Keine Lösung im SachsenkonM. Der Antrag ans Auflösung des Landtags abgelehnt.
Vom Parteivorstand wir uns geschrieben: Der Parteivorstand hat zur Beseitigung des Partei- konflikts in Sachsen wiederholt Einigungsvorschläge unterbreitet, die jedoch von der einen oder anderen Seite ab- gelehnt worden sind. Die Verschärfung des Konflikts zwang den Parteivorstand am 3. Juli zu einer neuen Entscheidung. In ihr wird erklärt, daß es die Pflicht der sächsischen Partei- vertrete? im Landtage ist, „nunmehr ungesäumt die Auflösung bts Landtags herbeizuführen, um damit die Orunidloge zu schaffen für die Wisderher- stellung der Einigkeit und Geschlossenheit der sächsischen Partei, die allen anderen Erwägungen vorangestellt wenden muß und für einen erfolgreichen Wahlkampf Voraussetzung ist. Dazu gehört die vor- herige Erledigung der schwebenden Schieds- gerichtsverfahren, denn es dürft« für keinen Parteigenossen zweifelhaft sein, daß ein Wahlkampf für die Partei unter den un- günstigsten Umständen geführt werden müßte, wenn Parteigenossen in Heroorragenden Vertrauensstellungen wegen ihrer politischen Tätigkeit unter Androhung des Ausschusses aus der Partei stehen. Deshalb sind die sächsischen Organisationen verpflichtet, alles zu tun, damit die schwebenden Ausschlußverfohren endlich erledigt werden.'' Zwei Vertreter des Parteivorstandes wurden beauftragt, über die näheren Modalitäten mit der Gesamtvertretung der Sozialdemokratischen Partei im sächsischen Landtage und den Organisationsvertretern der vier sächsischen Bezirke in Dresden zu verhandeln. Leider standen die Vertreter des Parteivor- standes bei ihrer Ankunft in Dresden am 7. Juli vor f e r» tigen Tatsachen. Die Minderheit der Landtags- fraktion hatte bereits den Antrag auf Auflösung des Landtags gestellt, ohne vorher mit d« Fraktionsmehrheit Fühlung genommen zu haben. Die Fraktionsmehrheit hatte vorher m einer Sitzung einen Beschluß gefaßt, auf dessen Inhalt wir an dieser Stelle nicht eingehen wollen, obgleich manches dazu zu sagen wäre. Der Beschluß lautet: „Die sozialdemokratische Fraktion sm eh icheit ist auf ousdrücklichcs Verlangen des Parteiverstandes die Koalition mit Demokraten und Deutscher Dolkspartei eingegangen. Ebenso hat die Fraitionsmehr- heit all« Anträge der Londesinstanzen und der Landesparteitage auf Auflösung des Landtages im Einvernehmen mit dem Partewor- stände und auf seine Empfehlung abgelehnt. Auch der von der Landes« rsommlung der Sozialdemotraiischen Partei Sachsen» im Oktober 1924 in Leipzig angenommen« Antrag auf Auflösung des Landtags ist von der Fvaktionsmehrheit nicht ausgeführt worden, weil der Parteivorstand der Fraktionsmohrheit empfohlen hatte, den Landtag erst dann aufzulösen, wenn die oovher getroffenen Verein- barungen von den Instanzen durchgeführt worden seien. In einem Schreiben an die Landesinstanzen hat der Parteivorstand ausdrück- lich bemerkt, daß er der Meinung fei, dieser Landesparteitag habe die cheilmannfchen Bedingungen wesentlich abgeändert und die Durchführung der Abmachungen dadurch selbst erschwert. Wenn der Parteivorstanid entgegen feiner bisherigen klaren und sachlich de- gründeten Stellungnahme für die politische Taktik der Fraktion»- Mehrheit plötzlich, ohne die Fraktion zu befragen und ohne die poli- tische Situation in Sachsen irgentvie zu berücksichtigen, die urwer- züglich« Auflösung des Landtags fordert, so ist das«in einseitiges Diktat, das jede Verständigung unmöglich macht. Dieses Diktat wird noch oerschärst durch den Antrag auf Auflösung des Landtags, der ohne Kenntnis der Fraktionsmehrheit gestellt worden ist, obwohl den Instanzen bekannt war, daß für den heutigen Tag ein« Lerständi- gimgssitzung durch den Reichsparteitag anberaumt worden war. Der Vorsitzende der Landesinstanzen hat auch die vom Parteivorstand ausdrücklich hervorgehobene Voraussetzung einer Verständigung,„die vorherige Erledigung der schwebenden Schiedsgerichtsversohren' nicht abgewartet, wiewohl er weiß und als Vorsitzender der sächsischen Landesinstanzen wissen mußte, daß die Schiedsgerichtsverfahren gegen die in den Bezirken Dresden . Chemnitz und Zwickau wcchnen.
den Landtagsabgeordneten ihre Erledigung nicht gefunden haben. Die in Betracht kommenden Abgeordneten müssen jedoch darauf be- stehen, daß die schweren Vorwürfe, denen sie infolge ihres Aus- fchlusses aus der Partei ausgefetzt waren, im ordenllichen Schieds- verfahren nachgeprüft und erledigt werden. Erst wenn das ge- fchehen ist und die ordentlichen Schledsoerfahren durchgeführt find, ist der Weg für eine Verständigung geebnet. Eine Perständigung setzt ober voraus, daß die Gründe beider Richtungen gewürdigt werden. Den«mgesonnenen Diktaten zu folgen lehnt ober die Fvaktionsmehrheit ab, denn eine solche chandlung würde nicht nur die 23 zu willenlosen Werkzeugen bestimmter persönlicher Interessen herabwürdigen, sondern auch das Ansehen der Partei wie die Be» lange der Arbeiterschaft und des gesamten sächsischen Volles und Landes aufs schwerste schädigen. Die Fraktionsmehrheit wird daher gegen die vorliegenden Anträge auf Auflösung des Landtages stimmen." Dadurch ergab sich, daß nicht eine gemeinsame Sitzung abgehalten werden konnte, in der die Meinungen ausgetauscht und die beste Art der Erledigung der in Betracht kommenden Fragen gefunden werden konnte. Es standen sich vielmehr Körperschaften gegenüber, die vorher ihre Beschlüsse gefaßt hatten und es als ihre Auf- gäbe betrachteten, diese Beschlüsse zu vertreten. Trotzdem be- mühten sich die Bertreter des Parteivorstandes, eine Regelung auf der Grundlage der Entscheidung des Parteioorstandes vom 3. Juli herbeizuführen. Im Laufe der Verhandlungen einigten sich die Bezirksvorstände auf folgende Entschließung: „Die Bezirksvorstände stellen sich aus bon Baden des vom Parteivorstand gefaßten Beschlusses, den Landtag sofort auszulösen und erklären, daß sie, um eine sofortig« Beilegung des Sachsen - konsliktes zu erreichen, bereit sind, die schwebenden Ansschlußanträge zurückzuziehen. Voraussetzung dafür ist die vom Parteworstarid selbst gesetzt« Bedingung, daß die Landtagsfrakticm noch vor Vertagung des Landtags einmütig einem Antrage aus Auflösung zustimmt." Damit wollten die Bezirksvorstände für ihren Teil der Entscheidung des Parteioorstandes Rechnung tragen. Die Mehrheit der Fraktion beharrte auf ihrem oben wieder- gegeben Beschluß. Es war also nicht möglich, das Ziel, das der Parteivorstand sich gesteckt hatte, zu erreichen. Um nichts unversucht zu lassen, bemühten sich die Vertreter des Partei- Vorstandes, eine Zwischenlösung herbeizuführen. Leider vergeblich. Run blieb nichts anderes übrig als die Verhandlungen für beendet zu erklären und dem Parteivor- stand Bericht zu erstatten. In seiner Sitzung vom 8. Juli nahm der Parteivorstand den Bericht seiner Vertreter ent- gegen. Er beschloß folgendes Telegramm an den Vorsitzenden der sächsischen Landtagssraktion zu richten: „Parteivorstand hält nach erfolgter Berichterstattung an seiner Entscheidung vom 3. Juli fest und erwartet von Euch, daß Ihr im Interesse der Gesamtpartei seinen wohlerwogenen Beschlüssen Rech- nung tragt. Bitten jedem Fraktionsmitglled hiervon Kenntnis zu geben." Vorstehende Tatsachen unterbreiten wir den Partei- genoffen zur Information. Der fluflösungsantrag abgelehnt. Dresden . S. Zoll.(Eigener vrahkberlcht.) Der Antrag ans LandtagsauflSsung, der von den Kommunisten und der Linken der Sozialdemokratie gestellt war. wurde im sächsischen Landtage mit 4? Stimmen gegen ZS Stimmen abgelehnt: g Abgeordnete fehlten. Für den Antrag stimmten die Sommunlflen, 1? Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion und die veusschnationalen. Gegen den Antrag stimmten geschloffen die ZZ Angehörigen der Mehrheit der Sozialdemokratie, die Demokraten und die Deutsche Volkspartei .
Agrarische Täuschungsmanöver. Eine falsche Statistik des Deutschen LandwirtschaftsratS. Einen interessanten Z w i s ch e n f a l l gab es gestern in der vom Reichstag eingesetzten Kommission, die sich mit der Frag« der Schutz.' zolle in einer besonderen Agrarenquete besaßt. Der Zwischenfall zeigte so recht, mit welchen Mitteln die sogenannten wissen- schajtlichen Stellen und sogar die halbamtlichen Organe der Land- Wirtschaft arbeiten, um die brotverteuernden Zölle den breiten Aolksmassen schmackhaft zu machen. Ein Vertreter des Deutschen Landwirtschaftsrates, nämlich Dr. Fensch, unterbreitete der Kommission ein« Statistik, die beweisen sollte, daß der Z i n s e n d i e n st der Landwirtschaft trog der Rückzahlung der Vorkriegshypotheken in entwertetem Geld« um 19 9 bis 2 9 9 P r o z. höher sei als vor dem Krieg«. Begründet wurde diese Steigerung der Zinslast mtt der hohen Verschuldung der Land- Wirtschaft durch Wechselkredite zu hohen Zinssätzen, aber auch damit, daß man ohne jede spezielle Nachweisung all« möglichen anderen Schulden als Produktionsbelastung einsetzte. Schon der Demokrat Prof. Bonn wies darauf hin, daß es unbegründet sei, wenn man die Rentenbank-Grundschuldzinsen der Pro- duktionsbelostung hinzurechnet, und das mit Recht. Denn die Ge- winne aus der Rentenbank und ihre sonstigen Vorteile sollen ja der Landwirtschaft zugute kommen und deswegen kämpft ja gerade der Reichslandbund dasür, daß die Rentenbank-Kreditanstalt gegründet werden soll. Die Entlarvung. Scharf und treffend wurde vom Genosseu hllferdiag die ganze Aufmachung der Statistik al» eine irreführende Fälschung nachgewiesen. Er stellte von vornherein fest, daß einige Zahlen aus der umfangreichen Ausstellung eine absolute ll n. Möglichkeit iiud. wenn die Zahlen nämlich wirklich richtig wären, so würde da» bedeuten, daß die Landwirtschaft heule eine Zinslast von mindestens 1399 Millionen Mark gegen 659 Millionen vor dem Kriege haben würde, wir wissen nun aus anderen Er- Hebungen, daß die gesamte Verschuldung der Landwirtschaft mit zwei bis zweieinhalb Milliarden zu veranschlagen ist. Eine Zins- last von 1399 Millionen würde dann aber in Prozenten ein« Verzinsung von 6 0 bis 70 Proz. ergeben, und das ist osfen- kundig eine glatte Unmöglichkeit. Für Ostpreußen wurde die hypo- thekcnschuld vor dem Kriege mit 654 M. je Hektar angegeben, wovon bis zu dem Zeilpunkt, in dem die Auswertung einsehen soll, also bis Milte 1922. angeblich nur 19 proz. zurückgezahlt sind. Alles, was wir bisher von der Landwirtschaft gehört haben, widerspricht dieser Behauptung. Auch die nach der Auswertung verbleibenden Zinslasleo sind zu hoch angenommen. Selbst wenn die angegebenen Zahlen ober richtig wären, so würde das pro Hektar 8,4 M. Zinsen ausmachen. Die wechsclschuld würde für Ostpreußen ebenfall» nur etwa 8 M. je Hektar ergeben, nachdem man mit einer Verzinsung von 15 Proz. zu rechnen hat. Rechnet man nun selbst die Renlenmarkgrundschuld. die als eine Sleuerlosl in dieser Ausstellung gar nichts zu suchen hat. hinzu, so kommt man zu dem Ergebnis, daß immer aus Grund der mitgeteilten Zahlen die Zinsverpslichwngea der ostpreußischen Land- Wirtschaft höchstens 29 M. je Hektar betragen kann, während die vor- gelegte Statistik den Zinsendienst mit 4 4.Z9 Mark se Hektar angibt. Es ist ganz unmöglich, daß diese große Differenz noch aus andere Schulden enlsällt. 3ch möchte Bankausweise von Kleinbauern sehen, die eine derartige Sontokorrenlschuld glaubhaft machen. Die agrarischen Vertreter waren von diesen Fessstellungen derart niedergeschmettert, daß sie nichts zu erwidern wußten. Der Deutsche Landwrrtschaftsrat ist eine amtliche Der» t r e t vng der gesamten deutschen Landwirtschaft und hat die Pflicht zur Obiektivität: er Hot diese Pflicht aber soweit außer acht gelassen, daß er eine offenkundig falsch« Statistik vorgelegt hat. die nicht einmal die Agrarier im Ausschuß zu verteidigen wagten. Geradezu belustigend war es. im wetteren Verlauf der Verhandlung zu beobachten, wie ein landwirtschaftlicher Sachverständiger darum bat, man sollte ihm doch aus sein gutes Gesicht hin gsauben und sich nicht an Zahlen klammern, denn es gehe der Landwirtschaft schon wirklich schlecht.�— Nach solchen Mogeleien diese Lieder! Die Arbeiterschaft weiß aber jetzt, was sie selbst von den sogenannten amtlichen Zahlen der Agrarier zu halten hat und wird den Angaben aus diesem Lager mit doppeltem Mißtrauen entgegen- treten. Der Ausschuß zog aus den Fessstellungen des Genossen hilfer- ding die Konsequenz, daß er, ohne Widerspruch bei den Agrariern zu finden, die Debatte über die Statt st ik vertagte und noch Einzelunterlagen anforderte. Ueber den Ausgang der Untersuchung herrscht schon jetzt kein Zweifel mehr: dazu war die Fälschung doch zu plump. Es bleibt höchstens zu ergründen, wem die Schuld daran beizumessen sst, ob der Statistischen Abteilung des Deutschen Landwirtschostsrates selbst oder den famosen agrarischen Buchstellen, die die Unterlagen für die Erhebung geliefert hoben. Man wandte sich dann wieder der Frage der agrarischen Ber- schuldung zu. Gras Kayserlingk glaubte, mit dem Geldbedarf der Landwirtschaft schon bei der kommenden Ernte die sofortig« Einführung von Schutzzöllen begründen zu können. In einem Frage- und Antwortspiel mit. Pros. Bonn stellte sich dann heraus, daß die Landwirtschaft die Zölle gar nicht will, um intensiver wirtschaften zu können als bisher, sondern nur, um ihre bisherige Intensität zu erhatten..Dann lassen Sie aber bllle," so bemerkte Prof. Bonn , „alle Sprüche darüber, daß Sic mit der Schuh, ollpolilik die Handels- bilanz aktiv machen wollen." In der Tot klasst hier der schrosjste Widerspruch zwischen dem, was die Agrarier wollen und dem, was sie wirklich können...... � Oekonomierot Richter verstieg sich zu der Behauptung, daß es in der sächsischen Landwirtschast überhaupt keine Erträge mehr gebe. Als die Zahlen, die er zur Begründung dieser Behaup- tung anführte, einer Kritik unterzogen wurden, machte er einen schleunigen Rückzug und bat, man möchte ihm auch so glauben.... Der Sachverständige Prof. Beckmann entwickelte in interessanter Weise«ine Theorie, die dahin giss9> desonders der viehzüchtenden Landwirtschaft durch Zölle da« Mittel zu einer zwang«- mäßigen Kopitalbildung auf Kosten der Konsumenten geben müsse. Er wirrd« von Prof. Bonn darauf hingewiesen, daß es bei den heutigen Verhältnissen des Kapitalmarktes, bei der Ver- ormung des Rentnerstandes und der geringen Kaufkraft der Konsu- menten nicht möglich sei. Genosse Schmidl-Köpenick trat Irrtumern entgegen, die Graf Koyserlingk in seiner etwas zu stark auf Wirkung berechneten Auf- ft-Uunq der landwirtschaftlichen Produktionskosten gemacht hat. Er wies darauf hin, daß im Jahre 1S23 nicht mehr viel gegen Papier mark verkauft worden fei. Falsch sei auch die Behaup- wng. daß die Landwinschalt ihr Kapital nur einmal im Jahre iimschlage eine These, mit der sie immer ihre Kredttsordcrungen begründet. Cr wies nach, daß etwa 2 9 P r o Z. der landwirsschalt- lichen Einnahmen, insbesondere aus dem Berkaus von Milch und Vieh, fortlaufend hereinkämen und bei einzelnen Be- trieben sogar ausreichten, um die gesamten Löhne zu bezahlen. Auf eine Anfrage erklärte Prof. Beckmann, daß eine Steigerung de? Getreidepreise über de» W-ltmorksstand hinaus nicht mehr pro- duktlons.ördernd wirken würde und dah nur ein Aussileichszoll für Getreide und Mcbl zur Kompensation der Umsatzsteuer zu empfehlen sei. Nach weiterer An-sprache vertagte sich der Aus- schuh, um heute über die innere Preisbildung, Steuerlasten, die soziale Answirkimg des Zolles und die Landarbeiterlöhne, sowie über die englische Enquete � über die Agrarpreise weiterzuberaten.'
SchriUer�usklangim�ufwertungsausschuß Auf Mittwoch mittag war noch ein« Sitzung des Auf» wertungsaus schusses anberaumt, in der die Beschlüsse zweiter Lesung zum Anleihegesetz einer nochmaligen Durchsicht auf ihre formelle Stichfesligkeit unterzogen werden sollten. Nachdem am Tage vorher der Gottesmann Mumm, unterstützt von allen Re- gierungsparteien, einen Antrag durchgesetzt hatte, wonach die k i r ch- lichen A n st a l t e n bei der Ablösung vom Anleihebefitz in Konkurrenz treten mit de» Sparkassen und den Trägern der sozialen Versicherung, überrumpelte er nunmehr den Ausschuß mit einem neuen Antrag, nach dem den kirchlichen Anstalten für 15 Zahre eine wohlsahrtsreute von jährlich fünf Millionen gewähri werden soll. Gedeckt werden soll diese Ausgabe mit den künftigen Zollerträgen. Er teilte dabei mit, daß er die Zustimmung des Finanzministers bereits in der Tasche habe. Genosse Seil erhob sofort Einspruch gegen den Antrag und erklärte, daß seine Partei die Freigebigkeit des Finanzministers nunmehr in Anspruch nehmen werde zu reichlichen Beiträgen an die Spar- kassen und die sozialen Versicherungsträger, die um ihre ganzen in Anleihe angelegten Vermögen gekommen find. Als hieraus Mumm von der Notlage sprach, in der sich die kirchlichen A»gestellten befänden, unterbrach ihn Gen. Keil mit heftigen Zwischenrufen und fragt«, ob er denn gor keinen Blick Hobe für das Elend und die Lasten, die die Entwertung der vermögensanlaqen der sozialen Versicherungsanstalten für Ihre versicherten im Gefolge habe. Keil bezeichnete es als geradezu toll, daß man noch dem bisherigen Verhalten der Regierung mit einem solchen Antrag komme. Daraus verließen die Sozialdemokraten und Kommunisten ' demonstrativ den Saal. Es verloutet, daß die Regierungsparteien, als sie unter sich waren, den Antrag Mumm angenommen halben.
Schlußphase öes tzöfie-ftusschusses. Heute Beginn der Plädoyers in öffentlicher Sitzung. Im höfle-Ausschuß wurden gestern von den Ausschuß- Mitgliedern Fragen an die Sachverständigen Lewin und I'o a ch i m o g l u gerichtet. Das mehrstündige Frage- und Antwort- spiel ergab nichts wesentlich Neues. Daraufhin trat der Ausschuß in eine Geschäftsordnungsdebatte ein, die zum Teil nichtöffentlich geführt wurde, über die Frage der Plädoyers, der Berichterstattung und der Beschlußfassung. Es wurde beschlossen, bereits heute vor- mittag 11 Uhr mit den Plädoyers zu beginnen. Es wird versucht werden, die Arbeiten des Ausschusses bis zum Sonnabend zum Abschluß zu bringen, damit die Ergebnisse in der am Montag be- ginnenden Beratung des I u st i z e t a t s im.Hauptausschuß verwertet werden können. Die Plädoyers der Parteivertreter werden in öffentlichen Sitzungen gehalten werden.
Ein prinzlicher Schwätzer. Die Hetzrede eines Hohenzollcru. Alle sind sie uns erhalten geblieben. Keinem hat man ein Leid getan. Ausnahmslos sind sie reich und begütert geblieben, führen ein sorgenloses Leben. Ihre geliebte Uniform führen sie bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit spazieren. Ohne sie, die kleinen Geister des kleinen hohenzollerngcschlechts hat das Volk seinen Weg selbst gesunden, dafür nehmen sich die prinz- lichen Herren de» preußischen Königshauses auch die Freiheit heraus, das Volk zu beschimpfen und zu verleumden. Prinz Eitel Friedrich , rühmlichst bekannt, liebt es besonders, im Lande herum- zufahren und durch Reden im Stil eines alten Kompogniefeld» w e b e l s zu zeigen, welch subalterner Geist bei den hohenzollern gang und gäbe ist. Er redet bei dem Stiftungsfest des 1. Garde- regiments zu Fuß in Potsdam , natürlich gegen seine Gedanken „über Berg und Tal, Fluß und Moor zu i h m nach Haus Doorn in die Ferne und gipfeln in dem Wunsche, Gott segne und schütze unseren König und Herrn im neuen Lebensjahr." Man merkt- Eitel Friedrich denkt noch genau so wie sein Urgroßvater, der vor der Gründung des Deusschen Reiches 1871 unwillig die Kaiserkrone ablehnte, weil er meinte: Was soll mir der Charakter» majori" Immer feste druff! Das ist auch jetzt noch die Parole. Und wenn es nicht gegen die Franzosen geht, dann wenigstens gegen die eigenen Volksgenossen. Wagt doch dieser Herr zu sagen: „Aber während wir immer schwerer zu kämpfen hatten, gegen neue frische Feinde, waren hier in der Heimat Kräfte am Werk, die treulos gegen Kaiser und Vaterland einer mit feindlichem Geld« be- zahlten Propaganda folgend das Feuer schürte, das den Gewappneten an der Brustwehr den Atem beraubte und die Rköglichklt nahm, die Burg zu verteidigen." Die Legende vom Dolchstoß, daß ist es, was diese Herr- schaften gebrauchen, damit man ihre Schuld vergesse. Ganz wie Ludendorff schimpft der edle Prinz auf die„Reichsfeinde": „Germania trug einen schweren Panzer, aber sie trug ihn gern und wir hätten, wenn nicht die Nörgler aus Wut über jeden Sol. baten immer wieder Abstriche machten, noch ganz ander» dastehen können. Und heute wehrlos, ehrlos, ein Schacherobjett zwischen den Großmächten, liegen wir durch eigeue Schuld versklavt am Boden." „Nichts gelernt und nichts vergessen," so charakterisierte einit Heinrich von Treitschke die Bourbonen noch ihrer Rückkehr auf den französischen Königsthron. Den preußischen Königsthron werden die hohenzollen, freilich nicht mehr besteigen, aber im übrigen find sie wie alle ihres Zeichens. Auch für sie gilt das Wort Trsisschkes: Nichts gelernt und nicht» vergessen.