!te. 285 ♦ 42. Jahrgang
7. Seilage ües vorwärts
Zreitag, 1H.�uni142S
/tos öem Rathaus. Der Tafelfchmuck des Exkronprinzeu.— Ein Stadtratsposten durchs Los besetzt.
In der Berliner Stadtverordnetenversammlung wurde gestern wieder ein beträchtlicher Teil der Sitzung mit Geschäft?- ordnungsdebatten vertrödelt. Nach der Abstimmung über den Tafelschmuck des Kronprinzen bemängelten die Kom- munisten das Verfahren des Vorfteherstellvertreters Cafpari, und bei der Wahl eines unbesoldeten Stadtrats versuchten st«, die Sitzung zu sprengen. Daß in der Wahl die Kommunisten den Posten nicht wieder erholten sollten, veranlatzte den Kommu- nisten Dörr zu einem wütenden Angriff gegen die Sozialdemo- kratie, den Genosse R e i m a n n kühl zurückwies. Nach drei Wahl- gängen ergab sich wegen der bei der Stichwahl eintretenden Stimmengleichheit die Notwendigkeit, das Los entscheiden zu lassen. Die deutschnationale Frau Kausler hatte mehr Glück als unsere Genossin Wachenheim . Dem Zufall hat Frau Kausler es zu danken, daß sie in den Magistrat einziehen darr. *. In der gestrigen Sitzung sandcn zunächst zwei Dringlichkeits- e-nträge der� Deutschen Volksportei, in denen Protest gegen die be- absichtiate Fällung eines Teils des Baumbestandes der Hasenheide »nd gegen die aus dem Leipziger Platz aufgestellten Retlametafeln einer Gartenbaufirma erhoben wird, die Zustimmung der Ver- sammlung. Dagegen stieß der Dringlichkeitsantrag unserer Genossen gegen die Z o l lv o r l a g e auf Wider- spruch rechts und kommt� somit erst in der nächsten Sitzung zur Beratung. Das gleiche Schicksal widerfuhr im Laufe der Sitzung auch einem denselben Gegenstand betreffenden Antrag der Kom- munisten. Borweg zur Beratung gestellt wurde die Magistrats- vorläge, welche das Einverständnis der Versammlung nachsucht für die Aufnahme einer langfristigen Ausländsanleihe im Betrage bis zu lö ZNillionen Dollar. bei einer nominellen Berzinsung von höchstens 7 Proz. für Zwecke der Elektrizifäswcrke und der N o r d s ü d b a h n. Der Magistrat soll ermächtigt werden, im Einvernehmen mit der Finanz- und Steuerdeputation die näheren Bedingungen der Anleihe festzu- setzen. Nachdem Gehlmann(Komm.) die Ablehnung der Vorlage erklärt hatte, well sie die Versklavung der Berliner Arbeitcrschast nur noch verschlimmern würde, stellte Kämmerer Dr. Karding fest, daß er der erste sein würde, diesen Finanzbedarf aus inländischen Anleihen zu decken. Stehe man dagegen vor der Alternative, die geplanten Berbcssenrngen mit amerikanischem Gelde oder gar nicht auszuführen, so sei der kommunistische Standpunkt schlechthin un- verständlich. Im Anschluß hieran nahm der Kämmerer Gelegen- heit, gegen einen Artikel des„Berliner Börsen-Kuricrs" Verwahrung einzulegen, in welchem der frühere Minister G o t h e i n dee Stadtgcmcinde den Vorwurf macht, daß sie eine Thesaurierungs- polistk betreibe, daß sie auch mit dem Erlös aus dieser Anleihe in Wirklichkeit Hochbahnaktien kaufen wolle, �chon oberflächliche Be- trachtung hätte Herrn Gothein belehren müssen, daß auch mit den für die Elektrizitätswerke geforderten Zä Millionen die geplanten Bauten noch nicht hergestellt werden können.— Dr. Caspari (D. Vp.) leitete Bedenken gegen die Vorlage nur aus dem Umstände her, daß die Begründung manches dunkel lasse. Das Rummels- burger Werk sei eine neue Schöpfung, das Charlottenburger Werk ober sei schon seit geraumer Zeit umgebaut, und eventuell wolle man aus dem Anleiheerlös zunächst alte Verpflichtungen decken. Auch fei es doch nicht über ollen Zweifel erhaben, ob die Zunahme des Elektrizitätsverbrouchs in dem jetzigen gewaltigen Ausmaß an- dauern werde.— Dr. Michaelis(Dem.) b"'>-''t fWi für die Vorlage aus, die wirtschaftlich und politisch gerechtfertigt sei. Sein Partei- freund Gothein werde ja selbst seine Auffassung dem Kämmerer gegenüber rechtfertigen: tatsächlich aber habe die Stadt Berlin sich in einem nicht ganz ungefährlichen Umfang an der Börse betätigt. — Noch weiterer Erörterung, an der sich u. a. noch Dr. Steiniger (Dnat.) und.v. Ennern(D. Bp.) beteiligten, wurde zunächst ein Zu- sotzantrag der Deutschen Volkspartei , wonach die Beschluhfaffung über die Verwendung des Erlöses noch einer Beratung im Haus- haltsausfchuß bedarf, mit großer Mehrheit angenom- m e n und mit diesem Zusatz die Vorlage selbst mit derselben Mehr- beit. Der Errichtung eines Gebäudes für die Dienststellen des Gesundheitswesens in Pankow wurde zugestimmt: 21 5l)l1 M. zur Durchführung des Ausbaues des K i n d e r c r- holungsheims Zehrensdorf-Zossen wurden bewilligt. Bei der zweiten Beratung der Vorloge betr. Richtlinien über die Gewährung von Darlehen oder die Uebernahme von Bürgschaften
für Sportvereine bei Spielplatzbauten entspann stch über den Charakter des„Sportklubs Charlottenburg" ein gereizter Disput zwischen dem Kommunisten Sellheim und dem Oberbürgermeister Jöß, der den„feudalen" Charakter dieses Klubs bestritt. Die ..Richtlinien" wurden mit zahlreichen vom Ausschuß gewünschten Aendcrungen genehmigt und der„Rettungsgesellschaft der W a s s e r s p o r t v e r e i n e von Berlin und Um- g e b u n g e. V." 3 0 0 0 0 M. als Darlehen gewährt. Dem Aus- bau des östlichen Teils des Tempelhofer Feldes zu einem Sport- und S p i e l p o r k gab die Versammlung nach den An- trägen des Ausschusses, für den Genossin Fahrenwold referierte, ihre Zustimmung. Den Beanstandungen, zu denen hütlchen (D. Vp.) Anlaß zu haben glaubte, trat Gen. Vrotzmann nachdrück- lich entgegen. Für die Errichtung eines Hallenschwimmbades im Bezirk Lichienberg wurde die erste Baurate von 600 000 Mark auf Antrag der Koni- munisten zur Verfügung gestellt. Für die Anlage eines Fuß- gängertunneis am Müggelgemünd in Friedrichshagen waren 7Z0 000 Mark angefordert. Ohne Aussprache wurde von der Mehr- heit sowohl die beantragte Ausschußberatung als auch die Forde- rung selbst abgelehnt! Auf 7 Uhr waren die ausstehenden Abstimmungen und die Wahl eines unbesoldeten Stadtrats angesetzt. Zunächst kam der Antrag unserer Genossen betreffend den Tafelschmuck des Exkronprinzeu zur Abstimmung. Der kommunistische Abänderungsantrag, wonach das Tafelsilber verkauft und der Erlös Kriegsopfern zugewendet werden soll, fiel gegen die Stimmen der Antragsteller. Der An- tragHeimann verlangt in seinem ersten Teile, daß der Magistrat sich der Auslieferung widersetzen soll: im zweiten Teil wird die Ausstellung in einem Museum anempfohlen. Ueber beide Teikd sollte namentlich abgestimmt werden. Nach Beendigung des Namenaufrufs zur Abstimmung über den ersten Teil brachte Dorr(Komm.) zur Sprache, daß Dr. Caspari einen weißen Ja-Zettel in den Korb geworfen, diesen Zettel dann aber wieder herausgenommen und gegen einen roten Ncin-Zcttcl um- getauscht hat. Wenn das so offen geschehe, was möge denn wohl jonft noch am Borstandstisch gemogelt werden!(Unruhe.) Vorsteher- stellvertreter Dr. Caspari rügte den Ausdruck und stellte anheini, die wache auf dem Antragswege weiter zu verfolgen.— Während das Abstimmungsergebnis ermittelt wurde, schritt die Versammlung zur Vornohme der Wahl eines unbesoldeten Stadtrats. Hier war Dörr Ausschußreferent. Er teilte mit, daß, nachdem im Ausschuß für keinen der vier vorgeschlagenen Kandidaten eine Mehr- heit zu erzielen gewesen ist, an die kommunistische Fraktion das Verlangen gestellt worden ist, den von ihr benannten Kandidaten durch cincn� anderen zu ersetzen. Dem sei sie nachgekommen und habe die Reichstagsabgeordnete Frau Martha Arcndsee nominiert. Andere Kandidaten seien nicht genannt worden. Dr. Steiniger habe erklärt, daß die Deutschnarionalen für den Fall, daß die Sozial- dcmokraten eine Kandidatur aufstellen würden, ein gleiches tun würden. Von allen Fraktionen sei übrigens das Anrecht der Kom- munisten auf diesen Platz anerkannt worden.— Hierauf wurde die Wahl vollzogen. Nach derselben gab das Bureau das Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung zum Antrage Heimann bekannt. Ablehnung mit 01 gegen 88 Stimmen bei Ungültigkeit einer Stimme. Dörr verlangte angesichts der vorgekommenen und von ihm bekannt gemachten Inkorrektheit die Wiederholung der Ab- stimmung und die Aussetzung der weiteren Abstimmungen. Die Aussetzung wurde abgelehnt: in einfacher Abstimmung(der Antrag auf namentliche Abstimmung war zurückgezogen worden) wurde der zweite Teil Ausstellung des Kronprinzenschmuckes in einem Museum mit 8g gegen 83 Stimmen angenommen! Unter unbeschreib- lichem Lärm setzt« man sich darüber auseinander, ob angesichts dieser sich widersprechenden Beschlußfassungen noch eine Gesamt- abstimmung über den ganzen Antrag stattfinden sollte. Die Vornahme einer Gesamtabstimmung wurde abgelehnt.— Nunmehr verkündete das Bureau das Ergebnis der Stadtrats- wähl: Frau Wachenheim (Soz) 67, Frau Kausler(Dnat.) 52, Herr Moser(Dem.) 39, Frau Aredsee 19; ungültige Stimmen 6. Di« absolute Mehrheit ist nicht erreicht: nach der Geschäftsordnung kommen die vier Kandidaten, die die meisten Stimmen erhalten haben, aus die engere Wahl.— Dörr: Nur durch die Feigheit und Gemeinheit der Sozialdemokraten konnte dies Resultat zustande
kommen(Ordnungsruf). Die Sozialdemokraten waren zu feige, im Ausschuß ihren Kandidaten zu nennen. Redner ergeht sich in weiteren Schmähungen der Sozialdemokraten, bis ihm das Wort ent. zogen wird, weil er die für die Bemerkung zur Geschäftsordnung zulässigen fünf Minuten Redezeit überschritten hat.— Der zweite Wahlgang geht vor sich. Nach demselben nimmt Dörr abermals zur Geschäftsordnung das Wort, behauptet, daß am Vorstandstisch gc flissentlich kommunistische Wortmeldungen unterschlagen werden, und wendet sich abermals gegen di" Feigheit und Hinterhältigkeit der Sozialdemokraten. Er wird mehrmals zur Ordnung gerufen.— Genosse Reimemn: Wir übernehmen für unser Verhalten durchaus die Verantwortung. Wir lehne» es ab kommunistische Zukunftsarbeit zu leisten. Wir werden niemals die Kommunistische Partei als die Vertreterin der werktätigen Bevölkerung anerkennen.— Im zweiten Wahlgang fielen von 176 gültigen Stimen 67 auf Frau Wachenheim , 51 auf Frau Kausler, 40 auf Moser, 18 auf Frau Arcndsee. Es hat Stichwahl stattzufinden zwischen Frau Wa ch e n h e i m und Frau Kausler. Die Geschäftsordnungsdebatte wird von den Kommunisten Reichert und Frau Rosenthal in verwegenster Tonart weitergeführt. Ein Antrag auf Schluß wird von den Kommunisten mit An- zweiflung der Beschlußfähigkeit beantwortet. Das Bureau stellt aber die Beschhißsähigkeit fest: die Geschäftsordnungsdebatte wird mit großer Mehrheit geschlossen.— Der Namensaufruf zur Stichwahl erfolgt. Noch 9 Uhr wird das Resultat verkündet: Von 176 Stimmen sind- 30 ungültig: von den 146 gültigen Stimmen entfallen je 73 auf Frau Wochenheim und Frau Kausler. Nach der Geschäfts- ordnung entscheidet das Los, das der Vorsteher zu ziehen hat. Vor- steher haß zieht das Los: es fällt auf Frau Kausler(Dnat.). Im ganzen Saale bricht stürmische anhaltende Heiterkeit aus. Dörr verwahrte sich gegen die„elende Lüge", daß Kommunisten für Frau Kausler gestimmt hätten. Genosse Reimann nahm diese „Entschuldigung" mit dem Zusatz zur Kenntnis, daß die Kommu nisten durch ihr Verhalten die Wahl der Frau Kausler ermöglicht haben.— Schluß 3/il0 Uhr.
Der Menfth ist gut.
Am Wittenbergplatz, auf der Seite, die der Tauentzienstraße zugekehrt ist, steht ein Lastwagen, hochbeläden mit Grün. Man hat die Beete der Anlagen neu beflanzt und nun die alten Blumen, blaue und gelbe Stiefmütterchen, heraufgeworfen. Nun drängt sich um den Wagen das Publikum der Tauentzienstraße, elegante Frauen. Kokotten, tadellos gekleidete Männer, dazwischen ein Student im schäbigen Anzug, Lautungen, Hausmädchen, Geschäftsmädchen, die gerade auf Botengängen sind: alles bunt durcheinander. Und jeder wühlt nach Blumen, die noch frisch sind: manche haben schon ein dickes Bund beisammen. Da streckt eine Dame ihren Strauß ein Stückchen von sich, um seine Wirkung zu erproben: dann sucht sie weiter.„Ich möchte nur ein paar blaue," sagt sie zu ihren Nachbar. einem Briefträger. Aus dem besonnten Pflanzenberg steigt groß das Wort„Verbrüderung" empor: alle, die so emsig um ihn herum- drängen, haben plötzlich gute Kindergesichtcr bekommen. Sicher, sie werden auseinandergehen, und wenn sie noch keine hundert Schritte entfernt sind, werden sie ihre Masken wieder haben: aber vielleicht ruft ihnen daheim ihr Stiefmütterchenstrauß doch für Augenblicke ein warmes Gefühl hervor, ein« Erinnerung auch an die drei Männer, die lachend und rotgebrannt, mit aufgerollten Hemd- ärmeln daneben standen und jedem, der fragend guckte, zuriefen: „Suchen sie sich nur Blumen heraus!" Könnte man doch öfter einen solchen Wagen unter die Menschen fahren!> „Sie habe« fich nichts dabei gedacht." Wie wir seinerzeit berichteten, wurde Ende vorigen Monats der Chauffeur Erich Abraham , der um 6% Uhr nachmittags auf seinem Motorrade heimfuhr, durch einen quer über die Straße ge- spannten Draht am Halse und am Auge erheblich verletzt. Seine hinter ihm auf dem„Soziussitze" mitfahrende Ehefrau wurde von dem Draht nicht berührt. Den Nachforschungen der Spandauer Kriminalpolizei ist es nun gelungen, die Attentäter zu ermitteln. Es handell sich um drei S p a n d a u e r Schüler, die an dem fraglichen Nachmittag gemeinsam die Badeanstall aufgesucht hatten und sich aus dem Heimwege befanden. Sie sahen von der den Weg begleitenden Telegraphenleitung einen Draht lose herunterhängen und spannten ihn, ohne sich die möglichen Folgen ihres�Streiches klar zu machen, quer über die Straße. Der später diese Strecke entlangfahrende Chauffeur konnte in dem Dämmerlicht den Draht nicht rechtzeitig wahrnehmen und zog sich beim Berühren die Verletzungen zu. Die drei Schüler wurden zur Rede gestellt und gaben zu, den Draht gespannt zu haben. Alle drei bedauern aufrichtig die
Schnock.
Ein Roman von See und Sümpfen. Don Soend Fleuron.
Sie wurde eingesperrt und rutschte schließlich in einer Pfütze hin und her. Hätte man nur noch einen Tag ausge- halten, so hätte man sie entdeckt; aber zu ihrem Glück trar Windstille ein— und als es mit ihr ganz aus zu fein schien, brach eines Nachts das in dem Nachbartümpel hochgestauts Wosier durch; und man war ebenso weit. So kühlten die Leidenschaft und das Interesie sich ab. Wer sagte denn, daß es ein Krokodil war? Hatte irgend jemand es gesehen? War es nicht eher ein Otter... denn an Lindwurm oder Drachen glaubte der Gemeinderat doch nicht! Der muntere Sohn der Natur. Er setzte rttllings über einige Stacheldrahthecken und holte sich eine Anzahl von Luftlöchern im Hosenboden. Das primitive Angelzeug, das über seinem Rücken baumelte, bestand aus einem alten Kuhtüder mit einem Paar großer Spundpfropfen von Bierfässern als Korkschwimmer und einem Stück starken, selbgedrehten Eisendrahts als Angel- vorfach. Der dicke Haken, der wohl für den Walfischfang ge- dacht war, war ein plumper Stahlhaken, den der Lehrling des Dorfschmiedes, der jetzt bald Geselle wurde, einmal in seiner freien Zeit für ihn gemacht hatte— und die Stange eine kurze, dicke Bohnenstange. Der gute Rasmus war durchaus kein Fischer mit nennenswerter Weisheit und Verstand! In der Hand trug er eine alte, ausgebeulle Wasserkanne, in der seine Zköderfische— einige Karauschen, die er mit Hilfe eines Weidenkorbes, den er als Schleppnetz benutzt, im Dorfweiher gefangen hatte— sich befanden. Sie waren freilich nicht noch allen Regeln der Kunst behandelt worden, hatten nicht die Nacht in einem Zuber unter dem Wasserhahn zugebracht und hatten kein« wohlwende Kühle ln den Kiemen verspürt dadurch, daß von Zeit zu Zeit kleine Stückchen Eis in ihr laues Wasser geplumpst kamen. Rein, ein wenig Gras
und Schlamm auf dem Boden der Kanne waren alles, worin sie sich am Leben erhalten mußten. Rasmus befühlte mehrere von ihnen und fand endlich eine, die eben mit dem Schwänze schlagen konnte. Aus alter Gewohnheit und in der Hoffnung, vom Glück begünstigt zu sein, spuckte er darauf. Die Tümpel lagen blank und klar in der kühlen Sep- temberluft! Man blickte wie durch ein Vergrößerungsglas bis auf den Grund, wo braunschuppige Teichmuscheln und weißgeschnörkelte Posthornschnecken durch Seegras und Wassermoos sichtbar wurden. Die ehedem so pflaumenblauen Rohrbüschel waren jetzt braun und flaumig an den Zipfeln geworden, und alle Schwertlilien auf den Schilflandzungen bebten unter dem Gewicht ihrer schweren, gefüllten Frucht- stände. Rasmus beeitte sich, die Schnur klarzumachen und ging da hinaus... Aetsch! schrie eine Bekassine, sowie er einen Fuß ins Moor setzte— und kurz darauf störte er noch sechs, acht weitere auf: in sich überschlagendem Zickzack schwirrten sie über das Schlammgestrüpp, um dann plötzlich in steilen Bogenwindungen in die Lüfte zu steigen. Interessiert ver- folgte er die schnellen Flieger mtt den Augen, sah, wie sie mit forschen Flügeln drauflos schlugen und das Moor um- schwärmten, bis eine nach der anderen ausbrach und im Swrzfluge stumm verschwand. Am Ende eines Endwalles, der sich wie eine verkürzte Landzunge in einen der Torfgräben hineinschob, versuchte er einen Wurf und stand eine Weile wartend da. aber da die Karausche ein Loch gefunden hatte, in dem sie sich verbarg, und der große Spundkorkschwimmer still dalag, zog er ihn herauf und suchte, den.Kuhtüder" in den gestreckten Armen haltend, nach einer neuen Wurfftelle. Er geriet in große Dickichte von Spierstauden und wilden Himbeeren. Spätblühende blaue Vergißmeinnicht um- schmeichelten seinen Fuß. Er pflückte eine Blüte und roch daran— und warf sie fort: das Geräusch von einem gewal- tigen Hechtsprung war an sein Ohr gedrungen! Ueber«inen Steg balancierte er auf«ine kleine Insel,
die für sich allein lag und in der Entengrütze schwamm. Das Brett schwankte heftig unter seinen Schritten, und die Insel sank furchterregend unter seinem Gewicht: aber sie hatte ja schon früher Menschen getragen, wie er feststellte— und nun war er angelangt! Ein üppiger Sumpfweidenstrauch wuchs mttten auf der Insel und ein violettschimmernder Weiderich schoß ins Kraut... Schnock stand in einem flachen, sandigen Wiek , unter einem großen Büschel Schachtelhalme verborgen. Eine fette, ermattete Karausche schwamm halb, halb trieb sie im offenen Wasser vor ihr. Wäre sie nicht im Moore gewesen mit seiner kargen Kost, wäre ihr übel geworden, wenn sie das Aas be- trachtet hätte: nun nahm sie sie dankbar an und rannte ihren mächtigen Rachen so gierig über sie hin, daß sie sie sofort oerschluckte und einen großen Stahlhaken mit in den Magen- sack bekam. Einen Augenblick lang war es ihr mit diesem Mundvoll unbequem zumute: sie schien die schlaffe Dreckmasse in den falschen Hals bekommen zu haben— nun wohl, so wollte sie sie wieder hochrülpsen! Sie konnte aber nicht— und außerdem war da ein dicker Stengel, anscheinend von einer Wasserlilie, der ihr dauernd im Halse kitzette. Sie wollte den Stengel ausspeien, aber da merkte sie, daß er in einem Büschel Schilf festgewurzelt war. Papperlapapp dachte Schnock und fetzte Schwung in die Flossen und Tempo in den Schwanz, denn nun wollte sie heraus aus dem dumpfen Winkel. Sie biß den Schnabel zu- fammen und kurbelte an... die Schachtelhalme zerknickten und die Schilfftengel neigten sich, wo sie hervorbrach... alles schaukelte: Ufer und Wiek und Rohr und Insel: dem Knaben schien es, als wühle eine Sau unter Wasser. Die leidenschaftlichen Fischer im Regenzeug und mit der himmelblauen Stange, mit der seidenen Schnur und der schnurrenden Spindel hatten niemals das Glück gehabt, dieses Ungeheuer zu fangen: jetzt kam der kleine Rasmus mit seiner Bohnenstange, seinem stählernen Haken und seinem Tüderseil. Und die Geräte hielten stand! (Schluß(•*.)