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Nr. 33942. Jahrg. Ausgabe A nr. 174

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutfchlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Redation Tönboff 292-295 Verlag: Dönhoff 2503-2507

Dienstag, den 21. Juli 1925

Vorwärts- Verlag G.m.b. H., Berlin SW. 68, Lindenstr. 3

Auf zum Protest!

Postschefkonto: Berlin 37536- Banttonto: Direktion der Diskonto- Gefellschaft, Depofitenfaffe Lindenstraße 3

Kampf dem Zollwucher!- Das Zolltarifkompromiß.

Der handelspolitische Ausschuß des Reichstags hat die erste Lesung der industriellen Positionen des Zolltarifs be­endet. Von einer Debatte war von Anfang bis zu Ende kaum die Rede. In der Hauptsache sprachen die sozialdemo= fratischen Vertreter, in einem gewissen Abstand folgten die Demofraten, und von Zeit zu Zeit betei­ligten sich auch die Kommunisten, wenn sie nicht gerade durch andere ,, revolutionäre" Arbeit in Anspruch genommen waren. Die Regierung gab furze und unzureichende Auskünfte, und Rechtsparteien und 3entrum ließen sich nur in ganz feltenen Fällen aus ihrer Reserve heraus­loden. Meist sahen sie bei den Darlegungen unserer Freunde gelangweiligt darein oder führten ihre Brivatunterhaltung. Bei den Abstimmungen wurden unsere Anträge sozusagen unbesehen abgelehnt und von ganz geringfügigen Ausnahmen

31. Juli 1926 für eine Reihe von landwirtschaftlichen Pro­duften niedrigere Zölle erhoben werden sollen, nach dem Kom­promiß bestehen bleiben soll. Aber es muß damit gerechnet werden, daß er als Preis für den grundsäglichen Verzicht auf die Getreidezölle gezahlt wird.

Sicher scheint jedenfalls eine andere Kompensation an die Agrarier. Es sollen Mindestzölle für Vieh und Vieh­produfte) gewährt werden. Beschränken wir uns einstweilen auf das Bieh. Der Tarif sieht pro Doppelzentner Lebend gewicht bei Rindvieh, Schafen und Schweinen 18 Mart an Stelle der bisher vertragsmäßig geltenden 8 Mart( bei Schweinen 9 Markt) vor. Welches sollen nun die Mindestzölle

abgeſehen ist der Tarif so geblieben wie ihn die Regierung Werktätiges Volk Berlins!

vorgelegt hatte.

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Auch diejenigen, die sich als Hüter der Interessen der Landwirtschaft aufspielen, haben sich nicht gerührt. Sie ließen ruhig und ohne Widerspruch die Erhöhung der Zölle auf folche Gegenstände passieren, deren Preissteigerung die agrarische Bevölkerung empfindlich berühren muß. Db es fich um Kleider oder Schuhe, um Geräte oder landwirtschaftliche Maschinen handelte, sie stimmten den Sägen des Entwurfes zu in der sicheren Erwartung, daß sie bei den landwirtschaft­lichen Zöllen alles schon wieder hereinholen würden und ohne fich irgendwelche Strupel über die volkswirtschaftliche Torheit des ,, lückenlosen Zolltarifs" zu machen. Zuletzt ließen auch die im Anfangsstadium häufigeren Versuche noch, die Rede­zeit zu beschränken, man fand, daß es an Zeit nicht mangele und wollte im übrigen nicht in die Beratung der Agrarzölle eintreten, bevor über diese eine Einigung unter den Regie­und zu den Regierungsparteien muß jetzt rungsparteien auch das Zentrum wieder gezählt werden erzielt sei. Diese Absicht ist bis jetzt noch nicht erreicht worden, aber sie steht doch wohl nahe vor der Verwirklichung, und so wird das Ergebnis der Diskussion über die landwirtschaft= lichen Positionen, die am Montag begonnen hat, nicht sowohl von den Feststellungen des Untersuchungsausschusses über die Lage der Landwirtschaft, sondern von dem Kom­promiß oder doch den Kompromißverhandlungen der grund­fäßlich schutzölinerischen Gruppen beeinflußt werden. Daß von hervorragenden Vertretern der Volkswirtschaft und der landwirtschaftlichen Betriebslehre die hohen agrarischen Zölle und insbesondere die auf Brotgetreide und Futtermittel als unter den gegenwärtigen Verhältnissen widersinnig und schädlich nachgewiesen worden sind, wird wenig verschlagen. Die Anhänger des Schuzzolls werden diese Meinung als Theorie abtun und ihr ihre angeblich praktischen Erfahrungen entgegenseßen. Theorie" so sagte in längst vergangenen Tagen der freifinnige Abgeordnete Ludwig Bamberger , nennen die Herren, was sie nicht widerlegen, Braris, was sie nicht beweisen fönnen". Die Mehrheit des Ausschusses wird sich über die Wissenschaft wie über die volkswirtschaft­liche Vernunft mit einem überlegenen Achselzuden hinweg­sehen, sie denken nur an den Augenblick und an den unmittel­baren Profit des landwirtschaf.lichen Unternehmertums und der fartellierten Industrie.

In ernster Stunde rufen die unterzeichneten Organisa­fionen die Berliner Arbeiterschaft auf zum Protest gegen den geplanten Brotwucher. Bevor der Reichstag in die Sommer­ferien geht, soll er Le Zollvorlage verabschieden.

So will es die Reichsregierung Luther- Schiele und die ihr freu ergebenen bürgerlichen Parteien. Der Zolltarif, den der Ernährungsminister" Graf Kanig im Auftrag des schwarzweißroten Blocks zur An­nahme empfiehlt, ist ein Mundraubgesetz aller schlimmster Art. Das schwer erarbeitete trodene Brot des fleinen Mannes foll um ein Vielfaches verteuert werden. Fleisch, Obst, Gemüse, ja alles, was der Mensch zum Leben gebraucht, soll mit einem so hohen Zollsatz belegt werden, auf daß es dem Arbeiter in Zukunft fast unmöglich ist, die notwendigsten Lebensmittel kaufen zu können.

Brot- und Lebensmittelzölle, verlängerte Arbeitszeit und niedrige Löhne

sind das Wirtschaftsprogramm jener Parteien, die vorgeben, berufen zu sein, Deutschlands Volk erretten zu müssen.

Es sind das dieselben Parteien, die erst vor wenigen Tagen in der Aufwertungsfrage die kleinen Gläu biger und Sparer so schändlich betrogen haben und sich nicht scheuen, ab 1. April 1926 eine hundertprozentige Frie­densmiete zu fordern. Alle Gründe, welche die Sozial. demokratie und die freien Gewerkschaften gegen die Lebensmittelzölle der Reichsregierung und den bürgerlichen Parteien unterbreitete, sind bisher unbeachtet geblieben. Die Regierung will die Brot- und Lebensmittel­verteuerung im Interesse der Junker und Großkapitalisten. Was aus den Millionen Männern und Frauen des Proletariats werden soll, darüber macht sich diese Rechts­

regierung nicht die geringsten Kopfschmerzen. Diese ,, nationale" Regierung treibt mit den Lebensinteressen der Arbeiterschaft ein frevelhaftes Spiel. Die Reichs. regierung Luther- Schiele ist die Regierung des Hungers und Massenelends.

Der zähe Rampf, den die Sozialdemokratie gegen den Brotwucher im Reichstage führt, muß unterstützt werden burch Massen- und Protestkundgebungen der gesamten er­werbstätigen Bevölkerung.

Aber das Kompromiß? Es ist bekannt, daß die christlichen Gewerkschaften unter Führung des Herrn Ste gerwald gegen die Mindestzölle für Brotgetreide rebelliert haben. Wie es nun heißt, soll jetzt beabsichtigt sein, diese Mindestzölle tatsächlich fallen zu laffen, will fagen, daß die Bestimmung beseitigt wird, nach der mit Wirkung vom 1. August 1926 an die Zollfäße bei Roggen und Hafer nicht unter 5 M., bei Weizen und Spelz nicht unter 5,50 m., bei Arbeiter, Angestellte, Beamte und vor allem ihr Haus­Gerste nicht unter 2,30 M. für den Doppelzentner herab- frauen, wehrt euch gegen die schwarzweißroten Schußzöllner gesetzt werden dürfen. Auf den ersten Blick sieht das beinahe und Brotverteurer! Im Kampf gegen die Schutzölle muß wie ein Bugeständnis der Agrarier aus, aber mas will es praktisch bedeuten? Der autonome Saz für Roggen und die gesamte werftätige Bevölkerung einig und geschlossen auf­Beizen beträgt 7 M. und 7,50 M. Er fann nun in Handels- marschieren vertragsverhandlungen herabgesetzt werden, ohne daß im Gesetz eine untere Grenze vorgeschrieben wäre. Aber einmal würde das Kabinett Luther auch ohne eine solche Bindung feinen etwaigen Unterhändlern niemals erlauben, unter die Linie von 5 M. und 5,50 m. herunterzugehen, und sodann find für absehbare Zeit feine Tarifverhandlungen mit Staaten zu erwarten, die ein besonderes Interesse an der Getreide ausfuhr nach Deutschland haben, oder die stark nenug wären, den Zoll in beachtenswertem Maße herat rüden. Die Landwirtschaft behielte also ihre hohen Säh nd Getreide und Brot würden nach den Erfahrungen der ergangenheit ungefähr um ihren Betrag verteuert werden. Fraglich bleibt einstweilen, ob der§ 5 des Gefeges, nach dem bis zum

am Freitag, den 24. Juli, abends 5 Uhr, im Luftgarten. Ein vieltausendstimmiger Ruf muß der Regierung und den Parteien des Retters Hindenburg in die Ohren flingen:

Weg mit allen Lebensmittelzöllen! Auf zum Kampf gegen den Lebensmittelwucher! Ortsausschuß Berlin des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes . Bezirksverband der SPD . Groß- Berlin.

Der Aufmarschplan wird am Mittwoch veröffentlicht.

sein, unter die nicht herunter gegangen werden darf? Aher wie man sie auch normieren mag, die Tatsache darf nicht außer acht gelassen werden, daß sie für die Praris der Vertragsver­handlungen von größerer Bedeutung sind als die Minimalzölle für Getreide. Denn der Vieherport ist für eine Reihe von Ländern, mit denen wir zum Abschluß kommen müssen, von Wichtigkeit. Gegen deren Ansturm wider die Zölle wäre also die Landwirtschaft gesichert.

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Vielleicht wird hier der Punkt sein, wo die Rechtsparteien die Ergebnisse der Agrarenquete gelten lassen können. Ins besondere 2ereboe hat sich ja für den Zollschutz der Bieh­produktion eingesetzt. Aber es gibt da doch einen kleinen Unterschied. Denn Aereboe bezeichnete als Voraussetzung der landwirtschaftlichen Veredelungsindustrie wenn man es fo nennen will die Zollfreiheit oder eine ganz geringe Zoll­belastung der Rohstoffe, das heißt des Getreides und der Futtermittel Er wies zum Beispiel nach, daß ein Maiszoll von 3 Mart den Zentner Schweinefleisch durchschnittlich mit 15 Mart belaste. Diese Verteuerung macht die Wirkung des Viehzolls illusorisch. Die angestrebte Erweiterung der Biehproduktion mit einer ihr folgenden Herabjezung der Breise wird unmöglich. Der Konsument trägt die Laft, und da der Fleischverbrauch in Deutschland , wenn man 1924 mit 1918 vergleicht, im allgemeinen um 22 Broz. zurückgegangen ist, fönen wir uns von den zu erwartenden Wirkungen der Minimalzölle ungefähr eine Borstellung machen.

Das ganze Kompromiß wird der Deffentlichkeit wahr. scheinlich durch den Hinweis schmachaft zu machen versucht werden, daß der getreidebauende Großgrundbesig im Interesse des viehzüchtenden mittleren und fleineren Bauern zur Nach­giebigkeit gezwungen worden sei. Das wäre, wenn anders die bisherigen Mitteilungen über die zu erwartende Einigung zutreffend find, ein aufgelegter Schwindel. Das Kompromis wäre sogar schlimmer als der ursprüngliche Entwurf, und wenn sich ihm der Arbeiterflügel des Zentrums fügt, so beweist er damit nur seine völlige Willenlosigkeit sowohl gegenüber den Vertretern der agrarischen Interessen, wie auch gegenüber den ständig wachsenden Bestrebungen der Zentrumsleitung nach neuer Rechtsorientierung.

Die Kompromißverhandlungen.

Die Berhandlungen der Regierungsparteien über das Zoll­tompromiß werden heute morgen 9 Uhr weitergeführt. Die Tele graphen- Union bestreitet die Meldung, die bisher über die Grund­lage des Kompromiffes verbreitet worden ist. Sie gibt zwar zu, daß die Verhandlungen um die Fragen Mindestzölle und autonomer Getreidezolitarif gehen, erklärt es aber für ausgeschlossen, daß die Regierung das Infrafttreten eines autonomen Zolltarifs in der Höhe von 7,50 bzw. 7 m. gutheißen werde. Nach dieser Abstreitung, die eher einer Bestätigung gleichkommt, scheint man sich darüber einig zu sein, daß die Agrarier für den Wegfall der Bildung der Getreidezölle sofort infrafttretende erhöhte autonome Boilsäge für Getreide erhalten sollen, und daß nur noch die Höhe dieser Säge ftrittig ist.

Günstige Aufnahme in Paris .

Der erste Eindruck der deutschen Note.

Paris , 20. Juli( WIB.) Der deutsche Botschafter 0. Hoesch hat heute nachmittag 5 Uhr dem Minister des Aeußern Briand die deutsche Antwortnote auf die franzöfifche Note vom 16. Juni betreffend den Vorschlag eines Sicherheitspattes in deuf­fcher und franzöfifcher Ausfertigung überreicht. Im Verlaufe einer einffündigen Unterredung ist ebenfalls die Note im einzelnen be­sprochen worden. Es wurde beschloffen, deren Text in der Morgen­presse vom Mittwoch zu veröffentlichen. Bis dahin foll über den Inhalt der deutschen Note nichts bekanntgegeben werden.

Paris , 20. Juli. ( Eigener Drahtbericht.) Das französische Aus­wärtige Amt hat bereits am Montag abend der franzöfifchen Presse fehr weitgehende Angaben über den Inhalt der Note ge­macht. Dabei wurde u. a. mitgeteilt, daß die Note einen Vorschlag zur Einberufung einer internationalen Konferenz nicht enthalte. Auch von der Räumung von Köln sei nicht die Rede. Die Note folge im wesentlichen den Ausführungen der französischen Note vom 16. Juni. Sie verlange lediglich eine genaue Defini­tion dessen, was man in Paris unter dem Begriff schieds. gerichtliche Lösung verstehe.

An der maßgebenden französischen Stelle hat, wie ausdrücklich versichert wurde, die deutsche Note einen sehr günstigen Eindrud hinterlassen. Es fpreche aus ihr zweifellos der Wunsch, die Verhandlungen fortzusehen und zu einem pofitiven Ergebnis zu gelangen. Die Rofe enthalte nichts.