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Nr. 2SZ 42. Jahrgang
2. Heilage öes Vorwärts
Donnerstag, 18. Juni 1425
Die Konkoröatsöebatte im Reichstag. Gen. Saenger   begründet die sozialdemokratische Interpellation. Staatsrechtliche Bedenken der Demokraten und der Volkspartei.~ Die Deutschnationalen weichen aus.
Der Reichstag nahm gestern zunächst ohne Debatte in allen drei Lesungen einen Gesetzentwurf über die chinausschiebung der Vermögens st euervorauszahlung an. Danach wird die Vorauszahlung auf die Vermögenssteuer, die am IS. Mai fällig war, bis zum IS. August 1323 ausgesetzt. Nachdem Staatssekretär Zweiger mitgeteilt hat, daß Innen- minister Schiele infolge einer Fuhverletzung nicht an den VerHand- lungen teilnehmen könne und ihn den Staatssekretär, mit seiner Vertretung beauftragt habe, tritt das chaus in die Beratung der sozialdemokratischen Interpellation ein, die sich gegen dos bayerische Konkordat wendet und in dem Konkordat eine Verletzung der Reichsverfassung erblickt. Mgeoröneter Saenger(603.): Die bayerische Regierung hat dem Landtage ein Mantelgesetz samt einem Konkordat der katholischen Kirche   vorgelegt, das am 18. Januar vom Bayerischen Landtag   angenommen wurde und am 27. Januar in Kraft getreten ist. In unserer Interpellation weisen wir darauf hin, daß dieReichsverfassungin mehrfacher Beziehung verletzt worden ist und fragen, was die Reichs- rcgiening dagegen zu tun gedenkt. Die Annahme, daß wir uns von tiag gegen die katholische Kirche   leiten ließen, ist nicht richtig. Wir beabsichtigen nicht im geringsten einen Kampf gegen die Kirche oder eine Verletzung des religiösen Gefühls. Der Redner führt mehrere Aeußerungen hervorragender Mitglieder der katholischen Kirche   an, in denen bestätigt wird, daß gerade In den Ländern mit republikanischen Verfassungen sich die katholische Kirche   der not- wendigen Bewegungsfreiheit erfreue. In dem kaiserlichen Deutschland   war das anders. Hier ist die katholische Kirche  , wie der Redner aus Aeußerungen prominenter Persönlichkeiten nach- weist, als der größte Feind des Staates und als ein demoralisierendes Institut bezeichnet worden. Roch im Januar dieses Jahres hat der deutschnationale General Bronsart v. Schellen- darf behauptet, das römische Papsttum unterhöhle schon seit den Hohenstaufen die deutsche   Macht. Diesen impulsiven Aeußerungen einspricht auch der rechtliche Stand der katholischen Kirche   in der Kaiserzeit. Es gab zahlreiche landesrechtliche Verbote, die katholi- schen Geistlichen befanden sich in einer Zwangsstellung, der preußische König hatte gegen die Ernennung katholischer Bischöfe ein Vetorecht. Zahlreiche Redner der Zentrumspartei   haben oft und in beweg- l'chen Worten über die Unterdrückung des'katholischen  Glaubens und ihrer Kirch« im Kaiserreich geklagt. Unter der republikanischen Verfassung besitzt die kacholische Kirche weit mehr Selbständigkeit als früher. So hat ihr in Sachsen   erst die Revolution Bewegungsfreiheit geschafft. Diese geschichtlichen Tatsachen sind durch die Ausführungen der Bertreter der Zcntrumspartci oft genug bestätigt worden. Wenn wir also das bayerische Konkordat ablehnen, so geschieht es nicht, weil wir rcligionsfeindlich find und die Bewegungsfreiheit cinsngea wollen, sondern weil das Konkordat Glanbens- und Schulfragen oermengt, weil es in vielfacher Beziehung in die Reichsversassung eingreift und sie verletzt. Dem Reichstag steht das Recht zur Prüfung de» bayerischen Konkordats zu. Nach dem Artikel 13 der Reichsverfas- sung bricht Neichsrecht Landesrecht. Dieser Grundsatz hat auch dann zu gelten, wenn ein Abkommen Bayerns   bayerisches Landesrecht geworden ist. Auch völkerrechtlich gilt jedes Abkommen nur dann. wenn es nicht gegen die Verfassung verstößt. Nach Artikel 78 Ab- satz 2 der Reichsversassung können die Länder solche Angelegen- Heiken, die der gesetzlichen Regelung des Landes unterstehen, selbst mit dem Auslaiide erledigen, aber ihre Abmachungen sind a n d i e Z u it i n> m ü n g des Reiches gebunden. Ob der Artikel 13 verlegt'st. ist eine Rechtsfrage, die durch das Reichsgericht zu entscheiden ist. ?ch richte nunmehr die Anfrage an die Regierung: wird sie von d>esem Artikel Gebrauch machen und das Reichsgericht au- rufen? wenn nicht, welch« Gründe hat sie, das nicht zu tun? Der Reichstag hat insbesondere darüber zu wachen, ob das Rcichsrecht verletzt worden ist. da die Gesetzgebung von uns aus- geübt wird. Eine andere Frage ist die. welcher Rechtscharakter wird dem bayerischen Konkordat zugemessen? Es besteht ein Streit darüber, ob Abkommen nnt dem römisch-katholischen Stuhl nur einen moralischen Eharaktcr haben und nicht völkerrechtlich gebunden find, weil der päpstliche Stuhl nicht ein Staat im Sinne des Völker- rechts ist. Wer sich auf diesen Standpunkt stellt, für den kommt also die Genchmigungspflicht durch das Reich nicht in Frage. Wenn man sich aber auf den andern Standpunkt stellt, daß es ssch um einen Quafi-Dölkerrechtsvertrag handelt, dann muß man die Ge- nchmigung des Reiches herbeiführen. Ich frage nunmehr die Re- gicrung, ist die förmliche Genehmigung nachgesucht worden, war das Schreiben der bayerischen   Regierung nur eine Höflichkeitsfloskel und schließlich wie weit ist und welchen Inhalt hat das kommende Reichskonkordat? Es besteht dle außerordentliche Gefahr, daß nach bewährter bayerilcher Methode da» Reich vor eine vollendete Tatsache gestellt worden ist. Schließt das Reich eln Konkordat, das in wesentlichen Punkten von dem bayerischen Konkordat abweicht, dann wird die soderalistische Seele kochen, nach dem Grundsatz, vom Reiche alles zu verlangen, aber dem Reiche nichts zu geben.(Sehr richtig! bei den Soz.) Der Redner weist im einzelnen nach, gegen welche Bestlm- mungen der Reichsoerfassung da? bayerische Konkordat verstoßt. Im Artikel 1l> des bayerischen Konkordats sind die Grundsätze niedergelegt, nach denen die Ablösungen der Staats- lcsstungen erfolgen soll. Roch Artikel 138 Absatz 1 der Reichsoerfassung bestimmt aber das Reich die Grundsätze sür die Ablösungen der Leistungen an die Religionsgesellschasten. Der Artikel ödes bayerischen   Konkordats verletzt die Artikel 146 und 174 der Reichsverfassung, in denen das Schulwesen geregelt ist. Selbst der ehemalig« Reichs- tanzler Marx hat ausgeführt, daß es bei de» bestehenden Ber- böltnissen in den Ländern bleiben solle, bis das Reichsschulgesetz er- lassen ist. Andere Bcstiimnungen des bayerischen Konkordats oer- stoßen gegen das R-ichsrecht in S.chen der E h c s ch l i e ß u U g und greifen in das Leben der deutschen   Hochschulen ein. So wird dem bayerischen Staat die Verpflichtung auserlegt. für die philosophischen Fak»liSten der Universitäten TNünchen und würzburo mindestens je einen Professor der Geschichte, in dessen katholische Gesinnung kein Zwelsel geseht werden kann, anzustellen.(Hört, hört!) Der bayerische   Staat ist auch ver- pflichtet, als kirchliche Oberherrea Ausländer anzuerkennen. In der Abwebr dieser Bestimmungen hätte mancher Univcrsitäts- Professor, der sich sonst in Bcschimpinngen des verstorbenen Reichs- prässdenlen nicht genug tun konnte, hier, wo es sich um die Freih.'it der Wissenschaft handelt, seinen Mut zeigen können.(Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Das bayerische Konkordat greift auch in das d e u t s ch e S ch u l r e ch t ein. Die deutsche Schul« ist nie- »al» Kirchenschule, aber hier wird der bayerische   Staat verpflichtet,
die Ausbildung der Lehrer in einer Weise vorzunehmen, die dem Geiste des katholischen   Glaubens entspricht. Das steht im Widerspruch zur Reichsverfassung.(Nach Befragen des Hauses wird dem Redner die Redezeit um weitere IS Minuten verlängert.) Der kulturelle Rückschritt in diesen Bestimmungen ergibt sich aus einem geschichtlichen Rückblick. Die Kurfür st en und Könige sind niemals so weit gegangen wie der heutige Freistaat. Die Sozialdemokratie bekämpft das Kon- kordat nicht mit der Begründung des oerletzten Rechts, sondern ans kulturpolitischen Gründen. Im alten Konkordat von 1817 ist die Rede von der Unveräußerlichkeit des Staatsrechtes: heute weiß man nichts mehr davon. Vor mehr als hundert Iahren sprach Graf Montgelas   davon, Schulfachc ist Staatssache, auch davon findet man heute nichts mehr. Schule und Universität sind Anstalten des Staats, Trennung von Kirche und Staat ist ein geschriebener und ungeschrie­bener Grundsatz der republikanischen Verfassung. Wir Sozialdemo- traten sind der Ansicht, daß der Inhalt des Lebens ist, seine Pflicht zu tun. und daß diese Pflicht mit oder ohne konfessionelle Schule geübt werden kann und geübt werden wird. Der Reichs- minister Schiele hat viel von der Einheit des Reiches ge- sprachen, ich möchte wünschen, daß diesen Worten Taten folgen. Die Geschichte wird später einmal die Männer loben, die die Ein- heit des Reiches bewahrt haben, und weil wir an die Einheit des Reiches glauben, darum bekämpfen wir das Konkordat, zwar mit der gebührenden Hochachtung vor dem religiösen Glauben Anders- denkender, aber doch grundsätzlich. Deshalb begrüßen wir alle, die mit uns Sozialdemokraten für dos größte Gut unserer Nation kämpfen wollen, für eine freie deutsche Schule in der freien deutschen  Nation.(Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Staatssekretär Zweigerl weist in seiner Beantwortung der Interpellation darauf hin, daß das bayerische Konkordat seit der Neuregelung der staatsrechtlichen Berhöltnisse der erste Fall sei, daß«in Land seine Beziehungen zur Kirche im Wege eines Uebereinkommens geregelt habe. Die Treu- n u n g von Staat und Kirche sei für die großen Religions- gemeinschaften in der Reichsversassung nicht durchgeführt worden. Die Kirchengemeinschaften hätten vielmehr die Stellung vonöffentlich-rechtlichen Körperschaften�. Die bayerische   Staats- regiernng habe, entsprechend einer früheren Zusage, das Ko n k o r- d a t vor seiner Unterzeichnung der Reichsregierung vor- gelegt. Der damalige Reichskanzler habe nach Prüfung der Vorlage im Einverständnis mit dem damaligen Innen- und Justizministerium und namens der Reichsregierung erklärt, daß gegen den Entwurf des Konkordats auf Grund der Reichs- Verfassung Einwendungen nicht erhoben werden können.(Hört, hört! links.) Es handele sich bei dem Konkordat auch nicht um einen Verstoß gegen Artikel 73 der Reichsversassung, der den Vertragsabschluß mit auswärtigen Staaten dem Reichs vorbehält. Der päpstliche Stuhl sei kein auswärtiger Staat im Sinne dieses Artikels.(Zustimmung rechts.) Der Regierungsvertreter weist dann noch darauf hin, daß in den bayerischen Verträgen der evangelischen Kirche dle gleichen Rechte zugebilligt seien wie der katholischen  . Abg. wallraf(Dnat.) erklärt, man müsse zugeben, daß zurzeit die konfessionellen Gegensätze von Tag zu Tag stärker werden. Es sei Pflicht aller, diese Differenzen rechtzeitig auszugleichen. Namen» der Deukschnationalen erklärt der Bedner, daß in dem Konkordat eine Verletzung der Reichsversassung nicht«rbllckt werden könne. Die Deutschnationalen würden sich daher an der Debatte der Inter- pellation nicht beteiligen: sie erwarten, daß baldmöglichst Kontor- dotsoerhandlungen des Reiches im Geiste der Parität gegenüber beiden christlichen Bekenntnissen eingeleitet werden zur Aufrecht- erhaltung und Stärkung des konfessionellen Friedens.(Beifall rechts.) vas Zentrum für öas Konkordat. Namens des Zentrums gibt Abg. Dr. Bell eine Erklärung ab. In der es u. a. heißt: Zur Förderung de« Reichsaedankens und. zum Schutze der Reichsverfassung ist.es von wesentlicher Bedeutung, daß die den Ländern verbliebenen Rechte nicht angetastet werden und daß jeder Eingriff in deren Zuständigkeit sorgsam verhütet wird. Das gilt insbesondere von Bayern  . Dadurch können Reichsinteressen und Rcichstreue nur gewinnen._ Dabei soll der Gedanke aber nicht zurückgestellt werden, daß es Pssicht der Reichs- regiernng ist, darüber zu wachen, daß durch Maßnahmen der Länder die Interessen des Reiche nicht verletzt und die verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsgrenzen nicht überschriiien werden. Diese Berpslich- tung hat die Reichsregierung auch bei dem bayerischen Konkordat erfüllt. Das zustandige Reichsmtnistertrnn ist zur Bejahung der verfassungsrechtlichen Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Konkor- dates gelangt, wir haben keinen Anlaß, diese» Ergebnis in Zweifel zn ziehen. Die Aufsassung der Interpellanten, daß es gegen Recht und Verfassung verstieße, daß Lehrer, die grundsätzlich die Erteilung von Religionsunterricht ablehnen, von den konfessionellen Schulen ausgeschaltet werden können, müssen wir zurückweisen. In der Ber- sassung ist nämlich in bezug aus die Bekenntnisschule der Schwerpunkt auf den Willen der Erzieh ungsberechtig- t e n gelegt, und die Bekenntnisichu.re ist dort fest veronkert. Die Erziehungsberechtigten haben verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, daß von den Lehrern der Unterricht im Geiste des Bekenntnisses erteilt wird. Diese Gewähr ist aber nicht gegeben bei Lehrern, die aruirdsätzlich keinen Religionsunterricht erteilen wollen. Dabei soll in die verfassungsrechtlich geschützte Gewissensfreiheit keines- falls eingegriffen werden, sodoß Lehrer, die die Erteilung des Reli- gionsunterrichts nur aus anzuerkennenden Gründen, nicht gnrnd- sätzlich, ablehnen, von der Ausschließung nicht betroffen werden. Wer als Lehrer an d�-r Bekenntnisschule angestellt werden will, muß sich dazu verstehen, im Geiste des Bekenntnisses den Unterricht zu leiten Man oerwirrt vollständig die Erundbegriffc wahrer und edler Toleranz, wenn man die entgegengesetzten Anschauungen zu Angrisfen gegen das bayerische Konkordat auszuwerten sucht, wir begrüßen das Konkordat und weisen die Angriffe hiergegen zurück. (Zustimmung und Beifall im Zentrum.) Staatsrechtliche SeÜenken See Volkspartei. Abg. Dr. Kohl(D. Bp.) erklärt, daß sich i n B a y e r n gegen das Konkordat se.f'st Widerspruch erhoben habe. Das sei geschichtlich zu oerstehen, Bayrrn habe mit Konkordaten seine Ersahrungen. Das gegenwärtige Konkordat lehne sich allzu eng an das von 1317 an, da» v t e l'W i d e r s p r n ch gesunden habe. Das Reich habe nur die Kompetenzzuständigkeit zu prüfen. Der Redner erklärt, daß, wenn er als bayerischer Abgeordneter zu dem Konkordat hätte Stelluug nehmen müssen, er dos Konkordat abgelehnt hätte, nicht
well er annehme, daß es im Widerspruch zu der Reichsversassung stehe, sondern weil es dem Arflkel 10 der bayerischen Verfassung widerspreche. indem es eine neue Leistung dem bayerischen Staate auferlegt, wozu eine verfassungsändernd« Mehrheit erforderlich ge- wesen wäre. Vom Reich aus betrachtet, könne aber die Zuständigkeit Bayerns   zum Abschluß eines Konkordates nach Artikel 78 der Reichsoerfassung unmöglich bestritten werden. Das Konkordat sei aber so weitmaschig, daß seine Praxis eventuell zum E i n s ch r e i- ten des Reiches gemäß Artikel 13 der Derfassung Anlaß geben könnte. Er, der Redner, würde aus rechtlichen und politischen Gründen der Entwicklung widerstreben, daß etwa das bayerische Konkordat da» Vorbild eines Reichskonkordates wer- den sollte. Ein Reichskonkordat sei zwar sehr erwünscht, sollte aber nur so zustande kommen, daß die einze-rren Länder oder Kirchen- Provinzen ihre Konkordate abschlössen und daß diese Konkordate umrahmt würden von einem Mantelgesetz de» Reiches.(Zustimmung.) Die Deutsche Volkspartei   wünsche den konfessionellen Frieden. (Beifall.) Abg. Neubauer(Komm.) lehnt das Konkordat ab. Abg. Dr. Schücking(Dem.) erklärt, die Demokraten müßten sich aus nicht gegen die Kirche gerichteten Gedanken gegen das Konkordat wenden. Ueber dem Konkordat habe von Ansang an kein guter Stern geschwebt. Es handele sich darum, staatliches Recht gegen kirchliches abzugrenzen. Der Redner ist der Ansicht, daß die Bestimmungen des Konkordats mit der Reichsverfassung nicht im Einklang zu bringen seien: er stützt sich dabei auch auf namhafte deutsche Rechtslehrer, wie z. B. Anschütz, Rothenbücher- München usw. In der Reichsverfassung stehe ausdrücklich, daß kein Lehrer zur Erteilung von Religionsunterricht gezwungen werden könne. Das Konkordat bestimmt, daß an den bayerischen Bekenntnisschulen und das seien fast alle kein Lehrer angestellt werden könne, der sich nicht verpflichte, katholischen Religionsunter- richt zu erteilen. Das sei ein ossener Hohn aus dle Verfassung des Reiches. Wenn gesagt werde, es sei dem Lehrer anheimgestellt, sich an einer anderen Schule zu bewerben, so bedeute das praktisch die Frecheit, zu verhungern. Denn mindestens 33 Proz. aller bayerischen Schulen seien Bekenntnisschulen.  (Zustimmung.) Die Demokraten würden sich gegen ein Reichskonkordat wenden, das dem bayerischen ähnliche Tendenzen enthalte.(Beifall.) Abg. Dr. Bredt(Wirtsch. Bg.) ist der Ansicht, daß das Konkordat nicht gegen die Reichsverfassung verstoße. Wenn es Tatsache sei, daß in Bayern   kein Lehrer Aussicht auf Anstellung habe, der sich weigere, Religionsunterricht zu erteilen, weil 93 Proz. der bayerischen Schulen Bekenntnisschulen sind, so bedeute das eben, daß das bayerische Volk konfessionellen Unterricht haben will.(I) Die Mehrheit des deutschen  Volkes halte an dem Gedanken der Konfessionsschule fest.(Lebhaiter Beifall rechts.) Abg. Dr. Pfleger(Bayer. Vp.) erklärt, es sei nur der Umstand, daß in den Verträgen die konfessionelle Volksschule in Bayern   fest- gelegt sei, der die Sozialdemokratie zu ihrer Opposition veranlasse. Dabei sei in dieser Beziehung gegen früher, was Bayern   anbelange, durch das Konkordat gar nichts geändert worden.(Widerspruch links.) Nur eine unbedeutende Minorität sei in Bayern   gegen die konfessionelle Schule vorhanden.(Zustimmung rechts.) Abg. Dr. Frick(Volk.) meint.das Konkordat chätte vor seinem Abschluß dem Reichstage vorgelegt werden.müssen, weil es der Reichsgcsetzgebung auf dem Gebiete des Schutwesens vorgreife. Ein Reichskonkordat würden die Völkischen ablehnen. Es sei unzuträglich, daß in der gegenwärtigen sozial- und wirtschasts- polirisch schwierigen Lage auch noch durch das Konkordat wieder die konfessionellen Zwistigtellen aufgerührt würden.(Sehr wahr! bei den Völkischen  .) Damit ist die Aussprache über die Interpellation beendet. In persönlicher Bemerkung wendet sich Abg. Saenger(Soz.) gegen die Behauptung, daß der frühere bayerische   Ministerpräsident Hosfmann mit dem päpstlichen Stuhl in Verhandlungen wegen des Abschlusses eines Konkordats eingetreten sei. Diese Verhandlungen hätten lediglich darin bestanden, daß Hofsmann die Wünsche des Nuntius entgegennahm. Nun eine zweite persönliche Bemertung. (Große Heiterkeit.) Ich war damals Staatssekretär im Kultus- Ministerium und bin daher persönlich interessiert. Der Abg. Pfleger hatte behauptet, daß der damalige bayerische   Ministerpräsident Hoff- mann einen Besuch im erzbischöslichen Polais gemacht habe. Das beruht auf einem Irrtum. Drittens. Einige deutschnationale Abge­ordnete haben von mir Beweise dafür verlangt, daß Mitglieder des Hauses Hohenzollern   sich in abfälliger Weise gegen die katholische Kirche   gewandt hätten. Die Möglichkeit liegt vor, daß ich mich bei der großen Fruchtbarkeit des Hauses Hohenzollern   in der Person geirrt habe und daß der frühere Kronvrinz nicht in Betracht kommt. Ich habe inzwischen festgestellt, nach derKölnischen V o l k s z e i t n n g"» o m 1 7. L a n u a r 1 S 2 0, das) sich ein Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen am 21. September 1314. also wäh­rend des Krieges, noch viel schärfer geäußert hat, als ich es vorge- tragen habe. Cr nannte die Katholiken die größten und unverjöha- lichsteu Feinde des Reiches, die Kirche fei eine internationale. unmoralische und demoralisierende Institution. Es ist auch bestritten worden, daß der f r ü h e r e K a i s e r sich abfällig über die Katyolikeu geäußert habe. In einem von dem jetzigen Reichstagsmitglied -Walter Götz   herausgegebenen Buche ist ein Brief vom 7. April 18 3 3 an den russischen Zaren abgedruckt, in dem es heißt:»Mein Reichstag   führt sich so schlecht wie nur möglich auf. Er schwingt zwischen zwei Extremen, den Sozialisien aus der einen und den ultramontanen Katholiken aus der anderen Seile. Velde Parteien sind reis, gehenkt zu werden."(Große Heiterkeit.) Damit ist die Interpellation erledigt. Donnerstag, 2M> Uhr: Fortsetzung des Haushalts des Inner». Schluß 7 Uhr.'___ Deutschnationale gegen Kanitz. Tie Weimarer Koalition soll helfen. Im Landtag fand gestern nach Ueberweiiung einer Reihe kommunistischer Anträge an die zuständigen Ausschüsse ein weiterer kommunistischer Antrag, die preußischen Vertreter im Reichsrat dahin zu instruieren, daß sie für die Einführung des Wiederauf- nahmeversahrens geaenüber den Urteilen der bayerischen Voltsgerichte sich einsetzen, gegen die Stimmen der Recht»- Parteien Annahme. Hierauf tritt das Haus in die zweite Beratung des Ge- stütshoushalts ein. In der interessanten Debatte wandten sich die D e u t s ch n a t i o n a l e n gegen die Maßnahmen ihres eigenen Ministers im Reich, Graf Könitz, in der Frage der Pferdeeinftihr und riefen die Hilfe der Weimarer Koalition cm. Darauf vertagte sich das Haus auf Dienstag 12 Uhr: Tagesord- nung: Veamtenbeihilf« von 100 Mark. Fortsühnm« der Etatsbera­tung. Schluß 3 Uhr..