Nr. 19242. Jahrg. Ausgabe A Nr. 99
Bezugspreis:
Böchentlich 70 Pfennig, monatlich 3, Reichsmart voraus zahlbar. Unter Kreuzband für Deutschland , Danzig . Saar - und Memelgebiet, Desterreich, Litauen , Luxemburg 4,50 Reichsmart, für das übrige Ausland 5,50 Reichsmart pro Monat,
Der„ Borwärts" mit der Gonntags beilage Bolt und Reit" mit Sied. Jung und Aleingarten" fowie der Beilage Unterhaltung und Wissen und Frauenbeilage Frauenftimme" erfcheint wochentäglich zweimal, Sonntags und Montags einmal.
Morgenausgabe
Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Anzeigerpreise:
Die einipaltige Ronpareille. Beile 70 Pfennig. Reklamegeile 4, Reichsmart. Kleine Anzeigen" das fettgedruďte Wort 20 Pfennig ( zuläffia zwei fettgedruckte Worte), fedes weitere Wort 10 Bfennig. Stellengesuche das erfte Wort 10 Pfennig, jedes weitere Wort 5 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Familienanzeigen für Abonnenten
Beile 30 Pfennig.
Anzeigen für die nächste Nummer müssen bis 4½ Uhr nachmittags im Hauptgeschäft. Berlin SW 68, Linden ftraße 3, abgegeben werden. Geöffnet von 9 Uhr frith bis 5 Uhr nachm.
Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redaktion: Tönhoff 292-295 Verlag: Dönhoff 2506-2507
Freitag, den 24. April 1925
Für gerechte Lastenverteilung.
Kundgebung der Gewerkschaften.
Die unterzeichneten Organisationen haben an die Reichsregierung, den Reichstag und die Regierungen der Länder am 23. April folgendes Schreiben gerichtet:
Die nachteiligen Folgen des verlorenen Krieges lasten be sonders schwer auf den breiten Massen der Handund Kopfarbeiter, den Arbeitern, Angestellten, Beamten und gewerbetreibenden Mietern, die trotz etheblicher Verminderung ihres Realeinkommens wesentlich höhere Ausgaben für die notwendigen Lebensbedürfnisse zu leisten haben als in der Vorfriegszeit. Jede weitere Ausgabensteigerung ohne eine gleichzeitige Erhöhung des Realeinkommens verschlechtert die Lebenshaltung dieser Kreise und geht somit auf Kosten ihrer Arbeitstraft ganz zu schweigen von der besonderen Not der Erwerbslojen, Sozialrentner, Kriegsbeschädigten. Kriegerhinterbliebenen, Kleinrentner, Kinderreichen usm. Gesteigert wird die Not der mittellosen erwerbstätigen Bevölkerung durch die starke Anspannung der direkten und indirekten Steuern, wie sie in der letzten Zeit erfolgt ist.
-
Unter diesen Umständen muß von diesen Kreisen jede nicht unbedingt notwendige Steigerung der Ausgaben ferngehalten werden, und zwar um so mehr, als der Reichswirtschaftsminister
erst vor einigen Tagen im Haushaltsausschuß des Reichstags erklärt hat, daß bei weiteren Lohnerhöhungen die Frage der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie ausschlaggebend ins Gewicht fallen müffe.
In stärkstem Widerspruch hierzu steht das Bestreben der Reichs. regierung, in verhältnismäßig turzer Frist die Friedensmiete wieder. herzustellen, teils zur Befriedigung der Finanzbedürfnisse der öffent. lichen Haushalte, teils zur Steigerung des Anteils des Hausbefizes an der Miete.
31
Dem gegenüber erklären die unterzeichneten Organisationen, 1. daß der Ausgleich der öffentlichen Haushalte durch stärkere Heranziehung des Besizes und der höheren Einkommen herbeigeführt werden muß;
Vandervelde gibt den Auftrag zurück. Der Parteitag gegen sozialistische Minderheitsregierung. Brüffel, 23. April. ( Eigener Drahtbericht.) Uleber tausend Delegierte wohnten dem Kongreß der belgischen Arbeiterpartei bei, der über die politische Krise zu beschließen hatte. Bandervelde berichtete über seine Bemühungen zur Bildung eines Ministeriums. Das Endergebnis dieser Versuche war, daß weder Liberale noch Katholiken mittun wollten und sich die bürgerlichen Demokraten nicht entschließen konnten, sich von ihrer Partei zu trennen. Die Liberalen erflären, an feinerlei Regierung teilnehmen zu wollen. Die Katholiken weigern sich, einer von einem Sozia liften gebildeten Regierung beizutreten. Andererseits werden wir in feine von einem Katholiken gebildete Regierung eintreten. Folg lich stehen wir vor folgender Entscheidung: Sollen wir es unferen Gegnern überlassen, wie sie mit der überaus schwierigen Lage fertig werden oder follen wir selber die Verantwortung für. diese schwierige Lage übernehmen? Die Hauptsache ist, daß mir nach dem großen Siege einen flaren Kopf behalten. Die 3u funft, schon die nächste Zukunft ist unser.( Großer Beifall.) Darauf entspann sich eine überaus interessante und anregende De batte. Vertreter von Gent und des Borinage, namentlich Bergarbeiterführer Delattre, ferner der Brüsseler Abgeordnete Mensmans traten mit großer Wärme und entschieden für ein rein sozialisches Ministerium ein. Gegen diese Lösung sprachen Vertreter von Lüttich und Antwerpen , ferner der frühere Minister Wauters, der u. a. sagte, das Experiment Macdonalds locke nicht zur Nachahmung. In Dänemark und Schweden könne die Sozialdemokratie auf eine feste Unterstützung durch bürgerliche Gruppen rechnen, wir dagegen wären einer feindlichen Mehrheit ausgeliefert, die den Zeitpunkt unseres Sturzes bestimmen könnte. Wenn wir andererseits verzichten, werden die Begner denselben Schwierigkeiten gegenüberstehen. Eine liberal- katholische Koalition sei momentan unwahrscheinlich. Eine rein katholische Regierung würde schnell hinweggefegt werden. Unsere Opposition wird unerbittlich sein und man wird bald wieder an uns herantreten müssen und dann werden mir nur auf der bisherigen Grundlage mit uns reden lassen. Es ist auch möglich, daß es bald zur
Auflösung kommt, aber dann können wir einen noch glänzen
deren Sieg erwarten.
Den ganzen Tag hindurch war es sehr zweifelhaft, auf welcher Seite die Mehrheit des Kongresses stand. Schließlich sprach fich Bandervelde selbster entschieden gegen das Experiment eines rein sozialistischen Ministeriums aus. Eine von Destrées, Wauters, de Broudere und Huysmans eingebrachte Resolution, die den bürgerlichen Parteien, einschl. der demokratischen Gruppen, die Berantwortung für den Fehlschlag der Bemühungen Vander= weldes, eine demokratische Regierung zu bilden, aufbürdet und sich gegen eine rein sozialistische Regierung ausspricht, murde schließlich mit der großen Mehrheit Don 416 791 gegen 173 444 Stimmen angenommen. Bandervelde wird also feinen Auftrag dem König zurüdgeben.
3
2. daß aus der Miete nur Mittel für den Wohnungs. neubau und für die Erhaltung der Altwohnungen aufgebracht werden dürfen, und zwar unter Schonung zahlungsschwacher und zahlungsunfähiger Mieter;
3. daß die Hausrente nach dem Wegfall des weitaus größten Teiles der Hypothekenlaffen nicht auf Kosten der Miete weiter gesteigert werden darf;
4. daß jede Steigerung der Miete, die vorwiegend der Er. höhung der Grundrente dient, als weitere einseitige Belastung der deutschen Wirtschaft zugunsten der kleinen und durch die wirtschaftlichen Verhältnisse bereits besonders begünftigten Gruppe der Grund- und Hausbesitzer wirkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft vermindert; 5. daß eine weitere Mietsteigerung zurzeit für die größte Zahl der Mieter untragbar, außerdem aber bei Beachtung der oben aufgestellten Gesichtspunkte auch wirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist.
Die unterzeichneten Organisationen fordern von der Reichsregierung, dem Reichstag , den Regierungen der Länder und den Barlamenten, daß sie den obigen volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung tragen.
-
Bankkonto: Direktion der Diskonto- Gefellschaft, Depofitenkaffe Lindenstraße 3
Pams.
In den ersten Tagen nach der Aufstellung der Einheitsfandidatur Mary war in einzelnen Parteifreisen die Befürchtung vorhanden, daß ein Bruchteil der 8 Millionen Braun- Wähler vom 29. März aus grundsätzlichen oder kulturpolitischen Erwägungen heraus sich nicht dazu würde entschließen können, für einen Kandidaten aus den Reihen der Sentrumspartei zu stimmen. Die Entwicklung der letzten Wochen hat indessen bewiesen, daß diese Befürchtungen unbegründet waren. Das verdanken wir nicht zuletzt der Kandidatur Hindenburg , die deutlich genug allen Anhängern der hat. Sollte es indessen noch hier und dort einzelne MizSozialdemokratie ihre Pflicht und ihre Interessen gezeigt gestimmte geben, die einer Bekehrung bedürfen, so jeien ihnen die nachstehenden Ausführungen zur nachdenklichen Lektüre empfohlen. Vor allem aber sind diese Zeilen denjenigen Thälmann - Wählern vom ersten Wahlgang gewidmet, die noch fähig sind, aus geschichtlichen Ereignissen richtige Lehren zu ziehen:
Im Januar 1913 war die Neuwahl des Präsidenten der französischen Republik nach der siebenjährigen Amtszeit des ruhigen, bescheidenen und klugen Fallières fällig. In der nationalistischen Boulevard- Bresse wurde lebhaft für eine Kandidatur des damaligen Ministerpräsidenten Raymond Poincaré agitiert, unter dessen Leitung die französische Außenpolitif immer aggressiver geworden war. Vor allem waren es die Blätter, von denen man damals schon ahnte, daß sie im Solde des russischen Botschafters Iswolfti standen, oberhaupt propagierten und das Gespenst einer Lockerung des russisch- französischen Bündnisses, einer Isolierung Frank reichs in Europa an die Wand malten, falls nicht der große Lothringer " Poincaré gewählt werden würde.
Gewerkschafftsring deutscher Arbeiter, Angestellten- und Beamten die mit allen Mitteln die Wahl Poincarés zum Staats
Berbände.
** Allgemeiner Deutscher Beamtenbund.
Deutscher Gewerkschaftsbund. Algemeiner freier Angestelltenbund. Reichsbund deutscher Mieter. e. B.
Im Lager der Linken stand man allerdings der Person Poincarés mit stärtsiem Mißtrauen gegenüber, nicht nur seiner nationalistischen Außenpolitik wegen, sondern auch in
Eine zusammengebrochene Rechtsblock- Lüge folge der ausgesprochen reaktionären Tendenzen, die sich auch
Eine Erklärung des Vatikans.
fernbleiben wolle.
Die Verschleierungsversuche und die Tatsachen. New York , 23. April. ( WTB. Durch Funkspruch.)„ Associated Breß" meldet aus Augusta ( Georgia ), daß William Knor, der Präsident der American Bankers Association , bezüglich der in Berlin verbreiteten Gerüchte erklärt habe, daß von dem Aufsichtsrat her Bankers Association fein Kabeltelegramm irgendwelcher Art nach Berlin autorisiert worden sei.
innerpolitisch unter seiner Ministerpräsidentschaft entwickelt hatten. dan
Rom , 23. April. ( WTB.)„ Offervatore Romano", das offiziöse Es ist nun seit Ende der 90er Jahre im französischen Organ des Vatikans, wendet sich in einer offiziöjen Erklärung Parlament üblich, daß am Vorabend der Wahl, die bekanntgegen gewiffe deutsche Blätter, die feine Artifel gegen lich in Versailles von allen in einem Rongreß vereinigten Sozialismus und gegen sozialistische kandidaturen vollständig Senatoren und Deputierten vorgenommen wird, die Mitwillkürlich wiedergegeben und abfurd verdreht glieder der republikanischen Parteien aus beiden Kammern hätten.„ Offervatore Romano“ fügt hinzu, daß seine Artikel feiner- usammenkommen und durch eine Art Probewahl den lei Bezug auf die deutsche Präsidentenwahl gehabt haben, und Kandidaten der Linken bestimmen. Diese Tagung der sogedaß der Bafifan sich niemals weder für noch gegen die Kandidatur nannten„ Delegation der Linken" follten auch diesmal alle Mary' ausgesprochen hat, weil es sich hier um eine rein inner- Linksparteien, von der sozialistischen Fraktion bis zur äußerpolitische Frage handle, welcher die kurie vollständig sten Grenze zwischen Republik und Reaktion, umfassen. Die Sozialisten waren hierzu selbstverständlich, wie auch früher, eingeladen worden. Damals war aber die fran zösische Partei aus vielerlei Gründen, die übrigens durch das schwächliche Verhalten des größten Teiles der bürgerlichen Linken in den meisten Fragen durchaus erklärlich waren, sehr radikal eingestellt. Selbst Jaurès hatte sich dieser Strömung nicht völlig entziehen können, zumal er unter dem ständigen Druck der unbeugsamen Verfechter radikaler Auffassun gen Guesde und Vaillant stand, die argwöhnisch jedem Kompromiß, jeder Berührung mit der bürgerlichen Linken widerstrebten. Infolgedessen blieb die über 70 Mann starfe sozialistische Fraktion dieser gemeinsamen Tagung fern. Nun begann der Tragödie erster Akt. Nach mehreren erfolglosen Wahlgängen spizte sich der Kampf schließlich zwischen zwei Hauptbewerbern, dem Ministerpräsidenten Boincaré und seinem Aderbauminister Pams. zu. Der Senator Pams, politisch der radifalen Gruppe des Senats angehörend, aber bis dahin wenig hervorgetreten, galt ais angehörend, aber bis dahin wenig hervorgetreten, galt ais ein zuverlässiger Republikaner und Friedensfreund. Seine Rechtschaffenheit und Bescheidenheit war in den Augen der Linken sein stärkster Trumpf, denn der Ruf der nationalistifchen Blätter nach einer starken" Persönlichkeit als Präfidenten der Republik hatte viele Republikaner stukig gemacht, die von Poincaré ein für die Außen- und Innenpolitik
*
Der Berliner Börsenfurier" veröffentlicht eine Reihe von Briefen und Kabeltelegrammen aus New York im englischen Original und Uebersetzung, die deutlich genug die Rückwirkung der Kandidatur Hindenburg im Ausland zeigen. Wir geben die folgenden wieder:
10. 4. 25. Rabel New York . Wegen Ausleihung von
5 Millionen Dollar auf Hypotheken an landwirtschaft liche Verbände. Kandidatur Hindenburg macht die 5- Millio: nen- Dollar- Hypotheken- Anleihe unmöglich.
9
=
11. 4. 25. Kabel New Yort. Betr.: 7% Millionen Dollar Anleihe. Müssen Anleihe fallen lassen, wenn Kandidatur Hindenburgs nicht zurückgezogen oder Mary nicht mit großer Stimmenmehrheit gewählt wird.
16. 4. 25. Kabel New York . Kandidatur Hindenburgs verdarb alle bisherigen günstigen Aussichten für deutsche Städte Anleihen. Unmöglich irgendeine deutsche Anleihe abzuschließen, sogar wenn Marg zwar gewählt, doch nur eine geringe Stimmenmehrheit erhalten würde.
-
Diese Tatsachen und es liegen Berichte ähnlicher Art noch mehr vorsprechen laut genug. Es läßt sich nicht ableugnen, daß die Kandidatur Hindenburg verderblich auf den deutschen Kredit im Ausland eingewirkt hat.
Grütte- Lehder ausgeliefert.
Der von den deutschen Behörden wegen des an dem Oberleutnant Müller im Tegeler Forst bei Berlin begangenen Raubmordes verfolgte Student Robert Grüffe- Lehder iff von Ungarn nach Bien ausgeliefert worden und wird nach Deutschland gebracht.
Frankreichs gefährliches persönliches Regiment befürchteten.
Jm dritten Wahlgang wurden 645 Stimmen abgegeben, die absolute Mehrheit betrug also 324, Pams erhielt 323 Stimmen, Poincaré 309, 14 waren. zersplittert. Man ging in später Abendstunde ergebnislos auseinander.
Die Sozialisten hatten sämtlich gefehlt. Wäre auch nur ein einziger Sozialist dabei gewesen, dann wäre Bams als der offizielle Kandidat der Linken bestimmt worden und Poincaré hätte unmöglich, wenn er sich nicht in einen eflatanten Widerspruch zu allen Traditionen der republifanischen Parteien hätte jegen wollen, feine Kandidatur aufrechterhalten fönnen. Aber mit jenen