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Abendausgabe

Nr. 19742. Jahrgang Ausgabe B Nr. 97

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auf der Reichs- Retlame- Messe: Wilhelm 5744

Vorwärts

Berliner Volksblatt

5 Pfennig

Montag

27. April 1925

Berlag und Angetgenabteilung: Gefchäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 68, Cindenstraße 3 Feruiprecher: Dönben 2506-2502 Fernsprecher

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Der Präsident der Minderheit.

Und der Verrat der Kommunisten.

Am 26. April hat nicht eine Sache, sondern eine] Berson gefiegt. Das ist der einzige Punkt, über den volle Einigkeit zwischen rechts und links besteht.

Mit Hindenburg , dem 78jährigen, hat der Rechts­block geschafft, was er mit feinem andern geschafft haben würde. Aber selbst mit ihm hat er die Mehrheit des Bolles nicht für sich zu gewinnen vermocht.

Selbst mit Hindenburg , der für Millionen Unpolitischer beinche schon eine fagenhafte Heldengestalt ist, hätte der Rechtsblock nicht siegen fönnen, wenn ihm nicht Thälmann geholfen hätte.

Das Ergebnis ist also für die Rechtsparteien durchaus nicht so glorreich wie sie es hinstellen möchten. Für die Sozialdemokratie ist es in feiner Weise entmutigend.

Die Republik ist durch den Ausgang der Reichspräsi­dentenwahl in eine Gefahrenzon é eingetreten. Sie er lebt jetzt ihre Mac Mahon- Periode. Wie vor fünfzig Jahren in Frankreich , so erscheint jetzt in Deutschland nach einem verlorenen Krieg ein Marschall und Monarchist als Prä­fident der Republik . Die französische Republik hat diese Ge­fahrenzone glücklich passiert. Die deutsche nicht minder glücklich aus ihr hinauszuführen, wird die Aufgabe der deutschen Re­ publikaner , besonders der deutschen Sozialdemokra ten sein.

Die Gefahr liegt weniger bei dem greisen Marschall selbst, ofs bei der Kamarilla, die sich um ihn bilden wird. Diese Kamarilla wird jedoch nichts vermögen, wenn sie einem starten Reichstag gegenüberstehen wird. Nur wenn der Reichstag schwach ist, wird sie start sein.

Schon in der Kaiserzeit hätte der Reichstag das persön liche Regiment brechen und den entscheidenden Einfluß auf die Politik gewinnen fönnen, wenn er gewollt hätte. Den Parteien der bürgerlichen Mitte hat aber damals die Ent­schlußkraft dazu gefehlt.

Heute, in der Republik , ist die Berantwortung des Reichstags unvergleichlich größer. Heute hat er nicht nur die faktische, sondern auch die formalrechtliche Macht, jede Regierung zu stürzen, die gefährliche Wege geht. Der neue Reichspräsident kann eine Regierung nach seinem Ge­schmack oder nach dem Geschmack seiner persönlichen Freunde feinen Tag im Amte halten, wenn der Reichstag nicht will.

Ohne und gegen die Regierung fann der Reichspräsident nichts tun, er fann daher auch nichts gegen den Reichstag tun, wenn der Reichstag einen festen Willen hat.

Die Rechte hat im Reichstag nicht die Mehrheit. Ihre Macht beruht einzig und allein auf der Stüße, die sie im

Negativen bei den Kommunisten findet. Sie ist nicht zimper

lich, die Mitte des Reichstags darf es auch nicht sein.

Einem ernsten Angriff fann der Rechtsblod nicht standhalten. Die absolute Mehrheit hat er selbst bei der Hindenburg - Wahl nicht erreicht, die relative, die er gewonnen hat, setzt sich aus den verschiebenartigsten Elementen zu­fammen. Rabiate Nationalsozialisten auf der einen Seite, Deutsche und Bayerische Volksparteiler auf der anderen können nicht miteinander regieren.

Ein fester Zusammenhalt aller republi fanifa gesinnten Elemente desdeutschen Bol tes zum Schuh gegen reattionäre und natio nalistische Abenteurer ist notwendiger dennje.

Die Sozialdemokratie bleibt bereit, Schulter an Schulter mit allen, die das gleiche Biel verfolgen, die Republik zu verteidigen. So darf sie zu versichtlich den kommenden Ereignissen entgegen sehen, sie wird gestärkt aus ihnen hervorgehen. Morgen treten der Reichstag und der Landtag zusammen. Hier wie dort werden die Wirkungen der verän­derten Lage bald sichtbar werden. Zunächst ist es der Land­tag, der die Erklärung der Regierung Braun ent­gegenzunehmen het, und der daher vor entscheidenden Ent­tischen Gesamtsituation, ebenso aber auch die Frage der schlüssen steht. Im Reichstag fann die Erörterung der poli­Handelspolitik sehr bald zu wichtigen Entscheidungen führen.

Was wird werden? Rechts und links von uns wird vieles berfallen, wir werden dafür umso fester stehen.

Im übrigen ist es unsere Aufgabe, nicht zu prophe zeien, sondern bereit zu sein!

Die Mehrheit. Die Hindenburg verfassungsmäßig den Siz des Reichspräsidenten verschafft hat, ist lediglich die von der Ber­faſſung für den zweiten Wahlgang vorgeschriebene relative Mehr heit. Es ist nicht die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen. Die 13 639 399 Stinimen des Rechtsblocks sind lediglich 48,3 Proz. der abgegebenen Stimmen, also noch nicht die Hälfte.

Der Bolfsblod vermochte auf sich 45,3 Proz. der ab= gegebenen Stimmen zu vereinigen..

Die Entscheidung wurde herbeigeführt durch das Berhalten der Kommunisten, die mit ihrer Sonderkandidatur dem An­wärter der Republik , Marg, 1931 591 Stimmen entzogen, wäh­rend tnapp 900 000 Stimmen genügt hätten, um der Republik ein re publitanisches Staatsoberhaupt zu geben..

Wären die 6,9 Proz. der abgegebenen Stimmen, die die Kom­

munisten noch mobil gemacht haben, dem Kandidaten Marg zugute gekommen, so hätte dieser mit 51,6 Proz. einen glatten Sieg über den Kandidaten der Monarchisten errungen.

Das ist der Verrat der Kommunisten an den Rechten des Bolles! Auf Mostauer Befehl wurde das ergeben die Zahlen- Hindenburg deutscher Reichspräsident.

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Die Wirkung auf Preußen.

burg auf die Gestaltung der Regierungsverhältnisse in Preußen Welche Wirkung wird die Wahl des Monarchisten Hinden­ausüben? Diese Frage beschäftigt naturgemäß politische Kreise, besonders lebhaft aber politische Spekulanten.

Dabei erscheint sie uns ziemlich überflüssig. Auch bei dieser pon politischer Sentimentalität be: influßten Wahl, in der alle nationalistischen Leidenschaften aufgepeitscht wurden, erhielt der Sammelkandidat der republikanischen Parteien in Preußen eine Mehrheit über Hindenburg , Hindenburg war der Kandidat, den die Rechtstro aller" Hundsgemeinheiten", die im Interesse der Milita­ristenkandidatur verübt wurden. Deswegen schon besteht gar radikalen den widerstrebenden Elementen der Volkspartei fein Anlaß, gegenwärtig die preußische Regierungsbildung mit aufgezwungen hatten. Der doppelte Erfolg, den sie hatten, da anderen Augen anzusehen, als vor der Wahl. sie erst diese Kandidatur durchsetzten, dann sie zum Siege führten, hat ihnen den Kamm mächtig schwellen lassen. Noch ist nicht abzusehen, zu welchen Tollheiten sie sich dadurch wer den verleiten lassen. Aber diese Tollheiten müssen zu einer Krise des Rechtsblods führen wenn diese Krise nicht schon früher eintritt.

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In dieser Beziehung besteht eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem Deutschland der Hindenburg - Periode und dem Bayern der Kahr Periode. Darum heißt es für die Republikaner : Augen auf!

Die Sozialdemokratie hatte im ersten Wahlgang einen glänzenden Erfolg errungen. Im zweiten für sich allein zu siegen, war sie nicht start genug. Hemmungen religiöser und sozialer Natur, die der Werbetraft von Marr Eintrag taten, hätten sich nach der anderen Seite hin bei einer kan didatur Bra un noch stärker fühlbar gemacht. Und hätte die Sozialdemokratie auf die Beteiligung an einem gemeinsamen Borgehen verzichtet, so könnte man heute mit Recht gegen sie denselben Vorwurf erheben, den wir heute an die Adresse der

Kommunisten richten.

Die Partei hat im größten Teil des Reiches, vor allem hier in Berlin , glänzend gearbeitet. Wenn es nicht überall so geflappt hat, wenn es insbesondere nicht überall gelungen ist, den Kommunisten Stimmen abzunehmen, so wird es Sache der Organisation sein, diesen Schäden nachzugehen und sie zu beseitigen.

Eine starte, geschlossene Sozialdemo­fratie ist heute zum Schuh der Republifaner und zur Berteidigung der sozialen Interessen per arbeitenden Massen notwendiger denn je.

Schlüssen in Preußen Veranlassung geben sollte, ist, soweit wir Daß die Stimmungswahl vom 26. April zu politischen die Stimmung in den Parteien fennen, nicht anzunehmen.

Wo Hindenburg die Mehrheit hatte.

Reaktionäre Wahlkreise.

Bon besonderem Interesse ist es zu beobachten, welche Landes teile in der Hauptsache die Mehrheit für den Rechtsblod gestellt haben. Mit 71 Proz. der abgegebenen Stimmen hatte Hinden­ burg den größten Vorsprung im großagrarischen Bommern . mehr als die Hälfte der Etimmen vereinigte er auf sich in folgenden

Wahlkreisen:

Ostpreußen ( 67 Broz.), Frankfurt a. d. D.( 61,5 Broz.), iegni( 50,4 Proz.), Magdeburg ( 52,1 Proz.), Merse. burg( 57,5 Proz.), Thüringen ( 55,2 Proz.), Schleswig­oistein( 59,7 Broz.), Ost- annover( 64,1 Proz.), Süd Hannover ( 51 Proz.), Oberbayern - Schwaben ( troj wesentlichen Rüdganges 65,4 Proz.), Niederbayern ( 68 Proz.), Franken( 58,7 Proz.), Dresden ( 51,5 Proz.), Chemnig­3 widau.( 53,5 Pro3.), Medienburg( 59,4 Proz.)..

Republikanische Mehrheiten.

Es bleibt eine Reihe von Wahlkreisen, in denen keine der beiden kämpfenden Hauptgruppen die absolute Mehrheit er zielte, in denen der republikanische Block jedoch meist gut abschnitt. Hierzu gehören: Potsdam 11( Boltsblod 48,4 Proz.), Bots. dam I( 42,7 Proz.), Weser- Ems ( 49,7 Proz.), Düsseldorf Ost ( 44,3 Proz.). Pfalz ( 48,7 Pro3.), Leipzig ( 40 Proz.), Württemberg ( 49.4 Broz.), Hamburg ( 43,6 Proz.). In mehreren dieser Bezirke, wie Leipzig und Hamburg , aber auch in Botsdam I hat der Anteil der kommunistischen Stimmen eine pofitive Mehrheitsbildung für die Republikaner ver hindert.

Die Wahl der Imponderabilien.

,, Der Name hat seine Wirkung getan."

Ueberlegung, Berantwortung gegenüber Bolt und Staat, fon-. Das war die Wahl der Imponderabilien! Nicht politische dern unpolitisches Gefühl hat diese Wahl entschieden. Die Masse der Indifferenten, die einer wahrhaft politischen Ent­scheidung hilflos gegenübersteht, ist der Suggestion eines Namens gefolgt, der als Name mehr ist, weit mehr, als bie Persönlichkeit, die wirklich dahinter steht. Das ist der eine Faftor. Und doch wäre seine Wirkung nicht hinreichend ge­wesen, wenn nicht ein Teil der Arbeiterschaft, ebenso unpolitisch und in verworrenen Gefühlen den Befehlen der erbärmlichen fommunistischen Zentrale und den Wünschen und Drohungen der Realtion folgend, seine Stimme an einen Splitterkandi­baten weggeworfen hätte.

Die Wahl der Imponderabilien! Die Rechtspreise weiß nur zu gut, daß die Mehrheit des Volfes politisch im Lager der Republik gegen die Pläne der Rechten steht. Der Name sollte ihre Absichten verdecken, er hat es getan. Die Deutsche Allg. 3eitung" schreibt:

Dieses pfiffige Parteifalfül hat sich jedoch als eine Milch­mädchenrechnung erwiesen, denn es ließ die Imponderabilien aus dem Spiel, die mit dem Namen Hindenburg verknüpft sind und die entscheidend ins Gewicht gefallen find."

Die 3 eit" äußert sich ähnlich:

Es unterliegt feinem Zweifel, daß Hindenburg ben Sieg, den er errungen hat, seiner Bersönlichkeit verdankt."

der Zeit", sondern dem Schatten, dem Phantom, das Der Persönlichkeit nicht, das ist eine Beschönigung. Hindenburg für die indifferenten, politisch nich denkenden Massen des Bürgertums ist. Die Deutsche Zeitung" ist ehrlicher. Kurz und bündig sagt sie:

" Der Name des Feldmarschalls hat seine Bir­fung getan."

hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen." Der Der Satz erinnert verdächtig an den anderen: ,, Der Mohr Name hat seine Schuldigkeit getan. Was wird der Mann tun, der den Namen trägt?

Wendung der deutschen Politik?

Es tommt nicht nur darauf an, einen Wahljieg zu erzielen, sondern noch mehr, damit etwas anzufangen. Der Rechts­block hat den Wählern erzählt, nun beginne die große Rettung durch Hindenburg , und es gibt noch genug Rechtsblätter, die das heute, feuilletonistisch aufgemacht, weiter erzählen. Sie versichern, daß Deutschland nun mit beiden Füßen in den ,, deutschen Frühling" springen werde. Im Lokal- Anzeiger" heißt es:

Ein Ergebnis, an das man noch gar nicht zu glauben magte, während es sich schon deutlicher und immer deutlicher abzeichnete; ein Sieg, der sich ungeheuer zukunftsträchtig für Deutschland erweisen wird. Wem fiele nicht jenes be­scheiden- schöne Wort ein, das der fromme, alte König Wilhelm I. vom Schlachtfeld von Sedan an seine Gattin telegraphierte: Welch eine Wendung durch Gottes Fügung!"

Und an anderer Stelle:

Denn, verhehlen wir uns nicht: Dem ungeheuren Opfer, das der Feldmarschall, pflichtgetreu gegen sein Vaterland wie stets, mit

der Annahme der Kandidatur gebracht hat, diesem Opfer verdanken wir unendlich viel, verdanken wir vielleicht den Sieg der ben, die eine Nationalversammlung Deutschlands zu schwarzweißroten Farben über jene schwarz rotgel.

neuen Reichsfarben gab, die zu jener unheilvollen Stunde, da sie den sich geradezu tragisch auswirkenden Beschluß faßte, längst

nicht mehr ein Ausdruck des gesunden Volks.

willens war."

Die Deutsche Zeitung" aber verspricht dem Bolke eine ganze Bescherung:

" Das Schicksal ist dem deutschen Volfe einmal wieder wohl­gesinnt gewesen, der Gott, der Eisen wachsen ließ, hat das deutsche Volk nicht im Stich gelassen. Mit der Reichsprä sidentschaft Hindenburgs beginnt für Deutsch­wieber an die Stelle von Unterwürfigkeit und Kriechertum. Sauber­feit des Staatswesens erfeßen Korruption und Bestechung, Urantast barkeit und Allgemeindienst des Beamtentums wird die Partei­befähigung zum Beamten verdrängen, kurz, Hindenburg wird dem

Dagegen erzielte der Boltsblod eine absolute mehr eit am stärksten in Köln Aachen mit 72 Proz.; ferner in folgenden Wahlkreisen: Berlin ( 55,2 Proz.), Breslau ( 52,4 Broz.). Oppeln ( 52 Broz.), Broz.), Westfalen- Nord land tatsächlich eine neue Zeit. Würde und Ehre treten ( 60,2 Broz.), Westfalen- Süd( 56,5 Broz.), Hessen- Nassau ( 51,2 Bro3.), Koblenz - Trier ( 66,7 Pro3.), Düsseldorf­West( 59,3 Proz.), Baden( 60,1 Broz.), Seffen Darmstadt ( 55,1 Proz.).