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Nr. 213 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 110

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Donnerstag, den 7. Mai 1925

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Die Wahlmethoden des Rechtsblocks.

Sozialdemokratischer Protest gegen die Hindenburg- Wahl.

Wir veröffentlichen weiter unten den Hauptinhalt eines Protests, den. Die Sozialdemokratische Partei beim Wahl prüfungsgericht gegen die Gültigkeit der Wahl vom 26. April eingebracht hat. Er zeigt, mit welchen Riesenschritten wir uns wieder jenen Zuständen nähern, die Preußen- Deutschland zu einem Junterparadies gemacht haben.

Den preußischen Junkern war das freie und gleiche Wahl­recht stets in tieffter Seele verhaßt. So war das preußische Landtagswahlrecht der guten alten Zeit nicht nur indirekt, nicht nur von der Höhe der Steuerleistung abhängig, es zwang auch jeden Wähler, mündlich und öffentlich seine Stimme abzugeben. Es gab infolgdessen gesegnete Gegenden Ost­elbiens, in denen schon die Abgabe einer nationalliberalen Stimme ein Wagnis war, von dem kleinen Selbstmordversuch einer freisinnigen oder sozialdemokratischen Stimmabgabe gar

nicht zu reden.

Bei den Reichstagswahlen erfolgte die Stimmabgabe seit je geheim. Aber welche jahrzehntelangen Kämpfe mußten geführt werden, um das Wahlgeheimnis und damit die Wahl­freiheit auch nur einigermaßen zu sichern! Dem Gesez, das dem Bürger die Wahlfreiheit zusicherte, ein Schnippchen zu fchlagen, galt da als Herrenrecht und standesgemäße Bassion. Daß ein Arbeitgeber seine Arbeiter der Reihe nach mit dem ,, richtigen" Stimmzettel in der Hand zur Wahl an= treten und die Stimmabgabe von willfährigen Angestellten übermachen ließ, gehörte nicht zu den Seltenheiten. Die Vor­schriften, die das Wahlgeheimnis sichern sollten, waren sehr unzulänglich und ermöglichten jeden Mißbrauch. Umschläge für die Stimmzettel, Wahlzellen, vorschriftsmäßige Wahl­urnen gab es nicht. Es wurden also Zigarrenfisten und Suppenterrinen als Wahlurnen" verwendet; je enger das Gefäß war, desto besser diente es seinem 3wed. Denn, war der Wahlakt geschlossen, so wurde das Gefäß so umgetippt, daß die Zettel genau so zu liegen famen, wie sie abgegeben waren. Ein Schriftführer hatte inzwischen die Wähler in der Reihenfolge, in der sie abgestimmt hatten, numeriert. Es war also kein Kunststück, genau festzustellen, wie jeder einzelne gestimmt hatte.

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Wer einen unerlaubten Stimmzettel abgegeben hatte, be­fam die Folgen davon sehr bald zu spüren. Kein Wunder, daß in manchen Gegenden fein Wähler wagte, anders zu stimmen, als es der Obrigkeit und den Arbeitgebern ge­nehm war.

Gegen diese schmutzigen, das freie Wahlrecht verfälschen den Praktiken führte die Sozialdemokratie einen jahrelangen erbitterten Kampf. Sie fämpfte, um ein heute beliebtes Schlagwort zu gebrauchen: für die Reini­gung des öffentlichen Lebens". Dabei stieß fie auf den zähen Widerstand jener reaktionären Kreise, die sich damals Konservative Partei nannten und die heute in der Deutschnationalen Partei konzentriert sind.

Endlich gelang es der Sozialdemokratie, gemeinsam mit der anderen Linksparteien, die gleichfalls unter diesem Wahl terror litten, jene Borschriften zur Sicherung des Wahlgeheimnisses durchzusetzen, die heute noch gültig find. Es mußte dafür gesorgt werden, daß der Wähler un­beaufsichtigt seinen Stimmzettel in einen undurchsichtigen Umschlag steden konnte, daß besondere Wahlurnen angefertigt wurden, die durch ihre Breite und Tiefe ein Aufeinander schichten der Stimmzettel unmöglich machten usw.

Die Rechte stimmte gegen diese Reform. Als sie dennoch zur Wirklichkeit geworden war, ließ sie in ihrer Presse ihre But über sie aus und benannte die Zellen, in denen die Wähler nunmehr frei und unkontrolliert ihre Stimmen ab­geben konnten, mit dem Ekelnamen: die Wahlklosetts". Man sieht, die Phantasie der Edelsten und. Besten strebte immer schon zu jenen Sphären, in denen sie sich auch heute heimisch fühlt.

An diese Kämpfe aus vergangener Zeit muß man sich erinnern, wenn man den sozialdemokratischen Wahlproteft richtig würdigen will. Derselbe Drud, der in früheren Zeiten angewandt wurde, um die Opposition niederzuhalten, ist auch bei der Hindenburg- Wahl am 26. April wieder fühlbar geworden.

| zustandekommen, weiß man doch zur Genüge. Daß es sich hier um den Ausdruck einer in voller Freiheit gebildeten gemeinsamen Ueberzeugung handelt, mag man demjenigen einreden, der naiv genug ist, es zu glauben. Der reaktionäre Terror geht um. Wo er in legalen, gesetzlich nicht greifbaren Formen auftritt, geht er am lichten Tag spazieren. Deutschnational ist heute einfach die ftandesgemäße Gesinnung der guten Gesellschaft" von Treuenbrießen und Luckenwalde ; wer etwas auf sich hält, wer nicht gesellschaftlich boykottiert und in seiner Existenz geschädigt fein will, der muß sich schwarzweißrot gebärden. So gefestigt geht er nun auch schon wieder daran, das Wahlgeheimnis anzugreifen und die Wahlfreiheit zu ge­fährden. Erst wird der Wähler durch Boykottdrohungen an die Wahlurne getrieben, dann wird durch durchsichtige Um schläge seine Stimmabgabe kontrolliert. Laßt es eine Weile so weitergehen, und die untertänige Plebs wird wieder mit dem befohlenen Stimmzettel in der Hand vor Suppenterrinen, die als Wahlurnen gelten, Polonäse stehen. fratische Protest wirken. Wenn nicht einem großen Teil Daß es nicht so weitergeht, dafür will der sozialdemo gehen, wenn nicht das Bolt nach dem Ergebnis gefälschter der Wähler die verfassungsmäßige Wahlfreiheit verloren Wahlen regiert werden soll, dann muß jeder Rückkehr zur guten alten Zeit" ein Riegel vorgeschoben werden. so hat es dafür hundert Gründe. Einer davon ist, daß es die Wenn das Juntertum in Preußen zur Macht strebt,

| Berwaltung in die Hand bekommen will, um wieder Wahlen machen zu können. Natürlich wird es diese Absicht mit der Miene der entrüsteten Unschuld bestreiten, denn so etwas tut man zwar, aber man sagt es nicht. Aber wie in der guten alten Zeit Wahlen gemacht wurden, dafür liefert die Geschichte ein wahrhaft erdrückendes Material. Auf Wunsch kann damit gedient werden!

Es liegt im Wesen der Demokratie, daß sie ihren eigenen Gegnern gleiche Chancen gibt wie ihren Anhängern. Aber sie bleibt auf dem Boden gerechter und notwendiger Selbstver­teidigung, wenn sie Uebergriffen der Gegner wehrt, die ihre Grundfesten antaften. Zu ihren Grundfesten gehört das Recht jedes Staatsbürgers, sich selber frei seine Ueberzeugung zu bilden und seiner Ueberzeugung gemäß seine Stimme in die Wagschale der Entscheidung zu werfen. Selber Terror zu üben, ist ihrem Wesen zuwider, destoweniger tann sie den Terror dulden, den ihre Feinde gegen sie ausüben. Reine Wahlen find das erste Erfordernis für die so stürmisch geforderte Reinigung des öffentlichen Lebens"!

Der Sozialdemokratische Wahlproteft. Gültigkeit der Reichspräsidentenwahl vom 26. April beim Der sozialdemokratische Parteivorstand hat gegen die Wahlprüfungsgericht Einspruch erhoben. Aus der Begrün­dung des Einspruchs geben wir die wichtigsten Stellen wieder:

" Die Dinge liegen durchaus nicht so, daß die Gültigkeit der Wahl vom 26. April außer Zweifel stünde. Es häufen sich vielmehr von

Frankreichs Vorgehen in Marokko .

Ein nenes militärisches Abenteuer.

Paris , 6. Mai. ( Eigener Drahtbericht.) Im Widerspruch zu der nach zu Beginn dieser Woche von amtlicher französischer Seite erfolgten Ableugnung scheint Frankreich die durch die Offensive Abd el kerims in Maroffo gefchaffene Situation sich zunuhe machen zu wollen, um sich in den Befih der im Abkommen von 1912 den Spaniern zugesprochenen füdlichen Zone 3 wischen Tetuan und Melilla zu setzen. Abd el kerim, dem Führer der im Riff anfäffigen Stämme, ist es bekanntlich gelungen, die von Primo de Rivera selbst geführten spanischen Truppen aus der Küstenzone zu vertreiben und die Spanier auf die unmittelbare Umgebung der Städte Ceuta und Tetuan im Westen und auf die Gegend von Melilla im Often der Küste zurückzudrängen. Frankreich beruft sich nun neuerdings auf eine klaufel des Marokko- Abkommens vom Jahre 1904, aus der es für sich das Recht ableitet, im Intereffe der militärischen Sicherheit die von den Spaniern geräumten Ge­biete zu besetzen. Allerdings dürfte die von dem Marschall£ iau­they befehligte französische Operationsarmee bei einem Bersuche dieser Art mit dem erbitteriften Widerstand der ungewöhnlich tampf­erprobten Stämme des Riffs zu rechnen haben. Abd el kerim, der nicht nur über zahlreiche Artillerie und andere Kampfmittel der modernen Kriegstechnit, sondern außerdem auch über eine Anzahl von Flugzeugen verfügt, soll entschloffen sein, die Unabhängigkeit des Riffs, zu deffen Sultan er sich bereits vor Monaten hat aus rufen laffen, bis zum letzten Mann zu verteidigen, so daß diefes neue friegerische Abenteuer, in das Frankreich durch feine militärischen Führer hineingezogen zu sein scheint, dem Lande sehr teuer zu stehen tommen tanu.

Ein Erfolg der Rifkabylen gegen die Franzosen.

Tanger , 6. Mai. ( TU) Aus Rabat wird gemeldet, daß die Riffabylen der von Taza aus vorgehenden Kolonne unter General Cambay eine schwere Niederlage beigebracht haben. Die Franzosen mußten sich auf Taza zurückziehen und verloren etwa 30 Tote, über 100 Verwundete und zahlreiche Gefangene. Im oberen erghalale wurde ein französisches Flugzeug auf dem Rifgebiet zur Landung gezwungen. Der Führer und zwei Beobachter wurden ge­fangengenommen. Die Eingeborenen in der französischen Marokko­30ne verhalten sich ruhig. Ein großer Teil macht jedoch aus seinen Sympathien zu Abd el Kerim feinen Hehl. Die französische Verwal­tung hat die schärfften Maßnahmen getroffen, um das Ausbrechen von Unruhen zu verhüten.

Sicher hat der Proteft recht, wenn er sagt, daß die von ihm behaupteten Wahlmißbräuche nur einen fleinen Teil der tatsächlich vorgekommenen darstellen. Hat doch die deutschnationale Presse in ihrem ersten Triumph selber eine ganze ,, Ehrenliste" fleinerer Ortschaften veröffentlicht, in denen andere Stimmen als für Hindenburg überhaupt nicht abge­geben worden sind. Wie solche einmütige" Wahlen meist der

Fernwirkung der Hindenburg- Wahl.

Schwenkung der französischen Kommunisten. Paris , 6. Mai. ( WIB.) Die Parteien beschäftigen fich mit Parole für die am kommenden Sonntag stattfindenden Muni

ihre Kandidaten zugunsten der Sozialisten zu­zipal- Stichwahlen. Die Kommunisten haben in Lille rüd gezogen und in Paris bei 31 Stichwahlen nur sechs eigene Kandidaten aufrechterhalten, in den übrigen Wahlbezirken jedoch des Kartells der inten, hauptsächlich zugunsten ihre Anhänger aufgefordert, zugunsten der Kandidaten der Sozialisten zurückzutreten.

Russen- Hauffe in Paris .

Wertpapiere, die Industrieaktien sowohl als auch die Staatsobliga­Paris, 6. Mai. ( EP.) Seit zwei Tagen haben alle russischen feits auf die Konzession zurüdführen läßt, die die amerikanische tionen, eine bedeutende Hausse zu verzeichnen, die sich einer­Gesellschaft Lena Goldfields erhalten hat, andererseits aber auch auf den günstigen Verlauf der französisch russischen Ber­handlungen über die Anerkennung der zaristischen Staatsschuld durch die Sowjet- Regierung.

Amerikas Friedensultimatum.

New Yort, 6. Mai. ( WEB.) Durch Funkspruch. Evening Post" schreibt zu der Rede des Botschafters Houghton in Con­don: Er habe Ameritas Friedens ultimatum an die alte Welt überreicht. Dies jei teine neue Polifit, Coolidge habe fie vor einem Jahr bekannt gegeben. Diese Politik sei auch nicht gegen Frankreich oder irgendein anderes Cand gerichtet, sondern schließe das ganze Europa ein. Jedes Wort der Rede des Bot­schafters Houghton spiegele die Gefühle und die feststehenden Mei­nungen jenes Amerifa wieder, mit dem Europa rechnen müsse.

Wenn kommt die Abrüstungsnote? Wieder eine ausweichende Auskunft Chamberlains.

London , 6. Mai. ( WTB.) Unterhaus. Auf eine Anfrage, wann beabsichtigt sei, die deutsche Regierung über die Verfehlungen

gegen die Abrüstungsflaufein des Versailler Vertrages zu benachrichtigen, erwiderte Chamberlain, er hoffe, daß die Alliierten sehr bald in der Lage sein werden, der deutschen Re­gierung eine Note über diese Angelegenheit zu überreichen; er fönne jedoch eine Andeutung über das genaue Datum geben.

Allgemeines Wahlrecht in Japan . Das Gesez, das das allge. meine Bahlrecht in Japan einführt, ist nunmehr im Staatsanzeiger veröffentlicht worden. Die ersten Wahlen nach dem neuen Gesez merden im Jahre 1928 stattfinden,