Unterhaltung unö ÄNissen
Drama auf öem Postamt. Don 3cns Lornjen. Emil Iand-r stellte sich behutsani ans Ende der Kette, die vorm Postschalter wartete. Die Luft log dumpf und stickig in dem über- heizten Raum,«taub und Sand schurrte unter den Füßen. 2ll> und zu hörte der Wartende die rasch fragende Stimme des Beamten, etwas mit dem unbehaglichen Gefühl, daß er ebenso rasch würde antworten müssen. Jander hob die Schulter ein wenig unterm Mantel. Es war gemütlich warm ini Postgebäude. Die Luft roch nach seinem Bureau, das heimelte ihn an. Sie saßen da auch eng zu zwölf zusammen, meist schiffbrüchige anderer Berufe, schwaßten und arbeiteten, schalten und waren doch recht eigentlich zufrieden, geregeltes Brot gefunden zu haben. Auch die kleine fchwachbrüftige Frau Jander, die mitunter noch wieder auf der Maschine aushalf, war gerade noch froh, daß sie beide aus dem Sturm in den echten Frieden der Tag- lichkeit eingefahren waren. Glücklich waren sie beide, immer ein wenig hungrig, immer ein wenig entrauscht, aber doch zufrieden, daß sie sich zuin Lcbensrest gefunden hatten, wie sie längst ihr Leben miteinander hätten verbringen müssen. Die großen Türen der Post knarrten ab und zu, ein kalter Luft- zug fuhr jedesmal in den Raum und ließ die Kette der Wartenden ein wenig zujaminenrücken. Immer, wenn einer den Schalter ver- ließ, schnurrte der ganze Zug und drängte aufeinander. Auch der tleme Jander drängte mit. Er wurde mit dem Kopf gerade in einen Frauenpelz hineingeschoben und blinzelte vergnüglich. Er wollte ganz unauffällig auch noch ein Ohr Hineinschicben. Da sah er bei einer flüchtigen Bewegung das Gesicht der Frau, der Atem blieb ihm stehen, so sehr erschrak der kleine Herr Jander. Ein Gefühl zertrümmerter Behaglichkeit erschütterte ihn. Er wollte heimlich umkehren, aber er wagte es nicht, wo sollte er die Amtsbricfe sonst aufgeben? Die Frau hatte ihn noch nicht gesehen. Irgendeine Neugier, ihr ungesehen zu folgen, begann Jander zu kitzeln. Er sah im Geist die Zeit, die sie einander gehört hatten. Er hatte eine kleine Fabrik führen sollen, sie hatte ihm jede Lieferung beraten und verzankt und war vor lauter Luftschlössern und Plänen nicht zu Atem gekoinmen. Die UnHeimlichkeit jener ersten Ehe durchsröstelte den Schreiber. Es war ein Jahr des Entsetzens ge- wejen, bis die Frau ihre eigenen abenteuerlichen Wege gesunden hatte und er die andere nahm und ein Kühnchen fand, auf dem er slilloergnügt durchs Leben plätscherte. Emil Jander machte sich recht klein, halb aus boshafter Reu- gierde, halb aus Furcht. Er war jetzt bald an der Reihe, blieb ober immer vorsichtig hinierm Pelzkragen. Da hörte er die Stimme der Frau, sie war etwas müder als"früher, ober immer noch voll und herrisch. Einen Brief verlangte sie. Der Beamte suchte einen Augenblick und warf ihn ihr unhöflich durch den Schalter. Sie ging sofort ohne aufzusehen. Jander kam mit seiner Einschreibeliste. Aber er blinzelte erregt der anderen nach, und er sah, wie sie ans Fenster trat, eine kleine Busennadel löste und den Brief aufritz. Ob s von dem Ingenieur war, der nach Amerika lief, oder von dem Börsenmann, oder ob s von einer Bank kam? Jander brannte vor Wißbegier, er mutzte fast, es würde eine schlechte Botschaft sein. Und wie eine Antwort auf seine Gedanken seufzte die Lesende tief auf. es war einen Augenblick, als verlöre sie schmerzvoll den Holt. Sic suchte eine Stütze, ließ sich auf die Wartebank nieder. Der Brief lag auf dem Schoß," sie las nicht mehr. Der Beamte schob Jander barsch das Buch zurück. Er schrak zusammen, noch ganz benommen und suchte irgendein Mitleid niederzukämpfen. War dieser Schmerz das Ziel, das Unbekannte, um das die Frau ihr Leben gekämpft hatte? Ach, hätte sie ihn doch begriffen, wie froh ein behaglicher Tag sein kann, ein Sonntag oder cur Abend mit Kollegen. Ein bißchen versöhnte Rechthaberei kämpfte in seinem Beileid. Jander ging schon auf die Tür zu, da könnt er's nicht lassen. Als ein Schicksal fühlte er sich, dem zu helfen ausgegeben war. Er schritt wie von ungefähr zur Bank unterm Fenster, räusperte sich und zupfte die Bersunkenc hilfsbereit am ?Irm. Aber die Frau erschrak nur heftig, sah ihn groß an, wollte ein Wort sagen. Dann lächelte sie kurz, schüttelte den Kopf und ging wortlos hinaus. Jander hatte noch kein Wort hervorgebracht. Er sah ihr etwas entrüstet nach und fühlte über Kragen und Schlips. Er erboste sich in seiner Berkonntheit, sein Schopf sträubte sich. Dann fragte er sich, was er hätte sogen wollen. Er erschrak, er hätte es nicht gewußt. Er'fürchtete sich nachträglich vor ihrer herrschsüchtigen Frage, dachte zärtlich an die Jandersche daheim und sehnte sich von Herzen, es möchte fünf Uhr fein und die Glocke zur Heimkehr schrillen.
Das Schellfisthauge. Von Arida Erdmute Vogel. Meine Gemüsefrau von drüben an der Ecke, hat sich einen neuen Ausklopfer getauft: den nächsten Tag war sie eine Leiche. Ich stand am selben Tage gerade in ihrem Laden und erstand: Ein'" halbes Pfund weißen Käse, für zehn Pfennig Schnittlauch und dann noch ein paar Apfelsinen— ja. wie verkaufen sie die eigemüch� einC Mark/ kam es flott aus dem Mund der Gemüsefrau. Ich wagte einen Einwand von„viel billiger anderswo, ein Dutzend für den gleichen Preis/ ober da kam ich schön an. ,.Na die Dinger von den Rieselfeldern/ sagte sie,„wenn Sie die abpellen hab'n Sie'ne armdicke Schale in der.Hand, dichte wie'n Paar Filzpantienen und was bleibt übrig von der Appclsine - n'kleenes Kügelchen mit kee'n Saft, kee n nischt, dos reine Stroh! Wissen Se, wie mir die immer vorkommen? Wie'n Schellfisch- auge!" Ich starrte verständnislos und sie erklärte:„Das haben wir als Kinder immer so gern gemacht, wenn's Schellfisch gab und den gab's oft, weil wir ihn doch ins Jeschäft führten. Jeder wollte immer ein Auge kriegen, so'n großes, glibbriges Dings; und dann pellte man den Bibber mit'nem Messer ab, und dann kam'ne weiße Kugel, und die mußte man auch noch abkratzen und dann rvar's endlich richtig, dann hatte man so n Dings in der Hand, wie aus Glas, nich oille größer als n Stecknadelkopf. War eijentlich for nischt. nich zum spielen, denn wenn man mit trudeln wollte. verkrümelte es sich gleich. Und deswegen hotten wir uns nu so. und haben uns manchmal doll in den Haaren gelegen um so'n Ooge!— Ja. so sind de Menschen, rackern sich ab und rackern sich ab und is doch schließlich nischt dahinter! In diesem Augenblick kam ein Händler mit einem Korb voller Bürsten, Schnürsenkeln und Nähgarn herein. Er ofserlerte seine Ware, wurde aber mit einem„Wir brauchen nischt, von dem Mann (Bsmüfefrau, der die ganze Zeit im Hintergrunds des Ladens Zucker ausgewogen hatte, unterbrochen. Er schwenkte mit einer bedauernden Bewegung die Hand und drehte zum Gehen, als die tvrau drei Ausklopfer, die er mit einem Bindfaden am Rock befestigt trug, bemerkte. „Was kost so'n Ausklopfer?" Och, die sind janz billig, eene March, im' piekfeine Arbeit, Klosse! Er machte einen los:„Seh'n Se, aus ei'm Swck, damit kenn'n Sc Ihr« Perser mit kloppen un Ihren Ollen, wenn er hmmmt dazp."
Aus der Ecke tönte ein bedenkliches Knurren. „Jeden Se schon her." Als der Händler gegangen war und sein Geld weghatte, kam der Mann der Gemüsefrau mit rotem Kopf an den Ladentisch: „So wird nu das Geld rausjeschmissen»n bei die Zeiten! Da spart man, un knapst man un jönnt sich nischt mehr— un' denn jcht's uff die Art druff!" Das war alles zu mir gesagt; aber wie auch die wiederholten, bösen Seitenblicke zeigten, für die andere Adresse bestimmt. Doch darauf oerschwand er gleich wieder, um für zwei neueintretende Kundinnen den ausgewogenen Zucker zu holen. „Hafte Worte," sagte die Frau und klatschte sich schwer auf einen Stuhl hin, so daß Busen und Bauch zufwnmenschwappten,
»5>ie haben alle Daren in den Händen und machen damit, was sie wollen und»reiben ohne Scheu die erwähnien Stücke, daß sie den preis steigern und niedrigen nach ihrem Gefallen, und drücken und verderben die geringen kauflcute gleichwie die Hechle die kleinen Fische im Dasser. als wären sie Herren über Gottes Kreatur und frei von allem Gesetz des Glaubens und der Liebe. So man die Straßenränder und Mörder rädert und köpft wieviel mal sollte man alle Wucherer rädern.... versagen, verfluchen und köpfen." lAuS Martin LuthcrS Schristcn.)
„ich, un' Geld rausschmeißen, aber der! Trinkt eine Flasche Bier nach der andern, als ob das nischt kosten tut. wenn wir se auch in's Jeschäft haben. Un' für'ne Kiste Zigarren is es allemal da. Ada nie was vor mir, vor son' lumpigen Kiopser, den ich doch so brauchen tu un' den doch jede ordentliche Frau haben muß!" Doch nun wippte Fräulein Emmp im roten Strickjumper herein, mn für ihre Herrfchost den großen Einholctorb zu füllen, und ich räumte dos Feld. Als ich dann aber am nächsten Morgen erfuhr— noch in der Nacht mar es geschehen— die Gemüsefrau hätte sich vergiftet siel mir der Vorfall mit dem Klopfer ein. Sicher war er nicht die direkte Ursache gewesen, wohl ober das letzte Glied einer Reihe von Kränkungen und Ungerechtigkeiten, die sie leider still in sich reingewürgt hatte, anstatt mit kräftiger Erwiderung daraus los- zulegen. Ein Berfahren, dos ihr gewiß besser bekommen und der Dauer ihres Lebens dienlicher gewesen wäre.— Und dann dachte ich an ihre Erzählung non dem Schellfisch- auge, an ihre Worte:„Ja, so sind de Menschen, rocken, sich ab und rockern sich ab und ,s doch schließlich nischt dahinter!" Und daß ihr das vielleicht den Antrieb und Hintergrund zu ihrer Tat geliefert. Und daran war i ch nun wieder schuld: denn hätte ich nicht an dem Apselsincnpreis gemäkelt, wären ihr die Schellfisch- «rlebmsse ihrer Jugend mit der traurigen Parallele zu der Gegen- wart nicht wieder eingefallen. Aber dann kam meine Auswartung mit der neuesten Neuigkeit: „Der Gemüsehändler hätte was mit dem Fräulein Emmy im roten Jumper gehobt, und das wäre der Fra » gestern zu Ohren gekommen. Do stürzte das logische Gebäude meiner Selbstvovwürse prasselnd zusammen und ich verlachte mich, daß ich so abstrakte Dinge wie Ausklopfer und Schellfischauge herbeigeholt hatte, anstatt an die natürlichste, allgemein beliebte und naheliegendste Ursache zu denken.—
vom freien Spiel Her Kräfte. Don Konrad Seisfert. Er wußte genau, daß er nicht reich werden konnte. Und wenn er auch schuften und Ueberstunden schinden würde. Niemals würde ihm feine Arbeit mehr einbringen, als er zum Lebensunterhalt notwendig brauchte. Das war ehernes Gesetz. Dagegen ließ sich nichts machen. Das wußte er. Aber er wollte es etwas besser haben als bis- her, wollte es etwas weiter bringen, wollte eine Hoffnung haben. Jetzt hatte er keine. Jetzt ging er früh zur Arbeit und kam abends von der Arbeit, jeden Tag, jede Woche, jedes Jahr. Jahrzehnte hindurch. Bis er sich schließlich als Arbeitsinvalidc bettelnd an irgendeiner Straßenecke stehen sah. Das waren die Aussichten, die er hatte. Sie erschreckten ihn, zwangen ihn zum Nachdenken und zum Entschluß, eiwa» zu tun. um dem ehernen Gesetz und einem ihm vorgezeichneten Schicksal zu entgehen. Wenn er Geld gehobt hätte, dann wäre das eine einfache Sache gewesen. Dann hätte er alles unternehmen können Aber er hatte kein Geld. Er hotte nur seinen Wochenlohn, der ihm Freitags ausgezahlt wurde, und der bei einiger Einschränkung bis zum nächsten Freitag ausreichte. Um dann weiterleben zu können, mußte er weiterarbeiten.„ „Man muß etwas unternehmen! Man muß Mut baben, Mut zu sich selbst!" Da machte er sich Mut, ließ seine Arbeit im Stich und fing einen Handel an. Er wagte einen großen Wurf, setzte seinen gesamten Wochen- verdienst ein und kaufte Apfelsinen. Aber es war eine schlechte Ware, die er erwischt hatte, und bald konnte er mit der Konkurrenz nicht mit..Er fing cm zu schleudern und mit Verlust zu verkaufen
und war froh, wenigstens einen Teil des angelegten Kapitals gerettet zu haben. Dann handelte er mit Seife, mit Schnürsenkeln, mit Hosen- trägern, mit Heringen, mit Luftballons. Manchmal ging das Geschäft gut. Manchmal verdoppelte er das angelegte Kapital. Aber mit tödlicher Sicherheit kam kurz darauf ein um so furchtbarer Rückschlag, und sein Geldbestand schrumpfte bedenklich zusammen. Hotte er vorher schon Nicht üppig gelebt, so muhte er jetzt erst recht die Ausgaben für feine Person einschränken, um sein Kapital zu schonen. Das würde später alles anders werden. Später! Jetzt hatte er eine Hoffnung für die Zukunft. Jetzt war er nicht von einem ehernen Gesetz abhängig, gegen das es keine Auflehmmg gab. Das sogenannte„freie Spiel der Kräfte" und die eigene Tüchfigkeit ermöglichten es ihm, auf der sozialen Leiter Stufe um Stufe emporzuklettern, während früher diese Leiter sür ihn gar nicht bestand. Allerdings merkte er auch jetzt von einem Emporsteigen nichts. Roch nicht. Aber er hotte eine Hoffnung. Und er war jung. Er hatte Selbstvertrauen. Und das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Er verstand auch bald sein Geschäft. Die notwendige Eignung bracht« er zwar nicht von zu Hause mit. Aber er sah bei seinen Konkurrenten, wie man im freien Spiel der Kräfte setzen muß und das was man tun muß, um dem Geschäft in bestimmten Zeitobständen den bekannten Stoß zu geben. Die nächste Stufe auf der Leiter seines Aufftiegs sollte ein Gemüsekeller sein. So hatte er es sich ausgedacht. In zwei Jahren wollte er ihn haben. Aber es kam etwas anders. Als.zwei Jahrs herum waren, stand er immer»och auf der Straße, und sein Kopital war ihm trotz aller Anstrengungen zerronnen. Nach einigen weiteren Monaten sah er ei», daß er auf diesem Wege nie zum Gemüsekeller kommen würde, weder durch eigene Tüchttgkeit, noch durch Glück im freien Spiel der Kräfte. Und dann sah er, daß dieses Spiel ja gar kein freies Spiel war. Dann sah er auch hierin eine Gesetzmäßigkeit und erkannte, daß er nie unter den Gewinnern sein könne. Und dann gab er das Spiel auf. Er war um eine Hoffnung ärmer und um eine Erfahrung, die. ihm zwei Hungerjahre gekostet hatte und damit teuer bezahlt� war, reicher, als er als Kohlenpresser in eine elektrotechnische Fabrik eintrat.
Siiöerjchicksale. Kürzlich hol die kunstliebendc Welt eine besondere Sensation erlebt. Bon zwei aus der Mitte des 15. Jahrhunderts stammenden wertvollen Gobelins, den sogenannten Wartbncgleppichen, waren, wie sich bei dem Verkauf herausstellte, große Stücke von unbekannter Hand abgeschnitten und gestohlen worden. Dieser für unsere moderne Zeit kaum glaubliche Bandalismus erregt besonders deswegen großes Aufsehen, weil solche Zerstörungen in der neueren Zeit kaum mehr vorgekommen sind. Man hat es im allgemeinen �ei Diebstöhlen bewenden lassen. Gemälde und Wandbilder hoben wie Bücher ihre befonderen Schicksale. Zahlreiche oft hochwertige Gemälde sind in den ersten Jahr- Hunderten der christlichen Zeitrechnung zugrunde gegangen infolge des großen Bilderstrcitcs, der sich um die Beibehaltung der in den Gatteshäusern befindlichen religiösen Darstellungen und Heiligen- bildcr entsponnen hatte. Die Bilderseindc stürmten die Kirchen und zertrümmerten an Gemälden, was ihnen unter die Hände kam. Auch durch den Islam wurden sa viele Schöpfungen der christlichen Malerei vernichtet. Die religiöse Bilderstürmerei erlebte zur Zeit Luthers in Deutschland noch einmal ciiic Wiedergeburt, als fana- tische Wiedertäufer und andere Sektierer unier dem Schwäz�ier Karlstadt in deutschen Kirchen mancherlsi kostbares Bildwerk-�zer- Itbrten. Es kam auch vor, daß Künstler aus religiösem Eifer in späteren Lebensjahren mit eigener Hand aus der Welt schafften, mos sie in jungen Jahre» geschaffen. So überantworlete der berühmte Maler Sando B o l l' c e l l i unter dem Einfluß der Predigten Savonarolas einige seiner besten Gemälde dem Scheiterhaufen. Bränden, Kriegen und Revolutionen ist in früheren Zeiten ehenfalls oft manches berühmte Kunstwerk zum Opfer gefallen. So hoben die vieifacheu Brände, die Rom heimsuchten, auch in dieser Beziehung vielen Schaden angerichtet. lind mährend der großen französischen Renolutinn wurde manches wertvolle Gemälde durch Degenstöße und Bajonettstiche vollkommen zersetzt. Die neuere Zeit ist, abgesehen van einigen Fällen während der russischen Revolution von 1017, von solchem Massenvandalismus verschont geblieben. Hier und da hat vielleicht ein einzelner, nicht ganz normaler Fanatiker sich einen traurigen Ruhm erworben. Die Brandgefahr, die früher gerade Gemälde und Gobelins wegen der leichten Brennbarkeit des Materials bedrohte, ist heute durch um- fassende Schutzmaßnahme» fast völlig beseitigt worden. Gegen die Zerstörung durch Kriegsmoßnahmsn sind außerdem solche Kunst- werke noch durch internationale Konventionen besonders geschützt. Eine größere Gefahr bilden heute die Diebe. Der Bilderdieb- stahl ist ein besonderer Zweig des internationalen Verbrechergewer- bes, der bis heute trotz aller Maßregeln nicht gänzlich unterbunden werden konnte. Der bekannteste Fall dieser Art ist das geheimnis- volle Verschwinden der berühmten Mona Lisa Leonarda da Vincis aus der Solle Earrä des Pariser Louvre im Jahre 191l. Das Gemälde wurde fazufagen über die Hintertreppe hinweg entführt. Jahrelang blieb es verschwunden, bis es eines Tages von der Pariser Polizei aus mlisteriösen Wegen wieder zurückgeschafft werden konnte. Der Täter, ein Italiener, gab an, aus patriotischen Gründen gehandelt zu haben. Nicht unbeteiligt an dem Schicksal manches Gemäldes ist auch der Zahn der Zeit. Wie sehr er selbst an unzerstörbar scheinenden Werken nagt, zeigt Michelangelos Freskenpompofition„Das jüngste Gericht" in der Sijctinischen Kapelle im Vatikan , die schon nrg gelitten Hot. Die berühmten Schwindtschen Fresken auf der Wartburg , die de»„Sängerkrieg " darstellen, konnten 1923 nur durch die Kunst des Bilderreftaurateurs Gerhard vor den, Untergang in- folge„Altersschwäche" gerettet werden. Manches Werk größter Meister ist auch dadurch von der Bild- fläche verschwunden, daß es in unrechte Hönde geraten oder über- malt worden ist. Erst kürzlich wurden in Konstanz aus einer Erb- fchaftsmasse eine Anzahl Bilder verkauft, deren Wert dem Besitzer so gering erschien, daß er sie sür wenige Mark verschleuderte. Eines der billigsten— es hatte nur drei Mark gekostet— er- warb ein Althändler, der es an einen Gastwirt für acht Mark weiterverkaufte. Ein Fremder, der das Bild zufällig in der Wirts- lzausstube sah, erkannte es für einen echten B ö ck l i n und nahm es dem Wirt um zehntausend Franken ab. Im März d. I- wurde bei Jnstondsetzungsarbeitcn im Kreuzgang einer alten Kirche zu Ulm a. d. D. ein wertvoller„Totentanz " in Fresko aufgedeckt, der von einem unbekannten Maler im Jahre 1449 geschaffen war und bisher als verschollen galt. Uebermalungen sind nicht einmal selten. Im vorigen Jahre erst hat man zu Roubaix unter einem alten, schmutzigen Oelbild einen echten Rubens entdeckt, der auf 400 090 Goldmark geschätzt wird. Die Gefahr, daß unersetzliche kostbare Gemälde verloren gehen oder verschwinden, ist heute nicht mehr so groß wie früher. Ein verstärkter Kunstichutz sorgt sür möglichste Verringerung der Ge- fahrenquellen. Staatliche Maßnahmen, die Möglichkeit sorgfältiger Konservierung und gute Reproduktionen verhindern die Berminde- rung unsere? Kunstbesitzes und seine Benutzung zu verbrecherischen Zwecken. Doch ist noch nicht genug geschehen. Man darf hassen, daß gerade die Affäre mit den Wartburgteppichen zur Ausfüllung bestehender Lücken Anlaß gibt.