Am 12. Oktober 1918 telegraphierte Hindenburg an den Reichskanzler Prinz Mar von Baden(Nr. 4K): Großes Hauptquartier. 12. Oktober 18. Ich und General Ludendorff stimmen dem von Obersten v. Haesten am 1Z. Oktober 12 Uhr 30 Minuten telcphonlsch mitge- teilten Wortlaut der Antwort an Wilson zu. gez. o. Hindenburg . Nun aber beginnt das Schwanken nach der anderen Seite. Nachdem Hindenburg und Ludendorff die Reichs- regierung zu dem überstürzten Waffenstillstaiidsangebot gezwungen haben, treten die vorauszusehenden Folgen des von der ganzen Welt als Kapitulation aufgefaßten Schrittes ein. Nun möchte Hindenburg , nachdem das lln- glück geschehen, wieder zurück. In einem Brief an den Reichskanzler vom 14. Oktober 1918(Nr. 49n) spricht Hinden» bürg dem Reichskanzler feine„ernste Sorge" aus. daß die gegenwärtige Stimmung im Innern des Reiches unsere militärische Lage und unsere Aussichten bei Verhandlungen immer ungünstiger gestaltet. Die„gegenwärtige Stimmung"— nämlich völlig« Panik — war aber durch nichts anderes erzeugt als durch die Kopflofigkevt und den Nervenzusammen- bruch der Obersten Heeresleitung. Am Schlüsse des telegraphierten Briefes heißt es aber: Dieses Telegramm war bereits verfaßt, als die Ausführungen des Staatssekretärs Erzberger für die.Norddeutsche Allgemein« Zeitung" zu meiner Kenntnis kamen. Ich begrüße diese Ausführungen..„ Das ist, wie wir noch sehen werden, nicht das einzige Mal, daß sich Hindenburg an den später geschmäh- ten und zu Tode gehetzten Erzberger klammerte. Wie es damals gerade mit dem Per- trauen rechtsgerichteter Kreise auf Hindenburg und Luden» dorff stand, das zeigt folgender Protokollauszug aus der Sitzung des engeren Kabinetts vom 17. Oktober 1918(Nr. 33): Staatssekretär Solf berichtet, daß ihn heute morgen zu unge- wohnlich früher Stund « der Abgeordnete Rieß er aufgesucht und ihm gesagt habe, das Vertrauen der RalionoMberalen Partei aus General Ludendorss sei so erschüttert, daß sie erwarte, die Regierung werde sich bei ihrem Entschluß nicht nur ans Hindenburg und Luden- dorss stützen, sondern auch andere Feldherren hören. „Nicht nur auf Hindenburg und Ludendorff stützen-.." Die Nationalliberale Partei heißt heute Deutsche Volks- partei und hat den Feldherrn als Präfidentschaftskandi- daten aufgestellt, zu dem sie am 17. Oktober 1918 alles Vertrauen verloren hatte! Aber vielleicht erinnern sich doch einige Mitglieder, daß in einer Führerbesprechung der Nationalliberalen Partei vom 13. Oktober 1918 kein geringerer als der jetzige Vorsitzende der Deutschen Volkspartei , Herr Dr. Gustav S tiefe.- mann, erklärt hatte: Es ist in der Oeffentlichkeit behauptet worden, der R e i ch s t a g habe wieder einmal die Nerven verloren. Demgegenüber nmß doch betont werden, daß das Parlament ohne Unterschied der Parteien in dieser Krisis die festesten Nerven gehabt hat. Die Srschüllcrung des letzten Restes von Siegeswillen ist ausgegangen von der Obersten Heeresleitung und von niemand ander». Und weiter beklagte Herr Dr. Gustav Stresemann, daß dep-Reichstag von der Obersten Heeresleitung belogen "Und betrogen worden sei. Herr Stresemann sagte: Man kann verstehen, wenn im Hauptausschuß gesagt wurde, daß unsere Nachrichtenabteilung nicht schlechter hätte sein können, wenn dort bezahlte Spione der Entente gesessen hätten. Ein Beispiel ist folgendes: An demselben Tage, an dem der Lyoner Funkspruch die Nachricht von dem Beginn der großen Ententeoffensive in Maze- donien in die Welt sandte, behauptete der Vertreter der Obersten Heeresleitung in Berlin , die bulgarische Front sei sieben Kilometer von der feindlichen entfernt, und es handle sich lediglich um belanglose Patrouillengefecht«. 48 Slonden später
war die bulgarische Front durchbrochen und die Ulkte um Waffenstillstand ausgesprochen. So bitter hat sich Stresemann damals darüber beschwert, von der Obersten Heeresleitung belogen worden zu fein. Heute proklamiert Herrn Strefemanns Partei Hindenburg als Prä- sidentschaftskandidaten!_. die Volkspartei bettelt. Die Teutschnationalen solle« sich zu Stresemann bekennen. Die Reichsregierung hat in der Außenpolitik die Führung verloren. Der völkische Flügel der Deutschnationalcn unterminiert das außenpolitische Gebäude und macht täglich Fortschritte. Die Agitation gegen Strefemanns Außenpolitik wird hemmungsloser und hemmungsloser. Auch die Kreise der Deutschnationalen, die sich bei dem Intrigenspiel bisher neutral verhalten haben, werden mit fortgerissen. Unwidersprochen dürfen die Rechtsdeutschnationalen Hindenburg als Kampfkandidaten gegen Stresemann bezeich- nen. Die sich nährenden Proteste gegen leinen Kurs finden feit einiger Zeit auch in der amtlichen Presse der Deutsch - nationalen Eingang. Das Parteiorgan der Deutschnationalen Partei, die„N a t i o n a lp o st", macht sich zum Sprach- r o h r des Führers im Streit gegen Stresemann , v. Freytagh- Loringhoven. Und die Reichs regierung? Sie schweigt. Ihr Innenminister aber, Martin Schiele , schickt der er- bittertsten Gegnerin Strefemanns. der»Deutschen Zeitung", wohlwollende Beiträge. Und Stresemann, der Außen- minister, der von der deutschnationalen Fronde beseitigt werden soll— er hält in Hamburg eine nichtssagende Rede, in der er von seiner Außenpolitik sagt: »Die Grundlagen dieser Außenpolitik können auch durch ein Volksvotum über innerpolitische Anschauungen nicht geändert weiden."/ Das heißt um den heißen Brei herumgehen. Die deutsch - nationalen Frondeure haben Hindenburg als den Kandidaten gegen die bisherige Außenpolitik aufgestellt. Diese Anschau- ung gewinnt in der Partei an Boden. Selbst Graf W e st a r p bekennt sich in der„Kreuz-Zeitung " zu chr. Die Reichs- regierung, die die Führung in der Außenpolitik haben sollte, ist in die Defensive gedrängt. Zlber sie verteidigt sich noch nicht einmal. Sie schweigt. Das kann in dieser Lage nur da- mit zu erklären sein, daß sieselbstinzroei feindliche Lager gespalten ist. Die„Nationolliberale Korrespondenz", der amtliche Presse- dienst der Volkspartei, versucht, Stresemann zu Hilfe zu kommen. Sie fordert, „daß die Deutschnationale Volksparlei von Herrn von Frey- tagh-Lorringhoven abrückt und ihrerseits um unumwunden zum Ausdruck dringt, daß sie als Regierungspartei auch hinler der Außenpolitik der Regierung steht." Eine selbstverständliche Forderung. Aber die Deutsch - nationalen müßten nicht die Deutschnationalen sein, wenn sie nicht darauf pfeifen würden. Man hat nicht umsonst Iarres in die Ecke gestellt und Hindenburg an seine Stelle gesetzt. Hindenburg ist Attrappe. Die Deutschnationale Partei aber will herrschen. Sie will den Sieg über die Volkspartei ausnutzen. Die Bolkspartei soll in Zukunft dieselbe Rolle spielen, wie sie Hindenburg zugedacht ist. Dekoration, nichts mehr. Die schüchterne Forderimg des volkspartei- lichen Presseamtes wird im deutschnationalen Lager nur Ge- lächter auslösen._
Hannover für Marx. Der Bolksblock marschiert. Hannover , 17. April. (Eigener Drahtbericht.) Als ein Erfolg für die Kandidatur Marx kann die am Donnerstag abend in der Stadt Hannover vom Wahlverein unserer Partei veranstaltete öffent- liche Wahlkundgebung gewertet werden. Vor einer vieltausend- köpfigen Menge sprach Oberpräsident, Genosse H ö r s i n g, über
die Zukunftsfrogen des deutschen Bolkes, die mst d« Enifcheidung über das Reichspräsidium zusammenhängen. Immer wieder von stürmischem, langanhaltendem Beifall wurde er unterbrochen, wenn er die Sünden des Reaktionsblockes und die Absichten der Gegner schilderte. Dos von dem Redner abgelegte Bekenntnis zur Wei- marer Verfassung, zum sozialen Fortschritt und zum Frieden fand ausnahmslos feierliche Zustimmung bei den Anwesenden, die sich aus Angehörigen aller republikanischen Parteien zusammensetzten und klang aus in ein dreifaches Hoch auf die Republik , die es zu erringen und auszugestalten galt. Die Massenversammlung bedeutet eine verheißungsvolle Eni- Wicklung des Wählkampses für den republikanischen Gedanken in Hannover . In den nächsten Togen werden weitere 20 Wahl- Versammlungen der sozialdemokratischen Partei in Hannover einberusen. Auch das �Zentrum und die Demokratische Partei wer- den große Kundgebungen veranstalten, in denen der frühere Reichs- kanzler Dr. Bell und der Reichstagsabgeordnete Dr. Haas sprechen werden. An diesen Kundgebungen wird sich auch das Reichsbanner beteiligen. Die Wahlarbeit der Gegner sst bisher in der Oeffentlichkeit wenig bemerkt worden Die ersten Kundgebungen des Reaktions- blocks werden in den nächsten Tagen veranstaltet.
Unö tzmüenburg! Saßt schlafe» mir de« Alte»... Hannover , 17. April. (Eigener Drahtbericht.) Hindenburg fft am Donnerstag von einem Besuch bei seiner verheirateten Tochter in Lüneburg zurückgekehrt. Seine Stimn'ung fft sehrun- wirsch. Besonders hat ihn der katastrophale Eindruck seiner Knu- didatur bei der Auslandspresse verstimmt. Er lehnt zurzeit jede Unter redung mit den zahlreichen ausländischen Pressevertretern, die in seinem Hause vorsprechen, a b und sein Adjutant, der Oberst- lcutnant v. Kuegelgen, ein früherer aktiver Offizier, der setzt von der Republik seine Pension bezieht, schickt selbst die deutschnationalen Propheten, die bei Hindenburg ein- treffen, ohne sie irgendwie berücksichtigt zu haben, an das W a h l- bureau des Reaktions blocks. das in Hannover ein- gerichtet ist und politische Auskünfte in orakelhafter Form zu er- teilen hat. Bor dem Hause Hindenburgs stehen auf Anordnung des Hannoverschen Polizeipräsidenten v. Beckrath zwei grüne Schutzpolizeibeamte, die dafür zu sorgen haben, daß keine unberufenen Leute Hindenburg belästigen und daß vor seinem Hause olles in Ordnung bleibt.'_ �___
Eitler in Halle. Exzesse gegen«user Parteiorgan. Holle , 17. April(Eigener Drahtbcricht.) Halle scheint der Tummelplatz der extremen politischen Parteien bleiben zu sollen. H i t l e r. der bekaniillich in Bayern nicht sprechen darf und der auch alle Ursache hat, politisch weiter in der Versenkung zu bleiben, ist für Sonnabend»nd Sonntag in vier öffentlichen Versamlungen in Halle als Redner angesetzt. Die Propaganda für den Putschisten hat in der vergangenen Nacht damit begonnen, daß die Hakenkreuzler der Buchhandlung des„Volksblattes" wieder eine Scheibe einschlugen. Wir fürchten, daß, wenn die preußischen Behörden sich nicht schnell besinnen und das öffentliche Auftreten Hitlers in Preußen un- möglich machen, es am Sonnabend und Sonntag in Halle zu neu«» Exzess'-t kommt, deren Folgen angesichts der bevorstehenden Wahl besonders schwer sein könnten.......
Ermäßigung der inkernationalen Postlarise. Wie der Amster- damer..Telegraf" berichtet, sind Erwägungen im Gange, die inter - nationalen Posttariso zu ermäßigen. Man beabsichtigt, das gegen- wärtig geltende Brksporto von 20 auf 15 Cents uild für Postkarten von 12,'5 auf 10 Cents herabzusetzen. Wenn dieser Borschlog an- genommen werden sollte, so dürfte er doch nicht vor Oktober in Kraft treten. Alexandra Sollonloy, die rusfisSe Gesandte in Norwegen , ist abberufen und durch Nikolajew abgelöst worden.
der gute Richter. Bon Paul Gutmonn. In München ist am Ostermontaa Obirlandesgerichtavrästdent Wilhelm Mayer gestorben. Er siihrte u. a. den Vorsty im Euleuburg-Prozeß und im Prozeh gegen den Dichter Georg Kaiser . Er selbst war unter dem Namen Wilhelm Herbert als Dichter bekannt. Jeder Gebildet« in München kannte ihn unter dem Namen: der gute Richter. Seine Objektivität war bewundernswert. Der , Künstler in ihm stand dem Richter würdig zur Seite. Im Nebenberuf langjähriger Mitarbeiter der„Fliegenden Blätter ", war er ein dramatischer Dichter der Prozeßführung. In politischen Prozessen der jüngsten Zeit ist er im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen rühmenswert hervorgetreten. Aber seine Laufbahn will ich nicht schildern. Ich möchte hier nur aus der Erinnerung das Bild eines Prozesses wiedergeben, den er leitete und der für München in seinen Ursachen und Wirkungen etwa das bedeutete, was eine Ratssitzung in dem Städtchen Schilda gewesen sein mag. Es handelt sich um den aus der Entfernung der Jahre grotesk anmutenden Veleidi- gungsprozeß Max Halbe gegen Friedrich Frekfa. Wer München kennt, weiß, daß in dieser Stadt das Unzuläng- lichste Ereignis werden kann. Eine Tänzerin entfesselt eine Revo- lution. Ein Literat, der gestern im Kaffeehaus vor einem lauten Geräusch zusammenschreckte, fährt heute mit einer roten Schärpe und einem alten Schleppsäbel als Kriegsminister durch die Straßen, ein worttrunkener Bereinsredner wird im Bierkeller als Diktator ausgeriisen Das Maß für die Wirklichkeit verschiebt sich hier, das Kleinste nimmt abenteuerliche DimeiisianeV an. So war es auch t» jenem Prozeß vor etwa sechzehn Jahren, der heute nach so viel weltumwölzenden Ereignissen geradezu als köstlicher Witz anmutet. Daß ein Dichter einen Kollegen verklagt, weil dieser von ihm. nota- bcne ohne Namensnennung, als von einem dicken Dramatiker ge- sprachen hat, der auf die Erfolge der anderen mit Neid blickt, eine solche Empfindlichkeit ist eben nur aus der Münchener Atmosphäre zu erklären. Daß aber die Beweisführung von Morgens bis in die Nacht dauert, daß fast das ganze literarische München die Zeugenbänke füllt und der Verhandlungsleiter, selbst ein Dichter, den Chor widerstrebender Personen und Cliquen wie ein genialer Kapellmeister dirigiert, das ist phantastisches Künstlerwescn in höchster Vollendung In jeder andern Stadt würde man über die Fragestellung: ist Halbe neidisch, ist er es nicht, mitleidig lächeln. Dielleicht ist er es. Jeder von uns, wenn er aufrichtig ist, wünscht sich den Erfolg seines Konkurrenten. Aber hier, so stelle man sich vor, treten die ersten Schauspieler des Hoftheaters und Schauspiel- Hauses, die von Halbe geförderten jungen Dichter, ferner Maler. Zeitungsmenschen, Direktoren usw. vor die Schranken und be- künden unter Eid, daß Halbe nicht neidisch sei.' Eine Sensation: Roda Roda , herrlich geschmückt mit seiner roten Weste, versichert mit feierlichem Pathos, was bei ihm besonder» großartig wirkt:
Halbe ist nicht neidisch! Der gute Richter sitzt da und schmunzelt. Man hat bei chm das Gefühl, daß er über dem Ganzen als ge- nießender Schöpfer thront. Jede Aussage in diesem Literatenpro- zeß fft ein kleines Essay, das er befriedigt herunterschlürft. Der Kampf tobt weiter. Die Anhänger Ruederers. zu denen der Be- Nagte Frekfa gehört, und die Anhänger Halbes tauschen feindliche Blicke aus. Aber ein paar hundert Meter von der Gcrichtsstättc entfernt, hat Frank Wedekind in einer Kneipe fein Standquartier und läßt sich durch Freunde von Zeit zu Zeit berichten, wie die Dinge stehen. Denn um keinen Preis der Welt würde er seinem Freund Halbe, mit dem er seit Wochen wieder einmal verfeindet ist, das geringste Interesse zeigeil. Er lächelt nur diplomatisch, wie ein Japaner über jeden Schlachtbericht, der ihm zugetragen wird. Spräche aus den Zwischenbemerkungen des Berhandlungsleiters nicht eine so erfrischend humorvolle Ueberlegenheit, man wäre am Abend längst totoräde. An der Neidlosigkeit Halbes besteht ja nun- mehr wohl kein Zweifel. Man könnte die Sache als erledigt be. trachten. Ein vom Richter vorgeschlagener Vergleich der beiden Parteien wäre nicht so übel. Aber nein, nach solchem dramatischen Szenenaufbau darf der effektvolle Aktschluß nicht fehlen. Das fühlt der Dichter Freksa, und so springt er. nachdem der Wortlaut des Vergleichs bereits aufgesetzt, um neun Uhr abends plötzlich auf und ruft in die bereits ermattete Schar das heroische Wort:„Nie- nials. Ich bin eine Michael Kohlhaasnatur!" Darauf war keiner gefaßt. Das wirkt wie eine Bombe. Der gute Richter, offenbar ent- zückt über diese neue dichterische Wendung, fährt in der Berhand- lung hilmorvoll fort. Aber die Kohlhaasnatur hält dem Bedürfnis nach dem gewohnten Kaffeehaus nicht stand, und um 10 Uhr ist der Vergleich zwischen den feindlichen Parteien geschlossen. Halbe ist nicht neidisch. Freksa trägt die Kosten. Der giitc Richter hat eine Komödie zur Aufführung gebracht, worauf die Dichter der beiden feindlichen Gruppen, auch wenn sie offiziell als neidlos da- stehen, mit Neid hätten blicken können.
Ein lustiger ftaozöststher Schwank. Sallenburgs„Deutsches K ü n st l e r t h e a t e r" hat wieder seinen Dauererfolg. Der dreiaktige Schwank der Franzosen Mau- rice Hennequin und Pierre Väber„Die Bar auft Montmatre" ist ein Volltreffer. Gleich in den ersten Szenen beginnen sich von der Bühne in den Zuschauerraum Fäden zu spannen, die das Publikum gefangen nehmen. Die auf der Bühne tollende Ausgelassenheit steckt an. Dem Griesgrämigsten vergehen die Grillen. Man kommt in Rauschstimmung, man denkt nicht mehr nach, man lacht bloß. Nachdenken darf man auch nicht» sonst würde man merken, daß die Autoren zu sehr auf unsere Naivität bauen. Sie muten uns Unwahrscheinlichkeiten zu, die wir bei erhaltener Kritikfähigkeit entrüstet ablehnen würden. Originell fft die Sache auch, nicht aufgezogen. Die Lustigkeit beruht auf Verwechslungs- tricks, dein bewährten Rezept für Schwänke. Die lockere Ginette, der ihr reicher Geliebter ein« Bar eingerichtet hat, verliebt sich in
einen sehr kindlichen Dichter. Er ist so blöd, ihr« von A bis Z er- logene Lebensgeschichte sühr wahr zu halten und an ihre jungfräuliche Unberichrtheit zu glauben. Er bringt sie zu der wohltätigen, Harm- losen Frau eines Bankdirektors, die das tugendhafte Mädchen adop- tieren will. Der Bankdirektor ist aber GtnetteS Geliebter. Ausgerechnet. Das gibt ein tolles Durcheinander. Jeden Augenblick wartet man auf eine neue blödsinnige Verquickung der verzwickten Situation. Die Schauspieler unterstreichen die faustdick aufgetragen« Komik des Schwank?. Allen voran die Ginette der Erika G l ä ß n e r. Diese unbezahlbare Darstellerin kesser Puppchen fühlt sich in ihrem Element. Sie besitzt ein unerschöpfliches Register von Ausdrucks- mitfeln. Sie spielt mit den Füßen, mit den Fingern, mit den Augen. mit der Stimme. Gurrend und klucksend spricht sie. scharwenzelt wippend und tänzelnd auf der Bühne herum, stelzt als große Dome und wiegt sich kokett als Luderchen. Wenn sie, sich aüf den Fuß- sohlen drehend, sagt:„Gestern noch lasterhast, und heute schon tugend- sani," erntet sie Beifall auf offener Szene. Das zweite lustige Er- lebnis des Abends fft Hans Waßmann . Er gibt mit grotesker Komik die Karikatur eines abgeschabten, verknöcherten Beamten. In seiner hostigen Hilflosigkeit fft er das Urbild emes spießigen Trottels. IohannesRiemann.Hons Junker mann und Erika Unruh konnten sich neben diesen beiden für den starken Applaus bedanken._ Dgr. Deutsche Kunst in Rloskan. Was wird in Moskau in den Theatern und Konzerten gespielt? Darüber gibt uns ein Blick in die Moskauer Zeitung„Jswestija" Auskunft. In der Oper Wagners „Walküre" und„Tristan und Isolde ": im Konzertsaal Beechovens „Neunte Sinfonie " unter Klempercrs Leitung, Liszts„Mozeppa" und„Les preludes", Wagners„Meistersinger"- Vorspiel und die „Tannhäuser "-O>ivertüre. Das„Sinfonische Orchester ohne Dirigent" zählt zu den meisigespielten Koinponisten Beethoven und Wagner . Das größte Kinotheater Moskaus bringt in seinem Spielplan den „Nibclungen-Film". In den Anzeigen wird er als das größte Werk der Kinokunst bezeichnet. Wie man sieht, besteht also auch im Heu- tigen Rußland ein erfreulich großes und vielseitiges Interesse für die deutsche Kunst. welche Länder haben das Frauenskimmrechl? Das Frauen- stimmrscht ist viel weniger verbreitet, als man gewöhnlich annimmt. Bon den größeren Ländern Europas haben nur Deutschland und die drei nordischen Reiche ein uneingeschränktes Frauenstiinmrecht. In England sind die Frauen erst vom 30. Lebensjahr an stimmberechtigt, in Frankreich und Italien überhaupt noch nicht. Die Frauenorganisationen dieser Länder führen Im Augenblick einen an- scheinend nicht erfolglosen Kampf für das Frauenstimmrecht, so daß es bald wohl überall eingeführt fein dürfte. Zm Schausplelhouse mußte infolge techniicher Schwierigkeiten biö Neu- «instudierung des„John Gabriel Lorkmann" auf Montag, den SO. Zlpril verlegt werden.— Sonnabend:„Prinz Friedrich von Homburg-. Der neue Kölner Intendant. Der Kölner Theaterautfchuß wählte den früheren Generaliniendanten de« Weimarer Naiionoltbeater». Ernst Hardt , üum Intendanten de» Kölner Schaufpielhaufe«. Di« Wahl war sehr um- stritten. Räch Snstav Härtung, der der Theaterkunst neue Wege gewiesen bat. wird es Ernst Hardt schwer werden, dem Köln « Schauspiel den weiteren Aufstieg zu sichern.