Nr. 223+ 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 115
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Mittwoch, den 13. Mai 1925
Die Verschiebung der Räumung.
Briands Noten vom Kabinett gebilligt.
Baris, 12. Mai .( Eigener Drahtbericht.) Die amilichen Mitteilungen über den am Dienstag stattgefundenen Ministerrat, der in der Hauptsache der Erörterung der am letzten Sonnabend zurückgestellten Fragen der Sicherheit und der Räumung von Köln gemidmet war, beschränken sich auf die Erwähnung, daß Briand dem Ministerrat Kenntnis von den Entwürfen zweier Noten zum Garantiepakt und zur Abrüstung gegeben habe. Die erste der beiden Noten werde unverzüglich den alliierten Regierungen übermittelt werden, die zweite sei an die Botschafterkonferenz gerichtet, die am
würfe rückhaltslos gebilligt.
beiden Noten decken sich völlig mit dem, was wir bereits mitgeteilt haben. So berichtet die Information", daß
der französischen Diplomatie werde es fein müssen, England von den Gefahren dieser Berechnung zu überzeugen und aus den deutschen Vorschlägen alles herauszuholen, was der Festigung des Friedens und der moralischen Abrüstung dienlich sein kann.
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Bekenntnis zur Republik.
Der Januskopf der Aera Hindenburg.
Der neue Präsident der deutschen Republif hat gestern seinen Eid geleistet und sein Amt angetreten. Am 12. Mai, 12 hr 8 Minuten mittags hat die Aèra Hindenburg begonnen.
Sie trägt einen Januskopf. Denn der Präsident, der von den Monarchisten gewählt ist, hat gestern wie ein Republikaner gesprochen. Der Präsident, der von den Nationalist en gewählt ist, hat wie ein Pazifist und Anhänger der verfehmten Erfüllungspolitik gesprochen. Der Kandidat von Schwarz- Weiß Rot hat den Eid auf Schwarz Rot Gold abgelegt.
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In der Presse der Rechten findet man zahlreiche Be
allerdings seltsam verschlungen.
Condon, 12. Mai .( Eigener Drahtbericht.) Es ist von nicht zu Freitag zusammentreten werde. Der Ministerrat habe beide Ent- Preſſe in ihren Berichten über Hindenburgs Einzug die Eintrachtungen über den Weg, den Deutschland vom 9. November unterschäzender politischer Bedeutung, daß die gesamte Londoner Die Angaben der Dienstagabendblätter über den Inhalt diefer druckslosigkeit und mangelnde Begeisterung feft: 1918 bis zum 12. Mai 1925 genommen hat. Dieser Weg ist stellt.„ Daily Mail" schreibt, der Mangel an Begeisterung müsse eine bittere Enttäuschung für die Regisseure der monarchistischen Demonstration gewesen sein, die für Wilhelm oder den Kronprinzen feine Aufmunterung bedeute. Manchester Guardian" erklärt, Hindenburgs Einzug fei bemertsmert eindrudslos gewesen trotz bester Aufmachung. Daily Telegraph" urteilt, weder die Beteiligung sei besonders groß, noch die Begrüßung besonders warm gewesen.„ Daily News" versichert, der Vorgang sei mehr durch eine präzise Organisation als durch Volksbegeisterung bemerkenswert gemejen. Eine auffallende Ausnahme hiervon machen die Leitartikel die deutschen Republikaner wegen ihrer Nichtteilnahme Die in ihrem an dem Einzug Hindenburgs. Die Beibehaltung des Staatssekretärs Meißner wird in den politischen Kreisen Englands äußerst günstig beurteilt.
Vor dem 9. November und noch lange nachher standen Hindenburg und Ludenburg als ein Zwiegestirn nebeneinander. Gestern aber, als Ludendorff an die Rampe trat und einer seiner legten Getreuen ein Hoch auf ihn aus.. zubringen versuchte, stimmte faum ein halb Duzend Kehlen aus der Menge mit ein. Schallende Heiterkeit der meist zur Rechten zählenden Abgeordneten, die mit auf der Rampe standen, quittierte über den kläglichen Mißerfolg, während und aufrichtig gemeinter Ovationen wurde.
England endgültig auf die Festlegung des 15. Auguft als Termin für die Räumung Kölns verzichtet habe is Gegentonzession habe Frankreich sich bereit erflärt, sich damit zu begnügen, daß Deutschland lediglich die schweren feft gestellter Verfehlungen wiedergutmache und von Deutschland nur die Durchführung solcher Maßnahmen verlangt werde, die innerhalb dreier bis vierer Monate beendet werden können. Frant. Times", deren Bericht im Widerspruch zu sämtlichen übrigen einige Minuten später Hindenburg zum Gegenstand lebhafter
reich erhalte durch dieses Kompromiß die Genugtuung, daß Köin
erst geräumt werde, wenn Deutschland die an die Räumung geInüpften Bedingungen erfüllt habe, während der englische Stand punkt insofern zur Geltung komme, als auf diese Weise Köln, vor ausgefeßt, daß Deutschland den Forderungen nach komme, ungefähr zur gleichen Zeit wie das Ruhrgebiet geräumt werde. Man müſſe fich oljo darauf einstellen, daß in einem nahen Zeitpunkt nicht nur die Militärkontrolle Deutschlands auf den Völkerbund übergehe, der alle Vorbereitungen dafür bereits getroffen habe, sondern daß der französischen Sicherheit auch ein Druckmittel der materiellen Garantie beigegeben werden müßte. Unter diesen Umständen gewinne die Frage des Garantievertrages besondere Bedeutung. Sie stelle für die französische Politik eine der schwersten Entscheidungen seit dem Kriege dar. Wenn Deutsch land in seinen Vorschlägen unter Anerkennung des Versailler Ver trages eine Art Dauerwaffenstillstand am Rhein anbiete, so tue es dies zweifellos, um freie Hand im Osten zu haben. Die Aufgabe
Die polnische Regierung hat sich bisher offiziell auf den Standpunkt gestellt, daß sie zu einer Schadenersazleistung für das Unglück im Korridor nicht verpflichtet sei. Denn da ,, nachweislich" ein Attentat, also höhere Gewalt, vorliege, sei die rechtliche Voraussetzung für die Haftung nicht gegeben. Die Geschädigten, also die Reichsbahngesellschaft und Die Hinterbliebenen der so jammervoll umgekommenen oder verstümmelten Menschen würden danach leer ausgehen.
Nun hat die Reichsregierung bereits bei dem KorridorSchiedsgericht Danzig beantragt, alsbald die Durchgangsstrecke, auf der sich das Unglüd ereignet hat, und die Unfallstelle selbst einer gründlichen Besichtigung zu unterziehen. Da Polen bestreitet, daß diese Strecke in schlechtem Zustand ist, liegt von vornherein ein Streitfall vor, der das Eingreifen des Schiedsgerichts rechtfertigt. Es ist daher mit Bestimmtheit anzunehmen, daß in der Sihung des Schiedsgerichts am 11. Mai dem deutschen Antrage stattgegeben wird. Nun spricht alles, was bekannt geworden ist- Aeuße rungen von Reisenden und Bahnbeamten, der Befund der Danziger Kriminalpolizei an der Unglücksstelle, die Klagen der polnischen Presse über die Eisenbahnmißwirtschaftdafür, daß eine Revision der Unglücksstrecke die pflichtwidrige Versäumnis der polnischen Behörden feststellen wird, obwohl gegenwärtig fieberhaft an der Auswechslung der faulen Schwellen gearbeitet wird. Selbst wenn ein Attentat vorgelegen haben sollte, würden die polnischen Behörden durch ihre Pflichtversäumnis sogenanntes tonfurrierendes Verschulden" treffen, was nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts im Korridor gilt noch das deutsche Recht die Haftung zur Folge hat. Auch ist keine Frage, daß, selbst wenn es sich um ein Attentat handeln sollte, es ohne die Vernachlässigung des Oberbaus niemals fo furchtbare Folgen gehabt hätte.
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Weigert sich Bolen auch nach einer Feststellung der Mängel der Durchgangsstrecke noch, die Ersatzpflicht anzuerkennen, so ist das Schiedsgericht auch zur Entscheidung hier über zuständig. Die Rechtslage ist also den deutschen Ansprüchen günstig. Das nüßt aber den Witwen und Waisen nichts, die den Ausgang des umständlichen Verfahrens nicht abwarten fönnen. Hier muß die Reichsbahn oder, wenn diese ErHier muß die Reichsbahn oder, wenn diese Erwerbsgesellschaft“ hier versagen sollte, das Reich selbst ein fpringen. Es muß den bedürftigen Hinterbliebenen rasch geholfen werden, unbeschadet der Erfaßpflicht Bolens. Das Reid tam piel leichter fich mit Bolen auseinanderſegen als
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Der ,, vaterländische Klamaut.
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Es ist also das hat ja auch schon die Wahl gezeigt- bei dem bürgerlichen und nationalgesinnten Publikum eine deutliche Differenzierung zwischen den beiden Männern eingetreten.
Aber noch ist die Vergangenheit nicht tot. Noch immer gibt es viele, die wenn sie Hindenburg jagen, Ludendorff meinen. Und das ist es, was dieser Wahl und ihren Folgen einen zwei deutigen Charakter verleiht, der auch durch die eindeutigen Erklärungen des neuen Reichspräsidenten nicht weggewischt werden kann.
Genf, 12. Mai .( Eigener Drahtbericht.) Die Schweizer Presse stellt übereinstimmend ein Wiederaufleben der nationalistischen Demonftrationen im Zusammenhang mit der Wahl Hindenburgs fest. monftrationen im Zusammenhang mit der Wahl Hindenburgs feft. Die„ Basler Nationalzeitung" schreibt z. B. über den Stahlhelm Tag in Frankfurt: In einem Augenblid, wo die deutsche Regierung über die Räumung Kölns mit den Alliierten definitiv verhandeln will, duldet sie eine Massenversammlung von Stahlhelmleuten. Es Ein seltsam verschlungener Weg, fürwahr! Gegen den ist das erſtemal, daß der große militärisch organisierte ultra- Widerstand deutschnationaler und deutschvolksparteilicher nationalistische Bund aus seinem bisher heimlichen Dasein an die Führer man dente nur an Stresemanns verzweifelte Deffentlichkeit tritt, zwei Wochen nach der Wahl Hindenburgs, ein Bersuche, diese Kandidatur zu Fall zu bringen Zeichen der Zeit. Wer hat diese zum Aufsehen mahnende natio ist der nalistische Massendemonstration bezahlt? Was geht in Deutsch kaiserliche Marschall des Weltkriegs mit relativer Mehrheit Land vor?" zum Präsidenten der deutschen Republik gewählt worden, Aber nachdem Herr von Hindenburg gewählt ist, leistet er auf schwarzrotgoldenes Fahnentuch den Eid auf die die feinen Anhängern und Vorfämpfern eigentlich das repulitanische Verfassung und hält eine Ansprache, Innerfte nach außen fehren müßte.
eine Privatperson, und dann von Polen zurüdverlangen, was es etwa zur Unterstützung von Hinterbliebenen vorgeschoffen hat.
Keine deutsche Forderung.
Bisher haben, entgegen einer auch von uns gutgläubig über nommenen Meldung, di: beteiligten deutschen Stellen noch keinen Entschädigungsanspruch in bestimmter Höhe erhoben. Allerdings ist man auf deutscher Seite der Ansicht, daß nach Artikel 36 des Korridor- Abkommens die Haftung der polnischen Staatsbahn gePolen sucht die„ Schuldigen".
Danzig, 12. Mai .( T11.) Die„ Danziger Neueste Nachrichten" schreiben:„ Die Bersuche der Bolen, Deutsche als Urheber des Eisenbahnunglücks bei Stargard zu ermitteln, haben Formen angenommen, die von ernsthaften Bolen selbst nicht ohne Biderspruch angesehen werden können, weil das dabei geübte Berfahren geeignet ist, das Bertrauen in die polnische Justiz zu erschüttern. So find in Dirschau faft 25 polnische Staatsbürger- aber wohlgemerkt nur deutscher Nationalität Dor die Polizei geladen und erst nach mehrstündiger eingehender Bernehmung entlassen worden. Da man den gewünschten Erfolg nicht erzielen fonnte, hat man zwei Deutsche im Alter von 18 bis 19 Jahren am Dienstag vormittag festgenommen und bis heute nicht freigelaffen.
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General Mangin gestorben.
General Mangin ist in Paris im Alter von 59 Jahren plöglich gestorben. Dieser bereits in Friedenszeiten als wag halfiger Afrikaforscher und Kolonialtruppenführer befannie Militär befehligte während des Krieges hauptsächlich farbige Divifionen und war in der französischen Armee wegen der Rüd lichtslosigkeit bekannt und gehaßt, mit der er seine Truppen zum Angriff einfegte. Nach Kriegsende spielte er als Oberbefehlshaber ber Rheinarmee eine sehr zweifelhafte Dorten und Konsorten mitten während der FriedensverhandRolle, indem er von Mainz aus die ersten Separatistenputsche der fungen ganz ungeniert aktiv unterstützte. Er geriet dabei in Konflikt zunächst mit den amerikanischen und englischen Besagungsbehörden und sodann, als er nicht sofort den abwinkenden Befehlen der französischen Regierung Folge leisten wollte, in einen scharfen Gegensatz zu Clemenceau. Dieser fegte ihn furzerhand im Ottober 1919 ab. Seitdem hat er feine affive Rolle mehr gespielt, galt jedoch bis zu den Wahlen vom Mai 1924 als derjenige General, finnung am ehesten für jenen militärfaschistischen Butsch in Frage der wegen feines Draufgängertums und seiner reaktionären Gegefommen wäre, mit dem die Millerand und Maginot eine Zeit lang zu spielen fchienen,
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Man muß sich wundern, daß das deutschnationale Papier sich nicht gesträubt hat, die Worte von der„ republikaz nischen Verfassung", der feierlichen Berpflichtung" ränität" überhaupt aufzunehmen. Seltsam verschlungener auf fie und ihren„ tiefen", von der„ Volkssouve Weg vom 9. November 1918 bis zum 12. Mai 1925! In diesem schwarzweißroten Blütenmonat spricht der Feldmarschall des Kaisers als Präsident der Republik Dembermann!
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mie ein No
Reichstag und Reichspräsident gehören zusammen." Das ist eine bewußte Paraphrasierung des Wortes, Kaiser und Reichstag gehören zusammen". Der Kaifer ift gegangen, der Reichstag ist geblieben, der zweite Präsident der Republik ist gefommen und proflamiert die neue, die republikanische Zweinigkeit, wobei er dem Reichs tag in der Reihenfolge den Vortritt läßt.
Kurz und gut: nach der Wahl bekennt sich der Gewählte zu allem, wofür seine Gegner bei seiner Wahl und die ganzen Jahre vor ihr gefämpft hatten.
Das ist der Januskopf, mit dem die Aera Hindenburg in Erscheinung tritt.
Die Wahl Hindenburgs, eine Niederlage der Republif. Denn der Mann, den die Monarchisten auf den Schild gehoben hatten, ist gewählt worden.
Der Amtsantritt Hindenburgs, ein Sieg der Republik. Ein Beweis ihrer historisch gewordenen und logisch- begründeten Stärke, der auch der Erwählte ihrer fanatischen Gegner seine Reverenz erweisen muß!
Das Bertrauen, um das der neue Präsident der Republik bei der republikanisch gefinnnten Mehrheit der Bevölkerung wirbt, wird start überschattet durch das tiefe berechtigte Mißtrauen, das sie seinen bisherigen Anhängern entgegenbringt.
Hindenburg hat als Präsident einen Fehler forrigiert, den er als Kandidat begangen hatte. Damals hatte er erflärt, jedem„ national denkenden Deutschen" die Hand reichen zu wollen und war damit auch in die Phrafeologie jener Leute verfallen, die die Vaterlandsliebe zu parteipolitischen und flaffenegoistischen Zwecken in Erbpacht genommen haben. In seiner jezigen Rundgebung an das Ich reiche im Geiste jebem Deutschen die Hand. Bolt aber heißt es:
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Der neue Reichspräsident tann auf seine bisherigen An hänger eine starte erzieherische Wirtung ausüben,