nnb sozialen Erwägungen die Lohnslcuerermäßigung unbedingt vor- nehmen müsse�. Ministerialdirektor Dr. Zarden(Rcichsfinanzministerwni) hielt den von der.'liegieruna geschagten Aussall an Steueraufkommen für durchaus begründet. Bei einer Erhöhung des steuerfreien Existenz- niiminums von 60 aus 100 M. im Monat würde das Aufkommen an Lohnsteuer fast halbiert. Es wurde bcichlossen, in den nächsten Tagen eine gemein- s a ni e Sitzung des Steuerausschufscs. des Aufwertungsausfchuifes und des chaushaltsausschuffcs zu veranstalten zwecks allgemeiner Aussprache. Diese Sitzung soll durch sachverständige Mitglieder aus allen drei Ausschüssen vorbereitet werden.
Die Neuregelung üer Unfallversicherung. Im Sozialpolitischen Ausschuß. Im Sozialpolitischen Ausschuß des Reichstages wurde bei der Weiterberatung der Unfallversicherung zunächst über® c- Währung eines Kindergeldes verhandelt Nach dem Re- gierungsentwurf fall denjenigen Verletzten, die mindestens 60 Proz. der Vollrente bezichen, für jedes Kind bis zum voll- endeten IS. Lebensjahre eine Kinderzulage von 10 Proz. der Rente gewährt werden. Unsere Genossen oerlangten die Zulage für Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahre, wie es in der Kriegs- befchädigtenoersorgung und in der Invalidenversicherung gewährt wird. Der sozialdemokratische Antrag wurde von den Bürger- lichen abgelehnt und dann ein Zentrümsantrag angenommen, der für Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahre dann ein Kindergeld gewährt, wenn die Kinder infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen arbeitsunfähig sind oder in Berufsausbildung stehen. Den ehelichen Kindern werden gleichgestellt: an Kindesstoit angenommene. Stiefkinder und Enkel, die vom Verletzten zu unter- yalien sind und die unehelichen Kinder. Die Beschlüsse fußen zum Teil auf Verbesserungsanträgen unserer Fraktion. Für Verlegte im jugendlichen Alter ist eine Neufest- fetzung des Jayresarbeüsverdicnstes in späteren Jahren vorge- sehen. Der Beschluß beruht aus einem Antrag unserer Fraktion. Die Bezüge derHinterbliebenen wurden entsprechend der Regierungsvorlage von insgesamt 60 Proz. des Jahresarbeit? Verdienstes des Getöteten auf 80 Proz. erhöht. Eine erwerbs- unfähige Witwe erhält nicht 20, sondern 40 Proz. des Jahres- arbeitsverdienstes. die Waisen erhalten nach wie vor 20 Proz. des Iahresarbeitsverdienstes. Als Waise gelten die für ehelich erklärten Kinder, an Kindesstatt angenommene sowie Stiefkinder und Enkel, wenn sie vom Getöteten unterhalten worden sind und unehc- tiche Kinder. Waisenrente wird bis zum vollendeten 13. Lebensjahre gewährt, außer für Waisen, die körperliche oder geistige Gebrechen haben oder in Berufsausbildung stehen. Diese erhalten Rente bis zum vollendeten 18. Lebensjahre. Weiter gehende Anträge der Sozialdemokraten wurden abgelehnt. Ein Antrag unserer Genossen wurde angenommen, nach dem eine Witwe auch dann eine Rente erhält, wenn der Tod des Verletzten nach einjähriger Ehe eintritt. Die Rc- gierung wollte eine dreijährige Frist haben. Eine einmalige Witwen- beihilfe erhält diejenige Witwe, deren Mann wenigstens 50 Proz. crwerbsbehindert war, wenn der Tod nicht aus Unfallfolgen zurück- zuführen ist. Die Witwenhilfe beträgt 40 Proz. des Iahresarbeitsverdienstes des Getöteten. Dieser Beschluß beruht auf einem Antrag der Szialdemoiraten, nachdem ein westergehender Antrag unserer Genossen auf Gewährung einer laufenden Witwenrente im genannten Falle gelehnt war. Rente wird nicht gewährt, wenn Erwerbsunfähigkeit nicht über die 13. Woche noch dem Unfälle besteht. Das Kranken- geld beträgt vom Beginn der S. Woche an 7/i» des maßgebenden Grundlohnes. Verletzten, die bei Saisonarbeit verunglückt sind. wird für die an 300 sehlenden Arbeitstage zur Berechnung des Iahresarbeitsverdienstes nicht mehr der Ortslohn, sondern der wirk- lich von ihnen im letzten Iichre verdiente Lohn herangezogen. Dieser Lohn darf aber nicht unter dem ortsüblichen Tagelohn liegen. Auch dieser Beschluß beruht auf einem Antrage der Sozialdemokraten. Eine wesentlicheBsrschlechterung wollte Dr. P f e s- f e r(DVP .) und Frau T e u s ch(Ztr.) für die kleinen Renten bis zu 13 Prag , der Pollrente durchsetzen. Sie wollten diese Renten« empkänger gegen ihren Willen von der Berufsgenossensckaft ob- finden lassen. Gegen diesen Antrag wandten sich unsere Genossen und hielten dem Zentrum die Reden vor, die sie bei der Beratung der vrgesehenen Beseitigung der kleinen Renten für diese Renten- empfänger gehalten baben. Auf Grund des Widerstandes unserer Genossen wurde der Antrag dann für die zweite Beratung zurück- gestelll, weil man angeblich eine besiere Fassung zugunsten der Rentenempfänger vorschlagen will. Der Regierungsentwurf wollte Äbfindungsmöglichkeiten für Renten von nicht mehr als«in Drittel der Vollrente mit Zustimmung der Verletzten schaffen. Demgegen- über gelangte ein Antrag unserer Genossen zur Annahme, der es bei dem alten Zustande, daß Renten bis 20 Proz. abge- f unden werden können, beläßt. Eine Verbesierung gegen- über dem bisherigen Zustande hatte die Regierung vorgeschlagen; diese bestand darin, daß fjeilbehondlung auch für a b- gefundene Verletzte gewährt werden muß, und daß ferner bei eintretender Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit, die miichestens 15 Proz. beträgt, Rente für den nicht abgefundenen Teil der Erwerbsunfähigkeit aufleben läßt. Die letzt? Bestimmung wurde auf Antrag unserer Genossen dahin abgeändert, daß die gesamt« Erwerbsunfähigkeit bei Verschlechterung des Zuftandes des Verlegten der Rentemestsetzung zugrunde gelegt wird, und nur der Betrag, der als Abfindung bezahlt wurde, bei der wieder auf- lebenden Rente abgezogen wird. Vorgesehene Verschlechterungen des Beschwerdeweges für die Beamten, wie die Regierung vorgeschlagen hotte, wurden abge- lehnt._. a,___ Cmlaüung in üen volterbunö. Durch den Vertreter Frankreichs . Genf . 8. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Der Ehes der franzö. sstchen Delegation ans der Wasfenhandelskontrollkonferenz, Abg. Paul B o n c o u r(Soz.). erklärte am Freitag dem Genfer Kor- respondenten des„Vorwärts", daß die Voraussetzung für den Er- folg jeder Abrüstungsaktion die Schaffung einer Friedensatmo- sphöre in Europa sei. Er sagte:„Das Genfer Protokoll wird in irgendeiner Form die Grundlage für die General- abrüstung bilden müssen. Die Vervoll st ändigung des Völkerbundes ist eine wichtige Voraussetzung für die end- gültige friedliche Regelung aller europäischen Differenzen. Es ist bedauerlich, daß Deutschland noch immer nicht seinen Bestritt erklärt hat: alle seine lebenswichtigen Fragen werden im Völker- band behandelt, Deutschland könnte im Völkerbund seine Interessen selbst vertreten. Das würde eine große Entspannung der politischen Lage bedeuten. Ich verstehe Deutschlands Richtbeitrstt zum Völker- bund um so weniger, als im letzten September Graf Keßler mich ausdrücklich fragte:„Wenn Deutschland ein Eintrittsgesuch stellt. welches wird die Haltung Frankreichs sein?" Ich habe ihm-n voller Uebereinstiinmung mit Loucheur und Briand sowie mit aus- drücklicher Billigung Herriots erklärt: Frankreich wird einem Ein- tritt keine Schwierigkeiten machen, und Deutschland wird völlig gleichberechtigt unter voller Berücksichtigung seiner Stellung als Großmacht aufgenommen werden. Wir haben damals alle mit dem Eintritt Deutschlands gerechnet und ihn gewünscht. Um so größer war das allgemeine Erstaunen über die Rote Stresemanns gegen den Artikel l6 des Völkerbundsportes. Deutschland vergißt, daß es als Bölker- bnndsmitglied durch die Aktion des Völkerbundes genau so gegen einen Angreifer geschützt würde wie jedes Mitglied. Ebenso wie alle anderen Mitgliedsstaaten müßte natürlich Deutschland an den Sanktionen teilnehme rr. Der Eintritt Deutsch- lands ist die erste Boraussetzung zur Lösung der Eicherheitsfroge,
Denn wie soll Frankreich Vertrauen zu einem Deutschland haben, das beharrlich der Völkcrbundsgcmeinschaft fernbleibt? Ich glaube, daß die Enlmilitarisierung des linken Rheiaufers unter der Aufsicht des Völkerbundes, an der Deutschland als Völkerbundsmitglicd teilnehmen würde, die beste Lösung des Sicher- hsitsprobleins darstellen könnte. Frankreich will keine An- nexion deutschen Gebietes und wird die Außenpolitik Herriots im Sinne der V e r st ä n d i g n n g und des Friedens fortsetzen, Deshalb ist es auch bedauerlich, daß der Kontrollbericht»och immer nicht veröffentlicht wird. Die Wahl Hindcnburgs hat das demokratische Frankreich sehr enttäuscht, wird aber unsere Friedenspolitik nicht bestimmend beeinflussen, wie die Gemeinde- mahlen bewiesen haben. Wir warten die Entwicklung ab und hoffen, daß die deutschen Republikaner olles daransetzen werden, den baldigen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund her-
)ie deutsche Sozialdemokratie hat es nicht daran fehlen lassen, seit der Ablösung der Poincarsschcn Politik durch die des franzö- fischen Linksblocks auf Leitritt Deutschlands zum Völkerbund zu drängen— allerdings ist das Verlangen, daß das nach außen wehr- lose Deutschland an Sanktionen teilnehmen müsse, eine harte Ruh. Die„EntMilitarisierung des linken Rheinufers", von der Paul Boncour spricht, müßte mit dem Abzug der Entente- truppen beginnen, denn sonst gibt's dort nichts Militärisches. Aber vorläufig steht dieses fremde Militär sogar noch rechts vom Rhein .... -» Räumungstag 16. August! Angeblicher Vorschlag Englands an die Entente. Poris. 8. Mai. (Eigener Drahtbericht.) Der englische Bot- schafier soll nach unverbürgten Meldungen von setner Re- gierung Anweisung erhalten haben, in der Botschafterkonserenz als Termin für die Räumung Kölns den 16. A u g u st vorzuschlagen, so daß die Räumung Kölns und des Ruhrgebiets gleich- zeitig erfolgen würde. Es muß damit gerechnet werden, daß ein solcher Antrag Englands auf starken Wider st and der französischen Regierung stoßen und es darüber in der Botschafterkonferenz zu scharfen Auseinandersetzungen kommen
wird. Nach dem Standpunkt der französischen Regierung soll die Kölner Zone nach Artikel 429 erst geräumt werden können, wenn Deutschland alle Entwassnungsoerpflichtungen erfüllt Hot und gerade deshalb sei es unmöglich, schon im voraus den Zeit- punkt für die Zurückziehung der Truppen festzulegen. Polnisches Polizeipanama. Ter Bombenfabrikant im Polizeiauftrag. Warschau , 8. Wal. (OE.) Die Scjmtoramifsion zur Untersuchung von Geheimbünden hak nunmehr die Vombenafsäre Trojan owski aufgeklärt. Es fleht jetzt fest, daß Tro- janowski ein Provokateur war. der von der politischen Polizei 800 Zioty monatlich bezog. Der„kurjer poranny" teilt mit. daß Trojanowskl laut seinem eigenen Geständnis ein Schein- o t t e n t a l vorbereitete, dessen„Vereitelung" seinen polizeilichen Gönnern förderlich sein sollte. Der Ehes der Warschauer politischen Polizei. Lenzki und sein Gehilse piontkiewlcz sind verabschiedet worden. Der sozialistische„Robotnik" ver- langt auch den Rücktritt des zuständigen Vizeministers S m o l s k i.— Die sozialistische Partei hat wegen des vomben- altenlals der Schüler in w i l n a eine Interpellation eingebracht. welche die Wilnaer Schulzuslände ouss schärfste kritisiert und sofortige Reformen verlangt. Erleichterung der vcsehung. Wie von zuständiger Stelle mit- geteilt wird, werden gemäß einer zwischen der deutschen Regierung und der Interalliierten Rheinlondkommission getroffenen Abmachung die seit 1918 bzw. 1919 in Karlsruhe , Rheinau und im Mannheimer Mühlau -Hafen stationierten franzö- fischen Schisfskontrollposten ab Sonnabend, den 9. Mai 1925 zurückgezogen. Trohki soll„Volkskommissar", d. h. Minister für Außen. Handel werden; jetzt hat Krassin dieses Amt— aber nur nominell. da er>0 meist in Westeuropa ist. Immer noch Bürgerkrieg In Brasilien . Die brasilianischen Auf- ständischen, die sich nach Paraguay zurückgezogen hatten, bedrohen jetzt wieder den südlichen Teil des Staates Motto Grosso. Para- guayische Truppen haben den Aufständischen schwere Perlufte beigebracht.
Entftheiüung öes Wahlprüfungsgerichts Die Wahl Hindenbnrgs gültig.
Vor dem Wahlprüfungsgericht zur Prüfung der Wahl des Reichspräsidenten , das gestern tagte, ergänzte nach den Aussührun- gen des Berichterstatters Reichstagsobgeorüneter Stelling(Soz.) als Vertreter des Porteivorfiandes den Protest der Sozialdemokra- tischen Partei. Er führte aus: Der Vorstand der Sozialdemokra- tischen Partei lege besonderen Wert darauf, daß vom Gericht auch die Frage erwogen werde, ob es richtig sei, daß, bevor das Gericht gesprochen habe, und bevor also die endgültige Entscheidung über die Gültigkeit der Wohl gefällt sei, bereits die Proklamation erfolge und der Termin für die Vereidigung des Reichspräsidenten fest- gesetzt wurde. Stelling macht dann darauf aufmerksam, daß i in ganzen Reiche, besonders aber auf dem Lande, Wohlde- einflussungen in großer Zahl erfolgt find. Sogar im Wahl- kreise Potsdam I, also vor den Toren Berlins , sind in manchen kleinen Orten bei der zweiten Wahl Stimmen verschwunden, die im ersten Wahlgang für Marx oder für einen anderen Kandidaten der Linksparteien abgegeben wurden. So erwähnt er den Guts- bezirk Kröhlendorf, wo im zweiten Wahlgang für Hinden- bürg 99, für Marx 1 Stimme abgegeben wurden, während vorher auch für andere Linksparteien Stimmen gezählt wurden. Unsere Behauptungen, daß hier Unregelmäßigkeiten vorgekommen sind, dürften also nicht unbegründet sein. Wir empfehlen hier eine Nach- p r ü k u n g vorzunehmen, da besonders auf dem Lande die wirtschaftliche Abhängigkeit außerordentlich groß ist und leicht mißbraucht werden kann. Charakteristisch ist es auch, daß in Ost- preuhen sämtliche Gemeindevorsteher mit Ausnahme der sozialdemokratischen. zu woblvorstehern gemacht worden sind. Der Reichsblock hat bekanntgegeben, daß eine Ehrenliste solcher Gemeinden ausgestellt werden solle, in denen nur hindenburg gewählt wurde. Vorsitzender Abg. Dr. Spahn fragt, ob Stelling sagen wolle, die Behauptung ausstellen wolle, daß das ganze Wahlergebnis durch die Wahlvorsteher gefälscht worden sei. Genosse Stelling erklärt dazu, daß er das nicht tun könne, aber er verliest ein Vorkommnis in Mecklenburg , wo sestge- stellt worden ist, daß bei der Wahl vom 4. Mai 1924 allerdings von Wahlvorstehern Stimmzettel, die für Vertreter von linksstehenden Parteien abgegeben waren, herausgenommen und dafür Stimm- zettel für die deutschoölkischen Parteien hineingesteckt worden sind. Dos Verfahren gegen diese Wahlvorsteher schwebt noch. Stelling führt weiter aus, daß bei allen Wahlen harte Worte gebraucht werden, aber es dürfe nicht zu Verrufserklärungen kam- men, wie es in G a r d c l e g e n geschehen ist. Aus einer großen Zahl von Orten sind uns noch weitere Berichte über die V e r w e n- dung von durchsichtigen Kuverts gesandt worden. So aus Bremen Bezirk 98 und 23 und aus Bayern . Vorsitzender Abg. Dr. Spahn fragt, os Stelling sagen wolle, daß diese Umschläge speziell für die Präsidentenwahl hergestellt worden seien. Abg. Stelling: Es handelt sich in der Hauptsache wohl um Umschläge, die bereits bei früheren Wahlen verwendet worden find. Auch aus Berlin , Belgard i. V. und Mannheidn sind Be- schwerden über Berwendung durchsichtiger Umschläge gekommen. Auch andere Vorstöße sind vorgekommen. So teilt der Wablvor- steber im Stimmbezirk Berlin 1200 mit. daß in drei bis vier Fällen Wähler aus dem Stimmbezirk mit Stimmscheinen erschienen, ob- wohl diese nicht aus der Wählerliste Spalte 8 vermerkt waren. Hätten das die betreffenden Wähler gewußt, dann hätten sie glatt zweimal wählen können. Die Angaben des„Vorwärts" über die Borfälle in Werder a. d. W. find zutreffend. Drei Zeugen sind bereit, für diese Mitteilungen zu bürgen. Zahlreich sind auch andere Wahlbeeinflussungen erfolgt. In der Gemeinde Schaalc, kreis Tecklenburg , wurden Stimm- zellel verwendet, auf denen der Kandidat des Reichsblocks bereits bei Ausgabe der Stimmzettel angekreuzt war. In der Gemeinde Schönborn , Kreis Liegnitz , hat sich nach den Ermittlungen des Landrats ergeben, daß der Ä b st i m m u n g s- Vorsteher Kunick mehrere amtliche Stimmzettel vor- her verteilen ließ, angeblich an einige alte Frauen, die noch nie an einer Wähl teilgenommen hatten, und die Hindenburg wählen sollten. Sehr häusig ist es i n Krankenhäusern zu U n- regel Mäßigkeiten gekommen. Im Elisabethtran tcn- bans in Berlin sind den Kranken Hindcnburgzcttel ohne Umschlag übergeben und diese dann in den Stimmkasten gelegt worden. Im Birchowkrankenhaus sind die Schwestern an die Betten herangetreten und haben die Kronken aufgefordert, für Hindenburg zustimmen. In der Heilstätte Herrnprotsch bei Breslau sind 8 bis 10 bettlägerige Kranke ihres Wahlrechts verlustig ge- aangen, weil sie in die Stationsliste nicht aufgcm�men waren. Täglich und stündlich geht bei dem Vorstand der Sozialdemokra- tischen Partei neues Material ein. Der sozialdemokratischen Partei liegt nichts daran, die Amtseinführung des Reichspräsidenten zu verschleppen, wohl aber liegt uns daran, um ein Wort zu ge- brauchen, das von anderer Seite in die Welt gesetzt worden ist, daß die Reinheit des öffentlichen Lebens gewährleistet und
die Verfassung gesichert wird dadurch, daß einem jeden die Mög- lichkeit gegeben wird, ungehindert und tzhne Schädigung von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Von diesem Gesichtspunkt aus, bitte ich Sie, unseren Prorest zu betrachten. Nach einer Pause nahm dann das Wort Reicho*smiftragter Ministerialrat Dr. Kaisenberg zu solgenden Ausführungen: Bei der Präsidentenwahl sind 39 422 661 Stimmberechtigte ermittelt worden. Insgesamt sind im Deutschen Reich 68 200 Stimmbezirke vorhanden. Diesen Zahlen stelle ich die Zahl der einzelnen Beschwerden gegenüber: 23 Einzclbeschwerden und eine hauptbcschwerde des Vorstande» der Sozialdemokratischen Partei. Bei den Reichstagswahlen wird die Wahl innerhalb der Wahl- verbände geprüft. Rechnet man für jeden Verband 5 Wohlbeschwer.« den, so würde für die gesamte Reichstaaswahl die Zahl der Beschwer- den 80 betrogen. Tatsächlich ist die Zahl der Beschwerden für die Wahlen vom 4. Mai und 7. Dezember erheblich höher gewesen. Nach allen Ersahrungen haben all« Einzelbeschwerden nicht zu einer Ungültigkeit gefuhrt, weil sie an dem Ergebnis nichts ändern konnten. Dos Ergebnis des zweiten Wahlgange? ist, daß auf Hin- denburg 904 151 Stimmen mehr entfallen sind als out Marx. S-'hst angenommen, alle Beschwerden, die heute vorgebracht sind, wären begründet, so würde sichandemErgebnisderWahlnichts Wesentliches ändern. Nun sind aber von den 23 Einzelbeschwerden, die amtlich anfgetlärt sind, eine ganze Reihe als unzutreffend und unbegründet erwiesen. Was übrig bleibt, ist das Vorgehen des Reichsblocks in G a r d e l e g e n. Hier wäre die Frage zu prüfen, ob es sich um ein strasbares Vorgehen handelt, um eine Verletzung des Z 240 des Strafgesetzbuches. Hierüber hätten die ordentlichen G e r l ch t« zu entscheiden, und es empfiehlt sich vielleicht, die Beschwerde der Staatsanwaltschaft zur weiteren Ver- Wfluiig zu übergeben. Ich glaube ober, daß das Vorgehen des Reichsblocks einen maßgebenden E i nf l u ß nicht gehabt hat. Bezüglich der W a h l n in s ch l ä g« ist festgestellt worden, daß die jetzt beanstandeten Wahlumschläge dauernd in den letzten Jahren benutzt worden sind und zu keinerlei Beschwerden Anlaß gegeben haben. Die Beschwerden über die Umschläge sind erst jetzt gekommen, und die sozialdemokratische Parteileitung erließ einen Aufruf in der Presse, der in allen ihren Zeitungen abgedruckt wurde. In zehn Tagen ist dann das Material eingegangen, das Herr Stelling heute vortrug. Selbst angenommen, alle die Fäll«, die Herr Stelling vorgebracht hat, wären begründet, so kann das am Ergebnis der Wahl nichts ändern. Bei den Wahlen in den Krankenhäusern handelt es sich um lauter subjektive Zlngaben. Es ist ja allerdings klar, wenn der Slbstimmungsvorstand von Bett zu Bett geht, daß dann nicht die- selbe strenge Wahrung des Wahlgeheimnisses Platz greifen kann, wie sonst bei Abstimmungen. Daß Stimmscheine, die auf weißem Papier ausgestellt waren, zurückgewiesen wurden, ist allerdings bedauerlich. Aus rechnerischen Ueberlegungen heraus folgere ich aber, daß die Zahl der Wähler, die wegen der Stimmscheino aus weißem Papier zurück- gewiesen worden sind, nur ganz gering sein kann. Am Wahl- ergebnis selbst wird dadurch nichts geändert. Jni übrigen glaube ich, daß man die Vorschrift mit dem roten Papier künftig sollen lassen könnte im IiUcresse der kleineren Gemeinden, wo nur wenige Stimmscheine auszustellen sind. Ordnungswidrigkeiten, die außerhalb des Wahlraums vorgekommen sind, sind ohne jeden Einfluß aus das Gesamtergebnis. Bis jetzt ist noch keine Wahl organisatorisch so gut durchgeführt worden wie die letzte Präsidentenwahl. Um 6 Uhr abends wurde die Abstimmung geschlossen, um((-12 Uhr stand das Ergebnis bereits fest und wurde durch Radio in alle Welt ver- breitet. Unsere Berechnungen haben ergeben, daß auch bei sorgfältigster Nachprüfung kaum eine wesentliche Verschiebung in den Endzahlen sich ergeben würde. Das Probebeispiel von Leipzig zeigt, daß Hindenburg verhältnismäßig nach mehr Stimmen zuge- zählt bekommt als Marx. Es ergibt sich bei einer genauen Nach- Prüfung, daß er noch 0,07 Proz. zugezählt erhält, während Marx nur 0,027 Proz. dazubckommt. Dasselbe Ergebnis hat sich bei den Proben herausgestellt, die für.Hamburg und Oppeln gemacht wur- den. Wenn wir olle Wahlkreise durchrechnen, so kommen wir viel- leicht auf eine Verschiebung van 2000 Stimmen, ober nie dazu, daß sich das Verhältnis von 904 000 Stimmen wesentlich verschiebt. Die Frage ist also spruchreis. Mein Antrag geht dahin, ohne weitere Leweiserhebung die Wahl des Reichspräsidenten im zweiten Mahlgang für gültig zu erklären. Nunmehr folgt die Beratung des Gerichtshofes, bei der die Oeffentlichkeit ausgeschlossen ist. Um 10,15 abends wurde die Entscheidung des Wahl- prüfnngsgerlchts verkündet, nach der die Wahl Hindenbnrgs zum Reichspräsidenten für gültig erklärt wird.