<kln£ond outer vKtlsthem Terror. I« Mecklenburg darf ungestraft gemordet werde«. Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion hat in einer Kleinen Anfrage die Reichsregierung ersucht, Auskunft zu geben über die Tatbestände, die dem Schweriner Urteil über die völkischen Fememörder zugrunde liegen. Es wird Zeit, daß auf diese Anfrage eine rasche und gründliche Ant» wort erteilt wird, um so mehr, da inzwischen Tatsachen be- kanntgeworden sind, die auf völlig unhaltbare Zustände in Mecklenburg schließen fassen. Das„Berliner Tageblatt" veröffentlichte gestern abend Material über das Treiben der völkischen Feme in Mecklen- bürg, das wir in den wesenllichsten Punkten wiedergeben: Stahlhelm und völkische Feme . Ein Leutnant o. D. Bremer lief in den Tagen des Schweriner Prozesses in Schwerin herum, und erhob zwar nicht öffentlich, aber unter der Hand dagegen Einspruch, daß die Mörder als Stahlhelmleute bezeichnet werden. Aber dieser Stahlhelm- führer Bremer und jetzige Geschäftsführer de, Landbunde» in Mecklenburg wird wohl nicht bestreiten können, daß er seinerzeit die Bekleidung, Verpflegung und teilweise die vewaffmmg dieser sogenannten.Landarbeiter" des Landbundes, durchführte, zu denen ja die Angeklagten und ihr Opfer Holz gehörten... Dieser Herr Bremer wird es auch nicht leugnen können, daß in den Jahren 1923/24 fein Landbundgeschäftszimmer ein Basten- und Munitloas- magazia für die„Arbeiter" bildete und daß er in der Stadt Bade- busch— einer völkischen Hochburg— einen Laden mietet« nnd dort Gewehr« und Munition verstaute. Alle» in größter Heimlichkeit und unter Täuschung der Behörden. Ihm stand ein ehemaliger Offizier namens Schultz zur Seite. Vielleicht erinnert sich dieser Leutnant Bremer auch noch daran, daß er noch im Spätsommer 1924 mit Fuhrwerken Baffen und Boaikion aus die Güter gefahren hat, wie seinerzeit nach Vrüfewitz. dem Gute des Herrn v. voddien. Luch weiß man, daß Bremer es war. der in der Röhe von Tadebusch mit seinen„Landarbeitern" Schießübungen abhielt. Laadbund und Feme . Es hat sich bei allen Vorfällen immer wieder gezeigt, daß prominente Landbündler im Hintergrund eine Rolle gespielt haben. Sehr oft wird der ehemalige Rittmeister von der Lühe genannt, der freigebige Gönner der völkischen Presse und der völkischen Der- bände, auf dessen Gut seinerzeit auch die Rathenau -Mörder bei ihrer Flucht nach Mitteldeutschland zwei Tage Unter- schlupf gefunden haben. Auch die Anstifter zum Kadow-Mord kamen von seinem Gute Hornstorf. Di« Drahtzieher des Land- bundes hatten auch die Hand im Spiel, als noch die mecklenburgisch« Adelsgenossenschaft des Herrn v. Plessen zusammen mit der Gruppe des Admirals v. Zachmann verschwiegene Wafsennester deckte. Schon zu den Zeiten jener Wassenbrüderschaft wurde öfter der Name des Gutsherrn von Hornstorf und Calsow, nämlich des Ritt- meister» a. D. von der Lühe, genannt und ebenso der seines „Adjutanten" v. Mackensen, des Gutssekretärs von Ealsow. Der Böttcher-Mord. Am 18. September 1924 gab die Arbeitsgemeinschaft Roßbach folgende Anzeige bekannt: „Am 4. September(die Anzeige erschien also 14 Tag« nach Vorfall) verstarb der auf unserem Gute tätige Landwirt- schaftsgehilse Eduard Böttcher, Angehöriger der Arbeits- .. gemeinschaft Roßbach. Wir verlieren in ihn einen strebsamen und fleißigen Arbeiter. Die Gutsverwaltung Dietlübbe." Kein Mensch glaubte damals an einen Selbstmord. Als die Gerüchte nicht verstummen wollten, daß hier, kein Selbstmord, sondern sicherlich ein Mord vorliegt, brachte die völkische Presse zur„Be- ruhigung" folgende Notiz: „Der Deutschbalte Böttcher Hot im Droguner Holz«inen (iroßen Scheiterhaufen zusammengetragen, die- en a n g e st« ck t und sich dann wahrscheinlich indieFlammen gestürzt. Das Feuer wurde von Draguner Einwohnern ge- löscht, ohne dabei an etwa» Schlimmes zu denken." Was berichten aber die Leute, die mehr wissen? Man fand wohl einen Scheiterhaufen vor mit der Leiche Böttchers. Aber— und das sind zwei Momente, die heute immer noch die Oeffentlichkeit beschäftigen— man fand die Leiche in knieender Stellung vor und nur der hals der Leiche war verbranul. Selbstmord war also aus- geschlossen. Der Kadow-Mord. In einem anderen Teil Mecklenburgs, der Umgegend von Par» chim, wurde der Roßbacher Baller kadow aus Wismar von seinen Kameroden niedergemacht. Es ist bezeichnend, daß die Bevölkerung jener Gegend seit drei Wochen von dem Mord wußte. aber aus Angst nicht den Mund auftat. Bezeichnend ist auch, daß die Berliner Polizei die Untersuchung jenes Derbrechens führte, während damals die mecklenburgische Justiz eine Anzahl der Beschuldigten plötzlich aus der Untersuchungshaft ent- ließ. In Parchim und auf den umliegenden Gütern und Dörfern terrorisierte seinerzeit eine bi» an die Zähne bewaffnete Horde die gesamte Bevölkerung. Der Protektor dieses Gesindels ist der Land- bündler Schühgen», dessen Gut Neuhof ihnen als Durchgangs- lager diente. Damals erschien es auch dem Landbündler v. Treuen- fels auf dem Gute Herzberg keineswegs merkwürdig, daß zur Nachtzeit bei ihm ein Jagdwagen requiriert wurde, auf dem man bann das Opfer Kadow zur Mordstätte fuhr. Wagen und Pferde wurden erst nach zwei Togen zurückgebracht! Auch damals kam der Zusamenhang mit Herrn v. d. Lühe » Gut Hornstorf zum Vor- schein, wie das auch im letzten Prozeß wieder geschah. Der Sitz der Mordorganisaklo«. Wo ist nun der Hauptsitz dieser Mordorgonisation? Das oölkisch« Hauptquartier befindet sich In Groß-Bahnstorf. Starke Belegschaften des Frontbannes, der Roßbacher oder unter welchem Deckmantel sich diese„Landarbeiter" sonst verbergen, sind zurzeit noch auf folgenden um Wahnswrf liegenden Gütern unter- zebracht: Niendorf, Bahnstorf. Oberhof . Belzin. Grahmkow. Gre benstein , Roppenstorf. Zlmenhorst. Ilaudin-Vobitz, Neuenhofen usw. Als weiterer„gut funktionierender Abschnitt" wird Gadebusch mit Z«n Tütern Dragua, Lrüsewih und Lühow genannt. Die Geldgeber. Wer sind die Geldgeber dieser Mordorgonisationen und sonstigen Förderer der völkischen Sache? Als Hauptgeldgeber bei den oölki- ichen Untvernehmungen wirken wie genannt: Rittmeister a. D. von der Lühe auf Hornstorf. Domänenrot Lock. Groß-Brütz. von Treuen- jels, Rittmeister von Voddien auf Drüsewitz. Fabrikant Gustav Ritter . Inhaber der Bollhagenschen Pfeffernußfabrik in Grabow und ander«. Soweit dos Material des„Berliner Tageblatts". Wir fragen: Haben die Behörden eine Untersuchung eingeleitet? Wo bleibt der Staatsgerichtshof? Wird die Reichsregierung die Anfrage der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion beantworten, und was gedenkt sie zu tun, um den unerhörten Zuständen in Mecklenburg eiy Ende zu machen?_„
Der Reichstag trat gestern in die große Steuer» d e b a t t e ein.' Nach einer längeren Erklärung der Regierungsparteien, die von dem Abg. Ober» fahren vorgetragen wurde und die wir im Zusammenhang mit dem Reichstagsbericht an anderer Stelle wiedergeben, nahm Genosse Dr. Hertz(Soz.) das Wort. Er führte aus: 7H>0. vr. Hertz lSoz.): Die Erklärung meines Lorredners im Namen der fünf Regie- rungsparteien hat keine Zweifel daran gelassen, daß auch sie die Regelung, die sie in S2 Sitzungen gefunden haben, nur mit schweren Bedenken betrachten können. Unsere Bedenken sind viel stärker und ich werde das noch im einzelnen zeigen. Es war zweifellos das Bestreben des Steuerausschusses, gründliche Arbeit zu leisten, und die sozialdemokratischen Mitglieder haben sich dabei nicht nur von den sachlichsten Gründen leiten lassen, sondern auch bei allen unseren Forderungen neben den uns besonders anvertrauten sozialen Er- wägungen die Finanzlage des Reichs, seine auhenpositischen Lasten und die Lage der Gesamtwirtschaft berücksichtigt. Aber ein großer Teil der Beratungen Hot sich nicht im Steuerausschuß, sondern in geheimen Verhandlungen abgespielt. Soweit sie der fach- lichen Vorbereitung der Beschlüsse und der Verständigung mit der Regierung dienen, kann wohl kaum etwas gegen sie eingewendet werden. Sie dürfen aber nicht dazu fübren, daß die parlamentari- scheu Instanzen zur Bedeutungslosigkeit yerabged rückt werden(Sehr richtig bei den Soz.), und daß sich daraus ein Geheimparla- mentarismus entwickelt. Mehrfach sind Gesetzentwürfe der Reaiermig plötzlich durch ganz neue Borlagen ersetzt worden, ohne daß sie zuvor der öffentlichen Diskussion unterbreitel worden waren, ohne jede Begründung, die im Augenblick der Vorlegung beraten werden sollten, obwohl nicht einmal Zell genug zum Lesen der Vorlagen gegeben war. Dadurch ist nicht nur große Mißstimmung bei allen VeteMgten entstanden, diese Methode hat auch dazu geführt, daß die sachlich« Mitarbeit der Opposition erheblich erschwert wurde. Die Folge davon sind Beschlüsse gewesen, von denen selbst der Abgeordnete Oberfohren sagen mußte, daß sie jetzt durch das Plenum einer Aenderung bedürfen. Eine der wirtschaftlichen Lage Deutschlands gerecht werdende Steuerreform hat eine doppelte Ausgabe. Erstens, den Finonzbedars der öffentlichen Körperschaften sicherzustellen, zweitens die Wirtschaft- liche Entwicklung zu fördern, soweit dies mit steuerlichen Maßnah- men möglich ist. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ober hat zur wichtigsten Voraussetzung die Berbesse- rung der Lebenshaltung der breiten Massen des Volkes, die Erhöhung der Produktivität der gesamten deutschen Volkswirtschaft, und zwar durch Vermeidung aller Steuerformen, die die Konkurrenzfähigkeit aus dem Weltmarkt beeinträchtigen und die künstliche Hochhaltung der Preise im Innern ermöglichen. Deshalb verlangen wir zuerst, daß die Belastung des Lohneinkommens oer- ringert wird, daß die Verbrauchssteuern niedrig gehallen werden und daß ein schneller Abbau der Umsatzbesteuerung erfolgt. Der dadurch notwendige Ausgleich der Ausfalle ist durch a n g e m e s- sene Festsetzung der Einkommen- und Körper- f ch a f t s st e u e r, bei großen Einkommen durch höhere Besteuerung von Vermögen und Erbschaften, durch Besteuerung der Geldentwer- tungsgewinne, vor allem aber durch Hebung der Steuermoral mittels der Offenlegung der Steuerlisten und einer weitgehende« Buch- und Betriebsführung zu erreichen.(Lebhaste Zustiinmung bei den Soz.). Schon bei der elften Beratung der Gesetzentwürfe haben wir kritisiert, daß sie auf genau den entgegengesetzten Erwägungen beruhen. Die vorlagen wollen nicht wie wir den Schwachen, sondern zuerst den Leistungsfähigen schonen.(Sehr wahr b. d. Soz.) Obwohl die neuen Gesetze nach dem Wort des Staatssekretär» Popitz „relativen Ewigkeitswert" yaben sollen, bauen sie auf der augenblicklichen Lage eines Teiles der deutschen Wirtschaft auf. Sie lassen außer acht, daß die Schwierigkeiten in unserer Wirtschaft nicht ein dauernder Zustand sein werden, daß ferner nur ein Teil der deutschen Wirtschaft unter Gewinnsenkungen leidet,«in anderer Teil aber eine außerordentlich starke Blüte zeigt(Sehr wahr bei den Soz.). Trotzdem ist nicht zu oerkennen, daß ein wichtiger politischer Umschwung sich vollzogen hat, der im schroffsten Gegensatz zu dem steht, was bis in die allerjüngfte Zeit hinein von den Parteien der Rechten oertreten wurde. Ueber Nacht sind die verbissensten Föderalisten auf der äußersten Rechten zu begeisterten Anhängern des Einheitsstaates geworden. Eine Erklä- rung wie die des Herrn Oberfohren mit so starkem Unterstreichen des Vorrangs des Reichs in der Steuergesetzgebung wäre noch vor wenigen Monaten völlig unmöglich gewesen.(Sehr wahr bei den Soz. und der Bayr. Vp.). Die so heftig befehdeten Grundgedanken der Erzbergerfchen Reform werden hier nichi nur aufrechlerhalken, sondern so- gar noch erheblich erweitert. Mit diesem politischen Fortschritt ist aber ein gewaltiger sozialer Rückschritt verbunden. Bon sozialen Erwägungen ist in dieser Steuergesetzgebung nichts zu finden.(Sehr wahr bei den Soz.). Als einziger Gesichlspunkt bleibt übrig die B e g ü n st i- gung der leistungsfähigen Schichten unseres Volkes. Auch die Steuergesetzgebung liefert den Beweis dafür, daß die Rechtsparteien bereit sind, alle ihre politischen Ziele preiszugeben, sofern sie materielle Vorteile für den Großbesitz damit erkaufen kön- nen. Nie war ein Augenblick günstiger für die Beseitigung des sozialen Unrechts in unserer Steuergesetzgebung, als der gegenwär- tige. Wir haben das Jahr 1924 abgeschlosien mit einem Ueber- schuß von 2 Milliarden Mark. (Hört, hört bei den Soz.). Davon stammten allein 1600 Millionen aus den Mehrerträgen der Massensteuern(hört. hört). Zm Durchschnitt betrug der Ertrag der Mossenbelastung 70 Prozent anstatt der erwarteten SO bi» SS Prozent. (Hört, hört bei den Soz.). Lohnsteuer. Umsatzsteuer. Zölle und Verbrauchssteuern sind die eigentlichen Träger unseres ganzen Skenersystem, gewor- den und künftig sollen sie noch einen well höheren Ertrag bringen.(Hört, hört, links.) In den Monaten April bis Juni haben die Massensteuern einen Ertrag von etwa 1300 Millionen bei einem Gesamtertrag von 182S Millionen gebracht, das sind 72 Prozent. Der Monat Juni hat sogar ein Herausschnellen aus etwa 80 Prozent de» Gesamtwertes der Steuern gebracht.(Lebhaftes Hört, hört.) Die jetzige Finanz- reform wird diese Entwicklung noch verschärfen. Der F i n a n z m i n i st e r hat im Ausschuß einen Etat vorgelegt. der mit einem Defizit abschließen sollte. Ich halte seinen Ab- schlich für falsch und glaube, daß seine Urheber derselben Auf- faslung sind. Erstens sind in einigen der Ansätze eine erhebliche Re- seroe enthalten, zum zweiten ist der Ueberschuß aus dem Jahre 1924 im neuen Etat überhaupt nicht verzeichnet(Hört hört bei den Soz.). Es fehlen ferner die Einnahmen von 300 Millionen rückständiger Steuern. Die Reparationsrücklagen von«inigen Millionen sind nicht berücksichtigt. Es fehlen ferner 23S Millionen für vierteljähr. liche Zahlungen von Steuern und Gehältern, schließlich enthält der neue Etat einen Betriebsfonds mit 300 Millionen, obwohl schon aus laufenden Einnahmen Betriebsmittel angesammelt wurden. Man gewinnt den Eindruck, als ob die Regierung sich von einer Thesaurierungspolitik leil:n läßi, sie will, daß durch Massenbelastungen so hohe Erträge erzielt werden, daß die vesihbe- lastnng aus dem Verwaltungswege weiter gemildert werden kann, als das aus dem Bege der Gesetzgebung möglich tsi.
Es ist davon die Rede gewesen, daß bei der Steuerreform aus das Ausland Rücksicht genominen und die Verpflichtungen aus dem Londoner Abkommen unbedingt erfüllt werden müssen. Früher ist ja die Rücksicht auf das Ausland als entwürdigend kritisiert worden und wenn jetzt das Gegenteil geschieht, dann wird gleichzeitig damit ein Schritt getan, den man als verhängnisvoll bezeichnen muß. Zn demselben Augenblick, in dem die Regierungsparteien vom Ausland fordern, daß es auf die steuerliche Leistungsfähigkeit der deutschen Birlschafl Rücksicht nehme, sollen durch die Sieuerresorm der Entente freiwillig mehr Zahlungen dargeboten werden, als uns durch das Londoner Abkommen zwangsweise auserlegi sind(Lebhaftes Hört hört bei den Soz.). Durch Belastung des deutschen Berbrauchs sollen wir freiwillig 500 Millionen Mark im Jahre 1926/27 an Mehr- leistunge« für Reparationen auf uns nehmen.(Hört hört). Dafür besteht kein« Notwendigkeit. Die Vehaupwng. daß die Vesitzbelastung in Deutschland höher als in jedem anderen Lande fei. ist falsch. Zn den wich- tigslen Ländern des Auslands ist die Einkommensteuer das Rückgrat des ganzen Slenersyflems. Dagegen ergibt sich für Deutsch land die unerhörte Tatsache, daß die veranlagungspflichtigen durch die Einkommensteuer weniger zahlen als die Lohnsteuer- Pflichtigen durch den Lohnabzug(Hört hört bei de« Soz.). Die Lohnsteuer erbringt bei 18 Millionen Lohnsteuer- Pflichtigen 1S00 Millionen Mark, pro Kopf also 8 3 Mark, die Einkommen st euer der Veranlagungspflichtigen wird bei 7 Millionen Steuerpflichtigen von der Reichsverwaltung auf 500 Millionen Mark geschätzt, das ergibt eine durchschnittliche Steuer- belastung von 71 Mark.(Hört hört bei den Soz.). Es mag großen Kreisen der deutschen Wirtschast schlecht gehen. Daß es ober den Selbständigen in Handel, Industrie und Landwirtschaft so schlecht geht, daß ihr Einkommen sich unter dem Niveau der Lohnsteuer- Pflichtigen besindet, dafür werden Sie kein Berständnis finden. Bas bringt nun die Steuerreform dem Besitz überhaupt? Ersten» bei der Einkommensteuer eine Senkung des Tarifs, den Fortfall der Vorbelastung durch die Kapitalertragssteuer, die Steuer. freiheit für Beräußerungsgewinne bis zu 23 000 Mark und für einen erheblichen Teil der Spekulationsgewinne.(Hört hört bei den Soz.). Zweitens bei der Körperschaftssteuer den Fortfall des Zuschlags von 15 Proz. und die Steuerfreiheit für nicht ausgeschüttete Gewinne. Drittens wird bei der Bermögenssteuer der Tarif erheblich ermäßigt (Hört hört). Der Notopferzuschlag, den die Kleinen bezahlt haben, wird für die Großen ausgehoben. Viertens wird bei der Erbschaft»- steuer der Tarif ebenfalls teilweise ermäßigt, die Besteuerung des Gattenerbes unterbleibt. Die Stundungen für den landwirtschaftlichen Besitz bleiben erhalten, eine Nachlaßsteuer wird nicht erhoben. Fünftens werden die Kapitaloerkehrssteuern erheblich herabgesetzt, sechstens die Vermögenszuwachssteuer bis 1928 außer Kraft gesetzt, siebentens unterbleibt die Besteuerung der Inflationsgewinne voll- ständig. Dagegen wird dem bebauten Grundbesitz durch die Miets- steigerung und den für 1928 versprochenen Fortfall der Hauszins- steucr ein gewaltiger Vermögenszuwachs in Aussicht gestellt. — Lediglich in zwei Fragen sind sachliche Zugeständnisse an die Sozialdemokratie erfolgt. Die Umsatzsteuer wird von IX auf 1% Proz. ermäßigt, das ist so gering, daß eine wirtschaftliche Ent- l a st u n g davon kaum zu erwarten ist. Bei der Lohn- st e u e r soll das System der prozentualen Ermäßigungen durch feste Abschläge ermäßigt werden. Im Prinzip ist das ein Fortschritt, in der Praxis wird sich für einen großen Teil der Lohn- und Gehalts- empfänger eine Erhöhung der Lohnsteuer ergeben. Diese Beschlüsse sind deshalb für uns unannehmbar. Angesichts des stei- genden Ertrages der Lohnsteuer, der neuen Belastungen durch Zölle und Verbrauchssteuern, müssen sowohl das Existenzminimum wie auch die sozialen Ermäßigungen wettgehend erhöht«vecden. Die jetzige Regelung der Skeuergejehe muß von de« Lohn- and Gehaltsempsängera als eine Ausaahmegefetzgebuag empfunden werden.(Schr wahr bei den Soz.). Für den Geist der ganzen Steuerreform ist kennzeichnend, daß der Branntwein außerordentlich stark geschont wird, man hört auch nichts davon, daß der Mißwirtschaft, die durch den Einfluß der Interessenten im Branntweinmonopol hervorgerufen wird, zu Leibe gegangen wird. Die stärkste Belastung des Arbeitseinkommens wird aber die künftige Gestaltung der Mi eis st euer darstellen. Der Woh- nungsausschuß hat sich aus den Standpunkt gestellt, daß eine Heran- ziehüng der Miete zu fiskalischen Zwecken unterbleiben soll, der Steuerausschuß hat das Gegenteil beschlossen. In noch stärkerem Maße als bisher will er den fehlenden Finanzbedarf von Reich, Ländern und Gemeinden durch Belastung der Mieten gewinnen. 1924 war der Gesamtertrag der Hauszinssteuer 982 Millionen, künftig soll die Lost, die auf der Miete ruht, 2% Milliarden Mark betragen, also fast das Dreifache.(Hört! hört! bei den Soz.) Rechnet man den erhöhten Anteil der Hausbesitzer an der Miete hinzu, dann muß man mit einer neuen Belastung der Wirt- schaft von mehr als§X Milliarden Mark allein aus dieser Steuerquelle rechnen. Was das bedeutet, zeigt ein Vergleich mit den anderen Steuereinnahmen. 114 Milliarden Mietssteuer ist höher als der Ertrag der ganzen Lohnsteuer für 21 Millionen Lohn- und Gehaltsempfänger, ist ebenso hoch wie der Gesamtertrag der Umsatzbesteuerung, ist dreimal so hoch wie das Gesamtergebnis der Einkommensteuer bei allen Beranlagungspflichtigen, ist vier- mal so hoch wie der geschätzte Ertrag der gesamten Vermögens- steuern.(Hört! hört! bei den Soz.) Schärfer kann die unsoziale Wirkung einer solchen Steuergesetzgebung wohl nicht gekennzeichnet werden. Die jetzt drohende Mietebelastung wird zum größten Teil auf den Beziehern kleiner Einkommen und auf den kinder- reichen Familien ruhen. Die Beschlüsse bedeuten serner, daß die Miele sprungweise in die höhe gehl, es ist keinerlei Begrenzung für die Miete nach oben und für den Anteil vor- gesehen, den der Hausbesitzer an der Miete erhält. Wenn zu diesen Lasten noch die Belastung durch die Zölle hinzutritt, dann muh sich eine so starke Slewernug der Lebenshaltungskosten vollziehen, daß die Gefahr der Erschwerung unseres Exports sehr nahe liegt. Bcnn dann Massenarbeilslosigkxil und Verkümmerung der Lebenshaltung die Folge fein werden, dann werden Sie(nach rechts) das allein zu verantworten haben.(Sehr richtig! bei den Soz.) Im Januar erklärte die Regierung, daß die kinderreichen Familien besonders geschützt werden sollten. Das ist durch diese Steuerreform nicht geschehen, im Gegenteil werden gerade die kinderreichen Familien in viel stärkerem Maße belastet werden, als dos jemals in den letzten Jährest der Fall war. Die Sozialdemo. kratie wird jetzt durch Anträge im Plenum den Versuch machen, die Lohnsteuer erheblich zu ermäßigen, der Verteuerung der Lebens- mittel durch ihre Befreiung von der Umsatzsteuer entgegenzuwirken. Wir verlangen Erleichterungen für die freien Berufe, für den gewerblichen und kaufmännischen Mittelstand. Soweit Ausfälle ent- stehen, ist durch Erhöhung der Steuern für große Einkommen und Vermögen für Deckung zu sorgen. Wir oerlangen weiter die Be- steuerung der Inflationsgewinne, obligatorische Buchprüfungen und Offenlegung der Steuerlisten. Wir lehnen für dieses Gesetzgebungswerk jede Verantwortung ab. Es ist beherrscht von rein kapitalistischen Erwä- g u n g e n. Es läßt die sozialen Rücksichten ebenso vermissen wie die Rücksicht auf den Wiederaufbau des deutschen Wirtschaftslebens. Es zeigt, daß der jetzige Regierungsblock nur dos eine Ziel kennt: den Mißbrauch der politischen Macht zur Begünstigung de» Groß- besitze s.(Lebhafter Beifall bei den Soz.)