r.18242. Jahrg. Ausgabe A nr. 94
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Sounabend, den 18. April 1925
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Massenaufmarsch für die Republik .
Riesenkundgebung für Mary im Sportpalast. im Sportpalast. – Für Für Freiheit und Einheit, für Demokratie und Großdeutschland .
Als Wilhelm Mary Sen Sportpalaff betrat, begrüßte ihn| ist Herr 2o ebelf, berfelbe wilhelminische Minister, der noch den brausender, enthusiastischer Jubel. Die versammelten Republifaner begrüßten nicht nur ihn, sie begrüßten die Republik , die Idee der Demokratie. Diese Rundgebung war eine wuchtige Antwort der Republikaner Berlins gegen die Kandidatur Hindenburg , eine stürmische, begeisterte, riesengroße Kundgebung. Es war nur ein Teil der Republikaner Berlins , der den Sportpalast füllte und in den Straßen wogie, und doch: wer diese Kundgebung gesehen hat, der weiß: Berlin ist republikanisch!
Ein stolzes Bekenntnis für die Republik , für die Ideale der deutschen Demokratie, für Großdeutschland.
Ueber den Massen der Republikaner wallten die fchmarzrotgoldenen Fahnen, die Farben der deutschen Republik, die Farben, unter denen die deutsche Demokratie in der Geschichte für Freiheit und Einheit fämpfte.
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Nicht ein Oberschicht von Interessenten, von Machtpolitifern, von Revenants des alten Systems das Volk der Republik trägt die Randidatur Marg.
Unendlicher, Jubel umbraufte die Redner, im stürmischen Bekenntnis zur Republik schloß die Kundgebung. Die deut schen Republikaner, die deutsche Demokratie ist einig und entfchloffen, die Republif zu verteidigen gegen alle reaktionären Versuche. Diese Kundgebung hat die Republikaner mit stolzem Siegesbewußtsein erfüllt!
Der Verlauf der Kundgebung.
Der Riesenjaal des Sportpalastes war schon um sieben Uhr überfüllt. Als Reichsfanzler a. D. Marg den Saal betrat, begrüßte ihn eine stürmische Rundgebung der Versammelten.
Der Gauvorsitzende des Reichsbanners Fritz Koch begrüßte die Redner des Abends, die Reichstagsabgeordneten Hermann Müller und Erkelenz und den Präsidentschaftskandidaten Marg und dankte für ihr Erscheinen. Zu Marg gewandt, betonte Koch, daß sein Bestreben zur Schaffung einer großen, freien, deutschen Volksgemeinschaft im sozialen Sinne die tatkräftigste Unterstützung des Reichsbanners finden wird. Bis zum legten Mann st eht das Reichsbanner bereit, mit Mary gemeinsam ein freies Land zu schaffen. Er forderte die Versammlungsteilnehmer auf, die wenigen noch zur Verfügung stehenden Tage zur regften Werbearbeit für die deutsche Republik zu benutzen.
Nach dem Einzug der Fahnenkompagnie, die unter den Klängen des vom Sinfonieorchester gespielten Reichsbannermarsches ihre Bläge am Bodium einnahm, ergriff das Wort
Reichskanzler a. D. Genosse Hermann Müller : Es gilt, am 26. April das Erbe unseres unvergeßlichen Friedrich Ebert zu verteidigen. Dazu müssen alle Republikaner zu sammenstehen. Wenn der Wahltag vorbei ist, soll fein aus ländischer Nationalist mehr höhnen können, die deutsche Repu blik sei ohne Republikaner. Es war im Juli 1917, als sich die heutigen Berfaffungsparteien zusammenfanden, um einen Ber= ftändigungsfrieden zu erreichen. Preußische Generäle zerschlugen diese Absicht. Es ist kein Zufall, daß die Rechtsparteien von. damals heute Deutschland wieder eine Generalsfaffade geben wollen. Sie haben nichts vergessen und nichts hinzugelernt. Heute wissen wir, das Deutschland nur als Republik bestehen kann. Dazu gehört, daß an die Spizze des Reichs ein Republikaner kommt. Wir lehnen es ab, an diese Stelle einen 78jährigen, völlig unpolitischen Greis gesezt zu sehen. Dieselben Parteien, die noch 1923 dafür eintraten, daß unser Ebert Reichspräsident bleiben sollte, haben jegt nach langem Suchen Hirdenburg aufgestellt. Von Marg wissen wir, daß er ein Republikaner ist, der es ehrlich, aufrichtig und gerecht mit der Republik meint; von Marg wissen wir Sozialdemofraten, daß er für den Bölferfrieden eintritt. Der Frie densschrift des Papstes Benedikt während des Krieges hat damals die gemeinsame Linie mit der Zentrumspartei in der Fra ge des Friedens finden lassen.
Soldaten im Schützengraben das allgemeine Wahlrecht vorenthalten wollte. Wo wäre das Rheinland, wo wäre Stöln, das Ruhrgebiet hingekommen, wenn gerade die großen Kreise der arbeitenden Bevölkerung nicht treu zur deutschen Re publik geftanden hätten, wenn sie nicht im wahren Sinne national gewesen wären. Wir verbitten es uns, weniger national genannt zu werden, als die Maulhelden von rechts für sich in Anspruch nehmen. Wir Republikaner und wir Sozialdemokraten wollen, daß Deutschland frei werde, frei im Sinne der Demokratie, der Boltswohlfahrt. In diesem Sinne führen wir den Wahlkampf; unter diesem Zeichen treten wir ein für den gemeinsamen Kandidaten aller republikanischen Parteien,
für Wilhelm Mary.
Ein Beifall, wie ihn so begeisterungsvoll, jo tief empfunden, se riesenstart und anhaltend wohl kein Redner im Wahlkampf gefunden hat, dankte Hermann Müller für seine Rede. Mun folgte die Ansprache des demokratischen
Reichstagsabgeordneter Erkelenz :
Tatsache, daß es feine Monarchisten mehr gibt. Schon Jarres hat Im gegenwärtigen Wahlkampf zeigt sich die bestaunenswertc. erklärt, daß alle Monarchisten treu zur Berfassung stehen und faffung und die Republit zu schützen. Das darf uns aber nicht Hindenburg hat in seinem Osteraufruf versprochen, die Berirritieren. Der beste Schutz für die Republik find die Republikaner . Die Monarchisten haben ihren zahlenmäßigen Aufstieg nur der Gemaltpolitik der ausländischen Nationalisten zu danken. Diese Kreise waren die besten Helfer für die Kandidatur Hindenburg . Was ist der Sinn der Republik , wie wir sie uns denten? Seit der Grünbung des Reiches war Deutschland ein Staat für die 24 000 Groß grund befizer und Junker. Das war mur möglich, weil die deutsche Demokratie schwach, unvereinigt war. Um so mehr ist es zu begrüßen, daß sich jetzt die demokratischen Kreise zusammengefunden haben, um die Diktatur einiger weniger Rechtspolitiker abzuwehren. Wir lehnen die politische Bevormundung ab, wir wollen selbständig unsere Politik machen, die allerdings nicht die Politik der Kraut- und Schlotjunker sein wird; wir wollen republikanische Politik betreiben. Soviel politisches Borzellan, wie in den legten Tagen zerschlagen worden ist, wäre nicht zerschlagen worden, und wenn Stresemann täglich mehrere Reden geredet hätte. Stresemann, der Außenminister der Republit, hat bei der erwogenen Kandidatur Geßlers erflärt, diese Kandidatur wäre außenpolitisch unerträglich; wie er es verantworten fann, heute Herrn Hindenburg zu empfehlen, ohne außenpolitische Schwierigkeiten zu befürchten, ist sein Geheim nis. Erkelenz betonte, daß er als Rheinländer fagen tönne, daß seine Landsleute Hindenburg nicht wählen werden. Wer die Freiheit Deutschlands will, wer die Untertanengesinnung aus dem Bolle gebracht haben will, der wählt Marg, den Kandidaten der Republikaner.( Stürmischer Beifall.)
aus dem Kreis der nationalen Einigung ausgeschloffen. Aber auch der übrige Teil, das uns noch erhalten gebliebene Deutschland , war in feiner äußeren Einheit start gefährdet. Unter unseren früheren Feinden blieben einflußreiche Kräfte am Wert, die in Berfolgung ihrer im Bersailler Vertrag enttäuschten Wünsche das Deutsche Reich, ganz nach dem österreichisch- ungarischen Borbild, am liebsten auseinandergerissen hätten. Hätten sie Erfolg gehabt, so wäre das deutsche Volk um die Früchte seiner idealen innerpolitischen Bestrebungen eines ganzen Jahrhunderts gebracht worden. Es wäre diefes politische Trümmerfeld aber dann auch eine unheilvolle Keimstätte von Zerstörungspilzen für ganz Europa geworden.
Seit mehr als sechs Jahren regiert sich nun das deutsche Volk in demokratischer Weise selbst. Und wenn wir uns heute die Frage vorlegen, wie es im Augenblick um die äußere Einheit des Deutschen Reiches bestellt ist, so darf man wohl mit Recht sagen, daß es gerade der demokratischen Regierungsweise, dem Umstande, daß es Männer des Bolles gewesen sind, die die hochpolitischen Entscheidungen der legten schmeren Jahre zu treffen hatten, zu verdanken gewesen ist, daß uns der Rest der äußeren Reichseinheit erhalten geblieben ist. Das Erbe, das uns unsere Bäter hier überlassen haben, haben diese der Erhaltung des Reiches willen mußte seit den Tagen von Versailles mocht, obwohl man es ihnen wahrhaft nicht leicht gemacht hat. Um Beauftragten der deutschen Demokratie erfolgreich zu behüten ver manche Unterschrift geleistet werden, die, wenn man ihre Tragweite der Reichseinheit beurteilt hätte, wohl faum wäre gegeben worden. unter Ausschluß jenes ausschlaggebenden Momentes der Erhaltung Heute stehen mir an einem gewiffen Abschluß dieser Sorgen um die Reichseinheit, wenn auch noch nicht alle Sicherheiten ge wonnen find. Schon heute kann man mit großem Recht sagen, daß die Männer gut beraten waren, die unter allen Umständen an dem Rechtstitel der unantastbaren Reichseinheit festhielten und um diefes Prinzips willen vor Opfern auf wirtschaftlichem und finanzpolitischem Gebiete nicht zurückschreckten.
Es ist der Geist der jungen deutschen Demokratie, der hier seinen politischen Befähigungsnachweis in überzeugender Form erbracht hat.
Er hat sich als willensstart genug erwiesen, an einem einmal als richtig erkannten Prinzip troß aller Mißdeutungen und Befehdungen von innen und Demütigungen von außen zielbewußt fest zuhalten. Wird dieses Leitmotiv auch den fünftigen Kurs der deutschen Politit bestimmen, so zweifele ich nicht daran, daß die deutsche Reichseinheit auch fernerhin gesichert werden kann. Größere Gefahren als sie in den letzten sechs Jahren zu bestehen gehabt hat, werden ihr nach vernünftigem Ermessen in absehbarer Bufunft wohl nicht mehr drohen. Dazu sind jetzt auch durch neue internationale Abmachungen festere Klammern um sie gelegt worden. Die deutsche Staatseinheit, von dem deutschen Volfe gewollt und durchgesetzt hat ihre Feuerprobe bestanden, die politischen Kräfte der Demokratie haben sie gesichert. Bon dieser foll uns niemand mehr schlecht reden.
Wir alle wissen, daß des Reiches Einheit nicht nur Mit stürmischem, begeistertem Jubel begrüßt, betritt dann außen, sondern auch von innen her bedroht werden kann. Marg die Rednertribüne.
Reichspräsidentschaftskandidat Dr. Marx: Deutsche Männer und deutsche Frauen! Wenn ich den prächtigen schwarzrotgoldenen Flaggenschmuck sehe, in dem diese gewaltige Halle heute abend prangt, so zieht's den geistigen Blick mit Macht zurück in jene Tage, da das deutsche Volf um seine nationale Einheit rang. Ein einiges Groß- Deutschland war der Wunsch unserer Väter, es sollte einig sein in seinen Stämmen, demokratisch und ein Hort des Friedens in Europa . Die ideale Lösung, die man damals fuchte, ist leider nicht gefunden worden. Mit Blut und Eisen aber hat der Alt- Reichs fangler Bismard das Deutsche Reich geschaffen. Es blieb ein Torso, aber eine gewaltige staatsmännische Leistung. Bismard selbst wußte, daß der beste und haltfähigste Kitt seines geeinigten Reiches mehr als die Dynastien das Volt selbst war. Das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahlrecht für den Reichstag war der Ausfluß dieser seiner Ueberzeugung. Es ist dann auch der Nährboden geworden, aus dem die notwendigerweise sich fortentwickelnde Demo tratisierung unseres Staatslebens wertvolle Kräfte fog.
Was stellen die anderen Parteien unserem. Kandidaten entgegen? Herrn Jarres haben die Rechtsparteien nicht nominiert; den haben wir am 29. März erledigt und Herr Loebell hat ihn wegschaufeln lassen. Aber nun ging das Elend beim Die Einheit des Deuffchen Reiches in dem von Bismard geRechtsblod erst los. Wo waren die großen Führer der Rechis schaffenen noch beschränkten Rahmen ist das wertvollfte Erbe, das parteien, von denen immer gesprochen wurde? Emige Zeit dauerte uns aus der Vorfriegszeit überkommen ist. Als Folge des verlorenen es, bis Hindenburg , der 78jährige, penfionierte General, Krieges find dem Deutschen Reich leider sehr gemichtige Gebietsteile gefunden war. Der Eindruck der Hindenburg - Kandidatur im Aus perloren gegangen. Das Bismard'sche Kleindeutschland hatte damit land ift einfach tataftrophal. Der Macher diefer Generalskandidaturan Gebietsumfang noch verloren, Millionen deutscher Brüder murden
wo das
Weniger von dem deutschen Volke selbst, das wahrlich zueinander drängt, so lange es nicht verheit ist und nicht für bestimmte parteipolitische Interessen mißbraucht wird. Man sagt, daß innerer Hader und nationaler Zwiespalt der anscheinend unauslösbare Erbfehler" des deutschen Volles seien. Seien wir vorsichtig, ehe wir so abfällig und ohne Bertrauen von unserem Volke sprechen. Gegen solchen Vorwurf spricht doch schon schlagend die Tatsache, daß, gerade das deutsche Bolt selbst es gewesen ist, das zur nationalen Einigung aller deutschen Kleinstaaten hindrängte, und auch andere Geschehnisse unvergeßlicher Art kennen wir, deutsche Volt aus eigenem Entschluß, in einem tiefen Erleben ber nationalen Aufgaben der Stunde, alle politischen und sozialen Unterschiede, alle besonderen Interessen beiseite schob und glänzende 3eugnisse feines einheitlichen Willens ablegte. Bard jemals von einem großen Bolte solche Probe nationalen Zusammengehörigteitsgefühls verlangt, wie von dem unfrigen während der leidens schweren Zeit des Weltkrieges, und hat es nicht im Jahre 1923 wiederum in einmütiger Geschlossenheit einen Erschöpfungskampf auf sich genommen und durchgeführt bis zur Ohnmacht? Wohl bietet das deutsche Volt sehr oft ein Jammerbild des Haders und der Entzweiung, aber fragen müssen mir uns auch: Ist dieses Uebel aus der unglücklichen Veranlagung unseres Bolles selbst entsprungen, oder liegt nicht vielmehr feine Quelle in gewiffen Regierungsweisen der Vergangenheit, an denen das Bolt felbft im meitesten Umfange zunächst unbeteiligt war? Wenn vor dem Kriege große Massen deutscher Staatsangehöriger fremder Sprachgebiete dem deutschen Staate nicht recht sich zu affimilieren verstanden,