Der Zolltarif unter stärkstem Druck der Reichsregierung unverändert angenommen.- Der Einspruch gegen das Gesetz über die bayerischen Bolksgerichte zurückgezogen.
Die gestrige Sitzung des Reichsrats brachte zwei Ent- fcheidungen von großer Tragweite� Der Einspruch gegen das vom Reichstag auf sozialdemokratischen Antrag beschlossene Gesetz, das die Wiederaufnahme des Verfahrens bei Urteilen der bayerischen Volksgerichte zuläßt, wurde zurückgezogen. Das Gesetz ist damit verfassungsmäßig zustande gekommen, die Wiederaufnahme wird für Layern geltendes Recht. Hatte schon diese verfassungsrechtliche Frage die Gemüter stärker erregt, als man es sonst an dieser Stelle gewohnt ist, so gestaltete sich der folgeiche KampfumdenZolltarif erst recht zu einem Vorgang voll verhaltener dramatischer Spannungen. Die preußische Staatsregierung stand hier, von einigen kleinen Ländern unterstützt, gegen die Reichsregie- nxng und gegen die Vertreter der eigenen Provinzen. Der Gegensatz zwischen'der Reichsregierung und der preußischen Regierung, der auf einer Verschiedenheit der stützenden Parteigruppierungen beruht, trat in bisher noch nie bemerkter Schärfe in Erscheinung. Wenn die preußische Regierung schließlich, nach Ableh- nung ihrer Anträge, für den unveränderten Entwurf stimmte, so geschah das offenbar aus der Erwägung heraus, daß die Schafftlna eines Zolltarifs an sich eine Notwendigkeit sei und ein Vakuum nicht verantwortet werden könne. Nach diesem Austakt im Reichsrat kann man sich eine Vorftelllmg davon machen, mit welcher Schärfe derKampf im Reichstag entbrennen wird, wo in den nächsten vier Wochen die end gullige Entscheidung fallen soll! « Der Reichsrat beriet gestern über die Begründung des neulich beschlossenen Einspruchs gegen den vom Reichstag angenommenen Gesetzentwurf über die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Urleile der Bayerischen Bolksgerichte. In der von den Ausschüssen vorgeschlagene« Begründung des Ein- spruch» wird darauff hingewiesen, daß Bayern seinerzen die Aus- n-chmegericht» selbständig eingerichtet habe und die entsprechenden bayerischen Bestimmungen könnten nicht durch Reichsgesetz geändert merden. Ausschlaggebend seien jedoch politische Bedenken. Die Reichsregierung habe im Jahre 1922 das Versprechen gegeben, Hcheits rechte der Länder nicht antasten zu wollen und nicht ohne Rot, und so weit e» möglich sei, ohne Zustimmung des Reichsrats von ge< wissen Bestimmungen der Verfassung Gebrauch zu inachen. preuß. Ministerialdirektor Vobis beantragte namens der Preußischen Regierung, dieser Begründung nicht zuzustimmen, so«. dern zu beschließen, daß der Einspruch zurückgezogen werde. Der bayerisch « Gesandte Dr. v. Preger bat namens der Baye- rischen Staatsregierung, den preußischen Antrag abzulehnen und dem Ausschuß-Beschluß beizutreten. Es ist, so führte er aus, meines Er- achtens«in ungewöhnlicher Vorgang, und trägt nicht da- dazu bei, das Ansehen des Reichsrats zu mehren, wenn er einen vor drei Wochen formgsr-cht gefaßten Beschluß wieder umstößt, ohne daß .Jne.Sachlage sich irgendwie geändert hat, denn ich kann darin, daß ein« gewiss« Presset?) zur Zurückziehung des Beichlustss aus- '�ß�brdert hat oder daß der Preußisch« Landtaaouf einen kom- munistischsn Antrag hin einen dahingehenden Beschluß gefaßt hat, ein« Aenderun« der Sachlage nicht erblicken.
chk.. Dar Vertreter der Provinz Hessen-Rassau Freiherr v. Troll zu Solz trat dem Vertreter Bayern » bei und bat.im Interesse der Reichs« rrcheit"(!) ein« Beunruhigung Bayerns zu vermeiden. Nachdem der Vertreter der Provinz Schleswig.Hol » stein kurz erklärt hatte, daß er für den Antrag der preußischen Re- gierung stimmen wende, wurde in nameullicher Abstimmung der Antrag Preußens aus Zurück- Ziehung de» Einspruchs mit öS gegen 26 Stimmen bei zwei Stimmenthaltungen angenommen. Dafür stimmten die preußische Regierung, der Vertreter der Stadt Berlin , der Vertreter der Provinz Pommern, der Vertreter der Grenz- mark Westpreußen -Posen, der Vertreter von Oberschlesien und die Vertreter von Schleswig-Holstein , Westfalen und der Rheinprovinz. ferner die Länder Sachsen , Baden, Hessen . Hamburg , Anhalt , Lipp«. Lübeck , Wolbeck und Schaumburg-Lipp«. Gegen den Antrag stimmten die Vertreter von Ostpreußen , Brandenburg . Niederschlesien , der Provinz Sachsen , Hessen -Rassau und die Lander Bayern, Württemberg, Thüringen . Mecklenburg . Schwerin und Mecklenburg-Strelitz . Oldenburg , Braunschweig . Der Stimme«rithielten sich der Vertreter der Provinz Hannover und der Vertreter von Bremen . Die Zollvorlage. Hieraus beschäftigt« sich der Reichsrot mit der Zollvorlage. Das Gsneralrsferot hatte der preußische Reichsbevollmächtigt« Mini- sterialrat Dr. Sommer, der über die Borloge und ihre Beratung in den Ausschüssen ausführte: Der gegenwärtige Entwurf ist nur«in Provisorium. Di« darin enthaltene Regelung war jedoch nötig, um die dringendsten wirtschafispolitischen Zollmaßuahmen zu tressen und um gleichzeitig die bisher nicht vorhanden gewesene zolltorisarische Grundloge für schwebend« und kommende Hrmdelsvertragsnerhand. lungen zu schaffen. Der Regierungsentwurf berücksichtigt die Welt. teuerung, in der die Geldentwertung mit zum Ausdruck kommt, die gestiegenen Erzeugungskosten und erhöhten Lasten der deutschen Wirtschaft, die im Inland« und teilweis« auch im Aus- lande gesunkene Kaufkraft, den gesteigerten Wettbewerb des Ausüniides sowohl in Deutschland wie auf dem Weltmarkt«, die den deutschen Handel gefährdenden hochschutzzöllnerifchen Maßnahmen des Auslandes. Der Entwurf nimmt Rücksicht auf die Tatsache, daß im Aus- land vielfach neue Industrien entstanden sind, daß be- »üglich einzelner Erzeugnisse, insbesondere Rohstoffe, starke Der- schiebungen der Preisverhältniste auf dem Weltmarkt stattgefunden haben Er mußt« auch berücksichtigen, daß der deutsch « Produk- tionsapparat vielfach infolge von Krieg», und Rachtriegs- «rs-fieinungen mit der technischen Entwicklung im Auelande nicht Schritt halten tonnt«. Entsprechend sieht der Entwurf keine allgemeine Zollaufwertung vor: er will auch nicht sämtliche zurzeit schwebenden Zollfragen, sondern nur die dringendsten regeln. Dabei mußten vielfach rein aus Handels- politischen Gründen zunächst höhere Zollsätze eingesetzt wer- den. al» sie später nach Ratifikation der entsprechenden Handels- vertrage praktisch gelten werden. Die von dem Grundsatz der Meistbegünstigung und eines maßvollen Zollschutzes getragen« deutsche Handelspolitik bedingt, daß die endqülSge höhe der Zollsähe im allgemeinen erst durch die abzuschließenden Hönde lsveclräge endgültig geregelt wird. Die Reichsrats-Ausschüste haben den allgemeinen Grundsatz des Entwurfs: Schutz lebensfähiger einheimischer Produktion und Not- wendigkeit der Förderung der Ausfuhr, als richtig gebilligt. Die in dem Entwurf erhaltenen, der Höhe nach im allgemeinen zu billigenden Zollsätze sind nicht als endgültig« Regelung anzusehen. Der Reimer berichtet dano über die bekannte Be- grünlmng, die die Reichsregierung de» geforderten
Mindestzöllen für Getreide gegeben hat. und erklärt dazu: Die Reichsrats-Ausschüste konnten zu einem ein st immigen Ergebnis über diese Regelung der landwirtschaftlichen Zölle nicht kommen; insbesondere wurden An- träge gestellt, welche die Herabsetzung des autonomen Zollsatzes für sofort oder später und die Beseitigung der Mindestzölle zum Ziele hatten. Die Mehrheil der Reichsrals-Ausschüsse hak jedoch die In dem Texl der Borlage enthaltenen Grundsätze angenommen. Hierauf wurden noch einige Spezialreserate gehalten, aus denen sich ergab, daß die Reichsrats-Ausschüste bei den I n d u st r i e- zollen noch einige Aenderungen, zumeist Erhöhungen vor- genommen haben. Preusten gegen Miudestzöll«. Die Preußisch« Regierung gab ihrer Stellungnahme durch einen Abänderungsantrag Ausdruck, der nach Inhalt und Begründung wie folgt lautete: „Die Preußische Staatsregierung steht auch ihrerseits auf dem Standpunkt, daß die Erhaltung und Förderung einer möglichst leistungsfähigen und intensiv arbeitenden Landwirtschaft, die einen möglichst großen Teil des deutschen Rahrungsmittelbedarss im Inland« zu erzeugen in der Lage ist, für die gesamte deutsche Volkswirtschaft von größter Bedeutung ist. Sie hält jedoch den von der Reichsregierung vorgeschlagenen weg für nicht zweckmäßig. weil er den Verhältnissen der gegenwärtigen Lag« nicht gerecht wird. Die Preußische Staatsregierung wiederholt daher ihre in den Sitzungen der Ausschüste hinsichtlich der landwirtschatlichen Zölle gestellten Grundanträge. Diese haben zum Inhalt, daß erstens bis auf weiteres für Roggen, Weizen und Spelz, Gerste und Haser Zollsätze von 3 Reichsmark, 3,50 Reichsmark. 2 Reichs- mark und 3 Reichsmart eingeführt werden, zweitens die Mindest- Zölle befeiiigk werden. Drittens die Reichsregierung ermächtigt wird, die Getreidezölle zu ermäßigen oder aufzuheben und im Be» darfsfalle bis zur Höhe der genannten Sätze wieder einzuführen oder heraufzusetzen. Ein badischer Antrag wollte die Mindestzöll« für Ge- treibe herabzusetze». Danach sollten die Mindestzölle nur betragen vom 1. August 1926 für Roggen 3 M., für Weizen 3.56 M., für Hafer 2 M. und für Gerste 3 M. Der Vertreter der badischen Regierung erklärte dazu, daß Baden cm sich grundsätzlich gegen die Wiedereinführung von Getreide- zollen sei. Di« Mindestzölle der Vorlage gingen über das Maß des Gebotenen hinaus. Der Vertreter von Mecklenburg-Schwertn ist für noch höher« Agrarzölle und nimmt die Regierungsvorlage nur an, weil augenblicklich nicht mehr zu erhalten ist. Kunitz gegen Preuste». Reichsminister für Landwirtschast und Volksernährung Gras Sönitz führte aus: Die Reichsregierung ist bei Bemessung der Getreidezollsätze bereits soweit heruntergegangen, wie sie es glaubte überhaupt noch ertragen zu können. Die Reichs- regierung hat in keiner Weise bei der Bemestung der Sätze für Getreide der eingetretenen Geldentwertung Rechnung getragen. Um so bedauerlicher ist es für die Reichsregierung, daß das größte Land. Preußen, Anträge gestellt hat, die einmal die autonomen Sätze aus den geringen Satz von 3 M. herabsetzen und außerdem die Mindestsätze beseitigen wollen. Gerade diejeniaen, die behauvten. eine Bindung der Getreidezölle sei handelspolitisch falsch, weil dann unseren Unterhändlern nicht da» geeignete Rüstzeug in die Hand gegeben sei. müßten dann wenigstens sehr hohe autonome Sätze annehmen, damit zwischen Rull und autonomem Satz eine möglichst große Spanne blecht und damit wirklich verhandelt werden kann. Die Reichsregierung kann nicht umhin, über den Antrag Preußens, den Satz auf 3 M. herabzusetzen und gewistermaßen einen Ein- Heussatz zu statuieren, ihre größte Verwunderung aus- zusprechen, well damit handelspolitisch die Getreidezölle ziemlich wertlos gemacht sind, und andererseits, das muß offen von der Reichsregierung ausgesprochen werden, den landwirtschaftlichen Be- langen in keiner Weise Rechnung getragen wird. Zur Frage der Mindestzölle habe ich bereits in den Ausschüssen ausgeführt, daß heut«, wo Deutschland politisch und wirtschaftlich schwach ist, es noch viel mehr gezwungen ist als m dem ehemaligen starken kaiserlichen Deutschland , den Unterhändlern über Handelsverträge den Rücken zu stärken. Mit der in dem preußischen Antrag enthaltenen Ermächtigung. auch auf Rull herunterzugehen und eventuell wieder her- aufzugehen, wird der Zollkrieg innerhalb Deutschlands verewigt. Denn es ist ganz klar, daß jede Regierung sich sehr hüten wird oder sehr ungern darangehen wird, überhaupt an dem System etwas zu ändern. Wenn sie heruntergehen muß, lo wird das natürlich gleich wieder in den Kreisen des Handels und der Landwirtschaft große Beunruhigung hervorrufen, und wenn sie heraufgehen muß, wird «ine ganz ungeheure Entrüstung gegen die Regierung losgehen, die angeblich wieder Brotwucher treibt. Ich halte die Ermächtigung, gewissermaßen labll zu verfahren bei den Getreidezöllen, inner- politisch für sehr bedenklich, und diese. Bedenken reiht sich an das Bedenken auch gegenüber dem Vorschlag von gleitenden Zöllen, der im Reichswirtschoftsrat gemacht wurde. Jedenfalls erkläre ich im Namen der Reichsregierung, daß sie den allergrößten Wert darauf legt, gerade im handelspolitischen Inter - esse und um auch die Relation zwischen Industrie- und landwirt- schaftlichen Zöllen nicht zu ungesund zu gestalten, daß die Zollvor- lag« in der vorliegenden Fastung angenommen wird, und die Reichsregiernng wird sich, das kann schon setz« gesagt werde», nicht damit einverstanden erklären, daß die preußischen Anträge angenommen werden, und sie wird dann jedenfalls erneut in eine ernst- haste Beratung darüber treten müssen, was nun geschehen soll. Ablehnung aller AbänderungSaniräge. Nachdem«in Vertreter der preußischen Regierung nochmals den preußischen Antrag begründet hatte, wurde die Nummer 1 des preußischen Antrags mit 38 gegen 28 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmten das preußische Ssaatsministerium, der Vertreter von Berlin , die Länder Sachsen , Hamburg » Anhalt, Bremen , Lippe, Lübeck und Schaumburg-Lippe . Die preußischen Provinzvertreter stimmten gegen das Staateministerium. Alle übrigen Abänderungsanträge verfielen dem gleichen Schicksal. Der Zolltarif angenommen. Zu der Gesamlabslimmung wurde die Zollvorlage nach den Beschlüssen der Ausschüsse mit 49 gegen 10 Stimme« bei sieben Stimmenthaltungen angenommen. Dafür stimmte dos preußische Staats- Ministerium, die Vertreter von Ostpreußen , Brandenburg , Pom- mern, Westpreußen -Posen, Niederschlesien , Oberschlesien , der Pro- vinz Sachsen, von Schleswig-Holstein , Hannover . Westfalen, der Rheinprovin?, Hestcn-Rastau und die Länder Bayern , Württemberg, Thüringen , Hessen , Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz , Oldenburg , Braunschweig . Anhalt. Waldeck . Dagegen stimmten der Vertreter der Stadt Berlin und die Länder Baden . Hamburg . Bremen , Lippe, Lübeck und Schaumburg- Lippe . Sachsen enthielt sich der Stimme. Nach der Verabschiedung der Borlage wurde von dem stell- vertretenden Bevollmächtiaten für die Provinz Pommern unter Zustimmung der Bevlunachtigten für die Provinz« eine Erklä-
rung abgegeben, in der gesagt wird, daß die Agrarzölle noch zu niedrig seien. Kleine Vorlagen. Der Reichsrat erledigte dann noch ein« große Anzahl tleinerer Borlagen. Zugestimmt wurde u. o. einem Gesetzentwurf, durch den die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen wieder aus den Vorkriegssatz erhöht werden, ebenso einem Gesetzentwurf zur Abänderung des Wehrmachtversorgungsgesetzes. Zum Schluß er- klärte sich der Reichsrat mit der Festsetzung der den Gemeinden zum Ersatz der Kosten der Reich so räsidentenwahl zu überweisenden Betröge einverstanden. Danach werden für d« ersten Wahlgang die bei der Reichstagswahl am 4. Mai gezahlten Pauschsätze plus 25 Proz. gewährt, und für den zweiten Wahlgang 75 Proz. der Pauschsätze des ersten Wahlganges. Zuvor war der Gesetzentwurf über die zweite Aenderung der Personalabbauverordnung mit kleinen Aenderungen an- genommen worden._ Höfles Martyrium. Das skandalöse Meineidsverfahre». Die gestrige Sitzung des Höfle-Untersuchungsoussckusse» fügt« dem bisherigen Bild neue interessante Strich« zu. Zuerst wurde Oberstaatsanwalt Linde nochmals vernommen, weil sein« frühere Bekundung daß er noch an dem kritischen Sonnabend(18. April) Dr. Höfle in„völlig frischem Zustand" angetroffen habe. im Widerspruch zu den Aussagen aller anderen Zeugen steht, die Höfle noch an diesem Tage gesehen haben. Dr. Linde ch«harrt« zunächst auf seinem Standpunkt, mußte aber unter der eiengehenden Befragung des Sachverständigen Prof. Levin, schließlich zuge» stehen, daß Höfle in Wirklichkeit bei der Unterredung lnlereffelo«, ja fast apathisch sich verhalten und nur in lang« Paus« geant- wartet habe. Die Gegenüberstellung des Reichstagsabg. Buchholz von der Zentrumsfraktion mit dem Untersuchungsrichter Dr. Nothman» er» gab sodann, daß es der Zentrum sfraktion unmöglich gemacht worden war, Höfle in der Untersuchungshaft durch Mit- glieder der Fraktion besuchen und über seine Verhältnisse beruhigen zu lasten. Der Untersuchungsrichter hatte nämlich die Bedingung gestellt, daß für einen deracligen Besuch Frau Dr. höfle ans«ne» Besuchstag— es stand ihr ein solcher gerade an jedem 19. Tage zu!— Ihrcrrseils verzichten sollte(!), worauf natürlich die Zentrums» fraktion ablehnte. Ein noch erschütterndes Dild vom Martyrium Dr. Höst» ergab sodann die Behandlung de» vom„vorwärts" zuerst aufgedeckt« Meineidsverfahrens, dessen Akten vorlagen. Folgender Sachverhalt stellte sich heraus; Das Postministerium, durch das Dr. Höste auch sonst nach seiner Amtsniederlegung in gehässigster und kleinlichster Weise schikaniert worden ist, hatte über Höfles gesamtes Der- mögen einen Arrest ausgebracht und verlangte außerdem noch di» Ablegung des Offcnbarungseides. Als Höfte zum Termin vorgeführt. erklärte, aus der Untersuchungshaft heraus und bei seinem kranken Zustand den Offenbarungseid nicht ablegen zu können, wollte ihm der Richter Aufschub bewilligen, aber der Vertreter des Postministe. rimns verlangte, daß Höfle höchstens drei Tag« Aufschub bekäme! Ein Grund für dieses schikanöse Verhallen ist nicht auf» zufmden. Tatsächlich mußt« Höfle kurz darauf den Osfenbarungseid leisten, ohue irgendwelche Aalerlagen. Aufzeichnungen oder Notizen über fein Vermögen vorher beschassl zu haben. Er stellt« nach bestem Wissen ein Verzeichnis auf, gab aber vernünftigerweise di« Erklä- rung zu Protokoll, daß er in Anbetracht der Hast und seiner Krank- heit, er das eine oder andere vergessen Hab« könnte. Ganz kurz« Zeit daraus war das Meineidsversahrm da! Die Staalsanwaltschast Halle sich, wie die Akt« ergeben, genau über den Gang der Sache aus dem Laosend« halten lasten. Alsbald nach der Eidesleistung Höfles machte der Staatsanwallsschaftsrat Pelzer die Aktennotiz: Ein Herr Sudau habe ihm mitgeteill, daß Höfle an seinem Derlag einen kleinen Anteil habe. Dieser Anteil sei nicht angegeben. Wie diese auffällige Mitteilung zustande gekommen ist— und e? muß aufsallen, daß die Staatsanwaltschaft sofort nach Ablegung des Offenbarungseides, wovon kein Mensch außer Dr. Höste etwas gewußt hat, sofort einen Zeugen parat hat—. darübei wird der Ausschuß noch Feststellungen durch die Vernehmung Pel- zers und Sudaus treffen. Höste wurde vernommen. Er gab. wi« nicht anders zu erwarten, an. daß dies eben ein« der kleinere» Sachen gewesen sei, die er vergessen habe, und gab noch aus frei» Stücken«inen zweiten kleinen Posten an, der ihm ebenfalls in» zwischen eingefallen war. Das Berfahren wurde eing«» stellt— nach dem erwähnten Protokoll Höfles wäre es ja auch ganz aussichtslos gewesen. Aber natürlich hat es dazu beigetragen. die Angst und seelische Qual Höfle« in der Haft gewallig zu steigern. Ueber das ganze Verfahren kam es zu sehr heftigen Auseinandersetzung« zwischen dem Oberstaatsanwalt Linde und unseren Abgg. Heil» mann und K u t t n e r, die dem Oberstaatsanwott vorhiellen. daß jeder objektive Mensch die Einstellungsnotwendigkeil auf d««est« Blick erkannt und das Verfahr« gar nicht erst eröffnet Hab» würde. Herrn Lindes kriminalistische Winkelzüge hatten keinen Erfolg, als immer deutlicher den Rache- und Ler» f o l g u n g s g e i st zu offenbaren, von dem die Staatsanwaltschaft in der ganzen Angelegenheit erfüllt war. Die übrigen Zeugenaussagen bestätigten im wesentlich« früher Gehörtes. Sowohl die Vernehmung des Gefängnisarzte» Bürger, des Oberwachtmeisters R ö h r i n g ließen die tolle Schlampe- rei erkennen, die unter Dr. Thieles Leitung im Gefängnislazarett mit starken Gistmitteln getriebm worden sind. Durch di« Aussag« des Untersuchungsrichters Dr. Rothmann ergab sich übrig«» noch, daß Dr. Thiele am Abend des kritischen Sonnabend nicht, wie er behauptet Hot, die Ueberführung Höfles in«in Krankenhau« be- antragt hat, sondern im Gegenteil dem Untersuchungsrichter mit- geteilt hat, daß Lebensgefahr nicht bestünde. Der Ausschuß setzt am Freitag um 19 Uhr seine Lerhand- lungen fort._ Kampf im Zentrum. Um de« mastgebenden Einflust i« der„Germania -. Der Kampf zwischen dem rechten und linken Flügel um den maßgebenden Einfluß im Zentrum hat vor kurzem dazu geführt, daß der rechte Flügel sich die Majorität im Aufsichtsrat der „Ge r m a n i a* sicherte. Diese Mehrheit hatte nichts Ei.kgere« zu tun, als den Vertrauensmann der auf dem linken Flügel stehenden Berliner Parteiorganisation, der nach allem Gewohnheitsrecht Mitglied des Aufsichtsrats ist, nicht wieder- z u w ä h l e n. Die Berliner Organisation des Zentrums läßt sich dies aber nicht gefallen. Sie fordert energisch, daß ihr zweiter Borsitzender im Aufsichtsrat zugelassen wird und spricht die Erwartung au», „fyiß die von der Direktion und der Redaktion bisher verfolgte bewährte Zentrumspolitit unverändert fortge- führt wird".