Abendausgabe
Nr. 18742. Jahrgang Ausgabe
Nr. 92
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
5 Pfennig
Dienstag
21. April 1925
Berlag und Anzeigenabteilung: Gefchäftszeit 9-5 Uhr
Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 2506-2507
Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands
Der Rechtsblock in Scherben!
Ein verratenes Geheimprotokoll.-
Ein Unglüd kommt selten allein. So ist auch der Rechtsblod heute morgen von einer Doppel fatastrophe betroffen morden.
Die Veröffentlichung seines Bahlmaterials durch den Borwärts" ist für ihn ein harter Schlag. Damit ist sein Aufmarschplan dem Feind verraten worden. Der geplante Bersuch der edlen Herrschaften, sich in fommunistischer Verkleidung in die Arbeiterschaft einzuschleichen, ist aufgedeckt und damit vereitelt. Zugleich ist der Beweis geliefert, daß fich das deutschnationale Manöver der Hindenburg - Kandidatur noch mehr gegen die Bolkspartei und Strese mann richtet als gegen den Volksblock und Marr. Dieser Beweis wird durch eine äußerst sensationelle Beröffentlichung des„ Berliner Tageblatts" noch verstärkt. Er staunlicherweise ist es nämlich der Redaktion diefes demokratischen Blattes gelungen, sich ein Protokoll der Sigung zu verschaffen, die der Vorstand der Deutschnatio nalen Partei gestern vormittag abgehalten hat. Schon diese Tatsache allein zeigt, wie weit die 3 ersetzung im andern Lager schon gediehen sein muß.
bei der vor allem die Provinzpresse, und zwar die kleinen Blätter, zu berücksichtigen sind, die jetzt plötzlich ablehnen, unentgeltlich Wahlaufrufe zu bringen. Es gehen jezt täglich an 1100 Blätter Matern heraus. Es genügt, wenn wir einen Kredit von 500 000 m. in Anspruch nehmen dürfen.
Ein Vertreter aus Ciegnitz: Auf geschickte Flugblätter kommt es vor allen Dingen an. Auch wir müssen hundsgemeine Flugblätter herausgeben.
Der Leiter der Wahlpropaganda: Die Hilfe der anderen Barteien ist gleich NuIL Die Differenz mit der Wirtschaftspartei ist behoben Leider ist noch nicht ein Sechstel der erforderlichen Mittel vorhanden. Donnerstag findet große Wahlversammlung im Sport palast statt, von der auch eine Rückwirkung auf das Reich zu er
hoffen ist. Jarres sowie Wallraf haben als Redner zugesagt. Hindenburg und v. d. Often sollen noch gewonnen werden. gelehnt, nach Berlin zu kommen. Vor allem ist es auch notwendig, fich an die Katholiken zu wenden, wobei zu hoffen ist, daß die in Aussicht stehende Kundgebung des Papstes gegen die Verbindung des Zentrums mit der Sozialdemokratie noch rechtzeitig tommt. Diese Hoffnung ist nach verschiedenen Zeichen der letzten Tage gegeben. Diese Veröffentlichung würde zunächst im„ Osservatore RoDas Protokoll ſelbſt, an dessen Echtheit nicht zu partei fo fest gegen eine gewisse Persönlichkeit zu mano" erfolgen. Nachdem wir soeben mit der Deutschen Wirtschaftszweifeln ist zumal die dort gehaltenen Reden vollständig fammengestanden haben, ist die Auswirkung dieses nunmehr voll. den Richtlinien entsprechen, die gleichzeitig von uns veröffentlicht worden find ist ein geradezu erschütterndes Doku- zogenen Zusammenschlusses für den zweiten Wahlgang gegeben. ment deutscher Treue". Man sieht alle Fäden einer henswurstmäßig ersonnenen Intrige vor sich aufgespannt. Und diese Intrige richtet sich, wie schon gesagt, mindestens in dem gleichen Maß wie gegen die Gegner auch gegen die eigenen Bundesgenossen!
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Keiner traut dem andern! Jeder will den andern übers Ohr hauen und hat Angst, selber übers Ohr gehauen zu merden. Geld ist nicht da, man bettelt es bei der Groß industrie zusammen und balgt sich um die erschnorrten Lappen. das öffentliche Leben
Das ist der Reichsblod, der
reinigt!
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Soviel über das Unmoralische, das sich drüben von felbst versteht. Politisch wird die Bedeutung der Hindenburg Kandidatur völlig klar als ein Angriff der Völkischen um Hitler Ludendorff und der ihnen nahestehenden Deutschnationalen um Schlange Schöningen auf die Politik der Volkspartei und die Politit der Reichsregierung. Dieser Angriff wird von dem deutschnationalen Reichsminister Schiele unterstützt.
rung!
M
Ein anderer Bertreter: Reichsbannerumzüge mit mujit machen tatsächlich großen Eindrud, besonders, mo, fie fich mit vaterländischen Rundgebungen vereinen.
Schlange- Schöningen: Wir sind zu schlapp, zu sehr durchsetzt bereits von demokratischer Entwicklung. Entweder wir siegen, oder wir beugen uns unter das ta udinische Joch Stresemanns. konglomerat. In vielen Landesteilen ist der Einfluß der Deutschen Auch ich. bekenne folgendes: Der Reichsblod ist ein entsetzliches Bollspartei fatastrophal. Wir führen im Reichsblock und wir müssen führen. Die Deutsche Bolkspartei ist gezwungen, mit uns zusammen. zuarbeiten, weil sie ihre Niederlage im Loebell Aus schuß einfieht.
Der Borfihende: Ich freue mich über das Verhältnis zur Deut schen Volkspartei und daß wir die Führung an uns gerissen haben. Wir werden sie auf jeden Fall behalten.
ist nicht sicher zu zählen. Sie agitiert deutlich hinter dem Rüden Ein Vertreter Berlins : Auf die Bayerische Volfspartei für Marr. Eine große Hilfe fommt uns jetzt von Hitler , der sich entschieden für Hindenburg erklärt hat. Er muß unbedingt in Versammlungen in die Industriezentren gebracht werden, so etwa nach Chemniz. Die Parteileitung muß sich sofort mit ihm in Berbindung setzen.
Ein Vertreter von Weser- Ems : Die Bresse ist nur noch gegen Geld zu haben. Go unglaublich es flingt: es haben Blätter der Deutschen Volkspartei Aufrufe für Hindenburg abgelehnt, falls fie nicht bezahlt würden. Da die Gegenfeite mit allen Mitteln fämpft(!), so brauchen wir vor Gemeinheiten nicht zurüdscheuen. Wir haben es restlos jatt. Herrn Stresemann auch nur einen Schritt noch zu folgen. Leider haben mir im Westen kein Geld, da der Reichs blod uns das ganze Geld weggenommen hat. ( Allseitige Zustimmung.) Wir im Westen arbeiten nicht mehr mit der Deutschen Bolfspartei zusammen.
Gine saubere Regierungsfoalition! Eine herrliche RegieWas tönnen die Folgen sein? Nehmen wir an, das deutsche Volk würde am 26. April auf einmal verrückt, und Hindenburg würde gewählt. Dann hätte die nicht zu überbietende politische Ungeschicklichkeit der deutsch - und bane rischpolksparteilichen Elemente der Hitler- Ludendorff- Schlange Clique zu einem epochalen Erfolg verholfen. Aber der Brand im Rechtsblod, der heute schon unter der Dede schwelt, märe im gleichen Augenblick zu hellen Flammen ausgebrochen. Hindenburg zu stürzen oder menigstens feine Kamarilla unschädlich zu machen, müßte dann das Ziel der Volkspartei sein! Eine schöne Bolitit! Berückende Aussichten! Tatsächlich ist der Rechtsblod, der nach der Deflaration des deutschnationalen Vorsitzenden feinen Tag über den 26. April hinaus bestehen soll, schon heute nur noch ein Trümmerhaufen. Und wird Hindenburg geleben, hätte Zahlung an den Reichsbloc verlangt. fchlagen, wie er geschlagen werden muß, dann wird es drüber und drunter gehen. Aber die Auseinandersetzungen zwischen den treudeutschen Männern vom Rechtsblod werden Dann wenigstens unschädlich sein. Lachend wird dann das Volk auf das Getümmel hinabsehen können. Der Rechtsblock ist schon vor der Schlacht geschlagen! Moralisch und politisch! Aber dieser Erfolg vor der Schlacht darf uns nicht in falsche Sicherheit wiegen. Der Sieg des Boltes am 26. April muß erdrückend und zerschmet ternd sein! Dafür sind jetzt alle Kräfte anzuspornen!
Matern heraus. Die Bezahlung ist allerdings fehr Dr. Weiß: Seit nier Tagen geher täglich 1600 Batete mit fraglich. 1100 3eitungen bekommen schon seit einer Woche die Matern unentgeltlich. Wir haben auch Flugblätter herausgegeben, die scheinbar nicht von uns flammen und für die Arbeiter bestimmt find.( Sehr gut!)
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Das im„ B. T." veröffentlichte Protokoll geben wir nach folgend mit einigen unwesentlichen Kürzungen wieder:
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Minister Schiele: Niederlage Hindenburg vernich. tend für uns. Bei der In differenz des Loebell- Aus= schusses ist es schwer, eine schlagkräftige Propaganda zu entfalten. Deshalb hat Deutschnationale Volkspartei die ganze Propaganda auf sich selbst genommen. 50 000 2. find von der Hugenberg - Seite gelommen. Das gleiche gilt von dem Kreis um Dietrich. Schiele fordert Genehmigung, Kredit in Anspruch nehmen zu dürfen. Politische Lage nach vorliegenden Berichten durchaus unflar. Bei Niederlage dürfte die legte hoffnung der Deutschnationalen, zum mindesten für die nächsten sieben Jahre, völlig vernichtet sein.
Dr. Weiß: Es sind noch 500 000 m. notwendig. Ich habe gefragt, ob ich 100 000 m. Schulden raachen könne, und habe von der Parteileitung ein Rein" zur Antwort erhalten. Ich habe sie trog dem gemacht.( Bravo !) Wir sind vollständig bis auf den legten Pfennig ausgepumpt. 500 000 bis 600 000 m. find jedoch unbedingt notwendig für die Propaganda dieser Boche,
Bertreter von Borfig( Neuhaus) fagt finanzielle Unter stügung zu, weiß jedoch nicht, mohin er zahlen soll. Hat in den letzten drei Tagen fünf Schreiben erhalten, von denen jedes eine andere Bahlstelle angibt. Das letzte, durch Justizrat Alvens
gedenkt, ist folgender Erguß des„ Berliner Lokal- Anzeigers" fennzeichnend:
Gestern vormittag hat eine streng vertrauliche Sigung stattgefunden, an der Bertreter der Deutschnationalen Bollspartei und Vertreter von Wirtschaftskreisen beteiligt waren, und in dieser Sigung ist von dem Stande der Dinge im Wahlkampfe und insbesondere von der dringenden Notwendigkeit die Rede gewesen, den Reichsblock in den Besitz von materiellen Mitteln zu setzen, die er braucht, um dem aus sehr reichlichen Geldquellen gespeisten „ Boltsblock"( der feiner ist) ein Paroli bieten zu können. Allem nich ein nach hat sich unter den 30 bis 40 Leuten,
die dort versammelt waren, ein Lump befunden, der
Dem genannten demokratischen Blatte einen
Bericht über jene Sigung verfauft hat. Dieser Bericht ist für die Zwecke der Linkspresse nicht übel zurecht geSchustert. Er verfolgt offensichtlich die Tendenz, die übrigen Parteien des Reichsblocks gegen die Deutschnationale Volkspartei aufzuheben. und legt raffiniert genug zu diesem Zwecke erfundene Aeußerungen einem Deutschnationalen in den Mund, der als higtopf be. fannt ist und den man schließlich derartiges schon zu. trauen tönnte.( Schlange Schöningen. Red. d. V.) Allem Anschein nach soll dieser verfälschte Bericht in größtem Maßstabe zur Verheizungspropaganda benutzt werden.
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Die Nationalpost" spricht von„ bodenloser Infamie", die„ Deutsche Tageszeitung" von einem Spionagefall unerhörtester Art", das„ Deutsche Tageblatt" von Judassen und Spigeln", die Kreuz zeitung " von einer gemeinen und niederträchtigen Indiskretion".
Kurz und gut: es wird zugegeben, daß es fich tatsächlich um ein richtiggehendes Brotofoll der streng vertraulichen" Sizung handelt. Nur in Einzelheiten versucht man- vergeblich- sich herauszulügen.
Man vergleiche das Protokoll mit dem heute morgen non uns veröffentlichten Material, und man hat den Beweis dafür in der Hand, daß gerade die umstrittenen Stellen des Protofolls vollkommen richtig sind.
Im übrigen: Wenn sich unter den 30 bis 40 Besuchern einer Sigung des deutschnationalen Parteivorstandes„ ein Bube" befindet, der für Geld Spionage übt, so wirft das auf die Zustände in der treudeutschen Deutschnationalen Partei ein bezeichnendes Licht. Aber diese verratenen Berräter find die letzten, die ein Recht dazu hätten, ein moralisches Bamento anzustimmen. Es ist leicht möglich, daß der„ Bube". der„ Verräter", der„ Spion" von dem Treiben der Intriganten ehrlich angeefelt war und daß er aus dieser Stimmung herous beschloß, sie mit gleicher Münze zu bezahlen.
Deutsche Treue! Deutsche Treue! Eine Proklamation der Kappregierung. In legter Stunde veröffentlicht der Reichsbind eine Entgegnung auf die Publikation des Berliner Tagewirrung im Lager des Rechtsblods zuläßt. Ein Psychoblattes", die jeden Schluß auf die Zerfahrenheit und die Ver analytiker würde an dieser Breklamation, die alles ver rät, was sie verschweigen möchte, feine helle Freude haben.
Diese Kundgebung des Rechtsblods ist so hochtomisch und zu stürmischem Gelächter aufreizend, daß sie noch eingehender gewürdigt werden muß!
Deutschnationale Volkspartei zu leisten auf Bankhaus Krause. Borfihender sowie Dr. Weiß: Zahlungen find lediglich an die Ein Wort an die kommunistischen Arbeiter. Beider müssen wir mit dem Reichswahlblod zusammenarbeiten. Leider hat auch Hindenburg erklärt, daß er mit feiner Bartei blod's geht mit aller Deutlichkeit hervor, daß die Hinden Aus dem heute veröffentlichen Wahlmaterial des Rechtsarbeite, sondern nur mit dem Reichsblock. Ich habe aber die Leitung an mich geriffen. Wir haben 410 000 m. für die erste Wahl ausgeburg- Parteien mit den raffiniertesten Mitteln darauf geben und find mit 200 000 m. figen geblieben. Angeblich hat auch hinarbeiten, die Kandidatur des kommunistischen Kandidaten der Reichsblod jetzt noch Schulden. Zum Beispiel hat sich eine Thälmann in der Arbeiterschaft zu fördern, um auf diese Druckerei geweigert, unsere Flugblätter nochmals zu drucken. Schuld Weise die Wahlaussichten des Plazhalters Wilhelms, General an alledem hat der Schatzmeister. Hindenburgs, zu steigern. Jede Stimme für Thälmann bedeutet nach Ansicht der monarchistischen Wahlmacher einen Gewinn für Hindenburg . Jede weitere Zersplitterung der Arbeiterschaft, jede Unterstützung der kommunistischen Sonderkandidatur ebnet dem Sieger von Tannenberg" den Weg zum Sieg über die deutsche Republik.
Ein Vertreter der Industrie: Auch wir geben gern und reichlich. Wohin sollen wir jedoch zahlen? Wir haben uns entschlossen, die Gelder der Industrie restlos Herrn Geheimrat Hugenberg zuzuführen, der fie sammeln und dann selbst die Abführung vorehmen soll.( In diesem Augenblick betritt Hugenberg das Zimmer.) Der Vorsitzende entgegnet auf die Bemerkungen eines Redners: Die Frage, ob der Reichs blod nach der Wahl noch bestehen bleiben soll, erledigt sich eigentlich von selbst. Der Reichsblock ist nur für die Wahl gebildet und besteht für uns nach der Wahl nicht mehr.
Geständnis!
Das Protokoll ist echt!
Die deutschnationale Parteileitung hatte schon gestern nacht durch die Expreß- Ausgabe des„ B. I." von dessen Beröffentlichung Kenntnis bekommen und die ihr nahestehende Presse entsprechend instruiert. Folge davon ist, daß diese Preffe sofort Lärm schlug und dadurch für die Enthüllungen des Begners eine ungeheure Reflame machte.
Für die Art, wie man dieser Veröffentlichung zu begegnen
Die Spekulationen des Rechtsblockes auf die Unterstützung der Kommunisten sind nicht unberechtigt. Haben doch die Kommunisten unter der glorreichen„ linken" Führung der Ruth Fischer - Scholem - Zentrale es in ihrer furzsichtigen Verblendung soweit gebracht, daß die monarchistischen Parteien, diese schlimmsten Feinde der Arbeiterklasse, die Kommunistische Bartei Deutschlands als ihre treueste Bundesgenossin im Rampfe gegen die Sozialdemokratie und die Republik betrachten dürfen. Nach den Liebesdiensten, die die Kommunisten den Rechtsparteien im Reichstag wie im Preußischen Landtag erwiesen haben, ist ihre Erwartung durchaus berechtigt und begründet, daß die Kommunisten mit ihrer Sonderkandidatur Thälmann ihnen auch helfen merden, den Feldmarschall Hindenburg in den Sattel zu heben.