Einzelbild herunterladen
 

/

Gftelbien bei Serlin. Im Osten Berlins , an der Streck« B« rl in M ü n ch e. b e r g, liegt die Gemeinde R e h f e l d a. b. Ostbahn. Auf Grund der in den Jahren 1919 erfolgten Aufruf« begann auch hi«r eine großzügige Siedlungstötlgteit. Die zuständigen Behörden unterstützten diese Bestrebungen durch finanziell« Zuwendungen in Form von Vautostenzuschüssen usw. In kürzester Zeit haben sich dort mehrere Kolonien z. B. Herrensee, Herrenhorst, Richterswalde usw. gebildet und sind stark bevölkert. Soweit ist alles in Ordnung. Der hinkende Bote kam aber schnell nach, und zwar wurden die wegen der Wog- und Vertehrsverhältnisse gegebenen Bersprechen bis heute noch nicht erfüllt. Diese spotten jeder Beschreibung. D i e Kolonien sind nur nach stundenlangen Märschen zu erreichen, sobald man sich auf gesetzlich erlaubten Wegen dorthin begibt. Als Fahrverbindung kommt die Vorortstrecke Berlin Strausberg in Betracht. Ab hier beginnt nun die Wände- rung. Zwei Ww« gibt es nur, und zwar der«ine über Schlagmühle von zirka 10 Kilometer Läng« durch tiefen Wald und der andere von zirka 16 Kilometer Länge über Hennickendorf. Dorf Rehfelde . Um nun auf schnellere Art zur Bahn beza), zur Arbeitsstelle zu kommen, hoben sich die Siedler einen Weg von zirka 3� Kilometer Glinge ausgekundschaftet, der aber nur unter Lebensgefahr und Ge- «ärtigung einer Strafanzeige zu passieren ist. Dieser Weg führt nämlich unmittelbar auf der Bahnstrecke entlang. Länger« Zeit erlaubte man dieses stillschweigend, bis vor etiva Jahresfrist eine allgemeine Razzia aus die dies« Strecke entlanggehendsn Siedler veranstaltet wurde und die Bestrafungen nur(o regneten. Demzu­folge war man mm wieder aus die weitausho.'ende i Weg« angewiesen. Man kann sich wohl hiernach vorstellen, welchen ungeheuren nutz­losen Aufwand an Zeit und welche Schädigung an der Gesundheit des einzelnen diese täglichen Märsche verursachen. In Krankheitsfällen ist die Herbeischaffung emes Arztes ebenfalls nur noch Stunden möglich. Aelteren Personen ist es ebenfalls benommen, jemals noch nach Berlin oder umgekehrt zu fahren, denn alles scheitert an den Weg- bezw. Verkohrsverhältnissen. Für allemgehende Frauen und Kinder ist der Waldweg nicht ohne Gefahr, denn Ueberfäll« und Unglücksfälle sind nicht selten. Im Winter, wenn alles voll Schnee liegt oder aber bei Tauwetter, ist es überhaupt nicht möglich, ohne Gesundheitsschädigung sein Ziel zu erreichen. Der Schulgang der Kinder muß vollständig ausfallen. In allen diesen Röten wandten sich die Siedler an die Reichsbahn mit der Bitte, an dem für einen Haltepunkt bereits borgefehenen Stellwerk Herrensee die schon verkehrenden Pendelzüge Strausberg Müncheberg , dort holten zu lassen. Eine hohe Bureaukratie lehnt dies aber ab mit dem Bemerken, daß 1. die Siedler die Anlagetosten nicht tragen würden, und 2. ein« Mehreinnahme für die Reichsbahn wohl nicht in Frage käme. Weshalb macht man es den Siedlern hier in Deutschland so schwer? Andere Staaten bauen erst Bahnen und fordern dann zur Siedlung auf. Bei uns-dagegen heißt es:Siedelt euch an*, und wenn es stch nachher lohnt, werden wir die Bahn dort halten lassen, ober auch nur dann, wenn ihr die Anlagekosten bezahlt. Wo bleibt da die so ost versprochene großzügig« Unterstützung der Siedlung»- tätigkeit?_

Herzberge als letzter Ausweg. Die Eheleute S a w a tz k i betrieben in der Holzmarktstraß« eine Bar: da der Mann aber selbst eine sehr große Vorliebe für die Ge- tränk« hatte, die er ausschenkte, ging es mit beiden bald wirtschaftlich bergab. Der Mann mißhandelte in der Trunkenheit seine Frau und die Kinder in rohester Weise, so daß diese da» schlimmste befürchteten. Sie sah die einzig« Rettung in der Möglichkeit, den Mann in eine Anstalt bringen zu lassen. Tatsächlich ließ der Mann sich zu einer ärztlichen Untersuchung überreden, bald erhielt dann die Frau da» ärztliche Attest, daß der Mann nunmehr der Trinker- abteilung einer geschlossenen Anstalt überwiesen werden müßt«. Die Frau eilte damit nach Herzberge und bald kam ein Irans - portwagen der Anstalt mit mehreren bewaffneten Wärtern vor- gefahren, welche denGeisteskranken* trotz heftigen Sträubens ab- führten. In Herzberge stellte sich bald heraus, daß der Eingelieferte im nüchternem Zustande gesund und harmlos war. Jetzt drehte er den Spieß um und brachte seine Frau wegen Freiheit»- beraubung auf die Anklagebant. Vorsitzender:Sie sind etwas weitergegangen, Angeklagt«, als Sie eigentlich durften, aber das Gericht hatte Verständnis für Ihre schwierige Lage und wir sind in der Annahme Ihrer Gutgläubigkeit zu dem Entschluß ge- kommen, Sie freizusprechen. Aber zunächst schicken Sie Ihren Mann nicht wieder so leichtfertig nach Herzberg«.*

Er stahl wie ei« Rabe. Lieber Staatsanwalt, befreie uns.. Nicht weniger als 6 Jahre Zuchthaus und 19 Jahre Ehrverlust beantragte der Staatsanwalt gegen den früheren Fähnrich Friedrich Wilhelm Cluever wegen Diebstahl und Betruges, obwohl dieser Angeklagte zum ersten Male vor Gericht stand. Seine Handlungsweise war aber auch derartig, daß-der Anklagevertreter ihn als einen bodenlos gemeinen Cha- rat t er von seltener Gemeingefährlichkeit bezeichnete. Was die Verhandlung über die Straftaten Cluevers vor dem Schöffengericht Charlottenburg enthüllte, ließ in der Tat in einen Abgrund moralischer Verworrenheit blicken. Ueberall, wo der Angeklagte Gastfreundschaft genossen hatte, war von ihm mit schnödestem Undank gelohnt worden. Selbst sein« eigene Mutter hatte er um all ihre Ersparnisse und ihre Schmucksachen, die sie als Notgroschen aus den Nöten der Zeit gerettet hatte, gebrocht. Be- zeichnend war es, daß der eigene Onkel des Angeklagten im Laufe des Ermittlungsverfahrens das Stoßgebet ausstieß:Lieber Staats- anwalt, befreie uns von diesem Menschen und halte ihn recht lange fest*. Der jetzt 2S Jahr« alt« Clueoer war 1919 Degenfähnrich bei verschiedenen Kavallerieregimentern gewesen. Nach seinem Aus- scheiden vom Militär besuchte er einen Vetter aus dessen Rittergut und dort stahl er gemeinsam mit dem ebenfalls als Gast anwesenden Handlungsgehilfen Ludwig F. einen wertvollen Brillantanhänger. Dann kam er nach Berlin und suchte den General der Infanterie von Etzdorf auf, der ihn vom Kadettenkorps her kannte. Hier spielte er sich als Ruhrflüchtling aus und erzählte«in« rührselig« Geschichte, daß ihm die Mutter, die Schwester und deren Gatt« zu gleicher Zeit infolge einer Vergiftung gestorben seien. Mitleidsvoll wurde ihm Ausnahm« in der Familie gewährt, wo er drei Monate wie ein Kind im Haus« gehalten wurde. Bald verschwand ein sehr wertooller Brillantring. Der Angeklagte hatte die Dreistigkeit, den B e r» dacht auf eine ganz unschuldig« Köchin zu lenken, die dank seiner Bemühungen beinahe verhaftet wurde. Nach diesem Gaunerstückchen ging er systematisch an die Ausräumung des Silberkoften». Schließ» lich fiel auf ihn selbst der Verdacht, von dem er stch ober durch sein geschicktes Auftreten einigermaßen zu reinigen wußte. Trotzdem sollt« er aber, als das Ehepaar von Etzdorf noch Dresden zu einem Familientag fuhr, noch an demselben Abend das Hau » verlasien. Bevor er ober abreiste, benutzte er die Gelegenheit, um nun vollends alles, was noch an Schmuck vorhanden war, auszu räubern.' In ähnlicher Wesse hat er noch eine ganze Reihe von Personen um ihre Wertsachen geprellt. Nach semer Behauptung sollen d i e S ch l ü s s e l stecken geblieben sein. Das Gericht konnte ihm auch nicht den Gegenbeweis machen, und so tonnte er nur wegen einfachen Dieb- stahls bestrast werden und blieb vor dem Zuchthaus bewahrt. Land- gerichtsdirektor Crohn« memte ober, daß die niederträchtig« Handlungsweise des Angeklagten die ganze Streng« des Gerichts verdiene, da dos Publikum gegen solche Burschen geschützt werden müßte. Die erkannt« Strafe gegen Eiuever lautete aus 4 Jahre 3 Monate Gefängnis und ö Jahre Ehrverlust. Ein Jahr 3 Monat« wurden auf die Untersuchungshast angerechnet.

Ei« außergewöhalicher Uvfall. Gestern nachmittag wnrde in der Grolmanstraße nahe dem Kurfürstendamm «in Schäfer« Hund überfahren und schwer verwundet. In seinem rasenden Schmerz rannte da» Tier in den naheliegenden Zigarrenladen der

' Das Rundfunkprogramm. Mittwoch, den 15. Juli. Außer dem üblichen Tagefprogramm: 5 6 30 Uhr abend«: Drittes Kinderfest der Funkatnnde. 7.108.05 Uhr abends: Hans-Bredow-Scbule.(BildnngsVurso). 7.10 Uhr abends; Abteilung Heilkunde. Dr. Paul Borinski:.Die Mileh in ihrer geenndheitfichen und wirteobaftliohen Bedeutung*. 8. Vortrag. Die Müchversorgung der ßroßst&dte*. 7.45 Uhr abends: Abteilung Musikwissenschaft. Dr. Leopold Hirsobberg: Das deutsche Kinderlied*. 8.30 Uhr abends: Sechs Kammer- musikabende des Roth-Quartetts in chronologischer Reihenfolge gloth Stromfeld Spitz Lutz). Dritter Abend. 1. Schubert : treiohqnartett D-Mol), op. postb.:Der Tod und das Midohen", AUe�ro Andante con moto Scherzo Presto. 9. Sohnbert: Klavierquintett A-Dur, op. 114(Forellen quin tett), Allegro vivace Andante Scherzo Presto Andantino> Thema con variazioni Finale, Allegro ginsto(Theophil Demetriescu, Klavier; Rudolf Klietz, Bau). Anschließend: Bekanntgabe dar neuesten Tagesnaehrichton, Zeitansage, Wetterdienst, Sportnech- richten, Theater- und Filmdienst.

Firma Neumann, Grolmanstr. 29. sprang auf eine dort befind« liche Dame zu und verbiß sich in deren Nase. Sie wurde alsbald von einem in der Nähe wohnenden Arzt verbunden. Der Hund verendete kurze Zeit danach.

Herichtsferien. Auch in jenen beiden Kriminalgerichten in Moabit , die eigentlich nur vom menschlichen Leid zu erzählen wissen, tönt heute«in leiser Ruf gedämpfter Freude..... Ferien! Welch silberhellen, frohen Klang hat doch gerade dieses Wort, das für den ringenden und arbeitenden Menschen auf kurze oder lange Zeit die goldene Freiheit im wahren Sinne des Wortes bedeutet. Und doch wird dem Ohr der leise Unterton nicht entgehen, der dem Worte Freiheit hier in den ernsten Räumen der Justiz anhasten muß! Nur wenige Meter hinter den stattlichen Gerichtsgebäuden erheben sich hohe, feste Mauern, die das Untersuchungsgefängnis mit seinen steinen, ver- gitterten Fenstern umgeben. Auch zu jenen, die hier oft qualvoll ihrem Schicksal entgegensehen, zu den Gefangenen, irrt leise, ängst- lich, als wüßte er. wie weh' er tut, derselbe Ruf.... Ferien, un- gebundene, goldene Freiheit! Wir wissen, wie tehr gerade in der letzigen Zeit auch vielen dieser Leute neben unserem Mitleid auch unser Verständnis gehören sollte! Vor allen aber jenen, denen heute ihr Schicksal noch schwerer wird als sonst. Die in bitterer Rot fehlten, sich ehrlichen Herzens wieder darnach sehnen. Mensch unter Menschen zu sein. In der Hauptsache aber wird man von eigentlichen Ferien wohl kaum in Moabit sprechen können. Es wird sicher etwas ruhiger in den großen Hallen und Fluren der beiden Kriminalgerichte zu- gehen, sich aber sonst nur um eine Einschränkung des Betriebes handeln. Rur in ganz seltenen Fällen pflegen in dieser Zeit die Schwurgerichte zusammenzutreten. Das Landgericht II könnte leicht dazu kommen, einen solchen Ausnahmefall eintrete» zu lassen. Der Polizeiwachtmeister G e h r t, der bekanntlich wegen Doppelmordes an seiner Frau und ihrer Mutter schon vor den Geschworenen stand, wurde zur Beobachtung überwiesen und könnte jetzt während der Ferienzeit zur Aburteilung gelangen. Aber auch für den 20. Juli ist ein Sensationsprozeß zu erwarten, da an diesem Tage der Strausberg «! Post raub sein« Sühne finden soll. Dann lausen alle Strafsachen, besonders H a f t s a ch e n, weiter, nur nicht allzu wichtige Prozesse pflegt man ruhen zu lassen. Das Landgericht I kann sich aus eine allzu große Einschränkung überhaupt nicht einlassen. Man hat hier nur aus eine große Siros- kamnier verzichten können. An Stelle ihrer fünf tagen also sur die nächste Zeit nur vier große Kammern. Fast dieselben Verhältnisse sind bei den anderen Landgerichten und bei den Schössengerichten. Das Z l v I l g« r i ch t entsendet genau wie in früherer Zeit mehrere Direktoren, die selbst schon Strafkammern vorgestanden haben. An Strafterminen wird also leider kein Mangel sein! Im allgemeinen sind aus diesem Grund« die Eirtschränkungen imBetriebe* diesmal weit geringere, als es sonst der Fall war. Bon einer richtigen Ferienstimmunq in Moabit kann man also wohl kaum reden. Mit dem Ende der richterlichen Urlaubszeit aber wird dann nicht nur mit der vollen Wiederaufnahme der Geschäfte gerechnet, sondern dann soll erst einmal die schmerzlich erworMe allgemeine Amnestie ihren Einzug halten! Sie wird vielen Gefangenen eine hoffentlich dauernde.Ferienfreude* bereiten.

Sein Alibi. , Eine große Anzahl Verfehlungen hatten dem Kaufmann Ewald v. S ch. eine Anklage wegen eines vollendeten und «ine» versuchten Einbruchdieb st ahl, zugezogen. Diese Einbrüche waren bei Krankenschwestern verübt worden. Die Epe - zialität Ech.» war es, Schwestern aufzusuchen, und sie um Unter- st ü tz u n g zu bitten. Der Verdacht fiel auf ihn, weil er an der«inen Stell« am Tag« vor dem Einbruch gewesen war. Al» er dann wie- der bei einer Schwester vorsprach, wurde er verhaftet. In der Verhandlung oersicherte er, daß er mit diesen Sachen absolut nichts zu tun habe. Aus seinen Strafakten werde Hervorgehen, daß er bisher stet» geständig gewesen sei. Hier könne er aber nichts gestehen, denn er wäre vollständig unschuldig. Vors.: Sie hoben sich aber am Tage vorher auffällig gemacht? Angekl.: Rur >durch meine Nervosität. Vors.: Wenn man nervös ist, sieht man sich doch nicht die Schlösser so genau an. A n g« k l.: Wenn das Schloß nun gerade vor meinen Augen liegt, muß ich doch daraus hinsehen. Vors.: Dieses Schloß Ist aber erbrochen worden. Angekl.: Das weiß ich nicht. Vors.: Nachbarn haben Sie aber auf der Flucht wiedererkannt. Angekl.: Erstens bin ich es nicht gewesen, verehrter Herr Richter, und dann kann man nacht» um 2 Uhr nie-

Die Baumwollpflücker. 21Z Roman von B. Traven . Oopyilght 1925 by B. Traven, Oolmnbos, TmnunHpes, Mezioo. Er sagte:Wae tu ich mit den paar lausigen ftrüten? Da hat man nun sieben Wochen geschuftet wie ein verrückter Negersklave, in der Glut, von früh um vier bis Sonnewinter- gang, dann heim. Und dann abgerackert, daß man kaum noch einen Knochen rühren kann, noch den elenden Fraß zu kochen und runterzuwürgen. Keinen Sonntag gehabt, kein Ver- gnügen, kein« Musik, kein Tanz, kein Mädchen, keinen Schnaps und den schlechtesten Tabak. Was soll. ich mit dem Lausedreck da ansangen?" Dabei schob er mit dem Fuß das Geld fort. Mein Hemd ist in Fetzen, schimpfte er weiter,meine Hose ein Lumpen, meine Stiefel, guck' sie dir an, Antonio, keine Sohle, kein Oberleder, kein Nischt, sogar die Riemen sind zwanzigmal geknotet. Und''nischt bleibt übrig und ge- schuftet wie ein Pferd. Ja, wären es wenigstens vierzig Pesos!" Als er das sagte, heiterte sich sein Gesicht auf. Mit vierzig Pesos," sagte er.käme, ich zurecht. Könnte noch Mexico Capitale fahren, mir neue Lumpen kaufen, damit man auch anständig aussieht, wenn man zu einem Mädchen Buenos tardes!" sagen will. Und man hat noch ein paar Pesos übrig, um es ein paar Tage auszuhalten." Du hast�recht, Gonzalo," sagte ich nun,«vierzig Pesos sind es auch gerade, die ich haben müßte, um wenigstens das Notdürftigste zu kaufen." Weißt du was?" sagte darauf Gonzalo.laß uns um das Geld spielen. Keiner von uns kann mit den paar Dreck- groschen etwas Rechtes anfangen. Wenn du mein Geld noch dazu bekommst oder ich das deine, dann kann doch einer von uns wenigstens etwas werden, denn so, wie es jetzt ist, ist jeder ein Bettler. Diese paar Groschen versäuft man doch gleich auf den ersten Sitz aus lauter Wut, daß man umsonst ge- schuftet hat." Die Idee von Gonzalo war nicht schlecht." erzählte Antonio weiter.Ich hätte mein Geld auch gleich versoffen. Wenn man mit dem gotwerfluchten Tequila erst einmal ckn- fängt, hört man nicht eher auf. bis der letzte Centavos ver- wichst ist. Das geht dann durch, besoffen, nüchtern-besoffen. nüchtern-besoffen immerfort bis alles hin ist. Und was man nicht selber durch die Gurgel rasselt, da helfen dann die Mit- säufer, und der Wirt beschwindelt einen ums Dreifache, und der schäbige Rest wird einem aus der Tasche gestohlen. Das kennen Sie doch, Gale?" Und ob ich das kannte! Ob ich den Tequila kannte, der emem die Kehle zerreißt, daß man sich nach jedem Glas

schütteln muß und schnell ein paar eingemachte Bohnen, die einem der kluge Wirt mit einem spitzen Hölzchen zum Auf- spießen hinstellt, hinterher schlucken muß, um den Petroleum- geschmack los zu werden. Aber man trinkt in einem fort wie besessen, als ob man behext wäre oder al» ob dieser Rachen- zerreißer ein Zaubertrank wäre, den man aus irgendeinem mysteriösen Grunde durch die Kehle jagen muß, ohne ihn mit der Zunge zu betosten. Und wenn man dann endlich glaubt, genug zu haben, hat man weder Hirn, noch Körper, noch Blut. Man hört auf zu existieren. Das Daseinsbewußtsein verlöscht vollständig. Alles ist fortgewischt. Sorgen, Leid, Aerger, Zorn. Uebrig bleibt nur das absolute Nichts. Welt und Ich sind verweht. Nicht'einmal Nehel bleibt. Antonio brütete eine Weile vor sich hin wie in der Cr- innerung suchend. Dann fuhr er in seiner Erzählung sort: Wir hasten keine Karten und kein« Würfel. Wir zvHen Hölzchen. Aber der gesetzte Peso ging immer hin und zurück. Es wurden nie mehr als fünf Pesos, die aus der einen Tasche zur anderen gingen. Sam spielte auch mit, und auch sein Geld wechselte n-cht von Haus zu Haus. Es war nun schon ziemlich spät in der Nacht geworden. Vielleicht zehn oder elf Uhr. Da wurde Gonzalo wütend und fluchte wie ein Wilder. jetzt habe er genug von diesem Kinderspiel, jetzt wolle er endlich wissen, woran er morgen früh sei. Ja, weißt du denn einen anderen Vorschlag?" sagte ich zu ihm. Nein!" erwiderte er.das ist es ja gerade, was mich so wütend macht. Wir albern hier herum wie die kleinen Kinder, ohne zu einem Ende zu kommen. Immer hin und her. Es ist zum verrückt werden!" Dann als er eine Weile beim Feuer gehockt hatte, in die Glut starrend, stch eine Zigarette nach der anderen drehend und jede kaum angeraucht ins Feuer warf, saate er. plötzlich aufspringend:Jetzt weiß ich. was wir tun. Wir machen ein Azteken-Duell um die ganze Summe." Ein Azteken -Duell?" fragte ich.Was ist denn das?" Gonzalo war aztekischer Abstammung. Er war aus Huehuetoca, und seine Borfahren waren einst Caciques ge- wesen. Das ist so etwas wie Heerführer und Statthalter. Die Erinnerung an solche Adelsfamilien wird auf dem Lande durch Tradition festgehalten, so gut festgehalten, daß sehr selten ein Irrtum unterläuft. Ja, weißt du denn das nicht, was das ist, ein Azteken - Duell?" sagte Gonzalo erstaunt. Nein," gab ich zur Antwort,wie sollte ich denn? Wir sind dock spanischer Abkunft, wenn wir auch schon mehr als zweihundert Jahre hier find, Baiers und Musters Seite. Aber von einem Azteken-Duell habe ich nie gehört." .Aber das ist ganz einfadd" sagte Gonzalo.Wir

nehmen zwei junge, gerade gewachsene Däumchen, binden oben unsere Messer fest daran und werfen sie dann gegen- seitig aufeinander los, bis der eine aus Ermattung nachgeben muß. Einer von beiden muß ja zuerst ermüden. Und wer stehen bleibt, hat gewonnen, der kriegt dann das ganze Geld. Dann kommen wir doch wenigstens zu einem Ende." Ich überlegte mir das«ine Weile, denn es schien mir «ine ganz verrückte Idee zu sein. Du hast doch nicht Angst, Spanier!" lachte Gonzalo. Und weil in seinen Worten so ein merkwürdiger Ton von Bcrhöhnung lag, brauste ich auf: Angst vor dir? Bor einem Indianer? Ein Spanier hat nie Angst! Das will ich dir gleich beweisen. Los zum Azteken-Duell! 18. Wir nahmen ein flammendes Holzscheit vom Feuer und krochen im Busch herum, bis wir zwei passende Stämmchen gefunden hatten. Sam wurde beauftragt, genügend Holz heranzuschleppen, damit wir ein tüchtig Feuer bekämen, um beim Kampfe auch Ziellicht zu haben. Wir befreiten die Stämmchen von den Aesten und banden oben unsere aufgeklappten spitzen Taschenmesser fest an. Selbstverständlich lassen wir nicht die ganze Messerklinge überstehen," sagte Gonzalo.Denn wir wollen uns ja nicht ermorden. Es ist ja nur um das Spiel. Das Messer braucht nicht weiter überstehen, als der halbe kleine Finger. So. das ist gut!" fügte er hinzu, meinen Speer betrachtend.Jetzt binden wir unten noch ein Stück Holz an, um dem Speer ein richtiges Schaftgewicht zu geben, damit er nicht flattert." Dann umwickelten wir unleren linken Arm mit Gras und einem Sack, um ein Abwehrschild zu haben.Denn," er- klärte Gonzalo.der Schild ist wichtig. Das ist ja eben ge- rade das Bergnügen, aufzufangen und abzuwehren." Als wir mit allem fertig waren, sagte Sam:Ja und ich? Soll ich vielleicht nur zugucken? Ich will auch mit- spielen." Der Ehino haste recht. Für seine Mühewaltung als Ber - wahrer der Spielsumme und als Zeuge mußte er seinen Lohn baben. Sie wissen ja. Gale, was für Spielratten die Chinas sind. Die würden die Frachtkosten für ibren Leichnam oer- spielen, wenn ihnen das nicht gegen alle Moral ginge. Ho!" sagte Gonzalo zu Sam.Du kannst ja aus einem von uns wetten." Fein" erwiderte Sam.dann wette Ich auf dich, Eon- zalo. Fünf Pesos. Wenn du gewsnnst, bekomme ich von dir fünf Pesos und wenn du verlierst, tliegst du von mir fünf Pesos. Du hast ja kein Jntelesse zu vcrlielen, weil du dann deine zwanzig Pesos los würdest. (Sthknß Wftt)