das ftufwertungsgefetz. Schluh der 2. Lesung im Ausschutz. Der Aufwertungsausschuß führte am Donnerstag die zweite Lesung des Slufwertungsgesetzes zu Ende. Dr das Ge- fetz zwischen der ersten und der zweiten Lesung eine vollkommene Umgestaltung erfahren hat, bei der sich die rund 20 Paragraphen des Regierungsentwurfs aus LS vermehrt haben, so findet heute eine dritte Beratung statt, die aber am materiellen Inhalt der ge- faßten Beschlüsse nichts Wesentliches mehr ändern dürfte. Mit Bezug auf die Sparkassenguthaben beantragten die Regierungsparteien eine neu« Bestimmung, wonach die Auswer- tung dieser Guthaben mindestens 1234 P r o z. des G o l d b e» träges erreichen, möglichst aber dem Aufwertungssatz entsprechen soll, der sich für die Anleihen des Schuldners oder seine» Garanten ergibt. Da die Aufwertung der im Besitz der Sparkassen befindlichen öfsntlichen Anlechen nach den neuesten Beschlüssen 123- Proz., die der Hypotheken 2S Proz. beträgt, wird der Mindestsatz von 12% Proz. des Coldmartwertes der Sparguthaben in der Regel erreich- bar fem. Die Bestimmung, daß möglichst der Satz erreicht werden soll, der dem Aufwertungssatz für die Anleihen des Schuldners oder seines Garanten entspricht, hat den Sinn, daß die Gemeinden und Gemeindeoerbände, die in der Lage sind, eine höhere Aus- Wertung ihrer Anleihen als zu 1234 Proz. zu gewähren, auch eine entsprechend höhere Aufwertung der Einlagen bei ihren Sparkassen eintreten lasten sollen. Die Regelung der Aufwertung der Spar- kassen.ist bekanntlich im übrigen den L a n d e s b e h ö r d e n vor- behalten, denen im Gesetz gewisse Ermächtigungen erteilt werden. H. a. können die Landesbehörden anordnen, daß Einzahlungen und Auszahlungen in Papiermark, die nach einem bestimmten Stichtag ersolgt sind, bei der Aufwertung unberücksichtigt bleiben. Die Stichtage dürfen jedoch nicht vor dem 15. Juni 1922(dem Stichtage für die Rückwirkung der Hypothekenaufwertung) liegen. Entsprechend einem von sozialdemokratischer Seite in der ersten Lesung gemachten Vorschlag, wurde auch die Ermächtigung eingefügt, zu gestatten, daß den Schuldnern der Sparkassen für die vorzeitige Rückzahlung der aufgewerteten Beträge eine KüxzungderSchuld oder andere Vergünstigungen zugestanden werden können. Von deutschnationaler Seite wurde versucht, entsprechend einer Eingabe der landwirtschaftlichen Genossenschaften. die bekanntlich auch Sparkasten unterhalten, den von den Garanten der öffentlichen Sparkassen zur Teilungsmaste zu leistenden Veitrag herabzudrücken oder zu beseitigen. Abg. Dr. Leber (Soz.) trat diesem Versuch nachdrücklich entqegen, indem er betonte. die Sozialdemokratie könne nicht zulassen, haß die ohnedies geringe Aufwertung der Einlagen der kleinen und kleinsten Sparer in Rücksicht auf die Konkurrenz der Genossenschaftsspartasten noch weiter herabgedrückt würden. Bei den Ansprüchen, die nicht als Vermögensanlagen gelten und daher der individuellen Aufwertung unterliegen, wurde der sozialdemokratische Antrag, Ansprüche aus Entrichtung einer Erbpacht(Kanon) einzubeziehen, abgelehnt, ebenso der Antrag, den Guthaben bei Fabrik- und Wertspar- kassen die Einlagen des Arbeitnehmers bei seinem Arbeitgeber gleichzustellen, also beide individuell zu be> handeln. Von Staatssekretär Joel wurde auf Anfrage ausdrücklich festgestellt, daß Kautionen keine Vermögensanlagen sind, sondern Ansprüche aus gegenseitigen Verträgen, die nickt der begrenzten, sondern der Aufwertung nach Treu und Glauben unter- liegen. Eine lebhafte Erörterung rief der Antraq Scheiter(Z.) hervor, der Vorschrift des Z 63:„Soweit zum Zwecks der Berjorgung von Arbeitern oder Angestellten eine Versicherung abgeschlossen ist, bleiben etwa daneben bestehende Versorgungsansprüche aus dem Anstellunasverhältnis unberührt", noch den Satz anzu- fügen:„Ist der Arbeiter oder Angestellte bei seinem Arbeitgeber versicherr, so gilt die Versickerung als eine Leistung aus dem D i e n st v e r t r a g e." Die praktische Konsequenz dieses Antrages würde sein, daß Ansprüche an eine Versicherung dieser Art der ae- fetzlich unbegrenzte« Aufwertung unterliegen würden. Di« Regierung und die Parteien der Rechten bekämpften den An» trag aufs- schärfste, weil von der Rechtsprechung die Frage, ob hier ein Vetsorgungsanspruch statt eines Bersicherungsanspruches vor- liege, bereits verneint worden sei. Da der Antragsteller nur die Unterstützung der Sozialdemokraten und Kommunisten fand, wurde sein Antrag abgelehnt und ein Antrag Hergt angenommen, der den in Frage kommenden Angestellten nichts nützen wird. Wie in der ersten, so sagte sich auch in der zweiten Lesung Ge> nasse Leber für die Rechte der Angestellten nachdrück- lich em. Mit Bezug auf. die Aufwertunq der Bankguthaben kün- digte Abg. keil fürs'Plenum den Antrag auf Aufwertung lang- f r i st i g e r Guthaben an. Ein geringfügiges Zugeständnis wurde in diesem Punkte gemacht durch Annahme eines Antrags Scheiter (Z.), wonach Darlehnsansprüche gegen Banken wie Vermögens- anlagen zu behandeln sind, wenn si« aus einer ehemaligen Geschäftsbeteiligung stammen und mindestens fünf Jahre bestehen. Eingefügt wurde noch«Ine Bestimmung, nach der ein Ein- kommen aus aufgewerteten Ansprüchen bis zum Betrage von 130 M. jährlich bei der Gewährung öffentlicher Unterstützungen(Klein- rentnerfürsorge) außer Ansatz bleibt. Don den Kommunisten, deren Tätiqkeit während der letzten Wochen darin bestand, den sozialdemokratischen Anträgen zu- zustimmen oder diese Anträge durch Einfügung höherer Ziffern zu ubertrumpfen, wurden im letzten Augenblick noch ein« Anzahl R e- k l a m e antrüge gestellt, die die gründliche Vorbereitung und Durch« denkung vermisten ließen und der Ablehnung verfielen. Gereüe um Preußen. «er Amtliche Preußische Pressedienst schreibt: Die„Rote Fahne " weiß wiederum von Verhandlungen über die Regierungsumbildung in Preußen zu melden, an denen Ministerpräsident Braun nach wie vor beteiligt sei. Hierzu ist festzustellen, daß Ministerpräsident Braun gegenwärtig keinerlei Verhandlungen über eine Regierungsumbildung führt und auch keinen Anlaß zu derartigen Verhandlungen sieht. V!e tzauszinssteuer in Preußen. Ablehnung des Regiernngsantrags im Staatsrat. Im Mittelpunkt der Donnerstagssitzung des Preußischen Staatsrats stand die geplante Erhöhung der Hauszins- st euer, die nach dem Dorschlag der Regierung am 1. August und am 1. Oktober d. I. eme Erhöhung um je 6 Proz. erfahren sollte. Die Erhöhung am 1. August sollte zu einem Drittel dem Staate und zu zwei Dritteln den Gemeinde«, die Erhöhung am 1. Ottober in vollem Umfange dem Staate zufließen. Der Hauptausschuß des Staatsrats hatte beschlossen, der Vorlage nicht zuzustimmen. da die Hauszmssteuer ihrer Natur nach als Steuer für allgemeine Zwecke nicht geeignet sei. Es wurde ein Eventualantrag«ingebracht, der eine einmalige Erhöhung um S Proz. für den Fall vorsieht,. daß der Preußische Landtag die Notwendigkeit der Erhöhung der Haus- znissteuer überhaupt anerkennt. Bon diesen 8 Proz. sollen 4 Proz. ausschließlich für die Neubautätigkeit Verwendung finden. 3 Proz. den Gemeinden und 1 Pro;, dem Staat zufließen. Der Finanz. minister erklärte sich mit der Erhöhung von nur 8 Proz. ein» verstanden, wünschte aber, daß für die Neubautätiakeit nur 2 Proz., für die Gemeinden und den Staat je 2 Proz. zur Verfügung gestellt werden. Ander» könne er das zu erwartende große Desizit im Staatshaushalt nicht decken. Der Staatsrat lehnte aber die Nor« schlage des Flnanzministers ab und bestätigte den Beschluß seines Hauptausschustes.'"
Gewerkschastsproteft gegen Zollwucher. Beschluß des Deutscheu Metallarbeiter-Verbandes. Der Erweiterte Beirat des Deutschen Metallarbeiter-Derbandes faßte in seiner Sitzung vom 1. Juli folgende Entschließung: Als Vertreter der in der Eisen und Metalle erzeugenden und verarbeitenden Industrie beschäftigten Arbeiter erhebt der Erweiterte Beirat des Deutschen Metallarbeiter-Vcrbandes schärfsten Einspruch gegen die von der deutschen Regierung dem Reichstag unterbreitete Zolltarifvorlage. Die in dieser Vorlage hervortretenden schutzzöllnerischen Bestrebungen tragen nicht zu einer Gesundung der Wirtschast bei, sondern schädigen dieselbe aufs schwerste. Die An-
Arbeiter öerlins! Die Sozialdemokratie kämpft im Interesse des gesamten Prole- tariats einen schweren Kampf gegen die drohenden Br o t- w u ch e r z ö l l e. Sie hat die gesamte Arbeiterschaft zu gemein- samer Abwehr aufgerufen. Die überfüllten Versammlungen vom vergangenen Dienstag waren ein Beweis dafür, daß die Arbeiter der Sozialdemokratie Gefolgschaft leisten wollen. Beeinträchtigt wurde der Verlauf unserer Protestkundgebungen durch die von den Kommunisten planmäßig unternommenen Störungsversuche. Die Kommunistische Partei , die vorgibt, für die Einigkeit der Ar- bciterschaft einzutreten, hat sich nicht gescheut, zur Freude der Schutz- Zöllner und Brotverteurer unsere Versammlungen zu stören. Wenn ihr das nicht gelungen ist, so deshalb, weil die Arbeiter und Ardeiterinnen es satt haben, sich von einer Schutztruppe der Reaktion, die sich kommunistisch nennt, weiterhin belästigen zu lassen. Dle Sommunislische Parket, die hlndenburg zum Siege ver- Holsen hat, dle kommunistische Partei, die gemeinsam mit deu Dculschnationaleu die Preußcnkclse herbeiführte, dieselbe Kam- muaistische Partei scheut sich nicht, seht Helfer sdiensle zu leisten für Großagrarier und Zndustriemagnalen. Eine Partei, die so mit den Arbester- und Konsumenteninter- essen umgeht, ist von der ganzen Arbeiterschaft gerichtet. Mit den Vertretern dieser Partei des Arbeiterverrals gibt es keine Kampf- gemeinschaft. Unsere Versammlungen dürfen nicht zum Tummelplatz dieser Leute werden! Jede von uns bis- her gewährte Distufstonsfreiheit wurde von den Kommunisten dazu mißbraucht, einen ruhigen und sachlichen Verlauf unserer Dersamm- lungen unmöglich zu machen. Dagegen setzen wir uns zur Wehr.' Die jüngsten Erfahrungen bestimmen uns offiziell zu erklären, daß die Vertreter der kommunistischen Partei in sozialdemo- kralsscheu Versammlungen nicht mehr das Wort erhalten. Wir machen schon jetzt darauf aufmerksam, damit die kommunistisch« Zentrale sich danach richte. Die irregeführten kommunistischen Ar- beiter seien hiermit gewarnt, sich weiter gegen ihre sozialdemokra- tischen Kiassengenossen mißbrauchen zu lassen. Wir brauchen Geschlossenheit und Einigkeit in einem harten Kampf. Wir sind nicht gewillt, uns diesen Kampf erschweren zu lassen von einer Partei, die auch diesmal wieder, wie bisher noch immer, der Reaktion Zuhästerdienste leistet. der Sezirtsoorsiasö üer Spd. Grsß-Lerlms.
»ahme dieser Vorlage bedeutet eine erhebliche Verteuerung der De- beusmitkel und Bedarfsgegenstände, drückt das Lebensniveau der breiten Nolksmassen weiter herab, mindert deren Kaufkraft und führt damit zu einer weiteren Schwächung des Inlandsmarktes. Die An- nähme dieses Schutzzolltorifes würde ferner in anderen Ländern Gegenmaßnahmen hervorrufen, unsere Handelsbeziehungen stören, den Absatz deutscher Waren auf dem Weltmarkt erschweren und zu neuen Krisen beitragen. Der Erweiterte Beirat des Deutschen Metallarbeiter-Derbandes ruft die werktätigen Massen zur einmütigen und schärfsten Bckämp- jung dieser die deutsche Industrie, die Gesamtwirtschast und damit das Volk schädigenden Zolltarifvorlage auf. Don der Volksvertretung ist die Ablehnung dieser Lorlage zu verlangen." �us dem sächsischen Landtag. Teutschnationales Mißtrauensvotum gegen den Finanz» minister abgelehnt. Dresden , 2. Juli. (Eigener Drahtbcricht.) Am �Donnerstag stand im sächsischen Landtag ein deutschnationaler Mißtrauensantrag gegen den Finanzminister zur Beratung. Die günstige Entwicklung der sächsischen Staatswerkc ist der deutsch - nationalen Fraktion schon lange unangenehm. Sie behauptet, ohne dafür einen Beweis zu erbringen, daß die Staatsbetriebe die Steuer erhöhen. Der Minister bewies seinen Gegnern das Gegenteil und erklärte, daß das Mißtrauensvotum nicht eingebracht wurde, weil die Staatsbetriebe zu schlecht, sondern zu gut arbeiten. Die Mehr- heit der sozialdemokratischen Fraktion ließ dem Minister und seinem Mitarbeiter durch den Genossen Schurig den Dank für ihre erfolgreiche Tätigkeit aussprechen. Die Minderheit schickte den Genossen Liebmann vor, der sich dem Mißtrauensantrag der Deutsch - nationalen, wenn auch aus anderen Gründen, anschloß. Der Antrag wurde schließlich mst den Stimmen der Äoalitionsparteien a b g e- lehnt._ Gegen Wahlterror. Keine öffentliche Bekanntgabe der NichtWähler. In einem' Runderlaß des Preußischen Innenministers werden die Gemeindebehörden, einer Mitteilung des Amilichen Preußischen Pressedienstes zufolge, darauf hingewiesen, haß es mit den zurzeit geltenden Wahlrechtsoorschriften unvereinbar ist, wenn eine Gemeinde nach einer öffentlichen Wahl oder Abstimmung die öffentliche Bekanntgabe der Personen beschließt, die von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch gemacht haben. Eine solche Matz- nähme würde auf mittelbare Einführung der Stimm- pflicht hinauslausen, die bisher von den Parlamenten abgelehnt worden ist. Das Verfahren bei öffentlichen Wahlen und Abstim- mungen ist durch die einschlägigen Gesetze und die zu ihnen ergange- nen Aussührungsvorschriften erschöpfend geregelt. Nach diesen Be- stimmungen besteht nach Abschluß einer Wahl weder ein Anspruch der Parteien auf Einsicht in die Stimmlisten, so daß die Möglichkeit einer Feststellung der Personen, die von ihrem Wablrecht keinen Gebrauch gemacht haben, auf diesem Wege entfällt, noch kann von Amts wegen eine Bekanntgabe der Namen der Nichtwah'er ange- ordnet werden. Paugalo» banal die Verschwendung— er hat beschlossen, mehrer« Tausend Maschinengewehre und zahlreiche Flug- zeuge zu bestellen.
Die holländischen Wahlen. Amsterdam , 2. Zuli.(WTB.) Nach dem vorla>ssftj<n nichtamtlichen Ergebnis der Wahlen zur Zweiten Kammer verteilen sich die Abgeordnetenmandale aus folgende Parteien: Römisch-katholische Siaalsparlei 30(1922 32 Sitze). Antirepublikanisch- Partei 13(16). Christliche Parle! 11(11), Prolestaniische Resormpartei 1(0), So- zialdcmokralische Partei 24(20), Liberale Partei(Frei- heilsbund) 9(11). Freisinnige Demokraten 7(5). Agrar-Partel 1(Z). Katholische Volksparlei 1(0), Protestanlifche Volksparlei 1(0), Kommunistische Partei 1(2). Die jetzige, ans den drei großen Rcästs- Parteien bestehende Re g l c r u n g s k o a l i i l o n hat aljo mit S4 Sitzen die absolute Mehrhell deHalten. Vertrauensvotum in Belgien . Brüssel , 2. Zuli(Eigener Drahtbcricht.) Die Kammer spra»», am Donnerstag der Regierung P o u l l e t mit 123 gegen 37 Stim- mcn bei IS Siimmcnenthallungen das vertrauen aus. Für die Regierung stimmten alle S o z i a l i st e n und die große Mehrheit der Katholiken: dagegen alle Liberalen, die Abgeordneten der Fronlpartei, die Kommunisten und 7 katholische Reaktionäre; 15 katholische Konservative enthielten sich der Abstimmung. Damit hat die Regierung ihre erste Feuerprobe be- standen. Aber hinter den Kulissen spielten sich am Mittwoch und Donnerstag Dinge ab, die das Leben des Kabinetts ernstlich bedrohten. Es handelt sich um das Frauenstimmrccht für die Proviozparlamente. Die Regierungserklärung schwieg darüber absichtlich, da diese Frage einen KonsUktstosf bildet zwischen der Mehrheit der Sozialisten und den Katholiken. Die konservativen Katho- likcn kündigten für die kommende Behandlung des Wahlgesetzes einen Borsioß zugunsten des Fraueastimmrechts an. Die große Mehrheil der Sozialisten, die von dem Provlnzlalsrauenslimmrecht den Verlust ihrer Mehrheiten in den Provinzparlamenlen von Lüttich und Hennegau befürchten, protestierten gegen diese Absicht und bezeichneten sie als Treubruch. Sie entsandten gleichzeitig eine Abordnung zum Ministerpräsidenten Poullet, ohne von ihm eine befriedigende Zusicherung zu erhalten. Unter diesen Umständen ent- schloß sich die sozialistische Fraktion nur sehr schwer und nur bedingt zum Vertrauensvotum. Eine neue Krise bei Behandlung des Frauenstimmrechis ist nicht ausgeschlossen. Bandervelde über die Näumungsfrage. Der belgische Außenminister Genosse Vanderveldc nahm am Mittwoch im Verlauf der- Kammerdcbatte über die Rcgierungs- erklärung ebenfalls dos Wort. Er führte u. a. aus: „Was die Politik gegenüber Deutschland anbetrifft, so werde ich nicht, wie einige meiner Vorredner befürchten, der Versuchung unterliegen, die Kräfte der deutschen Demokratie zu hoch ein- zuschätzen. Aber die Frage ist berechtigt,'ob Herr Jasper, als er das Autzenministcrium leitete, diese Demokratie nicht unter schätzt hat und damit die Kräfte jener, die jenseits des Rheins eine imper- ialistische Revanchepolitik treiben mochten, nicht über schätzt hat. Herr Deveze fragt mich:„Werden wir. nicht die Rheinbarriere zu früh aufgeben?" was heißt das: dir„Rhcinbarrierc"? Es kann sich zunächst nur um die Räumung der Ruhr und der Kölner Zone handeln. In dieser Frage wird die Regierung die Politik ihrer Vorgänger fortsetzen. Die Ruhrfrage ist in London entschieden worden, und am 16. August gaben die Herren Herriot, Theunis und Hymans eins Erklärung ab, wonach das Ruhrreoier innerhalb eines Jahres geräumt werden würde, sofern Deutschland seinen Reparationsverpflichtungen nachkomme. Wohlan, die Repara- tionskommission hat vor einigen Tagen erklärt, Deutschland s c i seinen Reparatlonsverpflichtungen, so wie sie im Dawes-Plan M-st' gesetzt sind, getreu nachgekommen. Zm' Verfolg dieser Erklärung ssak"' die französische Regierung bei der belgischen angefragt, ob diese damit einverstanden ist. daß dem Deutschen Reiche ein Beweis des Wohlwollens gegeben und die Ruhr vor dem 16. August geräumt wird. Die belgische Regierung hat aus diese Anfrage der sranzä- sischen Regierung bejahend geontworlet. Was jedoch die K o l n e r Zone anbetrifjt, so erklärte die Kontrollkommission, daß die beut- schen Verpflichtungen in bezug auf die E n t w a s s n u n g n i ch t e r- füllt seien. Folglich, ehe diese erste Zone geräumt werden kann, muß Deutschland seine vertraglichen Verpflichtungen über diesen Punkt, wie sie in der letzten Note der Alliierten an Deutschland umschrieben sind, erfüllt haben. Wenn das geschehen ist, dann wird die Kölner Zone geräumt. Das dürfte ein glücklicher Tag werden, denn an jenem Tage wird ein großer Schritt in der Richtung des Weltfriedens getan sein."
Gegen den Marokkokrieg. Pari», 2. Juli. (Eigener Drahtbericht.) Eine Reihe bekannter Schriftsteller und Intellektueller unter Führung von Henri Bar- bussc veröffentlicht einen scharfen Protest gegen die Fortführung der Feindseligkeiten in Marokko . Der Aufruf unterstreicht den im- perialistischen Charakter der militärischen Aktion und warnt vor intern at ionalen Folgen, die dieser Kolonialkrieg auszu- lösen drohe. Er wendet sich weiterhin gegen die Ee h e i m d i p l o- m a t i e, die man im V e r s a i l l e r Vertrag abgeschworen hat. Außerdem protestiert der Aufruf gegen die Grausamkeiten, die von beiden Seiten auf dem marokkanischen Kriegsschauplatz verübt wurden und fordert das freieSelb st be stimmungsrecht der Völker. Der Völkerbund möge durch sofortiges Eingreifen zu- gunsten eines Friedensschlusses seine Existenz rechtfertigen. Dieser Aufruf, der der gesamten Presse zugegangen ist, wurde bisher nur von„Humanite" und.Ere Nouvelle" veröffentlicht. Sonderbares aus Sondershausen . Oder: Warum hält der Herr Staatsanwalt die?tobe zu? Aus Sondershausen wird uns geschrieben: In der Verhandlung gegen drei Parteigenossen, die sich am Mittwoch wegen angeblichen Meineides vor der hiesigen Straf- kammer zu verantworten hatten, siel es allgemein auf, daß der amtierende Staatsanwalt andauernd seine Robe ängstlich zusammen- hielt. Jedermann fragte sich: was birgt er unter dem Gewände? Sollte der Herr Staatsanwalt eine Blöße zu verhüllen haben, gleichwie Susanne im Bade? Plötzlich ging einmal die Robe aus! Und was zeigte sich? Ein richtiggehendes oder rjchtigsitzsndes Stahlhelinabzcichcn! Der Verteidiger, Genosse Dr. Rosen- seid- Berlin sprang auf und erklärte, er sei nicht gesonnen, unter dem Zeichen des Stahlhelms zu verhandeln. Er forderte die Ent- fernung dieses monarchistischen Abzeichens aus der Verhandlung eines von der Republik eingesetzten Gerichtshofes. Allgemeine Ver- blüsfung! Man wußte am Richtertisch nicht recht, was man machen sollte. Da— erhob sich schließlich der Staatsanwalt und— mit einer nicht zu beschreibenden Gebärde nahm er den Stahl- Helm von seiner Brust und ließ ihn in die Tiefe» seines Gewandes verschwind en. Man kann sich vorstellen, welche moralische Eroberungen die republikanische Justiz mit diesem stahlbehelmten Staatsanwalt gemacht hat, und welches Vertrauen unsere angeklagten Genossen, deren Prozeß übrigens vertagt rourd- von der»objektivsten Behörde der Well" entgegenbringen.