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Abendausgabe

Nr. 338 42. Jahrgang

Ausgabe B Nr. 166

20. Juli 1925

= Vorwärts=

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Bochum und Gelsenkirchen   geräumt.

Die Räumung bis Freitag beendet.

nicht im Zusammenhang mit dem Kreuzerbau, so doch bei der

Tschechisches Zwischenspiel.

Die Abreise des Prager   Nuntius und die tschechiche Regierungskoalition.

R. Bn. Böhmen  , Mitte Juli.

Von den Völkern des ehemaligen Habsburgerreiches waren und sind die Tschechen das am wenigsten klerikale. Der tschechische Magiſter Jan Hus   war einer der frühesten Re­

Bochum, 20. Juli.  ( WTB.) Heute früh 7,30 Uhr ist Boch am| für die Regierung als Unterhändler handelt, viel genannt worden von der franzöfifchen Besatzung vollständig geräumt worden. ist, ernsthaft seinen Rüdtritt als Erster Lord der Admi Gelsenkirchen  , 20. Juli.  ( WTB.) Gestern früh sind die ralität erwägt und das auch einer Reihe Personen gegenüber franzöfifchen Truppen in der Richtung Flugplatz- Alteneffen geäußert hat. abgezogen, um von dort aus nach Frankreich   abtransportiert zu Die Krise ist durch hinausschiebung der Entscheibellen gegen Rom  , und da sich die deutsche   Kaisermacht werden. Die Räumung vollzog fich in aller Ruhe. Vor dem im dung über den Kreuzerbau vertagt, es tann aber nach schüßend vor Rom   stellte, ward der Hussitismus auch zugleich tschechisch- national. Der Märtyrertod des Hus auf dem Mittelpunkt der Stadt liegenden Cyzeum, welches bisher als Fran- den Bräzedenzfällen kein Zweifel darüber herrschen, daß sie, wenn Scheiterhausen in Konstanz   am 5./6. Juli 1415 hat ihn und 30sentaserne diente, steht seit heute ein deutscher   Polizeipoffen. ersten besten Gelegenheit wieder akut werden dürfte. Es ist ein seine Lehre samt ihren Glaubensstreitern dem tschechischen merkwürdiges Schauspiel zu sehen, wie die Regierung Baldwin, Bolt ebenso unvergeßlich und teuer gemacht, wie die Massen­innerlich 3 ersetzt, immer weniger im stande ist, in irgend- nach der verlorenen Schlacht am Weißen Berge die alt hinrichtungen tschechischer Adliger am 16. Dezember 1620 einer der wichtigen Fragen eine wirkliche Entscheidung zu böhmische Staatlichkeit, die in jenem Teilkampf des 30jährigen fällen. Die Folge ist, daß sie gegenüber dem Problem der Krieges mit verloren ging. Arbeitslosigfiet, in der Schutzzollfrage- gegenüber Indien   und nun­mehr auch in der Frage des Kreuzerbaues innerlich gespalten, die Dinge treiben läßt.

Witten  , 20. Juli.  ( WTB.) Nachdem gestern schon ein großer Teil der Besetzungstruppen Witten   verlassen hatte, ist heute der R eft Teil der Besetzungstruppen Witten   verlaffen hatte, ist heute der R eft der Truppe abgerüdt.

Haffingen, 20. Juli.  ( WIB.) Die franzöfifchen Befehungs­truppen find heute morgen abgerückt. Damit ist Hattingen   voll­ständig geräumt.

Osterfeld  , 20. Juli.  ( WTB.) Um 8 Uhr vormittags gab die Be fetzungsbehörde bekannt, daß die Truppenquartiere um 9 Uhr der deutschen   Verwaltung übergeben werden. Der Abmarsch wird unmittelbar hinterher erfolgen. Das belgische Kontingent wird in Duisburg   verladen werden.

Paris  , 20. Juli.  ( TU.) Der Kommandeur der französischen  Besatzungstruppen, General Guillaumat, hat den Regierungspräfi­denten in Düsseldorf   offiziell davon in Kenntnis gefeht, daß der Rest des Ruhrgebietes bis Freitag um Mitternacht ge­

räumt werden wird.

Wesel  

Lippe  

Dorstan

Dinslaken

Haisum often sterkrade

Orsoy Hambur Neumühl Bottrop  

Recklinghsn.

nat

Herne

Dortmund

Buer

Gelsenkirchen  

Borbeck Essen  

Runcor

Wattensch Bochum

Hamba

Styrum

Duisburg

Mulheim Bredeney

Ruhr Hattingen

Owerden

Kettwig

Uerdingen  

OVelbert

Neviges

Ratingen  

Wülfrath

Mettmann

Düsseldorf  

Gräfrath  Wald

Benrath

Neuss

Ohligs.

Hilden  

Solingen  

Kölner

1

Km

40

Köln

Z

Wupp

Witten  Herdecke Hagen  

Schwelm  

Elberf.- Barmen Vohwinkel Ronsdorf  OLüttringhsn Lennep Remscheid  

Wermelskirchen  

Burscheid  

Opladen  

Hückeswager

Lindlar

Wipperf

Von dem seit 1923 besetzten rechts -rheinischen Gebiet bleibt ab 37 1925 noch besetzt:

K.1.8. 9921

Die Karte gibt einen Ueberblick über die geräumten Städte. Wenn es in der Notiz des Kartenbildes heißt, das Gebiet von Dusseldorf  , Duisburg   und Mülheim   bleibe noch weiter besetzt, so ist das ein Irrtum. Die Entscheidung über das weitere Schicksal des Sanktionsgebietes ist noch nicht gefallen. Frank­ reich   und Belgien   verhandeln in dieser Frage noch mit den anderen Alliierten. Es ist aber anzunehmen, daß im Laufe der nächsten Tage eine Klärung eintreten wird und daß auch diese Orte geräumt

werden.

Englische Kabinettsschwierigkeiten Meinungsverschiedenheiten wegen des Kreuzerbaues. London  , 20. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Das Kabinett, das von allem Anfang unter erheblichen inneren Differenzen zwischen einem rechten imperialistischen Flügel und dem gemäßigteren Ronfer­vativen vom Schlage Baldwins leidet, befindet sich wieder einmal in einer inneren Krise, die bemerkenswert ist, weil sie sich mehr oder minder in der Deffentlichte it abspielt, während alle früheren Schwierigkeiten möglichst geheimehalten wurden. Wie von allen Seiten übereinstimmend gemeldet wird, haben sich an

Erbaulich ist auch, wie die verschiedenen Auffassungen im Rabi­nett von der konservativen Bresse, je nach ihren Sympathien und Verbindungen, gegeneinander ausgespielt werden und damit die bestehende, allgemeine Mißstimmung erst zu einem ernsthaften poli­tischen Faftor ggemacht wird. Der einzige Ausweg aus dieser Situation dürfte schließlich und endlich in einem Rücktritt ein­zelner besonders imperialistischer und auch innenpolitisch rechtsstehen. der Mitglieder des Kabinetts bestehen, denen die Politik der Kabi­nettsmehrheit zu nachgiebig und liberal" ist. Die politischen Schwieerigkeiten des Kabinetts würden sich allerdings dadurch nur teilweise beheben, denn was das Kabinett an innerer Homogenität gewinnt, das würde es auf der anderen Seite verlieren: Die Dp position im tonservativen Lager, die die gegenwärtige Regierung wegen ihrer sozialistischen" Haltung schon heute bekämpft, würde hierdurch nur einen neuen Anstoß und größere Rückenfreiheit gewinnen. Obwohl Baldwin nach den Erfahrungen im Jahre 1923 wohl das Mittel einer vorzeitigen Auflösung des Unterhauses nicht ein zweites Mal versuchen wird, so ist doch, angesichts des bisherigen Prestige Berluftes und der wachsenden Mißstimmung nicht ersichtlich, wie Baldwin weitere drei bis vier Jahre die Regierung wird weiter: führen fönnen, ohne das ganze Land in eine Einheitsfront gegen die tonservative Staatstunst hineinzutreiben. Die Labour Party  fann jedenfalls, wie aauch die jüngste Nachwahl mit ihrem Sieg unter ungünstigen Umständen bewiesen hat, der Entwicklung mit Ruhe und Optimismus entgegensehen.

Französische   Gemeinderatswahlen.

Erfolge der Sozialisten und Radikalen. Gestern fanden in ganz Frankreich   mit Ausnahme von Baris und Umgebung, das bereits seine Generalräte vor mehreren Wochen gewählt hat, die Generalratswahlen statt. Die Wahl beteiligung war gering. Die zum größten Teil schon vorliegenden Ergebnisse lassen einen Verlust der Parteien des Nationalen Blocs und einen Gewinn sowohl der Radikalen wie der Sozialisten deutlich erkennen. ( plus 1, minus 5).

Nach einem Bariser WTB.- Telegramm waren um 11 Uhr vor. mittags 1268 Ergebnisse der Generalratswahlen bekannt. Es haben noch 158 Stichwahlen stattzufinden. Im übrigen verteilen sich die 1268 Size auf die Parteien wie folgt: Ronservative 102(+8, -16); Rechtsrepublikaner 200(+22,-60);" Lints republikaner ( Poincaré  ) 191(+22,-44); rechtsstehende Radikale( Loucheur) 117(+ 29,-21); Sozialistische Republikaner( Bainlevé Briand) 40(+ 8,-7); Sozialiften 82(+ 21,-4); Radikale( Herriot  ) 375(+ 70,-24); Kommunisten 2((+ 1,-5).

Marokko.

Ruhe vor dem Sturm?

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Paris  , 20. Juli.  ( Eigener Drahtbericht.) Die geringe Kampf tätigkeit auf dem maroffanischen Kriegsschauplatz wird in den amt lichen Berichten auf die starken Verluste des Gegners und eine da durch eingetretene Wendung zugunsten der Franzosen zurückgeführt. Die Privatmeldungen der Blätter sind dagegen weit weniger optimistisch. So führt der Sonderkorrespondent des Matin" die ge ringe Heftigkeit der marokkanischen Angriffe darauf zurück, daß Abd el Krim seine regulären Truppen aus der vordersten Linie zurück­gezogen habe, um diese auf den von ihm beabsichtigten Durchbruchsversuch nach Fez zu fonzentrieren. Auch der " Temps" stellt fest, daß die Situation, wenn sie heute etwas we niger   beunruhigend erscheint, als zu Beginn der abgelaufenen Woche, die französische   Initiative doch immer bei dem Gegnér liege, der un­geachtet der Abweisung seiner letzten Angriffe feine Offenfive gegen die den Weg nach Fez beherrschenden französischen   Hauptstellungen fortsetze.

Die Reform der italienischen Gefehbücher wird voraussichtlich schon in wenigen Monaten in Kraft treten. Im Vordergrund steht

Bon Geschlecht zu Geschlecht ward diese Heldengeschichte vererbt durch die Jahrhunderte der Habsburgerherrschaft, zur inneren Erschütterung des Habsburgerreichs hat sie sehr viel beigetragen, als der äußere 3wang der Niederlage im Weltkrieg fie vollendete. Ganz logisch, daß der neue Tschechen= staat den Verbrennungstag des Jan Hus   nunmehr zum Staatsfeiertag erflärt hat, nachdem er kurz vorher eine ganze Anzahl katholischer Feiertage entſtaatlicht hatte. In der Tschechoslowakei   besteht aber auch als neues ,, Kezer­tum" die tschechoslowakische Nationalfirche, die nicht nur die Staatssprache als Kirchensprache eingeführt, sondern neben anderen römisch- katholischen Grundgesehen auch das Ehe­verbot( 3ölibat) der Priester abgeschafft hat. Noch dazu die Vergangenheit des Staatspräsidenten Masaryk   als eines Vor­fämpfers des Antiflerifalismus genug, um das Ber­hältnis zwischen Prag   und Rom   gespannt zu gestalten. Trotzdem blieb man in offiziellen diplomatischen Beziehungen durch einen Nuntius beim Hradschin und einen Gesandten beim Baktian, dem die rund 10 Millionen Katholiken dieses Staates doch recht beachtlich sind.

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Als nun in diesem Jahr das erstemal zum Hus- Tag als Staatsfeiertag gerüftet wurde, entfaltete der römische Klerus eine lebhafte Gegenagitation. Ihren Höhepunkt erreichte die Protestbewegung, die sich draußen auf dem Lande in aller­hand kleineren Demonstrationen äußerte( so 3. B. ließ ein Provinzpfarrer den ganzen Hus- Tag Dünger über den Markt fahren!) in der Abreise des päpstlichen Nuntius Marmappi.

Den ersten Sturm aller antiflerifalen Parteien, auch der nichttschechischen, gegen diese Einmischung in innere Staatsangelegenheiten, suchte man durch die Behauptung zu beschwichtigen, der Nuntius habe bloß seinen Urlaub ange= treten. Allein bald wurde bekannt, daß er seine Abreise ganz offiziell mit einer Weifung des Batikans begründet hatte. Nun forderten die tschechischen Nationalisten, die in Hus ihren Nationalheiligen sehen, wie die Antiflerifalen, die ihn als Vorkämpfer der Geistesfreiheit feiern, scharfes Borgehen der Regierung.

Allein die regierende Koalition aller nichtkommunistischen tschechischen Parteien hat im Abgeordnetenhaus nur 34 Gtim­men Mehrheit über die Gesamtheit der verschiedenen Parteien aus Nationalminderheiten und der Kommunisten; Bruch mit Rom   müßte zum Ausscheiden der( klerikalen) tschechischen Bolfspartei aus der Koalition führen, und damit wäre die rein tschechische Mehrheit dahin. Man müßte, um Ersatz für die Klerifalen und um eine reine Mehrheit zu finden, etwa die deutschen   Sozialdemokraten oder die deutschen   Agrarier um Unterstützung bitten. Jede nationale Minderheitspartei würde aber als Vorbedingung solche Aenderungen im Wesen dieses Staates und darum in seinen Maßnahmen fordern müssen, die das Aufgeben der Idee des tschechischen Nationalstaats und die Anerkennung bedeuten würde, daß er ein Vielvölkerstaat ist, in dem vielleicht das stärkste Volk verwalten, aber nicht die anderen beherrschen kann. Dazu ist aber zurzeit noch keine der Koalitionsparteien bereit, und fo war man schon im Begriff, die Marmappi- Affäre beizu­legen. So war man aus Erhaltungsgründen der Koalition schon öfter verfahren, z. B. in der Affäre des sehr aggressiven Hirtenbriefs eines slowakischen Bischofs.

Allein diesmas trumpften die sogenannten tschechischen Sozialisten" auf, das ist jene scharf nationalistische Allerwelts­partei, die sich früher nationalsozial" genannt hatte, und deren Aufnahme in unsere Internationale die Kommission ihres Hamburger Kongresses abgelehnt hat. Diese Partei bestand auf einer Kampfanfage gegen Rom  , die der( tschechisch­agrarische) Ministerpräsident Dr. Schwehla im Blenum des Barlaments aussprechen sollte. Als das abgelehnt wurde, zog diese Partei ihren Minister Stribrny, den Vizepremier, aus dem Kabinett zurück; von ihren drei Ministern ist der zweite, der Poſtminifter Franfe, zurzeit im fernen Aus­land und der dritte ift Dr. Benesch, der Außenminister seit der Staatsgründung, die er im Weltfrieg mit Masaryk  

läßlich des jüngsten Ministerrates, der sich mit dem Kreuzer Frankreich   sich zu einigen fechinen. Betreffend den Strafprozeß Dorbereitet hat. Er ist der Partei der tschechischen Sozia

Programm der Regierung beschäftigte, atute Differenzen zwischen denjenigen Mitgliedern, die ein ausgedehntes Kreuzerpro­gramm entwickelten und für notwendig halten und denjenigen er geben, die angesichts der ohnedies schon ungeheuerlichen Steuerlaft des englischen Volkes eine Ausdehnung des kostspieligen Baues von Striegsschiffen nicht verantworten zu fönnen glauben. Die Gegen fäge sollen bereits so weit gediehen sein, daß Mr. Bridgemann, deffen Ramen im Zusammenhang mit der Kohlentrife, in der er

wird die Künftige Brüffeler Konferenz maßgebend sein. In der Reform der Gerechtes wird bie bisherige internationale Kon­vention Aufnahme finden; einige befreundete Staaten sind bereit, fie zu übernehmen, um eine einheitliche Verkehrsnorm zu bilden. Defterreichisch- polnische Handelsvertragsverhandlungen wurden in Wien   eingeleitet. Es wurde die Grundlage eines Tarifvertrages eröffnet. Die Hauptverhandlungen werden Mitte September be­ginnen.

liſten erft vor einiger Zeit beigetreten, gilt aber als be= fonderer Bertrauensmann Masaryks und darum auch als ziemlich unantastbar. So genügte der Rücktritt Stribrnys, um das Ausscheiden dieser Partei aus der, Koalition anzu­deuten und große Aufregung im Roalitionslager hervorzu­rufen.

Das Drängen der Stribrny- Bartet erklärt sich aus dem Be­dürfnis nach einer träftigen Wahlkampfparole. Denn im Herbst