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Nr. 285 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 147

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Freitag, den 19. Juni 1925

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L

Amundsen zurückgekehrt.

Mit allen Teilnehmern wohlbehalten in Spitzbergen eingetroffen.

Oslo , 18. Juni. ( Eigener Drahtbericht.) Nach soeben! eingelaufenen Meldungen aus Spitzbergen ist Amundjen mit feiner gesamten Expedition gesund und unversehrt nach kingsban zurückgekehrt. Einzelheiten fehlen

noch.

New Yort, 18. Juni. ( WTB. durch Funkspruch.) Pren­fice, ein Schwager des Teilnehmers an der Amundsen- Expedi­fion, Ellsworth, hat Nachricht erhalten, wonach fämtliche Mit­glieder der Expedition unversehrt in Spitzbergen angekommen

find.

An Bord Heimdal", Spihbergen, 18. Juni. ( Funkspruch der Voff. 3tg.".) Wir sind heute morgen um 1 Uhr gesund und wohlbehalten in Kingsbaŋ angekommen. Amundsen , Dietrichson, Ellsworth, Feucht, Omdal, Rüfer, Amundsen , Dietrichson, Ellsworth, Feucht, Omdal, Rüfer,

Larsen.

Amundsen ist zurüdgefehrt! Er traf gestern, am 18. Juni, morgens 1 Uhr, in Ringsban, seinem Ausgangs­punkt, ein. Noch gestern abend wußte die ganze Welt: Amund fen ist zurückgekehrt. Die große und fühne Expedition ist ge­lungen. Die zitternde Spannung ist gelöst. Die fühnen For­scher find zurück, alle, unversehrt.

Die wenigen, einfachen Worte des Telegramms, in dem Amundsen felbst seine Rückkehr angekündigt, bezeichnen einen Abschluß und einen Neubeginn in der Polarforschung. Wie verwandt find sie dem einfachen Telegramm, in dem Nan= sen seine Rückkehr anzeigte! Am 17. Juli 1896 stießen Nan­fen und Johannsen auf Franz- Josefs- Land auf die Expedition Jackson. Am 11. August 1896 trafen sie in Norwegen ein. Am 14. Auguft meldete ein Telegramm des Wolff- Bureaus aus Christiania in Berlin : Berdens Gang erhielt folgende Depesche von Nansen selbst: Wohl in Heimat eingetroffen nach einer glücklichen Expedition." So damals- aber noch gestern abend wußte die ganze Welt: Amundsen ist heute am Morgen nach Ringsban zurückgekehrt.

Welcher Abstand zwischen dieser Expedition und jenen mühevollen, aufopfernden, langwierigen Ünternehmungen, in denen die Pioniere der Polarforschung um den nördlichsten Bunkt der Erde rangen! Nach dem Gelingen dieser Expedition wendet sich der Blick zurück auf die großen Namen, die die Geschichte der Erforschung der Arktis bezeichnen, zurüd auf die Opfer, die um der Wissenschaft willen in den Eiswüsten der Arktis geblieben sind. Es ziemt der Welt, im Jubel über die Rückkehr Amundsens - denn unvergleichlicher Jubel wird ihn begrüßen ihrer zu gedenken: der Massenopfer von Franklins Expedition, die auf den Schiffen ,, Erebus" und Tepror" 1845 auszog und niemals zurückkehrte, der Opfer der Jeanette", die mit ihrem tapferen Kapitän De Long 1881 verloren ging, und nicht zuletzt Andrées, des wahren Vorläufers Amundsens .

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Sie alle hatten versucht, die Arktis zu bezwingen mit den Mitteln, die der Stand der Technit damals bot. Das Schiff erwies sich als nur beschränkt tauglich. Es blieb fein anderes Mittel, als sich den primitiven Lebensbedingungen der artti schen Völker anzupassen. Mit der zähen Energie und dem Intellekt der technisch hochstehenden Völker physisch auf die Lebensweise der Naturvölter des Nordens einzugehen das erfchien noch vor menigen Jahren das sicherste Mittel der Forschung in den Polargebieten. Nansens Schlittenreise hat diese Technik eingeführt, Beary hat sie durchgebildet und mit Birtuosität gehandhabt, Amundsen selbst verdankt ihr die Eroberung des Südpols.

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Andrée aber faßte den kühnen Entschluß, von dieser Technik abzuweichen; nicht im Schiff, nicht in mühsamem Vor­marsch über das Eis, sondern in raschem Fluge durch die Luft wollte er einen Ueberblick über die Verteilung von Land und Wasser in der Arktis gewinnen und den Nordpol erreichen. Er faßte den Entschluß zu früh, in einer Zeit, wo die Mensch heit technisch noch nicht das Luftmeer beherrschte. Sein Ballon, dem er eine beschränkte Lenffähigkeit durch Segel und Schlepp­feil geben wollte, verhielt sich zum Flugboot Amundsens wie das primitive Seefahrzeug der Alten zum modernen See­dampfer. Tollkühn war sein Entschluß; aber wer wollte die Pioniere der Seeschiffahrt schelten, die, das Herz dreifach mit Mut und Kraft gepanzert, sich in schwankendem Boot auf das Weltmeer warfen!?

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Von Andrée zu Amundsen das ist der Weg von der Utopie zur Wirklichkeit, der Weg vom genialen Gedanken zur technischen, rechnerisch streng fundierten Realisation. An­drée, der fühne Utopist, ist nicht zurückgekehrt. Ehre seinem Andenken! Amundsen hat die Utopie Andrées verwirklicht. Ihm gebührt die Ehre des Bollbringens. Bon un an mird das Großflugzeug das Mittel der geographischen Forschung in der Arttis und der Antarktis sein,

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Noch fehlen die Nachrichten über die wissenschaftlichen Er-| einmal gefaßten Planes gehalten. Schnell war sein Entschluß ge­gebnisse der Expedition Amundsens . Noch sind nur Vermutun gen möglich, ob midrige Umstände oder ob der Drang und gen möglich, ob midrige Umstände oder ob der Drang und die Wißbegierde und die Gründlichkeit des Forschers ihn so lange faft einen Monat- zurückgehalten haben. Aber noch heute werden wir es wissen. Amundsen ist ein gründlicher Forscher. Seine Expeditionen waren sämtlich wohl durchdacht und bis ins fleinste technisch gründlich vorbereitet, ihre Resul­tate überaus wertvoll. Auch diese Expedition wird die Kennt nisse von den nördlichen Polargebieten vermehren. Amundsen das ist sicher hat mehr vollbracht als eine technische Großtat!

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Die technische Großtat aber, ihr Gelingen ist es, die mit­reißende Begeisterung hervorruft, jenen Rausch, der die Welt ergriff, als 3R 3 seine denkwürdige Fahrt über den Atlantik durchführte und glücklich vollendete. In dieser Begeisterung über die technischen Fortschritte der Menschheit liegt eine Zu funftshoffnung. Die Eroberung des Luftmeeres, die Auf­hellung der Geheimnisse der Arktis , die Entdeckung des Nord­pols: gemeinsame Ziele der Menschheit! Im Jubel über die Erreichung solcher Ziele fallen hemmende Schranken zwischen den Bölkern. Mögen die hemmenden Schranken überhaupt fallen, möge die große Utopie des Völkerfriedens Wirklichkeit werden!

Die Expedition Amundsens .

Die Nachricht über die Rückkehr Amundseins bestätigt die Annahme derjenigen, die erklärten, daß Amundsen nicht in wenigen Tagen zurückkehren fönne, da er erst durch eingehende Beobachtung in der Gegend des Nordpols feststellen müsse, wo er mit seinem Flugzeug niedergegangen war und daß er daran an­schließend erst den letzten Vorstoß zum Pol machen werde. Diese Beobachtungen zur Feststellung des Poles sind in dieser Jahreszeit sehr erschwert, da von dreißig Tagen des Monats höchstens vier bis fünf nebelfrei sind und eine Beobachtung der Sonne zulassen. Eine weitere Erschwerung ist das Treiben des Eises auf freiem Meere, durch das der tatsächliche Standpunkt stetig verändert wird. Noch geht aus den Nachrichten nicht her. vor, ob Amundsen und seine Begleiter den Pol tatsächlich erreicht haben und welche weiteren Ergebnisse dieser kühne Handstreich der Wissenschaft gebracht haben wird. Ueber diese Dinge werden die nächsten Tage Klarheit schaffen.

Amundsen ist von jeher ein Mann der Ueberraschungen ge­wesen. Nie hat er sich an die programmäßige Durchführung eines

faßt, wenn es galt, auf anderem als dem vorgezeichneten Wege zu irgendeinem Erfolge zu gelangen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß er auch jetzt, genau wie 1910, als er in schnellem Ansturm den Südpol gewann, mit seinen Flugzeugen ben Nordpol erreicht hat und daß ihn darüber hinaus wertvolle Beobachtungen und Fest­stellungen gelungen find. Er hatte seine diesmalige Expedition be­fanntlich mit zwei Wasserflugzeugen des erfolgreichen Flug­zeugfonstrukteurs Dornier unternommen. Diese Flugzeuge waren mit Motoren von 700 PS. ausgerüstet, die über den Schwimmern auf Streben montiert waren. Diese Dornier- Flugzeuge waren auf Grund eingehender Studien in Italien gebaut worden. Sie wurden von anderen Fachleuten als zu schwer bezeichnet, doch dürfte das

Gelingen der Fahrt diesen Kritikern Unrecht gegeben haben. Die Flugzeuge waren mit Betriebssteff für einen Weg von 2400 Kilo. meter ausgerüstet, außerdem war in ihnen Proviant für 30 Tage. Bei der großen Bolarerfahrung Amundsens und bei seiner Energie durfte mit dem Ablauf der 30 Tage gerechnet werden, ehe zu ernst­haften Befürchtungen über seinen Verbleib wirklicher Anlaß war.

Die Belargebiete im Norden Amerikas sind bis heutigen Tages noch wenig bekannt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß Amundsens Borbringen hier Aufklärung zu geben vermag. Hervorragende Geo­physiker behaupten, daß dort entweder Flachsee oder aber Land von der Größe Mitteleuropas vorhanden sei.

Der Luftverkehr dürfte in der Zukunft auch anderen Leuten als den Polarforschern Fahrten in jene Gebiete ermög lichen. In diesem Augenblick dürfte auch die politische Frage praktische Bedeutung erlangen. Angeblich soll der König von Nor­ wegen Amundsen die Ermächtigung erteilt haben, alles neu eni­deckte Land für Norwegen in Besiß zu nehmen. Nun hat es aber den Anschein, als ob Kanada und die Vereinigten Staaten nicht minder Interessen an diesen wirtschaftlich so unergiebig erscheinen­den Gebieten hätten. Tatsächlich aber bringt auch der Wirtschafter diesen Gebieten heute auderes Berständnis als früher entgegen, denn abgesehen von dem Tierreichtum und der Feststellung von Kohlen­lagern dürfte der fünftige trans arktische Luftverkehr die weltpolitischen Interessen der in Frage kommenden Mächte in einer Weise berühren, wie das früher für unmöglich gehalten wäre. Heute befizen Norwegen die Oberhoheit über Spisbergen und Dänemark die über Grönland , das sich bis zum 83. Grad nördlicher Breite erstreckt. Bei der Wichtigkeit, die diese Gebiete für den Weltluft­verkehr der Zukunft haben werden, dürften diese Besitzverhältnisse nicht unbestritten bleiben. So wird auch politisch der Flug Amundsens eine große Bedeutung haben können.

Die Noten zum Sicherheitspakt.

Wann kommt die Konferenz?

Am 9. Februar dieses Jahres übermittelte die Regierung Luther- Stresemann den beteiligten Mächten jenes vielbesprochene, jetzt endlich im Wortlaut veröffentlichte Memo­randum, das in unverbindlicher, der Diskussion einen weiten Spielraum öffnender Form einen Garantiepakt für den Weften und ein System von Schiedsgerichtsverträgen für den Often vorschlägt. Auf dieses Memorandum hat die französische Regierung im Einverständnis mit ihren Alliierten am 16. Juni eine Antwort erteilt, die jetzt gleichfalls veröffentlicht wird. Damit ist die internationale Diskussion über den deutschen Vorschlag eröffnet.

Das deutsche Memorandum.

Bei Erwägung der verschiedenen Möglichkeiten, die sich gegen wärtig für eine Regelung der Sicherheitsfrage bieten, fönnte man von einem ähnlichen Gedanken ausgehen, wie er dem im Dezember 1922 schlage zugrunde lag. Deutschland könnte sich z. B. von dem damaligen deutschen Reichskanzler Cuno gemachten Bor:

mit einem Pafte einverstanden erklären, wodurch sich die am Rhein intereffierten Mächte, vor allem England, Frankreich , Italien und Deutschland , feierlich für eine näher zu vereinbarende längere periode zu freuen Händen der Regierung der Bereinigten Staaten von Amerika verpflichten, feinen Krieg gegeneinander zu führen.

Mit einem solchen Batte tönnte ein weitgehender Schiedsver. trag zwischen Deutschland und Frankreich verbunden päischen Mächten abgeschlossen worden ist. Zum Abschluß derartiger werden, wie er in den letzten Jahren zwischen verschiedenen euro­tischer Konflikte sicherstellen, ist Deutschland auch gegenüber Schiedsverträge, die eine friedliche Austragung rechtlicher und poli­allen anderen Staaten bereit.

Für Deutschland märe außerdem auch ein Batt annehmbar, der ausdrüdlich den gegenwärtigen Befisstand am Rhein garantiert,

Ein solcher Paft tönnte etwa dahin lauten, daß die am Rhein intereffierten Staaten fich gegenseitig verpflichten, die Unverfehrt­heit des gegenwärtigen Gebietsstandes am Rhein unverbrüchlich zu achten, daß fie ferner, und zwar jowohl gemeinjam als auch jeder Staat für sich( conjointement et séparément), die Erfül­lung dieser Berpflichtung garantieren, und daß sie endlich jede Handlung, die der Verpflichtung zuwiderläuft, als eine gemein­

fame und eigene Angelegenheit ansehen werden.

Im gleichen Sinne fönnten die Vertragsstaaten in diesem Bakte die Erfüllung der Berpflichtung zur Entmilitarisierung des Rheinlandes garantieren, die Deutschland in den Artikeln 42 und 43 des Vertrags von Berfailles übernommen hat. Auch mit einem derartigen Baft fönnten Schiedsabreden der oben bezeichneten Art zwischen Deutschland und allen denjenigen Staaten verbunden werden, die ihrerseits zu solchen Abreden bereit sind.

Den vorstehend angeführten Beispielen werden sich noch andere

Lösungsmöglichkeiten anreihen laffen. Auch tönnten die diefen Bei spielen zugrunde liegenden Gedanken in der einen oder anderen Weise fombiniert werden. Im übrigen wird zu erwägen sein, ob es nicht ratsam ist, den Sicherheitspatt so zu gestalten, daß er eine alle Staaten umfaffende Weltfonvention nach Art des vom Böllerbund aufgestellten Protocole pour le règlement pacifique des différends internationaux" vorbereitet, und daß er im Falle des Zustandekommens einer solchen Weltkonvention von ihr absorbiert oder in fie hineingearbeitet wirb.

Die Zwischenantwort vom 20. Februar. Die franzöfifche Regierung hat das ihr am 9. Februar durch mit Intereffe und mit dem Millen gelesen, nichts zu verabsäumen, Seine Erzellenz den deutschen Botschafter überreichte Memorandum deutsche Regierung wird verstehen, daß die Prüfung dieser An­was zum Frieden Europas und der Welt beitragen kann. Die regung nicht weitergeführt werden kann, ohne daß Frankreich seine Berbündeten damit befaßt und sich mit ihnen ins Einver nehmen gesetzt hat, um im Rahmen des Vertrages von Versailles zur Schaffung eines Bufiandes der Sicherheit zu gelangen.