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Nr. 18d 42. Jahrgang

1. Seilage öes vorwärts

Ireitag, 77. flptil 1425

Berlins Staöthaushaltplan. Er zeigt«ach der Anficht des Kämmerers znuehuiendeSolidität".

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Die Berliner Stadtverordnetenversammlung kann endlich mit der Prüfung des Stadthauehaltsplanes für Z 9 2 S beginnen. Der Magistrat hat ihn jetzt vorgelegt, und tn der gestrigen Stadtverordnetensitzung gab zunächst der Kämmerer sein Geleitwort. Cr ist mit ihm zufriedener als mit den Haus- lmllspläncn der vorhergehenden Jahre, ober noch blickt er nicht ohne Sorgen in die Zukunft. Der Rechten des Hauses galt sein Hinweis auf diePropheten", die in den Jahren der Geldentwertung immer wieder der Stadt Berlin den angeblich bevorstehendenBankerott" ankündigten. Ja, sie hätten es gern gesehen, daß es zum Zusammen- bruch gekommen wäre, damit sie verlogen übersozialdemokratische Mißwirtschaft" schreien konnten. Daß die Entwicklung des Berliner Gemeinwesens jetzt wieder aufwärts geht, ist wahrlich nicht den rechtsstehenden Parteien zu danken. Die von dort aus betriebene Hetze hat viel dozii� beigetragen, Berlins Kredit zu schwächen und die Besserung der Stadtjinanzen zu erschweren. Die Fraktionen werden sich erst in der nächsten Sitzung zu dem Haushaltsplan äußern. * Die gestrig« ordentliche Sitzung der Stadtverordneten eröffnete der Vorsteher Gen. H a ß um 6�. Uhr. Die Ä n f r a g e der Dem. vom 12. Februar betr. die Ausgestaltung des Spielplatzes an derEinsamen Pappel" an der Schönhauser Allee ist durch den endlichen Eingang der(schon am 20. November 1924 von der Versammlung geforderten) bezüglichen Magistratsvorlage gegenstandslos geworden. Unter diesen Umständen beschränkte sich der Begründer der Anfrage, Stv. F l i e t h, aus die Empfehlung der Vorlage und aus den Wunsch, daß sie schleunigst verabschiedet werden möge, damit das Dezirksamt Prenzlauer Berg alsbald mit dem Bau beginnen könne. Frau Stadträtin Genossin Dr. Weyl schloß sich dieser Empfehlung und diesem Wunsche an, worauf die Vorlage einstimmig zur Annahme kam. Den Vertrag mit der Müll- industrieA G. über die Verpachtung der Schöneberger Müllverbrennungsanstalt hat der Ausschuß mit einigen Aenderungen angenommen. In der Aussprache spiette die Frag«, ob das Problem der Mülloerbrennung schon restlos gelöst sei. eine Rolle. Unser Redner, Gen. Mendt, wollte von der Verpachtung nichts wissen, sondern erblickte in dem Betriebe durch die Stadt emcn Vorteil, der sich später auch finanziell durchaus günstig auswirken werde. Di« Redner der Rechten, fiunbf(D. 25p.) und Tropp(Dnot.), empfahlen die Genehmigung, da das Risiko mit dem Vertrage aus- schließlich auf die Gesellschaft übergehe. Di« Kommunisten hatten sich für Ablehnung ausgesprochen. Mit 92 gegen 77 Stimmen nahm die Versammlung die Vorlage in der Aussckußfossung an. Der Antrag Heimann(Soz.) betr. den silbernen Taselschmuck des Ex- kronprinzcn ging auf Antrag der Dem. an«inen Ausschuß. Hieraus ergriff der Kämmerer das Wort zur Einbringung des Staüthaushalts für 1925. Er führte etwa folgendes aus: Die Haushalte der Jnslationejahre blieben, wenn man ihre Zahlen auf Fricdensmark umrechnet, erheblich hinter dem Haushalt von 1914 zurück. Damals gaben die heute zu Groß-Berun vereinigten Gemeinden ohne Anleihen und ohne Werke rd. 335 Millionen aus. Erst 1924 wurde der Dorkriegsbettag, wenigstens in den laufenden Ausgaben, wieder erreicht. 1925 wird der Vorkriegsstand auch in der Gesamtausgabe erst- malig überschritten werden. Die Ge s a m t a u s g a b e ohne An» leihen und Werke wird in Reichsmark rd. 452 Millionen betragen, das sind bei einem Tcuerunasindex von 125 Pro;, rd. 3 91 Mil° lionen Jriedensmark. Der Haushalt ist solider geworden. Noch 1922 und 1923 konnte hier gesagt werden, der Haushalt verschleiere nur den Bankerott der Stadt. Die einmaligen Ausgaben waren damals beschämend gering, die Wohlsahrtsauswendungen ungenügend, die llnterhavung der Gebäude, Siraßenreinigung, Beleuchtung, schlecht. Zahlreiche angefangene Bauten mußten stilliegen. Die großen Werke der Stadt erzielten mühsam lächerlich geringe Ueberschüsie, zum Teil Fehlbeträge. Heute sind sie innerlich neu gesestigt und

werden in den nächsten Jahren hossentlich steigende Ueberjchllsje zu der dringend nötigen Enllastung der Steuern bringen. Im Ge- samtausbau des Haushalts ist der Anteil der Zentrale von 40 auf 35 Pro;, gesunken, und zwar wegen der Uebcrtragung der Mittel für die Sozial- und Klemrentnersürsorge auf die Bezirke. Innerhalb de Bezirke ist der Anteil A l t- B e r l i ws von 38 Proz. im Jahre 1920 allmählich bis auf 43 Proz. im neuen Jahre zurückgegangen. Das Wiederansteigen der einmalige» Ausgaben im Ordinarium kennzeichnet diesen Haushalt. Auf sie entfallen, ähnlich wie vor dem Kriege, rund 9 Proz. der Gesamtausgaben gegen 3 Proz. im Vorjahre. Äe be- treffen besonders die Bauten, straßen- und Brückenbau. Schulen und Krankenhäuser. Ihre Verteilung«ruf die Bezirke ricktfet sich naturgemäß nach der Dringlichkeit. So sind z. D. für Spandau und Köpenick Millionenbeträge eingestellt, welche die früher selbständigen Gemeinden aus eigener Kraft zweifellos nicht hätten sthasfen können. Ein erheblicher Teil dieser Ausgaben«ehörre in den Anleihehaushalt, und hat dort nur deshalb keine Ausnahme finden können, weil an größere Anleihen noch nicht zu denken ist. Die 35 Millionen, die in» Anleihehaushast vorgesehen sind, betreffen im wesentlichen die Werke und die««hnÄlbahnen, also werbende Zwecke, für die uns Ausländsanleihen genehmigt werdein. Der amerikanische Anleihemarkt ist uns heut« nicht günstiger gesinnt (Lebhafte Rufe links: Hindenburg !). Inzwischen bedeuten die ein- mallgen Ausgaben im Ordinarium ein« Belastung des Steuer- zahlcrs, und diese Belastung ist sehr schwer, denn auch die Schonung des Steuerzahlers ist dringlich(Lebhaste Zustimmung). 1914 betrug die gesamte kommunale Steuerlast im bcutigcn Groß-Berlin nicht mehr als IM 170 M il l i o n e n. Sie ist 1924, wenn die Hauszinsfteuer außer Betracht bleibt, auf 233 Millionen. 1925 aus 280 Millionen gestiegen. Das sind bei Berücksichtigung des Index 224 Millionen Friedens- mark, also eine Mehrbelastung um 30 Proz.(Hört! Hörtl), und dies, obwohl wir das Einkommen aus Kapitalvermögen fast völlig verloren haben und das aus Hausbefitz zum allergrößten Teil! Die be- vorstehende Neuregelung des Zuschlagsrechtes wird hoffentlich nicht überstürzt werden; das Zujchlagsrecht zur Ein- kommensteuer ist uns ja in Aussicht geltcllt. Im einzelnen hat sich der Haushast gegenüber dem vor- jähre nur wenig verschoben. Der Anteil der reinen Derwal- t n n g s k o st e n ist infolg« des Abbaues von IS Proz. im Vorjahre auf 12 Proz. zurückgegangen. Das Ueberwachungs- amt wird im Laufe des Jahres aus dem Haushalt verschwinden. Die sozialen Ausgaben. Wohlfahrt. Jugendpflege. Gesundheitswesen, befinden sich in anhaltender starker Steigerung. Ihr Anteil an der Gesamtausgabe. 1914 nur 15 Proz., erreicht 1925 den hohen Prozentsatz von 35 Proz. Im krasiesten Mißoerhästnis hierzu ist der Kämmereianteil der Stadt an der Hauszinssteuer, der die Mittel für die gesteigerten Wohl- fahrtsausgaben den Gemeinden bringen sollte, vor einigen Tagen mit einem Federstrich im Verordnungswege für Berlin um 1 0 b i s 13 Millionen herabgesetzt worden? Im Bauwesen sind zur Förderung der Wohnungsbauten 2% Millionen für Zusatzhypotheken, JA Million als verlorener Zinszuschliß eingestellt worden. Die Wohnungsfürsorgegesellslhaft hofft, den Bau von 10000 neuen Wohnungen möglich zu machen. Das einstig« Sorgenkind der Stadt, die Rordsüdbahn. stehl vor der Fertigstellung des Debindungsstückes in der Hafen- Heide. Wir erwarten noch im Laufe des Sommers den durch- gehenden Berkehr nach Neukölln. Den Haushast der Kapital. und Schuldenverwaltun g hätte ich lieber vorgelegt unter Einstellung von Beträgen für die alten Gläubiger und für die Sporer. Unsere alten Schulden, in Goldmark umgerechnet, bedeuten eine Last von rd. 1,5 Mil­liarden. Der Entwurf des Ablöjungsgejetzes würde diejen Betrag bei 5 prozentiger Auswertung aus 75 Millionen Reichsmark herab­drücken. Für die Verzinsung und Tagung hätten wir nach diesem Entwurf etwa 3% bis Vh Millionen fahrlich aufzubringen. Der Magistrat bat die Einstellung eines solchen Betrages abgelehnt, da es sich bisher nur um einen Gesetzentwurf Hantzelt. Ich tonn

nicht verschweigen, daß ich diese Zufammenregung für !|ärter halte als unbedingt nötig(Lebhafte Zu- tlmmung). Der für die Gemeinden natürliche Aufwerrungssatz liegt, da sie die mit den Anleihen gekauften Werte noch besitzen, zwischen dem Slufwertungsfatz des Reiches und den, der Industrie- obligationen. Man sollte durch Geseb die Gemeindenanieihen einer besonderen, aber auch einer einheitlichen Regelung unterwerfen. Die Atempause, die wir vor einem Jahre sahen, hat angehalten. Wir haben sogar tiefer Atem holen können als wir damals glaubten. Aber die neuen Sorgen kommen. Sie nähern sich in demselben Maße, in welchem die Ausführungen des Dawes-Planes näherrückt. Lassen Sie uns wünschen, daß der neue Boden, den wir dann unter den Füßen habe», fest genug sei, um eine bescheiden ge- wordene, aber doch die dringenden Anforderungen des Gemeinwohles erfüllende Gemeindewlrtlch.aft zu tragen.(Lebhafter Beifall.) Die Generaldebatte über den Hauehastsglao für 1925 wird am 30. April beginnen. In der nächsten Woche findet wie der Vorsteher mittellt, keine Sitzung statt. Den Ansfchußbericht über die Beratung des 0rtsgefeh» über die Vernfsschnirn der Stadt Berlin erstattete hierauf Merten(Dem.). An dem Ent- wurf bat der Ausschuß» fecyliche Äendsronge« nicht vorgenommen. Ohne jede Erörterung trat die Verfammiung den Busschußvor- schlügen bei. Darauf wurde eine Reche kleinerer Vorlagen ohne er- hebliche Aussprach« erledigt, so auch diejenige betr. die baulich« Umgestaltung des Deutschen Opernhauses. Von dem von der Stadt angekauften Rittergut Britz wollte der Magistrat 1ö0 Hektar gleich l)i Millionen Quadratmeter zum Preise von 2M. pro Quadratmeter an die Aktiengesellschaft Philipp Holzmarin-Frcnck- furt a. Main wiederveräußern, die dort zwei- und dreistöckige Wohn- Häuser errichten will. Im Jahre 1S2S sollen schon 1000 Wohnungen fertiggestellt sein. In einem Aachtrag hat der Magistrat seinen Vorschlag dahin singeschränki» daß nur ein kleinerer Teil de» Ge- ländes, etwa 300 00» 400 000 Quadratmeter veräußert werden soll. In der Beratung oerlangten die Kommunisten durch Dörr die llebcrnahme des Bauvorhabens in die eigene Regie der Stadt«nd die Vergebung der Wohnungen an Bedürftige. Von unseren Genosse» war Beratung der Vorlage, die den Ärundstücksausschuß bereits passiert hat, in einem besonderen Ausschuß beantragt, wogegen sich Schalldach(DVP .). Bender(Dnat.) und GronewaldI(Wirtsch. P.» gleichmäßig wandten, da sie darin bloß«ine Verschleppungstaktik gegenüber dem auf Linderung der Wohnunqsnot bedachten Magistrat erblicken zu müssen glaubten. Gen. Gatsckmidl stellte aber fest, daß zurzeit ohne Hauszinssteuerhypotheken weder eine Ge- melnde, noch ein Prwatunternel?mer bauen kann, wenn nicht un- geheuerlich hohe Mieten herauskommen sollen. Ob die Firma bau« oder nicht, die Zahl der tn diesem Jahre nw erstellten Wohnungen werde dadurch nicht im geringsten beeinflußt werden. Anderseits sei das umfangreiche und überaus werwolle Gelände für den Siedlnngs- bau von größter Bedeuwng und sollte von der Stadt nicht aus der Hand gegeben werden. Durch die.Prüfung im Ausschusse werde die Lage am Baumorkt absolut nicht alteriert werden. Die Abstlnnnuna ergab die Ablshmmg aller Anträge und auch der Vorlage selbst. Nachdem noch der dritte Nachttag zur B e r- gnügungssteuerordnung in erster Beratung erledigt war, erfolgte um 9 Uhr der Schluß der öffentlichen Sitzung. die heutige Sportpalaft-Kimögebuqg. Der Andrang zu der heutigen Sportpalast-Kundgebimg des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold dürste alles bisher dagewesene üdertrefsen. Es ist daher notwendig, daß das Publikum sich den Anordnungen der vom Reichsbanner gestellten Ordner unbedingt fügt, um jeden Zwischenfall zu verhüte» und«inen würdiget, Der- lauf der Feier zu ermöglichen. Insbesondere macht die Verfamm- lungsleitung darauf aufmerksam, daß«« streng verboten ist, die Stühle zu besteigen und zu rauchen. Alle Anfragen im Gau- bureau de» Reichsbanner» nach Ehrenkarten oder sonstige Bevor- zugung bei der Anweisung von Plätze« find zwecklos, da Ehren- karten ufw. nicht ausgegeben werden. Die Versammlung beginnt pünktlich um 8 llhr, die Eröffnung de« Sportpalastes erfolgt eine Stunde vorher. Es ist Vorsorg« gettoffen, daß die Redner de» Abends, Präsidenychaststandidat Dr. Marx, sowie die Reichs- tagsabgeordneten Hermann Müller- Franken und Erkelenz vom Balkon des Sportpalastes aus das Wort ergreifen, am alle« jenen, die keine« Einlaß mehr finden. Gelegen- hell zu geben, das Wahlprogramm des Volksblocks aus dem Munde prominenter Führer kennen zu lernen.

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Anthony Zohn. Roman von Zerome st. Jerome.

Er war inzwischen bei derSlbbey" angelangt: das Land­haus lag oerödet. Anthony hatte schon häusig daran gedacht. es könnte einmal fein Heim werden. 5)ier war die Mutter Stubenmädchen gewesen; er pellte sich vor, mit welcher Freude sie im Salon sitzen, auf die Scholle drücke würde. Langsam durchwanderte er den Rosengarten-, dieser Ort wird Betty ge» fallen, sie liebt Rosen, aber in Millsborough gedeihen sie nicht. Hier hingegen standen sie, obschon sie vernachlässigt wurden, In voller Blüte. Anthony nahm sich vor, mit Hobbs, dem Gärtner zu sprechen. Er wußte im voraus, was dieser lagen werde. Hobb» war in diesem Sommer zweimal nach Millsborough gekommen, hatte Anthony feine Verzweiflung geklagt, und dieser hatte zweimal an Sir Harry Toomber gc- schrieben. Aber was sovre der verarmte Aristokrat tun? Er fragte an. ob Mombray u. Cousins nicht einen Mieter für fein Landhaus finden könnten? Anthony beschloß, Hobbs auf eigen« Verontworftmg Hilfe angedeihen zu hassen. Der Rosengarten muß auf alle Falle erhalten bleiben. Er gelangte in den Blumengarten; dieser war 5)obbs besonderer Stolz; bunte Farben flammten vor Anthonys Augen. Der Blumen- garten lag zwischen zwei allen grauen Mauern, die einst zum Kloster gehört hatten: im Hintergrund erhob sich die gewallige Zeder, die Herbert de Combles von einem Krcuzzug heim- gebracht und hier eingepflanzt hatte. Die beiden Gärten waren durch eine Buchshecke getrennt: ein« kleine Tür durchschnitt die Hecke. Anthony blieb stehen, legte die Arme auf die Tür und betrachtete die immer länger werdenden Schatten. Als er wieder ausblickte, sah er ein Mädchen auf sich zu- kommen. Er kannte sie, konnte sich aber nicht entsinnen, wo er sie gesehen hatte. Dann plötzlich erinnerte er sich. Sir Harry Coomber hatte, seine Kränklichkeit vorschützend. Herrn Mowbray gebeten, tbn in einer geschäftlichen Angelegenheit aufzusuchen, und Herr Mowbray hatte Anthony hingeschickt. Es hatte sich nur um das Vermieten des Landhaufes ge- handell: Sir Harry wollte mit den Seinen ins Ausland ziehen und sofort verreisen. Anthony saß am Fenster und machte Notizen, Sir Harry, unnötige Weisungen erteilend, schritt im Zimmer auf und ab. Plötzlich öffnete sich die Tür Irnd ein Mädchen trat hastig ein. Anthony fand kaum Zeit, sie zu sehen. Sie schien überrascht, einen Fremden vorzufinden,

wußte augenscheinlich nicht recht, ob er ihr vorgestellt werden würde, oder nicht. Ihr Bater gebot ihr, fortzugehen und sagte, sie möge das nächste Mal nicht gleich einein Wirbelsturm ins Zimmer gefegt kommen. Sic schnitt ein Gesicht und ver- schwand. Anthony hatte sie nur wenige Augenblicke gesehen. staunte darüber, daß er sich ihrer so genau entsinne; sogar das Grübchen im Kinn hatte er nicht vergessen. Sie kam immer näber. Er fragte sich, ob er wohl mit ihr sprechen solle. Da blickte sie aus. und ihre Augen begegneten einander. Sie stand vor einer großen Gruppe blauer Hör- tensien; Anthony bemerkte, das satte Blau der Blüten sei fast die gleiche Farbe, wie die ihres Kleides. Jählings, da er für eine Sekunde die Augen abwandte, mußte sie hinter den Busch getreten sein. Er wartete, dock erschien sie nicht wieder. Es wäre vielleicht stech länger auf sie zu warten. Als Anthony an einer der Nebentüren des Haas»» vor- überkam, begegnete er dem alten Wilkins, dem Hausmeister. Dieser war früher hier Kutscher gewesen. ,.Wann kamen Sir Harry und die Familie zurück?" fragte Anthony. Es war merkwürdig. Saß Sir Harry ihn nicht verständigt hatte. Aber vielleicht war er rrnr auf kurze Zeit gekommen. Wilkins starrte ihn an:Was wollen Sie damsii sagen? Es ist niemand hier.* Ich sah doch eben Fräulein Coomber."' Schon im nächsten Augenblick bedauerte Anthony seine Worte, denn das Gesicht des alten Mannes zeigte deullich, daß er ihn für ver- rückt halte.Sie müssen ihren Geist gesehen haben, Herr Anthony." erwiderte er.Ihr Körper ist nicht hier." Anthony lachte errötend.Ich habe wohl geträumt." Ja, das ist die einzig mögliche Erklärung," bestätigte Herr Wilkins. Er wünschte Anthony einen guten Abend und trat ins Haus. Anthony hörte, wie er nach seiner Frau rief. Als Anthony heimkehrte, war es bereits dunkel. 10. Frau Tetteridge war hübsch und pikant; me grauen Augen blickten nicht mehr voll kindlichem Erstaunen in die Well. Im Gegenteil: sie erweckten den Eindruck, als stnne Frau Tetteridge die Welt ganz genau und finde an ihr nichts Staunenswertes. Eine Alltagswelt mit gut gebahnten Chausseen, auf denen man dohinschreiten mutzte, die Augen nach vorn gerichtet, seden Wunsch nach loikenden Seitenwegen unterdrückend, die in Wüsten und Einöden führen tonnten. Tetteridge« Schul « war über sich selbst hinausgewachsen.

Frau Tetteridge empfand keinerlei Abneigung gegen die ehrgeizigen Armen", solange diese bereit waren, höhere Schulgelder zu zahle« und ihre Söhne respektabel zu kleiden. Trotzdem bildete diese Kategorie Schüler nicht mehr die Haupt- stütze der Lehranstalt des Ehrwürdigen Dr. Tetteridge. Die merkantilen und intellektuellen Klassen vpn Millsborough hatten Herrn Tetteridge entdeckt und schickten sich an. ihn zu annektieren. Selbstverständlich wünschten sie, daß die Schule sich vorerst von den schäbigen zerlumpten Elementen steimache. Herr Tetteridge des and sich während der Unter- reduna mit den Eltern in der gleichen Lage, in der sich Fräu- lein Warmingtvn vor vielen Jahren befunden, da sie, Frau Srrong'nlb'ann gegenübersitzend, einen selbstsicheren kleinen Jungen betrachtet hatte, der sein eines Bein unter sich ge- schoben hielt. Der ehrwürdige Herr Tetteridge bedauerte, hatte er doch seinerzeit auch selbst nur mit Mühe die Schneiderrechnung bezahlen können, aber Zwilchhosen, g«' flickt« Röcke, Gummikragen l Er müsse auf die Eltern seiner Schüler Rücksicht nehmen. Ein gewisses Dekorum und an- ständiges Aeuhere müsse gewahrt werden. Und nicht immer war es die Kleidung, die Schwierigkeiten verursachte. Es kamen auch Kinder von Agitatoren, Söhne von Vätern, die häufig öffentlich gegen die bestehende Eefellschaftsordnung redeten! In Millsborough gab es ihrer viele. Unglückseliger- weise mußten die Kinder die Ansichten der Eltern büßen; das ist nun einmal so. Bor allem gilt es, die Jugend des Mittel» standes vor der roten Ansteckung zu schützen. Der ehrwürdige Herr Tetteridge, die eigenen jugendlichen Reden im Gedächt- nis bewahrend, brachte derlei Redensarten errötend und stammelnd hervor. Herr Tetteridge persönlich war keines. wegs gegen die Redefreiheit. Aber die Eltern seiner Schiller! Dieehrgeizigen Armen" pflegten solche Unterredungen mit unverhohlenen Ausdrücken des Zornes und der Verachtung zu beenden, zogen dann mit ihren verblüfften Sprößlingen wieder ab. Bisweilen schmerzten ihre Worte den ehrwürdigen Herr Tetteridge, weil sie auf Wahrheit beruhten, besonder» die Dinge, die von jenen Armen ausgesprochen wurden, die ihn noch als den erfolglosem Emanuel Tetteridge gekannt hatten. Emanuel Tetteridge hatte den Wunsch empfunden, den Armen zn helfen. Wie hätte er dies besser tun können. als durch die Erziehung ihrer Söhne? Anscheinend besaß er auf pädagogischem Gebiet eine ganz besondere Begabung. Um dieser Erkenntnis willen hatte er auf seine Träume ver- zichtet.(Fortsetzung folgt.)