Abendausgabe
Nr. 356 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 175
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
5 Pfennig
Donnerstag
30. Juli 1925
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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
Kußmanns Gedächtnisschwäche.
Die Geldgeber melden sich.
Uns wird geschrieben: Wer die Berichtigung des Herrn Kußmann an den„ Borwärts" liest, der muß glauben, daß Herrn Kußmann sonst so gutes Gedächtnis plöglich schwach geworden sei. Erinnert sich Herr Kußmann, der jetzt alle Beziehungen ableugnet, auch nicht mehr an jene Konferenz, die am 4. März in der Bierkneipe, Lützowstr. 74, zwischen ihm, Knoll und einigen weiteren Angestellten des Bureaus stattgefunden hat? Es
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wurden in dieser Konferenz dem Kranz darüber Borhal tungen gemacht, daß er das in seinen Händen befindliche Material betr. Deutsche Werte so langsam aufarbeite, obwohl er außer einer bereits erfolgten Anzahlung nochmals 2000 m. von Herrn Bacmeister(„ Bergisch- Märtische Zeitung") empfangen habe. Es war Kußmann selber, der diese Vorwürfe erhob. Kranz erwiderte, ziemlich höhnisch, wie Herr Kußmann denn als Staatsanwalt dazu tomme, Rechenschaft über Gelder zu fordern, die Politiker gegeben hätten? Außerdem habe er, Kranz, die 2000 m. auch gar nicht bekommen, diese seien vielmehr an Rautter( den Mann der Ehrhardt- Brigade ) gegangen. Darauf verabschiedete sich Herr Kußmann mit der Drohung, er würde Kautter ver. haften lassen.
Nunmehr wurde mit Kautter in Berhandlungen eingetreten. Diefer erklärte jedoch mit Seelenruhe, man solle ihn nur ruhig verhaften. Er würde sich den Rechtsanwalt Werthauer zum Verteidiger nehmen! Dann würde wohl
die ganze Schweinerei ans Tageslicht kommen.
Hierauf war Herr Kußmann, der fleine Napoleon" nicht gefaßt gewesen und trat einen strategischen Rückzug an. Es intervenierte dann noch ein befannter Mitarbeiter der Deutschen Zeitung und be Ichwor die Herren, sich doch zu einigen, worauf dann die Sache schließlich beigelegt wurde,
Wir wollen dem gedächtnisschwachen Herrn Kußmann auch noch etwas weiter helfen: Durch das Bureau Kluge Knoll find auch Ab schristen aus den
Aften des Preußischen Minifteriums des Innern, und zwar aus dem Dezernat des Ministerialdirigenten Abegg unbe. fugt veröffentlicht worden. Diese Atten betrafen 1. die Durchreise der Eltern Barmats von Rumänien durch Deutschland nach Holland , 2. eine Auskunft des deutschen Generaltonfulats in Holland über Barmat. Beide Dokumente haben im Barmat- Ausschuß eine
gewisse Rolle gespielt.
Der Herausgeber der Bergisch- Märkischen Zeitung", Herr B. Bacmeister, erläßt in der Deutschen Zeitung" eine Erklärung, in der er zugibt:
Daß ich mich persönlich sehr rege an den Aufklärungs. arbeiten beteiligt habe, ist durchaus richtig. Richtig ist auch, daß ich mir Mittel beschafft habe, um Bersönlichkeiten, bie von ihrer Arbeit leben müssen, in den sehr schwierigen Dienst der Aufklärung stellen zu tönnen. Zu diesen Bersönlichkeiten gehört auch jener Herr Knoll, der mir als ein befähigter faufmännischer Revisor empfohlen wurde. Die Geldbeschaffung für den Kampf gegen die deutsche Korruption war für mich nichts wie eine nationale Pflicht, die ich auch weiterhin
erfüllen werde...
Inwiefern der Herr Knoll Beziehungen zur Staats anwaltschaft gehabt hat, vermag ich nicht flar zu beurteilen. Mit einem der Herren verband ihn, wie er mir gelegentlich sagte, seit viel en Jahren eine persönliche Freundschaft Möglich also, daß die Staatsanwaltschaft Kenntnis von dem durch Knoll und feine Mitarbeiter geleisteten Teil der Aufklärungsarbeit erhalten und daß Knoll auch die Arbeiten der Staatsanwaltschaft zu unterstüßen versucht hat.
Wenn es Herrn Bacmeister so sehr um Aufflärung" zu tun ist, so fann er über die Mitteilungen des Vorwärts" doch nur erfreut sein. Jedenfalls ist bis jetzt durch lle berein stimmung der Aussagen von beiden Seiten feftgestellt, daß es deutschnationale Bureaus gibt, die zum 3med der Bekämpfung der Sozialdemokratie angebliches Korruptionsmaterial fammeln, und daß zwischen diesen Bureaus und der Staatsanwaltschaft ein Berhältnis der persönlichen Freundschaft und der Zusammenarbeit bestand. Gegenstand der eingeleiteten Untersuchung ist die Frage, inwieweit sich bie Staatsanwaltschaft infolge dieser Beziehungen von dem Wege der vollkommenen Unparteilichkeit und Objektivität entfernte, der ihr durch ihre Pflicht vorgezeichnet ist.
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Unbestrafte Steuersabotage.
Großzagrarier auf der Anklagebank.
Anfang August 1923, unter der Herrschaft der Cuno, Beder und Hermes, überschlugen sich die Bogen der Inflation. Die gewaltige Erregung breiter Massen der Bevölkerung zwang die Regierung zu Notmaßnahmen. Einmütig be willigte der Reichstag innerhalb 24 Stunden neue Steuern. Selbst die Großagrarier unter der Führung Helfferichts stimm ten der Erhebung der Landabgabe zu. Aber faum 48 Stun den waren vergangen, da reute es sie, daß sie sich bereit erklärt hatten, auch einmal Steuern zu bezahlen. Und dieselben Helfferich und West arp, die am 11. August feierlichst gelobten, dem Reich aus der Finanznot herauszuhelfen, organisierten wenige Tage später mit Hilfe der Führer der Landwirtschaft einen Feldzug gegen diese Steuern.
Dieser organisierte Steuerstreit wurde so start, daß die Regierung Stresem ann sich gezwungen sah, im September 1923 durch eine Verordnung die Aufreizung zur Verweigerung der Steuerpflicht mit einer Gefängnisstrafe von mindestens einem Monat zu bedrohen. Außerdem war vor gesehen, daß auf Berlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann und die Berurteilung öffentlich bekanntzumachen ist. Troh dieser noch bestehenden Verordnung und trotz des erheblichen Abbaus der Steuern für die Landwirtfchaft sind noch in der jüngsten Zeit Fälle bekannt geworden, daß Führer des Landbundes zur Steuerverweigerung aufgefordert haben.
Auf Berlangen der Sozialdemokratie hat die Reichsregie rung dem Steuerausschuß des Reichstages Uebersichten über die Strafperfahren und Verurteilun gen vorgelegt, die auf Grund dieser Verordnung vom September 1923 veranlaßt worden sind. Ihre Ergebnisse sind über aus bemerkenswert. Sie geben Veranlassung zu einer Betrachtung nach drei Richtungen hin: erstens zur Unterfuchung der Frage, wie die gegenwärtige Regierung zu diesen offenbaren Steuersaboteuren steht, zweitens, aus welchen Berufsschichten die Steuersaboteure stammen, und drittens, wie die Gerichte sich zu ihren staatsfeindlichen Handlungen gestellt haben.
Die Frage, wie die Reichsregierung zu diesen Steuersaboteuren steht, ist sicherlich die interessanteste. Wiederholt hat sie erklärt, daß eines ihrer obersten Ziele die He= bung der Steuermoral sei. Die Tatsachen aber lehren, daß es ihr mit dieser Versicherung nicht ernst ist. Die Uebersichten der Reichsregierung, verschweigen nämlich sorgfältig Namen und Wohnort der Angeklagten. Trogdem im Steuerausschuß des Reichstags darauf hingewiesen wurde, daß einzelne der Namen durch die Berichte über die Prozesse befannt geworden seien, hat die und Wohnort zu versehen. Ein solches Verhalten steht unter jeder sachlichen Kritik. Es widerspricht der DeffentRegierung fich geweigert, die Zusammenstellung mit Namen lichkeit unseres Gerichtswesens und sieht einer Inschutznahme der Steuerfaboteure, die meistens aus gewinnsüchtigen Moti
Die Beröffentlichung der Durchreiseangelegenheit erfolgte zu des Reichspräsidenten der Presse erklärt worden, daß teine Beeinem ganz bestimmten Zwed. Es war turz zuvor von dem Bureau ziehungen zwischen Ebert und Barmat bestanden hätten. Mit Diesem Dokument, bas nach außen hin bei böswilliger Auslegung den Anschein einer solchen Beziehung erweden fonnte, sollte nun ein Schlag gegen den damaligen Reichspräsidenten geführt werden. Die Sache wurde zwischen Knoll und Kußmann besprochen- und furze Zeit darauf befand sich Knoll im Besik der Abschriften! Auch aus diesen Abschriften läßt sich an gewissen Mert überzeugen, sich nur den Freund Kußmanns, den Herrn großen politischen Einfluß haben. Mit diesen Kreisen will es
malen nachweisen, daß sie bei der Staatsanwaltschaft her
gestellt worden sind.
Schließlich wollen wir auch, um Herrn Rußmanns Gedächtnis aufzufrischen, die Vorgeschichte der Verhaftung Höfles aufhellen. Bei Höfle wurde befanntlich zunächst eine aus suchung durch Staatsanwaltschaftsrat Pelzer veranstaltet, der ein Artikel in der Deutschen Zeitung" vorangegangen war mit der Ueberschrift:„ Nächtliche Attentransporte". Dieser Artikel behauptete, daß Höfle wichtige Aftenstücke in die Billa seines Nach barn Schondorf zur Verbrennung in dessen Schokoladenfabrik hätte bringen lassen. Im Höfle- Ausschuß wurde festgestellt, daß in Wahrheit Höfle nach erfolgter Amtsniederlegung durch das Auto feines Nachbarn und Freundes Schondorf nur völlig under. fängliche Brivatsachen aus dem Ministerium hat in seine Wohnung bringen laffen. Immerhin bildeten die erlogenen Be hauptungen diefes Artikels noch die Grundlage für den späteren Haftbefehl gegen Höfle, soweit dieser sich auf Verdunkelungsgefahr ftützte.
Diesen Artikel hatte von Sodenstern auf Beranlaffung KlugeKnolls in die„ Deutsche Zeitung" gefeht. Als er wegen dieses Artitels später von Staatsanwaltschaftsrat Pelzer vernommen wurde, hatte Sodenstern große Angst, weil er sich nicht auf Kluge beziehen durfte und sagte nichts aus. Das Entscheidende der Sache aber ist, daß Kluge seinerseits die Notiz nach den Direktiven der Staatsanwaltschaft gefertigt hat, damit diese einen Vorwand hätte, Berbunkelungsgefahr zu behaupten. Es ist denn auch im höchsten Maße auffällig, das Staatsanwaltschaftsrat Pelzer, obwohl die Bernehmung Sodensterns über den Artikel völlig negativ ausfiel, trodem auf Grund dieser von ihrem eigenen Urheber nicht bestätigten Zeitungsnotiz hin die Haussuchung unternahm.
Barum hat übrigens Herr Staatsanwaltschaftsrat Pelzer bei feiner eidlichen Bernehmung vor dem Höfle- Ausschuß die Ber. nehmung des Herrn v. Sodenstern nicht erwähnt? Glaubte er auch, daß das„ nicht zur Sache gehörte", wie das bekannte Meineidsverfahren gegen Höfle, von dem er auch bei seiner ersten Aussage völlig geschwiegen hatte, und von dem ei hann erft mochenlang später redete, als die Sache dem Ausschuß hurd einen Dofumentenfund inzwischen bekannt gemorden
mar?
Die von den Herren Bacmeister und Leopold unterhaltenen Aufklärungsbureaus" dienen das wird doch niemand zu leugnen versuchen dem Kampf gegen die Sozialdemokratische Partei . Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist die Feststellung der Wahrheit. Auf die Wahrheit ist es aber den sogenannten Aufflärungsbureaus" zu allerletzt anwurden, werden von Herrn Bacmeister ebenso herablaffend gekommen. Die Leute, die in diesen Bureaus beschäftigt wie schonend als Persönlichkeiten" bezeichnet ,,, die von ihrer Arbeit leben müssen". Daß muß Herr Bacmeister offenbar nicht. Aber im Namen derer, die wirklich von ihrer Arbeit leben, müssen wir gegen ihre Gleich stellung mit den Angestellten der Herrn Bacmeister proteftieren. Leute, die von ehrlicher Arbeit leben, waren diese Angestellten nicht. Man braucht, um sich davon zu Knoll Klausing Dr. Kluge vorstellen, den Mann mit dem falschen Doktortitel und dem schleunigen Namenswechsel im Fall einer drohenden strafrechtlichen Untersuchung. Oder jenen Erpazififten Wolfgang Breithaupt , der erst jüngst vom Oberfinanzrat Bang in der Deutschen Zeitung" als tapferer Wahrheitsfünder gefeiert wurde.
Die enge Verbindung mit solchen Bureaus und solchen Leuten konnte weder der Staatsanwaltschaft zur Ehre gereichen noch dem 3wed dienen, die Wahrheit zu finden. Die Staatsanwaltschaft mußte selbstverständlich alle ihr zugehenden Anzeigen sorgfältig prüfen, aber sie mußte gegenüber den Bureaus des Herrn Bacmeister Distanz halten. Statt dessen haben sich einzelne Beamte geradezu als ausführende Organe jener deutschnationalen Standalbureaus betätigt. Sie haben dadurch ihre Pflicht gröblichst verletzt.
Keine Erhöhung der Beamtengehälter.
Der Regierungsblock lehnt ab.
ven handeln, außerordentlich ähnlich.
Berständlich wird dieses Verhalten überhaupt erst, wenn man aus den Uebersichten entnimmt, daß die aller meisten Angeklagten Großagrarier find und als Leiter von Landbundorganisationen die Regierung natürlich nicht verderben. Sie sind ja ihre Träger und Herren. Der Schuh und die hebung der Steuermoral macht vor ihnen halt. Ihnen ist erlaubt, was anderen bei ſtrenger Strafe verboten ist. Es wird wohl auch faum bestritten werden, daß die Regierung etwas weniger Rücksicht genommen hätte, wenn es sich nicht um Rittergutsbesizer, fondern um Arbeiter handeln würde. Wir wollen einmal fehen, wie ein Gewerkschaftssekretär angeprangert werden würde, wenn er zur Nichtzahlung der Lohnsteuer aufgefordert hätte.
Am schlimmsten aber ist das Berhalten der Gerichte. Die Verordnung vom September 1923 sah ausdrücklich als Mindest strafe einen Monat Gefängnis vor. Und nur neben Gefängnis sollte auf Geldstrafe in unbeschränkter Höhe erkannt werden können. Trotzdem ist in den dreizehn Fällen, über die die Regierung Auskunft gibt, und die zu einer rechtsfräftigen Verurteilung geführt haben, nur in einem Fall auf Gefängnis erkannt und In allen teine Bewährungsfrist zugestanden worden. cnderen Fällen wurden die Gefängnisstrafen in zum Teil lächerlich niedrige Geldstrafen umgewandelt oder Bewährungsfrist gewährt. wie standalös das Verhalten der Gerichte ist, zeigen folgende Auszüge aus der amtlichen Uebersicht:
Die Meldung in der Morgenausgabe des Berliner Tageblatts" über eine beabsichtigte Erhöhung der Beamtengehälter 1 bis 6 um 12 Broz, für die übrigen Gruppen um 10 Broz. ist unrichtig. Tatsache ist, daß der Haushaltsausschuß des Reichstages sowohl gestern bei der Beratung des Etatsgefezes für 1. Ein Rittergutsbesitzer fordert in einer Versammlung des Land1925, als auch heute bei Beratung des Notetats den sozialdemo- bundes die Teilnehmer auf, vom nächsten Tage ab bis auf weiteres tratischen Antrag, den Zuschlag zum Grundgehalt der teinen Pfennig Steuern mehr zu zahlen. Er wird in zwei Fällen Gruppen 1 bis 7 von 12% auf 20 Broz. zu erhöhen oder diesen rechtsfräftig verurteilt, aber statt der an sich verwirkten Gefängnis Beamten eine einmalige Wirtschaftsbeihilfe von 100 m. zu geftrafe von einem Monat zu einer Geldstrafe von insgesamt währen, abgelehnt hat. Die fozialdemokratische Reichstagsfrat 2400 Mart verurteilt. tion wird den Antrag bei der Beratung des Notetats im Plenum des Reichstages wiederholen.
Abgelehnt wurde auch der sozialdemokratische Antrag, den Notetat nur bis zum 8. August zu verlängern. Die Regierungsparteien beschlossen, den Termin für den Ablauf des Notetats bis zum 30. November d. J. hinauszuschieben.
Lediglich wird vom 1. August ab auf Antrag der Sozialdemofraten das volle gefeßliche Wohnungsgeld( bisher 95 Broz.) gezahlt und der Reichsfinanzminister ermächtigt, barüber hinaus zugehen, wenn neue Mietfteigerungen das erforderlich machen.
2. Ein Riffergutsbefiher fordert in einer Bersammlung des Kreislandbundes die Landwirte auf, feine Steuern mehr zu bezahlen. An Stelle einer verwirkten Gefängnisstrafe von zwei Monaten wird er zu einer Geldstrafe von insgesamt 600 Mart verurteilt.
3. Derselbe Tatbestand bei einem Geschäftsführer des Kreislandbundes führt zu einer Verurteilung von insgesamt 300 Mart Geld. strafe
4. Ein Gutspächter wird megen Steuersabotage und Bergehen gegen§ 111 StGB.( Aufforderung zu strafbaren Handlungen) mit einer eldstrafe non 600 Mart belegt.