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Nr. 168
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Dienstag, den 14. Juli 1925
Die Krise des Linksblocks.
Das Kabinett Painlevé hat das Kartell gesprengt.
Baris, 13. Juft.( Eigener Drahtbericht.) Die Lage, wie sie durch die Haltung des Minifteriums Painlevé bei der nächtlichen Beratung des Haushalts geschaffen worden ist, kann nicht treffender beleuchtet werden als das im Laufe der Nachtfihung durch den Abg. Milhaud geschehen ist. Die fiskalisch- finanzielle Bedeutung der Auseinander fehung trat völlig in den Hintergrund gegenüber der allein entscheidenden Frage, ob in dem Konflikt zwischen Kammer und Senat die Linksmehrheit des 11. mai 1924 oder die reaktionäre des Senats, die am 10. April 1925 das Ministerium Herriot , das erste Kartellfabineff, zu Fall gebracht hat, siegen würde. Das Minifterium Painlevé hat sich, wie nach der Entwicklung der letzten Wochen kaum anders zu erwarten war, auf die Seite der Reaktion geschlagen. Es hat mit Hilfe der Reaktion von den gemäßigten Republikanern der Mitte bis zu den Royalisten der äußerften Rechten einen Sieg gegen die Mehrheit errungen, von der es ſein Mandat erhalten hat. Mit den Sozialisten haben zwei Drittel der Radikalfozialen und die Hälfte der republikanischen Sozialisten, der Partei, der Painlevé und Briand selbst angehören, gegen das kabinett gestimmt. Die feit Wochen andauernde krise ist damit zum offenen Ausbruch gekommen. Painlevé und Briand haben nicht einen Augenblid gezögert, ihren Minifterposten nicht nur die eigene politische Vergangenheit, sondern auch das kartell felbst zu opfern, das feit Sonntag nacht zu bestehen aufgehört hat. Die Opfer, welche die fosialistische Graftion felt Bochen um die Erhaltung der Koalition millen die dem Bolkswillen vom 11. Mai des letzten Jahres entsprach und bei den Gemeindewahlen dieses Frühjahrs die Feuerprobe bestanden hatte auf sich genommen hat, sind leider vergeblich gebracht worden. Bergebens haben in der Nachtfihung die Genossen Leon Blum und Bédouce den Ministerpräsidenten und den Finanzminifter beschworen, den Sieg der Linfen vom 11. Mai nicht aufs Spiel zu sehen. Ihre Mahnung ist ungehört verhalt. Caillaug hat feine Unnachgiebigkeit mit Gründen des nationalen 3ntereffes", mit der unerläßlichen Rücksicht auf die Sanierung des Haushalts begründet, um derentwillen er auf teine der bisherigen Einnahmequellen verzichten könne. In Wirklichkeit ist das, wie Leon Blum schlagend und unwiderleglich nachwies, ein rein demagogisches Argument. Denn im gleichen Augenblid, wo die Regierung die von der Linken im Intereffe der Senkung der Lebenshaltungskosten einmütig geforderte Entlastung des Kleinhandels und des Handwerks von der Umsatzsteuer ablehnte, hat sie durch Befreiung der neuen wertbeständigen Anleihe von allen Steuern den besitzenden Klaffen ein Steuergeschenk gemacht, das, wie Bédouce nachwies, auf mindestens 3 Milliarden jährlich zu beziffern ift.
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Die am Montag morgen nach der entscheidenden Nachtfihung erfolgte Schließung des französischen Parlaments gibt dem Minifterium Painlevé Ellenbogenfreiheit bis zum Wiederzusammentritt im Herbst. Zwei Probleme sind es vor allem, die es in der Zwischenzeit zu lösen haben wird: das Marokko - Abenteuer und die Sanierung der Finanzen und der Währung. Das Parlament ist dabei auf die Dauer von fast vier Monaten ausgeschaltet.
Die Opposition gegen Painlevé .
Paris , 13. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) In der Schlußabftimmung ist der nach den Wünschen des Senats abgeänderte Haushaltsentwurf von der Kammer mit 413 gegen 140 Stimmen bei etwa 30 Stimmenthaltungen endgültig angenommen worden. Bei der entscheidenden Abstimmung über die Umsatzsteuer, wo nach dem vom Präsidenten befanntgegebenen vorläufigen Ergebnis 325 Abgeordnete dafür und 245 dagegen gestimmt haben sollten, hat die Nachprüfung der abgegebenen Stimmzettel ein noch erheblich ungünstigeres Verhältnis für das Ministerium ergeben. Nach den amtlichen Ziffern hat die Regierung nur eine Mehrheit von 298 gegen 228, also von 70 Stimmen erhalten. Gegen das Ministerium Bainlevé haben geftimmt die 103 Sozialisten, 29 Kommunisten, 77 Radikaljoziale und 16 Republikanische Sozialisten. Der Stimme enthalten haben sich 51 Abgeordnete, darunter 16 Radikalsoziale und 6 Republikanische Sozialisten. Aus dem Lager des Linkskartells hat die Regierung noch nicht einmal 100 Stimmen erhalten.
Die Reaktion deckt ihre Karten auf. Paris , 13. Juli. ( BTB.) Die Opposition der Sozialisten gegen das Ministerium Bainlevé, die in der Ablehnung des Budgets zum Ausdrud kommt, wird vom Temps" als das Ende der Mehr heit vom 11. Mai 1924 bezeichnet. Die politische Geschichte werde um eine neue Lehre bereichert, denn am Abend des Tages, an dem Caillaug in das französische Parlament zurückgekehrt sei, nachdem ihn der sozialisierende Radikalismus wieder zur Regierungsmacht einporgetragen habe, habe er die parlamentarische Ehe scheidung des Radikalismus und des Sozialismus vor fich stehen fehen, deren Urheber zu werden er durch ein eigenartiges Geschick gezwungen worden sei. Das beweise einmal, daß die Verhältnisse ftärker feien, als Parteifombinationen und daß der gesunde Menschen verstand früher oder später wieder die Herrschaft über Ideologien und politische Leidenschaften gewinne. Die Vernunft lehre, daß die sozialistische Partei teine Regierungspartei sein tönne, und die Erfahrung zeige, daß die sozialistische Partei, die die Auflösung der Parteien wünsche, feine nationale Partei sein könne.
Fortgang der Räumung. der englischen Offiziere vorsehen. Dafür haben die Vereinigten Staaten die Erledigung der Erterritorialitätsfrage Redlinghausen, 13. Juli( Eigener Drahtbericht. Die zurückgestellt. Es soll, und das wird auch als Ergebnis der Borbereitungen zu der diese Woche erfolgenden Räumung der Besprechungen des Präsidenten Coolidge mit Staatssekretär ersten Zone des Ruhrgebietes, die den Bereich der Kellog gemeldet, zunächst die 3011konferenz, und zwar Redlinghaufener und Bochumer Division umfaßt, find im vollen innerhalb der nächsten drei Monate, einberufen werden. In Gange. In der Gegend von Recklinghausen werden größere Tokio aber wird die Interessengemeinschaft zwischen China und Truppenmengen zusammengezogen, um anfcheinend von hier aus Japan in den Vordergrund geschoben und in diplomatischen in das lintsrheinische Gebiet abtransportiert zu werden. In Red- Kreisen sogar ein Bündnis zwischen China und Japan erlinghausen, Gelsenkirchen , Hattingen und Bochum wogen. So gruppieren sich die Mächte zur diplomatischen find bis Montag vormittag bereits über die Hälfte der Auseinandersetzung über das 400- Millionen- Reich, dessen Offiziers quartiere und fast ein Drittel der von den nationale Freiheitsbewegung" Gleichberechtigung in der Truppen beschlagnahmien größeren Räumlichkeiten zurückgegeben Bölfergemeinschaft erstrebt. Die Rivalität der Mächte wird worden. Gepäcktransporte in die Pfalz , besonders nach Ludwigs- sich als ihr Bundesgenosse erweisen. hafen und Landau , laffen darauf schließen, daß die Truppen des Ruhrgietes nach der Pfalz kommen.
Die englisch - russische Spannung. Der Machtkampf um China . Rußland will den Bruch nicht. Vorläufiger Abschluß der Verhandlungen. Condon, 13. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Rafowity tam am Der diplomatische Zweikampf um den chinesischen Markt Sonnabend aus Moskau hier an und hatte am Montag eine lange scheint zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Die Ber- Unterredung mit Chamberlain. Er gab kenntnis von Aufträgen einigten Staaten suchten eine zweite Washington - Konferenz feiner Regierung, die für 15 000 000 Pfund Sterling Maschinen in zustande zu bringen, um die Stützpunkte des europäischen Im England bestellen will. Einem Vertreter der„ Tribune" erklärte er, Rußland eifrig bemüht, die freundschaftlichen Beperialismus aus dem Boden Chinas heraus zu brechen. Eng- ziehungen zu England, wie sie früher unter der Ministerland widersetzte sich dieser Politik, die sich unmittelbar gegen präsidentschaft Macdonalds beffanden hätten, wiederherzustellen. feine Markt- und Herrschaftsinteressen richtet. Die Nichtrati fizierung des Washingtoner Abkommens durch Frankreich gab ihin zunächst den willkommenen Vorwand, die darin vorge. fehene Konferenz über die Zölle und die Abänderung der Exterritorialrechte abzulehnen. Nach der Ratifizierung durch das französische Parlament fiel dieser formale Einwand fort.
Die deutsch - polnischen Verhandlungen. Polen zur Wiederaufnahme bereit. Warschau , 13. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Die polnische
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Freie Bahn dem Mietwucher.
Ein Triumph der Hausagrarier.
Während die Brotagrarier im Zollausschuß des Reichstages noch heftig um ihre Wuchergewinne fämpfen müssen, haben die Haus agrarier bereits ihre Ernte eingeheimst. In aller Stille haben die Regierungsparteien eine Vorlage über die Neuregelung der Hauszins= steuer ausgearbeitet, die meit über das hinausgeht, was die Regierungsvorlage an gefährlichen Absichten für die Mieter enthielt. Und da sie unter sich handelseinig geworden waren, so redeten sie auch nicht viel, sondern stellen das gesamte deutsche Bolt vor eine vollendete Tatsache. Das muß man um so stärker betonen, weil es sich um eine Maßnahme von der allergrößten Bedeutung handelt, die sowohl das soziale Leben, als auch die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands stark beeinflussen wird.
Die Beschlüsse des Steuerausschusses des Reichstages bedeuten, daß in wenigen Wochen in ganz Deutschland mit einem einzigen Sprung die volle Friedens miete erreicht wird. Dabei wird aber dann die Miete nicht stehen bleiben, sondern unaufhaltsam höher steigen, so daß in absehbarer Zeit sogar die freien Mieten erreicht sein werden. Ist das aber der Fall, dann wird auf diesem Wege- und gefördert durch die Begrenzung des Mieterschutzgesetzes auf den 30. Juni 1926 auch der Mieterschuß unterhöhlt und der Baschawirtschaft der Hausbesizer freie Bahn geschaffen.
Zu diesem Ziel gelangt man auf mehreren Wegen. Der erste Weg ist die Erhöhung der Hauszinssteuer für fistalische Zwecke. Obwohl alle Mieterorganisationen und alle Organisationen der Arbeiter, Angestellten und Beamten, sotie der freien Berufe und der Rentner, fich dagegen gewandt haben, daß die Miete zum Ausgangspunkt der Besteuerung gemacht werde, haben die Rgierungsparteien den entgegengesetzten Beg beschritten. Die Miete soll fünftig in noch höherem Maße als bisher zum Steuerobjekt gemacht werden. Bis zur Erreichung der vollen Friedensmiete müssen mindestens 20 und dürfen höchstens 30 Pro 3. der Friedensmiete für den allgemeinen Finanzbedarf verwendet werden.' Erhöht sich die Miete über die Friedensmiete hinaus, so darf ein weiteres Fünftel der Miete dafür verwendet werden.
Der zweite Weg ist die Verwendung eines Teils der Miete für die Förderung der Bautätigkeit quf dem Gebiete des Wohnungswesens. Es sollen in den nächsten Jahren mindestens 15 bis 20 Proz der Friedensmiete für diese Zwede verwendet werden. Das entspricht im Grundsah sowohl den Beschlüssen des Wohnungsausschusses des Reichstages, als auch den Forderungen der Mieterorganisationen und der Gewerkschaften. Aber doch mit einem wesentlichen Unterschied. Während diese Organisationen verlangen, daß die Miete nur zu Zweden der Neubautätigkeit beansprucht werden darf, soll jegt diese Steuer zu Wohnungszwecken erhoben werden, nach dem bereits eine noch höhere Steuer als bisher für fistalische 3wede auf die Miete geschlagen worden ist.
zugunsten des Hausbefizers wird ein Schritt getan, der nach Mit dem dritten Weg, der Erhöhung der Miete feiner Richtung hin verantwortet werden kann. Bom 1. April 1924 ab bis jetzt ist der Anteil des Hausbesitzers an der Miete von 30 Proz. auf durchschnittlich 50 Pro3. gestiegen. Bereits bei diesem Betrag hat der Hausbefiger im Durchschnitt eine höhere Rente. als in Friedenszeiten. Jezt aber soll seine Rente wieder gesteigert werden. Es sollen erstens die Länder veranlaßt werden, den Haus befigeranteil an der Miete meiter zu steigern, zweitens wird durch die Festfegung einer einheitlichen Mindesthöhe der gesetzlichen Miete im Reiche durch die Reichsregierung die allgemeine Steigerung der Mieten herbeigeführt, die die Hausbefizer bisher vergeblich erstrebten. Mit dieser Bestimmung, die die Reichsregierung in ihrem Entwurf ſelbſt be fämpft hat, ist die Kapitulation vor den Hausbesitzern im vollen Umfange vollzogen.
Infolgedessen ist die Bestimmung, daß am 1. April 1926 die Mieten mindestens 100 Broz. der Friedensmiete betragen müssen, eigentlich überflüffig. In dem allergrößten
Teile des Reiches wird die volle Friedensmiete schon in Wochen erreicht sein. Besonders in Preußen muß das eintreten. Hier ist biser die Hauszinssteuer in Höhe von 28 Proz. erhoben worden; davon wurden 14 Proz. für fiskalische, 14 Proz. für Zwecke des Wohnungsbaues verwendet. Trotzdem war die gefeßliche Miete nur
der Regelung der letzten Frage eingeseht, hat aber dafür mit den deutschen Bertretern einzutreten. Die deutschen Vorschläge ihm mun aber fünftig mindestens 60 Proz. gegeben werden Jezt hat England fich wenigstens für eine Verschiebung Handelsdelegation hat sich bereit erklärt, wieder in Berhandlungen 76 Broz. Der Hausbesizer erhielt also nur 48 Proz. Benn diplomatische Kompensationen zahlen müssen. Nach Draht follen nochmals nachgeprüft und durch Gegenvorschläge beant- müffen, außerdem 15-20 Proz. für den Wohnungsbau und
meldungen aus New York hat es sich bereit erflärt, einen Schiedsspruch über das Verhalten des englischen Polizeichefs in Shanghai anzuerkennen und die übrigen von der Schang haier Berhandlungskommission zu faffenden Beschlüsse durch zuführen, selbst wenn sie die Dienstenthebung und Bestrafung
wortet werden.
Die Bekämpfung der Sklaverei ist Aufgabe einer Böller bund stommiiiion, die erstmalig in Genf zusammentrat. An ihr nehmen Berfönlichkeiten aus England, Frankreich , Italien , Holland , Belgien , Portugal und Haiti teil
20-30 Broz. für den allgemeinen Finanzbedarf zu erheben find, dann ist das Steigen der Miete auf 100 Proz. ganz unabwendbar.
In Wirklichkeit werden die Mindestfäße faum in Frage tommen, jedenfalls nicht bei dem allgemeinen Finanz