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Deutschland   besonders drückend sind. Das Verbot der Fin- fuhr von lebendem Vieh und von Steinkohle. Am 15. Juni d. I. erlosch die Vereinbarung auf Grund des Ver- sailler Vertrags, die Polen   ein Einfuhrkontingent von zirka 500 000 Tonnen monatlich gewährte. Der deutsche Kohlen' kommissar macht von seinem unbestrittenen Rechte rücksichts- losesten Gebrauch. Es wird behauptet, Deutschland   sei für polnische Kohle nicht aufnahmefähig, Polen   fordert aber auch nicht die Abnahme von Kohle, feine Forderung beschränkt sich auf die Zulassung eines gewissen Quantums auf den deutschen  Markt, insofern er für polnische Kohle aufnehmefähig ist. Ver­ständnis für diese Forderung besteht auf deutscher Seite, es handelt sich nur um das zuzulassende Quantum. Sollte der in der Polemik oft gehörte Grundsatz, daß die Schwierigkeit des Verbrauchs der eigenen Produktion zu Ein- fuhrverboten fremder Erzeugnisse berechtigt, Geltung erlangen, dann würden die Grundlagen der Weltwirtschaft berührt. Polen   kann seine Textilindustrie nicht genügend be- schäftigen, es sind erschreckende Reduktionen durch Sperrung von Fabriken und Feierschichten vorgenommen worden, trotz- dem hat man es nicht gewagt, die Einfuhr fremder Textilien zu verbieten. Wir haben Schutzzölle, wir suchen die Textil- industrie vor ausländischem Dumping zu schützen, stellen uns ober nicht auf den Standpunkt von Einfuhrverboten gegen wirtschaftlich notwendige Waren. Diese Zölle treffen alle Staaten ohne Ausnahme, die Vertrogsstaaten weniger. Aber das deutsche Kohleneinfuhroerbot richtet sich tatsächlich nur gegen Polen  . Die englische Kohleneinsuhr nach Deutschland   nimmt ab, weil die englische Kohlenerzeugung an Konkurrenzfähigkeit abnimmt. Polen   möchte auch so be- handelt werden. Polen   will Deutschland   alle Benefizien eines Vertrags- staates gewähren. Die Boraussetzung ist, daß Deutschland Polen eine gleiche Behandlung gewährt. Der zweiten polnischen Forderung der Zulassung p o l n i- schenlebendenViehsnachDeutschland kann nicht dos Argument der eigenen Ueberproduktwn entgegengehalten werden. Man verschanzt sich hinter einer angeblichen Seuchen- Verschleppungsgefahr. Nun steht Polen   in bezug auf Seuchen- bekämpfung und Grenzsperre gegen verseuchte Länder(Ruß- land) auf der HöheDeutschlands, in dieser Beziehung wurden weder Opfer an Geld noch Mühe gescheut. Polen   widersetzt sich nicht der Festsetzung von Grenzübergangspunkten, pein- lichster deutscher Veterinäruntersuchung und deutscher fach- sicher Entscheidung. Die Einfuhr von Lebendvieh liegt im Interesse der deutschen   Industrie, denn sie gewinnt Häute, Horn, Blut. Hätte Polen   entsprechende Einrichtungen, dann würde es die Ausfuhr von Fletsch der Ausfuhr von Vieh vorziehen. Die Einfuhr von Kohle und Lebendvieh, dos sind die Hauptforderungen Polens  . Es fordert nicht unbegrenzte Einfuhr, es fft mit Kontingentierungeu einverstanden. Die Hauptkonzessionen, die Polen   Deutschland  gewähren kann, ist die Vertragsklausel der M e i st b e g ü n- st k g u n g, das ist die Gewährung aller vertraglichen Zoll- Nachlässe, die anderen Staaten gewährt wurden. Es handelt sich bei vielen Waren um sehr bedeutende Nachlässe, bis zu 80 Proz. der Zollsätze, die von der polnischen Industrie übel empfunden werden. Deutschland   würde eine Steigerung seiner Konkurrenzfähtgkert und eine Vergrößerung feines Absatzes nach Polen   erhalten, also eine Förderung der Be- friedigung seines größten wirtschaftlichen Interesses, denn die deutsche Einsuhr beträgt über ein Drittel des Gesamt- imports nach Polen  . Das find die Hauptfragen bei Schaffung eines längeren Handelsoertragsprovisoriums über den Handelsvertrag, der nicht so brennend wäre, würde man nachher in Ruhe ver- handeln. Der Zollkrieg schädigt nicht nur den momen- tanen Absatz, er kann den Markt, wenn nicht für immer, so doch für unabsehbare Zeit vernichten. Die Konkurrenten Deutschlands   auf dem Weltmarkt sehen freudig dieser Zer- störung zu, sie fördern sie, so wie sie es nur tun' können. Di« Gefahren eines Zollkriegs sind nicht nur Wirtschaft- licher, sie sind auch politischer Natur. Ein reger Warenaus- tausch würde beide Völker einander näherbringen, er würde so manches Vorurteil verschwinden und manche Wunde ver-
narben lassen: der Zollkrieg entfernt die Staaten von ein- ander. Nicht das Interesse der Gesamtwirtschaft hat den Wirtschaftskrieg hervorgerufen, es sind, wie immer bei Kriegen, Einzelinteressen mächtiger Schichten, die sich rücksichtslos über die Gemeininteressen hinwegsetzen und auf deren Kosten Befriedigung suchen. Die Arbeiterklasse und die breitesten Schichten der Be- völkerung haben ein Lebensinteresse am Wirtschaftsfrieden. Wahrscheinlich liefert Polen   weniger Kohle nach Deutsch  - land, als zur Erzeugung der nach Polen   ausgeführten deutfchen Waren verwendet wird. Die deutsche Bevölkerung ist an der Zufuhr von Schlachtvieh nicht weniger interessiert als Polen   an dessen Ausfuhr. Das Interesse Deutschlands  , das hochwertige Endprodukte nach Polen   ausführt, überwiegt das polnische Interesse am Handelsvertrag, da Polen   Haupt- sächlich Rohprodukte ausführt. Die Ausfuhr fertiger Waren, kondensierter Arbeitsleiung, ist ein erstklassiges Interesse der produzierenden Schichten, fomit der Arbeiterklasse. Auch in der Arbeiterklasse können nicht Sonderinteressen gewisser Produttionsgruppen über das wirtschaftliche Gesamt- interesse der Arbeiterfchast gestellt werden, besonders nicht in einem Jndustriestaate, dessen komplizierter Wirtschafts- organismus das Ueberwiegen von Sonderinteressen schwer empfinden muß. Kein Zollkrieg, Wirtschaftsfriede! Ein schmählicher Reinfall. Wieder ei« Landesverratsverfahre« eingestellt. Hitlers   Tragikomödie im Münchener   Bürgerbräukeller ist längst erledigt, beinahe vergessen. Der Trommler hat ausgetrommelt. Verslogen ist der Spiritus, das Phlegma ist geblieben. Die schwarzweißrote Fahne ist zwar nicht.über den Rhein   getragen", aber Schutzzölle und eine genehme Steuergesetzgebung bringt die Reaktion in ihre Scheuern. Damals aber, als die Wogen der völkischen Bewegung hoch gingen, war die Gefahr groß genug, daß eine hirnlose Verbrechergesellschaft mit ihren sinnlosen Putschen Deutschlands   Einheit sprengte und die mühspme Arbeit seit dem Friedensschluß über den Haufen warf. Jeder Mensch, der sein Land liebte, war daran interessiert, die Wurzeln und den Charakter dieser Bewegung restlos auszudecken. Das war auch der Grund, weswegen der.Vorwärts" am 3. Februar 1924 einen höchst charakteristischen Brief eines Hitler-Ofsiziers, namens Götz, ver- öffentllchte. Dieser Brief interessierte, wie wir damals feststellten, politisch und psychologisch:.politisch, weil er für die längst be- wiesene Mitschuld Kohrs am vollendeten Hochverrat Hitlers  und Ludendorffs neues Beweismaterial erbringt, psychologisch, weil sich in ihm die geradezu viehische Gesinnung, die in der völkischen Bewegung zu Hause ist, erschütternd wiederspiegelt". Die Deröffe«tlichung dieses Briefes im.Vorwärts" hat damals ungeheures Aufsehen erregt. Wie das immer in Deutschland   zu sein pflegt, wenn die Presse irgendeinem Skandal ernsthaft auf den Leib rückt: die erste Folge dieser Veröffentlichung war, daß der Staats- a n w a l t in Bewegung gesetzt wurde. Die kgl. bayerische   Regierung ließ durch ihr Korrespondenzbureau mitteilen, daß durch diese Ver- öffentlichung des.Vorwärts" einglatter Landesverrat" begangen fei, dernicht ungeahndet bleiben" könne. Herr v. Kahr selber hat freilich sich sehr gehütet, von sich aus irgendeine Erklärung abzu- geben. Er wird wohl gewußt haben, warucki. Mit der ihm eigenen Geschicklichkeit Hot er auch zu verhindern gewußt, daß er in dem Landesoerratsoerfahren gegen denVorwärts" als Zeuge vernom- men wurde. Cr war immer im geeigneten Momentkrank". Kohrs Rolle wurde in diesem Brief des Hitler  -Offiziers Götz sehr eigenartig beleuchtet. Götz schilderte dramatisch die nächt- liche Bewaffnung der Hitler- Banden: Mit versiegelter Order soll ich im St. A n n e n k l o st e r an- treten, die Straßen sichern und auf Befehl warten. Ich rücke also ob und sperre die Straßenzüge wie befohlen ab, gehe zu dem Kapu- zinerklosterprior und übergebe befehlsgemäß das versiegelte Schrei- den. Der eröffnet, liest und begrüßt mich stürmisch, führt mich durch endlose lange Kellergänge, durch Grabstätten und Kata- komben an eine Mauer und sagt:Hier lassen Sie öffnen!" Ich lasse Leute mit Pickel und Schaufeln lommen, breche eine anderthalb Meter starke Mauer aus und habe vor mir ein Riesen- gewölbe mit, wie sich später ergab, 8ö70 tadellosen Ge- wehren.,"s/
von wem nun waren die Gewehre? von der E.-1V. End der schriftliche Befehl, diese Gewehre zu holen, war unter- zeichnet: Dr. v. Kohr!!! Also e r hat uns zuerst doch b e wafsnet und wenn er später be« hauptete, er hätte uns e n t waffnet, so muß es heißen, er hat einen Teil seiner Gewehre wiedergeholt, denn von uns hatte keiner eine eigene oder der Partei gehörige Waffe dabei!" Herr Götz hat in seinem Bries auch nicht versäumt, ein an- schauliches Bild von den Zuständen zu entwerfen, die uns bevor- gestanden hätten, wenn dieses Gesindel zur Macht ge» kommen wäre. Die Iudenhatz ist die erste Heldentat der Er- neuerer. Mit Wollust schildert er. wie dieser ersprießlich« Teil seiner Tätigkeit beginnt: Wie ich durch ein Nebenzimmer gehen will, treffe ich auf Posten, die nur Offiziere dort einließen. Ich ging hinein und wollte mich halb totlachen, wer war drin? 58 Zuden, größtenteils in llnterhosen und Socken, wie sie aus dem Bett geholt wurden, kein Kleidungsstück dursten die Hunde mitnehmen! Ein Geschrei Huben sie an, sondersgleichen. Als sie keine Ruhe gaben, zog ich scherzee- halber die Pistole, worauf Grabesruhe herrschte und nur Herr Iosefssohn vom Hotel Königshof ächzte:Bitte, Herr Major, lassen se mitteilen meiner Frau, daß es mer geht nicht schlecht und daß ich lebe." Ich lachte ihm ins Gesicht, sagte im weggehen, daß ich da» nicht könne, denn so viel ich wüßte, begännen die Erschießungen in einigen Minuten." In diesen Mitteilungen desVorwärts" erblickte die kgl. baye- rifche Regierung eine gefährliche Haupt- und Staate- a ktion und ein hochnotpeinliches Versahren gegen den verantwort- lichen Redakteur desVorwärts", Genossen Reuter, begann. Beinahe anderthalb Jahre hat die Prozedur gedauert. Zunächst wurde in ganz Deutschland   nach dem Halunken gesucht, der diesen famosen Brief demVorwärts" verraten hat. Zu einem Ergebnis scheint man nicht gekommen zu sein. Auch die andere Frage, sozusagen die Hauptfrage dieses Verfahrens, ob die Sicherheit des Deutschen Reichs durch diese schreck- liche Publikation gefährdet sei, hat man offenbar nicht im Sinne der bayerischen   Regierung klären können. Daß die Hitler  -Banden mit Maschinengewehren und allen modernen militärischen Apparaten bewaffnet, in München   herumgerlaufen sind, da» ist sozusagen schon kein Geheimnis mehr. Mitteilungen darüber tonnte des- wegen wohl schlechterdings nicht als Landesverrat angesehen werden. Das Reichsgericht hat es deswegen jetzt für richtig gehalten, am 19. Juni sich zu folgendem heroischen Beschluß aufzu­schwingen: In der Strafsache gegen den Redakteur Ernst Reuter   wegen Landesverrats wird der Angeschuldigte aus Antrag des Oberreichs- anwalts hinsichtlich der Beschuldigung, zu Berlin   als verantwortlicher Redakteur desVorwärts" am 3. Februar 1924 den Entschluß, vor- sätzlich solche Nachrichten öffentlich bekannt zu machen, von denen er wußte, daß ihre Geheimhaltung einer anderen Regierung gegen- über für das Wohl des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates erforderlich ist, durch Handlungen, welche einen Ansang der Aus- führung dieses beabsichtigten, aber nicht zur Vollendung gekommenen Verbrechens des Landesverrates enthalten, betätigt zu haben. (Uff!! Red.) Verbrechen gegen 8 43. 92 Ziffer 1 StGB, mangels hin- reichender tatsächlicher Belastung außer Verfot- gung gesetzt. Die Kosten de» Verfahrens werden der Reich stasse auferlegt. Die Behauptung de» Angeschuldigten, daß er sich nicht bewußt gewesen sei, die Geheimhaltung der von ihm gcbanntgcgebcne-! Bachrichicn sei tür das wohl des Deutschen RÄche» oder eines Bundesstaates erforderlich, läßt sich nicht ausreichend widerlegen. Leipzig  , 19. Juni 192S. Das Reichsgericht, 4. Strafsenat. gez. R o s e n t h a l, Schmidt, Mengelkoch. Immerhin bleibt es doch erfreulich und ein Lichtblick in unserer schlechten Zeit, daß die Herren Rosenthal, Schmidt und M e n- g e l k o ch nach anderthalbjähriger Belästigung unseres verantwort- lichen Redakteurs und nach Verpulverung eines nicht unerheblichen Kostenbetrages zu dem eigentlich von vornherein naheliegenden Entschluß gekommen sind, den Oberreichsanwolt doch lieber nicht der Blamage einer Hauptverhandlung auszusetzen. Die bayerische Regierung wird wahrscheinlich wenigstens so intelligent sein, zu begreifen, daß dieser Beschluß des Reichsgerichts auch für sie eine empfindliche Ohrfeige darstellt. Sollte nicht auch der Herr Reichsjustizminister nach diesem Ergebnis über den Unfug der Landesoerratsprozesse endlich etwas anders denken?
Eitie öerlinifthe Operette. .An«e«rarie" im Schiller- Theater. DerStern von Assuan" war zweiter und dritter Güte. Diese .An nem o rt« ist ein Stern erster. Nicht in weitestem Sinne des Wortes, nicht durch die ausschließlich gute Zubereitung des Schwank» mit schmachtendem Zubehör, nicht durch Tiefe und Reu- heit au Mufik, aber durch den berlinischen Ton, der hier Tonika   und Dmniuant zugleich ist. Auch nicht eimnal ganz Berlin   wird unver- fäLchte Freude an der Annen, arie haben: aber allen, die an Possen und Lustspiel« von 1900 gern zurückdenken, und ollen Einfachen, denen Harmloses, Fröhliches, Weinerliches auch leicht angekitscht noch mehr Wohltat ist, als olle Ausgezogenheiten und Ungezogen- hettie» derberer Operette, all denen find ein paar sommerliche Lach- stunde« von den Gilbert» geschenkt. Ein Familiengeschäft. Edi, der Direktor, Jean, der berühmte Bater, Robert, der Schlager- aspirant, Sohn, Komponist und Textdichter in einem. Es sind ihm zwei typisch berlinische Kuplets eingefallen,Annemarie, komm doch in die Laubenkolonie" und(Saisonschlager!)Durch Berlin   flieht immer noch die Spree  ". Letzteres hat der Vater aus dem Füllhorn seiner musikalischen Laune mit Musik bedacht: oder vielmehr er schüttelt diese festsitzende, flotte, zündende Weise so aus dem Aermel, daß alles den Refrain mitklatscht. Jean hat den größeren Fonds an Wig und Farbe, Beweglichkeit und Schneid. Der längere Gilbert leiht beim Alten, wie das so Sitte ist In guten Häusern. Aber mit dem gepumpten Geld, das» schon melancholischer klimpert als beim Dater, mehrt er den Meiodieschatz geschmackvoll. Anleihen brauchen ia nicht immer aufgelegte Pleiten zu sein. Uebrigens lebt auch der Text Okonkowskis von Pleiten, diesmal von fingierten, und ohne Anleihen. Ein bischen dick konstruiert und in Grafenmilieu, das unwahrscheinlich fern liegt, auch ohne die Möglichkeit, einen dritten Alt zu erfinden. Auf der einen Seite die Schieber, auf der anderen die Lieber. Da» Geld gegen die Liebe ausgespielt, vastehste, und zunächst einmal die falschen Paare zusammengekoppelt. Irgend- ein zu früh gesprochenes Wort löst dann alles zu Wohlgefallen. Ich würde als Autor zu abergläubisch sein, als daß ich riskierte, das Wort Pleite so herauszuschreien: aber auch dieses verwandelt sich, dank geschickter Regie(zu der etwa der Umzug vor der Drehbühne P i r ch a u s gehört) tn Dusel und Erfolg. Die Frauen und Mädchen warfen die Buketts, die ihnen gratis verabfolgt wurden, an die Köpfe der Darsteller. Nur mit den Pralinen einer bankerott gegangene« Firma find sie vorsichtiger. Aus Taktgefühl. Als Annemarie bezaubert die blonde, süße, noch nicht ganz ent- fesselte Camilla Spiro, ihren frechen, lieben, höchst lustigen Portier tanzt Heidemann. Ihnen gesellen sich B a s e l t, Dicgelmann, Kuthan gut, Leo L e s f l e r schon schwerfälliger zu. Ueber allen aber schwebt der blinzelnde, biedere, treuzehrlichc Humor der Josesine D o r a. die so etwas wie den guten berlinischen Witz an sich durch Ihr« kratzbürstig« Kehle zur Ehre bringt. Sie ist eine Nummer für sich und muß jede Nummer dreimal sagen. Herrlich. K. S.
Die Liebenden. Uraufführung in der Tribüne. Der Schluß dieses Stückes ist ebenso unbestimmt wie sein Titel. Der Verfasser lüftet seinen Hut:Gute Nacht, meine Herrschaften, ich hoffe, Sie werden gut schlafen! Die befürchtete Aufregung habe ich Ihnen jedenfalls erspart: Pistolenknall bei 24 Grad im Schatten nein." So ähnlich. Er hat schon recht. Pulverdampf hätte die schwere, heiße Lust, die, von keiner Ventilation beunruhigt, im Zu- schauerraum herrschte, noch unerträglicher gemacht. Man war ihm für seine Geste der Wohlerzogenheit dankbar, wenn sie auch eigentlich nur eine negative Bewegung war.(Ist Wohlerzogenheit nicht meist Negation?Das Gute  , dieser Satz steht fest, ist stets das Böse, was man läßt." Na also.) An gefährlichen Klippen wurde zwar vor- beigesteuert, ober es kratzte und schrammte ganz erheblich. Schließ- lich ist es ja auch keine Kleinigkeit, wenn die schöne, nicht mehr ganz junge Helene Notin und der neunzehnjährige Victor de Tourelle sich seit zwei Monaten lieben und es sich dann plötzlich herausstellt, daß Victor de Tourelle überhaupt gar nicht Victor de Tourelle ist, sondern Victor Welowski, Helenes Sohn, den sie von ihrem ersten geschiedenen Gatten hat. Bloß aus dieser Laune heraus, weil sein Freund denselben Lornamen hat, hatte er dessen Namen angenom- men. Die Wahrheit kommt zu Tage, als Victors Vater, Eugen Welowski, zu seinem Sohn nach Paris   kommt und ihn als Lieb- haber seiner Frau findet. Victor soll, ohne zu erfahren, wer Helene ist, mit ihm nach Warschau   zurückreisen: da er sich aber hartnäckig weigert, sagt ihm der Vater schließlich die Wahrheit. Victor ist ein Querkopf und weigert sich weiter hartnäckig. Und der Vater spricht, ernsthast, männlich, gütig:Bleib: bleib bei deiner Mutter." Ob es etwas nützt, erfährt man nicht. Der Vorhang fällt, während Victor und Helene(es ist vorsichtiger, die Verwandtjchastsbeziehungen nicht zu sehr zu unterstreichen) in den Garten gehen. Auf der Bühne dauert die trotz allem nette Belanglosig­keit etwa einundeinhalb Stunden. Aber der Autor W a c l a w Grubinski hat es sich noch bequemer gemacht: mindestens die Hälfte der Zeit wird bestritten von Seufzen, Stöhnen, Weinen und Küssen. In Buchsonn, wenn man von den Regiebemertungen ab- sieht, mögenD i e L i e b e n d c n" ein Hestchen von wenigen Seiten ausmachen, was von einer lobenswerten Selbsterkenntnis des Ver- fassers zeugt. So steht und fällt das Stück eigentlich mit den Schau- fpielern, und Leonore Ehn, Veit Harlan   und Rudolf L e t t i n g e r galt der Beifall, der, von der Claque geschickt auf- gequirlt, ganz ehrlich gespendet wurde. Besonder, Veit Harlan   war ein recht glaubhafter Brausekopf, trunken vom Wein seiner ersten Liebe, ein guter, wilder Junge. Leonore Ehn. anfangs sogar bis aus die Aussprache maninert, fand ebenfalls sehr bald den rechten Ton und stattete die bis über die Ohren verliebte Frau Helene mit soviel Wahrscheinlichkeit aus, wie es das Schauspiel irgend zuließ. Aller- dings war sie die einzige, die die Lösung des verschlungenen Aus- gangs hätte andeuten können. Don diesem Recht machte sie keinen Gebrauch. Ein wirklich konventioneller Papa, ernsthast, männlich, gütig, zum Ueberfluh immer noch in seine Frau verliebt, aber an- scheinend nicht mehr eifersüchtig, war Rudolf Lettinger  , s z.
Sommergastspiel im Staatsthealer. Die Herren Rudolf P r e s b e r und Leo Walter Stein, von denen so manch- lustige Schwanke stammen, haben den Einsall gehabt, wieder ein- mal ein Stück zu schreiben. Bei diesem einen Einfall ist es ge- blieben. Beim Verfassen des LustspielesKreuzfeuer", das den gestrigen Abend im Staatsschauspielhaus ungebührlich in die Länge zog, ist ihnen leider nichts«ingesallen. Daß Fritz und Willy, die aus Amerika   nach Deutschland   gekommen sind, um Papas 60. Geburtstag zu feiern, ihre Frauen austauschen würden, weil die Paare in dieser Kombination besser zusammenstimmen, das begreift der harmloseste Zeitgenosse schon im ersten Akt. Und nun wartet man zwei weitere lange bange Akte hindurch auf eine plötzliche Wendung, eine unerwartete Ueberraschung oder auf sonstwas Luft- spielmäßiges. Nichts dergleichen passiert. Mühselig kämpft sich die dünne Handlung bis zum erlösenden Ende durch. Den Humor pumpen die Verfasser aus der Zeichnung abgeklapperter Schwank- typen, unter denen natürlich eine spleenige ungeheuer verwöhnte Amerikanerin nicht fehlt. Die Figuren sind samt und sonders, bis zur Trotteligkeit naiv und haben unwahrscheinlich viel Gemüt. Da auch das Ensemble bis auf Ri ch a r d E i v« n a ck und E h r i st e l von Pommer einen sehr behelfsmäßig sommerlichen Eindruck mochte, kroch alsbald von der Bühne das Gespenst der Langenweile in den Zuschauerraum. Dennoch zeigten sich die glücklichen Der- fasser auf die schüchternen Beifallsbezeigungen des Publikums hin bereits im zweiten Akt. Dgr. Die städtische Kunstdepulalion kaufte für die Stadt Berlin   an in der Ausstellung der Akademie der Künste das BildBlühende Schlehen" von Prof. Hans Hoffmann-Fallersleben, die Bronzebüste von Oberbürgermeister Bäß de» Bildhauers Karl Trumpf  , ferner in der Großen Berliner Kunstausstellung das BildAus Potsdam  " von M a x K o ch, Potsdam  , mehrere Blumen- stücke von Maria Preußner sowie in der Ausstellung der Berliner Kunst 192S" im Charlottenburger   Opernhaus das Oel- gemälde  Von der Schicht" von Hans Bolus chek, einen figür- lichen Silberbecher von Alwine Döltel sowie das Aquarell Alt-Köpenick" von Hans Brehmer. Otto tummer, der ordentliche Professor für Physik an der Universität Breslau, ist, 64 Jahre alt, gestorben. Er war nicht nur ein international angesehener Vertreter seiner Wissenschast. sondern auch einer der wenigen führenden deutschen   Universitäts  - gelehrten seiner Generation, die sich offen zum Sozialismus bekannten. Als sozialdemokratisches Parteimitglied hervorgetreten ist er sowohl durch Mitarbeit an der Parteipresse, wie durch Förderung des Arbeiterbildungswesens. Wissenschaftlich hat sich Lummer in den letzten Iahren besonders um den theoretischen und praktischen Ausbau des Funkwesens verdient gemacht. Alartla Zickel bat auf eine Reibe von Jahren da».Ztesiden»- Theater- gepachtet und wird diese Bühne gemeiniam mit demTheater i. d.   Kommandantenftratze» und demThalia. Theater" iühren. Da».Theater i. d Kammandantensttahe- und da»Thalia-Tbeater" tollen wie bisher nl» Opcrettenbübnen geleitet werden, da«Refidenz- Theater- soll dem ssusssl'ie! gew-dmet sein.