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Nr. 184 42. Jahrgang

3. Beilage des Vorwärts

Hindenburg und Versailles  .

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Furcht vor der Verantwortung. Hoch Wilson!-> Nieder die Demokratie! Der zurückgezogene Heeres befehl.- Abschließen!

In dem früheren Artikel Der Zusammenbruch des Mar­Schalls"( Borwärts" Nr 181) haben wir dargelegt, wie Hindenburg   zusammen mit Ludendorff kopflos die deutsche   Regierung in die Waffenfiillstandsbedingungen hin­einzwang, so daß selbst die Nationalliberale Partei   unter Führung Stresemanns alles Vertrauen zu Hindenburg   verlor und durch den Abg. Rießer von der Reichsregierung verlangte, es sollten vor weiteren Schritten auch andere Heerführer um ihre Meinung befragt werden. Hindenburg   und Ludendorff   beantworteten diesen Schritt damit, daß sie der Reichsregierung ihre Demission an­drohten, falls man noch andere hörte. Dies geht aus einem Schreiben des Staatssekretärs Golf( Nr. 62 des amtlichen ,, Weißbuchs") hervor.

Zur ersten Note an Bilson hatte Hindenburg   seine Zu­stimmung in einem bereits früher zitierten Telegramm( Nr. 46 des Weißbuchs") ausdrücklich erteilt. Nun jedoch wollte Hindenburg   die weitere Verantwortung für den auf sein eige­nes Dröngen eingeschlagenen Weg ablehnen. Von der Reichs regierung aufgefordert, auch zu der zweiten Note( die die Einstellung des U- Boot- Krieges verspricht) seine Zustimmung au geben, läßt er durch Oberst v. Haeften   am 22. Oftober 1918 ( Nr. 66b) erklären:

Die Oberste Heeresleitung hält sich für teinen politischen Macht­faftor, sie trägt daher auch keine politische Verantwortung. Ihre politische Zustimmung zu der Note ist daher auch nicht erfor.

deriich.

Dabei war schon am 12. Januar 1918 zwischen dem da maligen Reichsfanzler Grafen Hertling und der Obersten Heeresleitung über das Recht der Mitwirkung der D. H.-L. bei Friedensverhandlungen folgendes vereinbart worden ( Nr. 110a):

Die obersten militärischen Stellen haben das Recht und die Pflicht, an den Verhandlungen in beratender Weise mit auwirten, someit dieselben die militärischen Interessen berühren. Der Umkreis dieser Interessen ist während des Krieges nicht auf militärische Angelegenheiten im engeren Sinne beschränkt.

Meinungverschiedenheiten zwischen den militärischen Stellen und dem Reichskanzler sind auf dem Wege gegenseitiger Aussprache zu reseitigen. Gelingt dies nicht, so ist die Entscheidung Seiner Majestät des Kaisers einzuholen.... Der Reichskanzler hat in dem Falle, daß die faiserliche Entscheidung gegen ihn ausfällt, die ihm staatsrechtlich obliegende Konsequenz zu ziehen, indem er feine Entlaffung nimmt.

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Damals beim Friedensschluß von Brest  - Litowst hatte sich die Oberste Heeresleitung das Recht erzwungen, auf die Friedensverhandlungen einzuwirken, wobei der Kreis der militärischen Angelegenheiten so weit gezogen war, daß er praktik alles, sogar Fragen der Industrie, des Ver fehrswesens, der Arbeiterinteressen usw. um­faßte. Die 9. S.-L. hatte fich die Macht erirot, jogar. einen Kanzler zu stürzen, der ihr in feinen Forderungen nicht weit genug ging. Das war, als die Sache auf Sieg stand. Jeht, im Angesicht der Niederlage, ließ Hindenburg  plöglich erklären, daß die Oberste Heeresleitung mit Politik nichts zu tun habe und feine politische Berantwortung trüge! Ein wunderbares Kneifen gegenüber der Verantwortung! Ergöhlich ist auch, wie Hindenburg   und Ludendorff da mols ihre ganzen Hoffnungen auf den amerikanischen  Bräsidenten Wilfon fegten. Heute wird immer behauptet, daß die deutschen   Sozialisten und Pazifisten auf Wilsons 14 Punkte hereingefallen" seien. Aber schon am 2. Oftober hatte Ludendorff   ausdrücklich an das Auswärtige Amt drahten lassen( Nr. 29), daß die 14 Punkte der Wilsonschen Note als Grundlage für die Friedensbefpre chungen dienen sollten, er hat sein Einverständnis mit diesen 14 Bunften noch einmal ausdrücklich bestätigt( Nr. 30). Hindenburg   ging noch viel weiter. Am 18. Of tober 1918 läßt Hindenburg   an alle Heeresgruppen und Armecoberfommandos des Westens ein Erposé gehen, das er fich ausdrücklich zu eigen macht. In diesem( Nr. 59c) heißt es:. Es besteht zurzeit großer Gegensah Wilson Foh. Wilson will einen Rechtsfrieden der Versöhnung und Verständigung. Foch   will völlige Demütigung Deutschlands   und Befriedigung der französischen   Eitelkeit.

T

Jede Festigung der deutschen   Front und der deutschen   diplo matischen Haltung stärkt die Stellung Wilsons; jedes Zeichen politischer und militärischer Schwäche stärkt Foch  .

Wilson erstrebt nur Nachgeben in zwei Punkten: 1. U- Boot- Krieg: teine Passagierdampfer mehr versenken, 2. Demokratisierung Deutschlands  ( leine Ab­setzung des Kaisers, nur fonftitutionelle Monarchie; Stellung der Krone wie in England).

Eine militärische Demütigung Deutschlands   erstrebt Wilson nicht. Foch dagegen will mit allen Mitteln volle militärische Kapi tulation und Demütigung usw. usw.

Wer von beiden die Oberhand gewinnt, hängt einzig und allein von der Haltung Deutschlands   ab.

Also Wilson war die Karte, auf die damals Hindenburg  fetzte. Freilich zeigte sich sofort die vollkommene politische Urteilslosigkeit des Marschalls, wenn er die Gunst Wilsons zu erringen glaubt indem er die Demokratisierung Deutsch­ lands   verhindert! In dem Schreiben heißt es nämlich

weiter:

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0000

Fabrikiniederlage Berlin  , Invalidenstraße 139 Fernsprecher: Norden 11 720, 11 721

Erreichung des Berständigungsfriedens ist Wilson sehr er.. schwert durch das zeitliche Zusammenfallen der Demokrati sierung und des Friedensschrittes. Dies wird als Schwäche ausgelegt und hat Fochs Stellung gestärft. Freunde eines Rechts­friedens raten uns jetzt, in alles mehr Stopp zu bringen....

Sonntag, 19. April 1925

Die Reichskanzlei bemerkt in einer Fußnote zu dem Erlaß( Nr. 76b):

Diefes Telegramm ist am folgenden Tage angehalten morden, nachdem es eine Reihe von Truppen schon erreicht hatte: Der Reichsregierung wurde es erst dadurch bekannt, daß es in der Besprechung des Kriegspreffeamtes am 25. Oftober den Preffe­vertretern mitgeteilt wurde.

Wer aber war Schuld, daß die Demokratisierung erst im Augenblick des Zusammenbruchs tam? Die Oberste eeresleitung. Die sich bis dahin selbst der Re­form des preußischen Dreiklassenwahlrechts widerfet hatte! Im übrigen eine wunderbare Logif: Wilson fordert nur die Demokratisierung Deutschlands  , wir bauen auf Wilson und deswegen muß jetzt mit der Demokratisierung Schluß gemacht werden! Man denke sich ein politisches Genie von solchem Maße ale deut­ schen   Reichspräsidenten  ! Im übrigen erflärt Hindenburg   auch noch am 23. Oftober in einer Anweisung für die Waffenstillstandskommission"| alles geschehen ist, um die Folgen des Irrtums einzuschränken".

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Deffentliche Wählerfundgebungen

Montag, den 20. April, abends Uhr Tiergarten: Frauenversammlung, Artushof, Berleberger Straße 26. Kreuzberg: Bodbrauerei, Fidicinstr. 2/3. Spandau  : Germaniafäle, am Hauptbahnhof. Zehlendorf  : Lindenpcrf, Berliner   Str. 8. Wilmersdorf  : Florafäle in Halensee  , Johann- Georg- Straße. Wannsee  : Reichsadler, Königstr. 26. Schöneberg  - Friedenau  : Bürgersaal, Rathaus Friedenau, am Lauterplay.

Friedrichshagen  : Schröders Gesellschaftshaus, Friedrichstr. 137.

Redner: Clara Bohm- Schuch  , Crispien, France  ,

Falkenberg, Künstler, Lempert, Schiff, Wissell. Dienstag, den 21. April, abends Uhr Tiergarten: Arminiushallen, Bremer Sir. 72. Prenzlauer Berg  . 30. Abt.: Ledigenheim, Pappelallee 15. Friedrichshain. 36. Abt.: Schulaula, Petersburger Str. 5. Kreuzberg  . 39. u. 48. Abt.  : Alexandriner, Alexandrinenſtr. 37a. Nikolassee  : Wegel, am Bahnhof. Schmargendorf  : Schüßenhaus, Hundekehlestr. 20. Cantwith: Lehmanns Feftfäle, Kaiser- Wilhelm- Str. 29/31. Canfwig: Lehmanns Festfäle, Kaiser- Wilhelm- Str. 29/31. Biesdorf  : Bartsch, Dorfstraße, Ecke Bahnhofstraße.

Redner: Bartels, Crispien, Falkenberg, Luise Kähler, Krille, Litke, Landa, Dr. Lohmann, Nietisch. Tagesordnung in allen Kundgebungen:

Die Reichspräsidentenwahl- Deutschlands Schicksalstag!

( r. 76a), daß solche Bedingungen, die unsere Zukunft zer: stören, wahrscheinlich nicht in der Absicht des Präsidenten Wilson liegen". E erklärt deshalb:

Eine ehrliche und vertrauende Haltung ist aber auch ganz all­gemein für die Verhandlungen in der Kommission gegenüber den amerikanischen   Vertretern notwendig. Zweifellos bestehen in den politischen und militärischen Zielen zwischen den Vereinigten Staaten  und ihren europäischen Berbündeten tiefgreifende Unter. fchiede. Jedes Mißtrauen der Vereinigten Staaten   gegen uns würde diese Unterschiede zurücktreten laffen, ein Vertrauensver­hältnis zwischen den Vereinigten Staaten   und uns vertieft fie. Als jedoch die Antwort Wilsons auf die zweite deutsche Note erscheint, erläßt Hindenburg   an die Armeen unter dem 24. Oftober einen Seeresbefehl( Nr. 76b), in dem es heißt:

Die Antwort Wilsons fordert die militärische Kapitulation. Gie ist deshalb für uns Soldaten un annehmbar. Wilsons Antwort kann daher für uns Soldaten nur die Aufforderung sein, den Widerstand mit äußersten Kräften fortzusetzen.

Dieser Heeresbefehl bedeutete die glatte Aufleh nung der D. H.-L. gegen die Fortsetzung der von ihr felbst fürmisch geforderten Friedensverhandlun gen. Jegt, als es fein Zurück mehr ga b, wollte fie plöglich zurück. In der Pressekonferenz vom 25. Oktober ließ Hindenburg   dieses Telegramm verlesen, vor­fichtigerweise nicht zur Veröffentlichung, sondern zur Ver­breitung durch Mundpropaganda". So trieb Hinden burg   Sabotage gegen die Reichsregierung! Diese erhob bei Bekanntwerden des Heeresbefehls ener­gischsten Protest. Aber auch im Heere felber mar fein Verständnis für dieses sinnlose Hin- und Wiederzurückwollen, nachdem die ganze Armee bereits in dem Gedanken lebte, daß der Krieg zu Ende sei. Am 26. Oftober telegraphierte Frei­herr v. Hersner aus dem Großen Hauptquartier  ( Nr. 81): Großes Hauptquartier, den 26. Oftober 1918. Feldmarschall v. Hindenburg   foll vorgestern abend einen Erlaß an die Armeen herausgegeben haben, in dem er die letzte Wilson- Note als Deutschland   unwürdig bezeichnet und Kampf bis zum Ende befiehlt.

Geheim!

Heeresgruppe Gallwig hat ihre schweren Bedenken gegen den Inhalt geäußert. Der Feldmarschall hat den Erlaß geffern abend wieder zurückgezogen. Bei einer Armee soll er aber bereits bis zu den Bataillonsstäben gelangt jein.

Go hatte hinter dem Rücken der Reichsregierung die Oberste Heeresleitung, die eben am 22. Oftober sich also als politischen Faktor verneint hatte, ihre eigene Politif zu machen versucht. Auf diesem Streich ertappt, revozierte Hindenburg   alles und zog seinen Erlaß wieder zurück. In einem Schreiben an den Reichskanzler Prinz Mar von Baden( Nr. 96a) spricht Hindenburg   sein Bedauern über den Armeebefehl aus, er sucht sich auf den berühmten Irrtum" herauszureden und versichert am Schluß, daß sofort

Seit diesem Intermezzo ist Hindenburg   wieder fügsam bis zum Uebermaß. Die Waffenstillstandsverhand­lungen im Wald von Compiègnes haben begonnen. Er 3- berger telegraphiert an den Feldmarschall. daß die Be­dingungen der Feinde katastrophal seien, er und v. Hinge fragen an, ob trotzdem unterzeichnet werden soll. Die Antwort Hindenburgs( Nr. 107): es solle versucht werden, in einzelnen, näher bezeichneten Punkten Milderungen her­beizuführen. Aber:

Gelingt Durchfehung dieser Punkte nicht, so wäre frohdem abzuschließen.... Bitte Entschluß Regierung in diesem Sinne

ichleunigst herbeizuführen.

So stellt sich Hindenburgs Politif in den ent­scheidenden Wochen als ein Konglomerat von völliger   Ber weiflung und politischer Urteil smlofiteit dar: erst Drängen zur überstürzten Kapitulation, felfenfeftes Bertrauen cuf Billon, dann plöglich Umschwung Ende Oktober zu einer Taktik, die vor der Kapitalation möglich war, zu diesem Zeit­punft aber aussichtslos und lächerlich ist, plumpes Intrigen­spiel gegen die Reichsleitung und schließlich stumpfe Unter­werfung unter alles!

Kann dieser Mann die politischen Geschide   Deutschlands Teiten?! Besonders nachdem er feit 1918 noch um sieben Jahre älter geworden ist als er damals schon war?

Der Feldherr   Hindenburg.

Eine Replik.

" 1

Der General der Infanterie a. D. v. Kuhl bemüht sich unter diefem, meinem Borwärts" Auffag vom 12. April entnommenen Titel durch einen Artikel des doppelten Umfanges in der Berliner Börsenzeitung" vom 15. April das Urteil der Militärkritik und der modernen Striegsgeschichte über den Feldherrn   Hindenburg zu ent fräften. Dabei wendet Erzellenz v. Kuhl den etwas merkwürdig onmutenden Trick an, die Aeußerungen der von mir zitierten Autoren als mein höchst persönliches Geistesprodukt der deutsch­nationalen Leserschar meiterzugeben:

Sie täuschen sich, Herr General: Das Wort von der ehr würdigen Null" stammt von einer Autorität der   deutschen Kriegsgeschichte, dem Professor Haus Delbrid, das Wort von bem großen Bebanten" von

dem Generaloberft v. Bock und Polach, der Saz Wir haben ihm zulegt gar nicht mehr gesagt, wo die Armeeforps stan den", vom Oberst Bauer, die Darstellung von Hinden einem hochangesehenen Stabs. burgs Berujung von offizier, den jeder fortschrittlich denkende Soldat der alten Armee tennt und mein Gefamurteil über den Feldherrn Luden­

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dorff deckt sich völlig mit der Darstellung, die der einstige Major im Generalstab und Stabschef einer türkischen Armee, F. C. En­dres, in seinem Buch Die Tragödie   Deutschlands" über Ihren

Beschirmer der Oft- und Weſtgrenzen, den Sieger in den glänzend­sten Schlachten der Weltgeschichte" gibt.

Sie versuchen durch einige Scheinmanöver, wie die Unter­stellung, als ob ich nicht wüßte, daß die im Volksmund Hinden­  burg- Stellung" genannte Verteidigungslinie offiziell Siegfried­stellung" hieß, oder die Splitterrichteret, ob die in Ihrem Gut­achten über die Ursachen des Zusammenbruchs" genannten schweren Fehler der OH2. entscheidend für den Zusammenbruch gewesen seien oder nicht, das Hauptthema des im Augenblick zur Debatte stehen­den Problems zu verfchleiern, nämlich die Feststellung der modernen Beltfriegfritif, daß der Feldmarschall v.   Hindenburg nicht die beherrschende und treibende Kraft in seinem Stab war, sondern sein Stabschef, daß   Hindenburg fein Feld= herr im wahren Sinn des Wortes, fein schöpferischer, überragender operativer Ropf war, sondern höchsten­falls ein tüchtiger uns anständiger   General- aber sonst nichts. Was die Schlacht von Tannenberg, ihre Anlage, Einleitung und Borgeschichte angeht, bitte ich Sie, die Darstellung des Mannes, der darüber am besten Bescheid missen muß, nachzulesen, nämlich des Generals   Hoffmann, des damaligen ersten General­ftabsoffiziers im Stab des AOR. 8, in seinem Buch Der Krieg der verfäumten Gelegenheiten". Ein Vergleich des Buches mit dem amtlichen Generalstabswerk zeigt jedem Wahrheitssucher die Wahrheit.

Im übrigen bestätigt uns General D. uhl offen und halb verſtedt alle Einzelheiten des Feldherrn   Hindenburg", wie ich ihn on der Hand der neuesten Quellen der Kriegsgeschichte und Militär­wissenschaft geschildert habe: Das Urteil des Oberst Bauer, das Votum des Generals Buat, die Benutzung russischer Funksprüche els Eselsbrücke" der Strategie im Often, das Scheitern der deut schen Führung vor   Amiens, die falsche Rechnung über das Ein­treffen der Amerikaner im Sommer 1918, die brüske Ablehnung

Endlif Sab Scan is Din Guffe

3.8  

ZIGARETTE

LANDE WOOG   ZIGARETTEN