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Nr. 30942. Jahrg. Ausgabe A nr. 159

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

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Freitag, den 3. Juli 1925

Rechtsumfall der Volkspartei.

Ministerrat über die Antwortnote.

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Rückzug der Volkspartei. Leitfaden für Stresemann.

WIB. meldet: Das Reichsfabinett fehte heute nachmittag die Beratungen über die außenpolitische Lage fort. Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete über den Stand der Vorarbeifen für die Beantwortung der franzöfifchen Sicherheitsnote. Es besteht über die Grundlinien dieser Antwort Einverständnis, und es ist die Borlage eines Entwurfs im Kabinett ehestens zu erwarten.

Die Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei ver­ veröffentlichte in später Stunde folgende Erklärung:

Nachdem der Herr Reichskanzler in seiner Besprechung

mit Bertretern der Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei diesen heute die Erklärung abgegeben hat, daß eine Aus­Sprache über die außenpolitische Lage im Reichstag noch in dieser Tagung stattfinden werde, ist die Absicht der Fraf­

tion, eine alsbaldige Klärung der politischen Lage herbeizuführen, erreicht. Die Reichstagsfraktion behält sich eine erneute Initiative vor, sobald die in der heutigen Erklärung der Reichs­regierung angekündigte Beantwortung der französischen Note vor liegt. Dementsprechend hat die Fraktion von der Einbringung einer Interpellation zunächst abgesehen."

Richtlinien der Volkspartei.

Die Deutsche Volkspartei teilt schließlich nach Mitternacht durch TU. folgendes mit:

Die Reichstagsfraktion der Deutschen Boltspartei hat in ihrer Sizung vom 2. Juli zu der durch die Briand - Note vom 16. Juni ge­schaffenen Lage Stellung genommen. Sie stimmt der Initiative der deutschen Regierung zu, die in dem gegebenen Moment eingesetzt hat, um die Lösung der Sicherheitsfrage mit Deutsch­ land , nicht gegen Deutschland herbeizuführen. Sie fordert, daß die in Gang gebrachten Erörterungen in den Grundgedanken des deutschen Memorandums vom 9. Februar fortgeführt werden, jedes Hineinziehen der militärischen Bündnispolitit aber abgelehnt wird. Damit ergibt sich die Aufgabe, folgende Richtlinien zu berücksichtigen und auf ihre Sicherung zu bringen:

Ein Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund ist vor der Räumung nicht nur des Ruhr- und Sanktionsgebietes, sondern auch der ersten Rheinland zone undentbar. Er setzt die Einigung über das Sicherheitsproblem und Ausschaltung der für Deutschland in Art. 16 der Böfferbundssatzung liegenden besonderen Gefahren sowie Festhaltung der deutschen Grundsätze des deutschen Memoran­dums über den Bölkerbund voraus. Er muß zu einer Beseitigung der Beschlüsse des Bölkerbundrates über die Militärtontrolle des Völkerbundes führen, soweit sie über den Versailler Bertrag hinausgehen, insbesondere soweit sie örtliche st ändige Kontrol1 organe im Rheinland in Aussicht nehmen.

Kampfstimmung in der Kammer.

Heute nacht wichtige Entscheidung. Paris , 2. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die Kammer, in der Caillaug am Mittwoch bei der Abstimmung über den eidlichen Deklarationszwang über die im Ausland befindlichen Ber­mögenswerte französischer Steuerpflichtigen eine parlamentarische Niederlage erlitten hat, dürfte in einer Nachtsizung über die von der Finanzkommission geforderte Befreiung der Lebensmittel­handels von der Imsatzsteuer entscheiden. Der Senat hatte diese Bestimmung seinerzeit gestrichen, die Regierung hat gegen ihre Wiederherstellung Einspruch erhoben und Caillaug in der Finanz­fommission der Kammer erklärt, daß er im Plenum dazu die Ber­trauensfrage stellen merde. Jedoch ist die gesamte Linke ent­schlossen, dennoch geschlossen für den Antrag der Kommission zu stimmen. Infolgedessen haben die Republikanischen Sozialisten durch eine Abordnung die Regierung zu bestimmen versucht, von der Stel­lung der Vertrauensfrage abzusehen. Da der Ausgang der Ab­stimmung taum zweifelhaft sein tann, ist anzunehmen, daß Caillaur vor dem geschlossenen Willen der Linksparteien fa pitulieren

wird.

Die Kammer hat einen Antrag auf Rüd verweisung der Umsatzsteuervorlage an den Finanzausschuß mit 340 gegen 209 Stimmen abgelehnt. Die Nachtfizung hat um Uhr be­

gonnen.

Rückverlegung des sozialistischen Parteitags. Paris , 2. Jult.( Eigener Drahtbericht.) Der Vorstand der So­zialistischen Partei hat am Donnerstag beschlossen, den Parteitag doch erst am 15. August abzuhalten. Man hofft, durch diese Ver­schiebung Zeit und Gelegenheit für eine Einigungsformel zu finden.

Der Berfuch der Fraktion, bereits am Donnerstag die bei den Lekten Abstimmungen in der Kammer perforengegangene rat. tionsdisziplin wiederherzustellen, ist vorläufig gefcheitert Es wurde beschlossen, die Entscheidung durch den Parteitag her­beizuführen.

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Benn auch der Sicherheitspakt selbst den Bersailler Vertrag nicht abändert, so darf doch darüber kein Zweifel bestehen, daß Deutschland feine Verschlechterung der sich aus dem Bersailler Vertrag ergebenden Lage hinnehmen kann, und daß es auf die von ihm felbft gesetzten und die durch fortschreitende friedliche Entwicklung herbeizuführenden Abänderungsmöglichkeiten nicht ver zichten fann.

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Wird das nächste Ziel des Paktes, die Lösung der Sicherheits­frage erreicht, so wird sich die Notwendigkeit aufdrängen, Bejahung und Rheinlandabkommen den veränderten Verhältnissen anzupassen. Alsbaldige Beseitigung des Delegiertensystems, Unterstellung aller Streitigkeiten aus dem Versailler Vertrag, insbesondere auch über die Entmilitarisierung sowie über über das Rheinlandabkommen unter ein Schiedsverfahren, Ablehnung jeder Wiederaufnahme früherer Sanktionsmethoden, muß erreicht werden. Beim Abschluß von Schiedsverträgen ist von dem deutschen Typus auszugehen; nur als Subjekt seiner Politik in voller Freiheit darf Deutschland fämtliche Schiedsverträge abschließen. Garantie und Entscheidung über die Verlegung durch den Bundesgenossen eines Bertragsteiles ist mit völkerrechtlichen Grundsägen unvereinbar. Eine Zusicherung friedlicher Lösung öftlicher Konflikte wird durch diese Zurüd weifung des französischen Garantieplans nicht ab­geschwächt.

Mit Rußland hat Deutschland den Rapallo - Bertrag ge­schloffen. Dieser wird durch die von Deutschland eingeleiteten Ber­handlungen mit den Westmächten nicht verletzt. Deutschland hält an ihm fest und darf sich in feiner Weise gegenüber Rußland in eine die deutsche Interessen schädigende Politik treiben lassen. Ebenso wenig dürfen die Beziehungen Deutschlands zu anderen Mächten durch den Abschluß eines Westpaktes getrübt werden.

Nur bei Wahrung der vorstehenden Grundsätze scheint der Reichstagsfraktion der Deutschen . Volkspartei der Abschluß eines Sicherheitspattes mit Deutschlands Interessen und Europas Neu­ordnung vereinbar. Das letzte Ziel muß ein wirklicher Friede von Gleichberechtigung auf Gegenseitigkeit durch Schiedsverträge Sicher­heit und allgemeine Entwaffnung fein.

Es war uns in später Nachtstunde nicht möglich festzu­stellen, ob der vorstehende stellenweise unverständliche Beschluß als eine Niederlage Stresemanns in feiner Fraktion oder als ein Umfall des Miniſters ſelbſt aufzu faffen ist. Dieses Mit- der- Türe- ins- Haus- Fallen, diese Ueber belastung der angestrebten Verhandlungen mit Forderungen, die auf der Gegenseite auf starten Widerstand stoßen werden, entspricht, wie wir wissen, den bisherigen Absichten der Re­gierung nicht.

Wir sind in die Zeiten der Zickzackpolitik zurückgekehrt.

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Deutschnationale und Kriegsopfer

Wahlversprechungen, die nicht gehalten werden. Von Erich Roßmann .

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Die Versorgung der Kriegsopfer überragt an finanzieller Auswirkung gegenwärtig immer noch alle an­deren sozialen Aufgaben des Reiches. Bei Beendigung des Krieges zählte man in Deutschland 1537 000 perfor gungsberechtigte Kriegsteilnehmer und rund 600 000 itwen. Infolge der Abfindung der kleinen Renten hat sich die Zahl der Kriegsbeschädigten auf 721 000 und die Zahl der Witwen durch Wiederverheiratung auf 336 000 ermäßigt. Rentenbezugsberechtigte Halbwaisen find 131 350 und Elternpaare 62 140. Außer diesen in der Haupt­es gegenwärtig noch 963 000, Boliwaisen 65 320, Elternteile sache aus dem Mannschaftsstande hervorgegangenen Kriegs­rentenempfängern gibt es noch 50 000 Kapitulanten und rund 66 500 Offiziere, Heeresbeamte und Hinterbliebene dieser Gruppen. Von der Kriegsversorgung werden somit gegen­wärtig noch 2 335 000 Personen erfaßt.

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Die Ausgaben des Reiches betragen unter Berüc­fichtigung des Standes vom 1. Januar 1925 für ein Jahr be­rechnet: für Kriegsbeschädigte und Krieger­hinterbliebene 905 Millionen Mart, für die ehemaligen Offiziere rund 200 millionen Mart. Troß dieser hohen Summe- nach Mitteilungen des Reichsfinanzministers handelt es sich um 40 Broz. aller laufen­den Reichsausgaben ist die Versorgung für die Kriegsbe­schädigten und Kriegerhinterbliebenen durchaus unzu länglich. Es erhielt ein Kriegsbeschädigter vom Beginn des Krieges bis zu dessen Ende bei einer Erwerbsbeschränkung dieser Kriegsbeschädigte in Drtsklasse A, wenn er ledig und von 30 Proz. monatlich mindestens 28,50 M. Jekt bezieht ist und zwei Kinder hat, monatlich 13 M. Bei einer Erwerbs­gelernter Arbeiter ist, monatlich 9 M., wenn er verheiratet beschränkung von 40 Broz. erhielt ein Kriegsbeschädigter früher mindestens 33 M. im Monat, jezt 12 M. bzw. 16,80 m. Bei einer Erwerbsbeschränkung von 50 Proz. erhielt der Kriegsbeschädigte früher mindestens 37,50 M., jegt 17,95 m. bzw. 26,90 m. Handelt es sich um einen ungelernten Arbeiter, so bleibt die gegenwärtige Rente noch um einige Mark hinter den mitgeteilten Säßen zurück. Die mindest rente einer 17,50 M., wenn es sich um die Witwe eines gelernten Arbeiters Mitme betrug früher 33,35 m., jetzt in Ortsfiasse A handelt, sonst nur 13,30 M. Da die Zahl der Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 30 und 40 Pro3. 408 990, die Zahl der Beschädigten mit einer Min­derung der Erwerbsfähigkeit um 50 Pro3. 135 000 beträgt, so ergibt sich, daß rund zwei Drittel aller Kriegsbeschädigten sich mit Renten begnü gen müssen, die nominell nicht mehr als 30 bis 50 roz. ihrer früheren Bezüge dar stellen. Legt man den Bergleichen die Kauffraft zugrunde, so gestaltet sich das Verhältnis zwischen den früheren und den

Die deutsch - französischen Verhandlungen. jezigen Bezügen für diese Beschädigten noch viel ungünstiger. Die äußersten franzöfifchen Vorschläge überreicht. Paris , 2. Juli. ( Eigener Drahtbericht). Der Vorsitzende der französischen Handelsdelegation hat am Donnerstag nachmittag dem Staatssekretär Trendelenburg die angekündigten und ausbrücklich als äußerste Grenze der französischen Bugestände uisse bezeichneten Vorschläge überreicht, die die französische Delegation im Laufe des Mittwochs ausgearbeitet hat.

England mahnt seine Gläubiger. Terminangabe für Schuldenverhandlungen verlangt. London , 2. Juli. ( WTB.) Wie der Amtliche Englische Funt­dienst meldet, hat die englische Regierung in den letzten Tagen Tagen an Frankreich , Italien , Portugal , Serbien , Ru­ mänien und Griechenland je eine Note zur Frage der Kriegs­schulden überreichen zu lassen. Wie verlautet, bilden diese Mit­teilungen feine Mahnung, sondern nur eine Aufforderung an die Schuldnerstaaten, den 3eitpunkt zum Beginn von Berhand­lungen über die Regelung der Schulden anzugeben. Die Haltung der englischen Regierung in der Schuldenfrage ist in dem Schreiben des Schazkanzlers Winston Churchill an die französische Regierung vom 6. Februar d. 3. niedergelegt. Es wird darauf hingewiesen, daß England auf Grund des Schuldentonjolidierungsabkommens mit den Bereinigten Staaten bereits mehr als 80 Millionen Pfund bezahlt hat, ohne bisher von seinen Schuldnern Barleistungen empfangen zu haben. Im Interesse des englischen Steuerzahlers hält sich die Re­gierung unter den jezigen Umständen für berechtigt, auf die Er­ledigung der Angelegenheit zu dringen.

Die Rentenpolitik der Regierungen ging in den letzten Jahren dahin, durch Einführung und immer stärkere Unterstreichung des Bedürfnisprinzips das Gros der Hinterbliebenen und die Schwerbeschädigten wenig stens vor einer Benachteiligung gegenüber dem früheren Recht zu bewahren und gewisse zahlenmäßig fleine Gruppen von Beschädigten und die Hinterbliebenen mit größerer Kinder­zahl über das frühere Rentenniveau zu heben. Wie aus den wiedergegebenen Zahlen hervorgeht, geschah das um den Preis einer empfindlichen Schädigung der großen Masse der Beschädigten und eines fleineren Teils der Hinterbliebenen. Diese Rentenpolitik hat aber darüber hinaus den Kriegsopfern im ganzen mehr genommen, als sie ihnen durch die Einführung des Bedürfnisprinzips wiedergegeben hat. Durch die Verschlechterungen, die für große Gruppen von Versor gungsberechtigten im Vergleich mit dem alten Recht einge­treten sind, hat die jetzige Regierung den Rentenetat jähr= lich um 200 bis 250 millionen entlastet.

Diese Tatsachen, die von der Regierung offen zugegeben werden, sind auch von den Parteien des Reichstags erkannt worden. Seit dem Zusammentritt des Parlaments find nicht weniger als 65 2nträge zugunsten der Kriegs­beschädigten und Kriegerhinterbliebenen eingebracht worden. Den stärksten Antragseifer hat die deutschnatio­nale Fraktion gezeigt. Nach einem Kostenanschlag, den die Regierung ausgearbeitet hat, würde die Durchführung der deutschnationalen Anträge einen Aufwand von 1095 Millionen Mart verursachen. Auch die Deutsche Volkspartei hat Anträge gestellt, deren Ergebnis ein Mehraufwand von 645 Millionen Mart sein würde. Die Regierungs­Der Reichsrat genehmigte am Donnerstag einen Gejegent- parteien denken jedoch nicht im entfernte= turf. der die Aufhebung der Preistreibereiberord- ten daran, diese Anträge auch zu verwirk. nung und der damit zusammenhängenden Berordnungen versieht. lichen. Das hat ihre bisherige Haltung unzweideutig ge­Einzelne Bestimmungen über Preisverzeichnisse und Preisschilder zeigt. Namentlich die deutsch nationale Vertre bleiben bestellen. So wird z. B. für den Handel mit Fleisch- und tung ließ während der Ausschußberatungen wiederholt er Wurstwaren der Preisschilderzwang und die Vorschrift über Preis, fennen, wie froh fie wäre, wenn ihre Anträge über­verzeichnisse aufrecht erhalten. haupt nicht mehr zur Beratung gelangen