Einbrud hervorgerufen. Communiqué aus: Nach Painlevés Annahme der Mission, ein Kabinett zu bilden, find bereits verschiedene Ministerlisten veröffentlicht worden. Kammerpräsident Painlevé läßt erklären, daß noch teinerlei 3uteilung von Portefeuilles stattgefunden hat. Erst um drei Uhr morgens war die Konferenz beendet, die Kammerpräsident Painlevé mit Briand , Caillaug, Malvy, Laval und Senator de Monzie abhielt. Als Briand bas Gebäude des Kammerpräsidenten verließ, erklärte er, es sei noch nichts End gültiges entschieden.
Die Erhöhung des Banknotenumlaufs genehmigt. Inzwischen hat am gestrigen Tage das Parlament die gefeßliche Genehmigung zur Erhöhung des Notenumlaufs auf 45 Milliarden Frants und die Erhöhung des Borschusses der Bant Don Frankreich von 22 auf 26 Milliarden angenommen. Diese Maßnahme mußte unbedingt noch vor dem Donnerstag, also vor der Veröffentlichung des neuen Wochenberichts der Bant von Frankreich getroffen werden. Sie wurde von dem geschäftsführenden Finanz minister de Monzie vertreten und von der Stammer nach längerer Debatte mit 329 gegen 27 fommunistische Stimmen bei Stimm
Ratios steht so der Durchschnittsengländer dieser Meldung Bolitiker Hindenburg, im engeren Sinne des Wortes, über aus Deutschland gegenüber, und da er weiß, daß es einen haupt nicht gibt, so muß er natürlich die Aufsillung Hinden burgs als ein fymbolisches Ereignis werten, und mar als ein fymbolisches Ereignis( chlimmer Art. Als Ausdruck dafür, daß ein großer Teil des deutschen Bürgertums lieber als die Republik die Stlavenfetten feiner alten Monarchie mill. Denn Hindenburg ist, das weiß man hier recht wohl, und soweit man es nicht wußte, fonnte man es in den Berliner Berichten der großen Zeitungen lesen, Hinden burg ist nicht Ausdruck des Wunsches nach einem demofratisch- sozialen Königtum, wie es das englische immerhin bis zu einem gemissen Grad darstellt, nach dem Königtum nur als dekorativer Erscheinung, sondern Ausdruck des Wunsches der Rückkehr nach dem persönlichen Regiment, nach dem preußisch- deutschen Kaisertum wilhelminischer Prägung.
Während ein Teil des deutschen Bolkes diese Kandidatur Hindenburg anscheinend als ein Zeichen nationaler Selbstbesinnung oder erwachenden Kraftbewußtseins zu deuten scheint, sieht das anglesächsische Ausland darin den Ausdrud einer Stlapengesinnung, die die Freiheit nicht erträgt und sich nach den Reiten zurüdsehnt, in denen das Bolt für die Selbstbestimmung seiner Geschicke nicht verant wortlich ist.
Es fann fein Zweifel darüber herrschen, daß das englische Ausland cone Reichspräsidentschaft Hindenburg als eine grundfägliche Veränderung der europäischen Situation betrachten würde. Jarres war für England ein Bürger der deutschen Republt, wenn auch ein gefährlicher, dem man auf die Finger zu schauen hat. Man konnte sich von ihm denken, daß er, wie gewiffe augenblicklich regierende Rechtstreise, vielleicht schließlich doch Geschmack an der Republik und schließlich Verständnis für die Notwendigkeit der Fortführung der gegenwärtigen
Paris , 16. April. Ueber die gemeldete Unterredung Painleves Auch die Loucheur- Gruppe stimmic entgegen den Erwartungen der Außenpolitik gefunden hätte. Jarres wäre eine Katastrophe
mit einer Anzahl Politiker, darunter Briand , de Monzie und Chaumet, die erst nach 3 Uhr heute früh ihr Ende fand, verbreitet Havas folgende Mitteilung: Die lange Dauer dieser Kon ferenz scheint darauf hinzuweisen, daß sich ziemlich ernfie Meinungsverschiedenheiten offenbart haben. Es werde versichert, daß die Unterredung beendet worden fet, ohne daß eine endgültige Verfländigung habe erzielt werden können. Weitere Besprechungen sind für heute vormittag vorgesehen. Briand beabsichtigt, fih mit einigen seiner politischen Freunde auszusprechen, bevor er Bainlevé aufsuchte. Man muß folglich die ausdrücklichsten Vorbehalte bezüg lich der bis jeht gemachten Boraussagen über die Zusammensetzung des neuen Kobinetis machen. Wie Havas meiter berichtet, wird Caillaus fich heute vormittag ins Finanzministerium begeben, me er mit bem zurüfgetretenen Finanzminister be Mongie und bem
Rechten für den Regierungsantrag. Ebenso nahm der Senat mit Gruppe Poincaré . 193 gegen 5 Stimmen die Borlage an, bei Stimmenthaltung der
Exekutivsitzung der Internationale.
für das Ansehen der deutschen Republit im Auslande gewesen, Hindenburgs Bahl aber ist an sich schon eine Ratastrophe außenpolitischer Natur. Denn man weiß, daß Hindenburg unbelehrbar reaktionär, antipazifistisch, ein Anbeter der Politik der Gewalt ist und daß seine Loyalität gegenüber den Hohenzollern ihn zu einem Strohmann ber Monarchie macht. Mit Hindenburgs Wahl würde autoDie nächste Sigung der Crefufive der Sozialistischen Arbeiter- matisch eine neue Ümgruppierung der englischen Infernationale findet gemäß einem Beschluß der Geschäftskommission Außenpolitit stattfinden, noch ehe irgend ein sichtbares Zeichen seiner Tätigkeit und seiner Absichten über den Kanal tommen würde. Die Aftien der alien Entente würden steigen, wie niemals seit dem Abschluß des Waffenstilstandes. Der eiserne Ring um Deutschland würde sich schließen, ohne daß ein Hindenburg als Reichspräsident auch nur einen Finger su