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Nr. 359+ 42. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Das Odertal von Frankfurt   bis Schwedt  Ferienwanderung

tapelle mit einem wundertätigen Marienbild befand sich hier. Bon Göriz wandern wir nördlich durch die Oderniederung nach Küstrin  , der alten Festung an der Mündung der Barthe in die Oder  . Die atmet den Geist militärischer Bergangenheit; die Reustadt zeigt Altstadt Küstrin, eingeengt durch die Festungswälle und-mauern, dagegen reges Leben und Treiben.

Das Oderbruch  .

Sonnabend, 1. August 1925

auf dem östlichen Ufer. Unser Weg führt an Rieberwutom, einem ausgesprochenen Runddorf, vorüber. Zur Rechten steigt die von vielen Schluchten zerrissene Hochfläche auf, nach links fchauen wir über das breite Odertal bis zu den Höhen von Oderberg  , die Don dem Aussichtsturm auf dem Pimpinellenberg gefrönt find. Ein Schönes Bild der märkischen Landschaft können wir hier genießen. Die alte Bergstadt 3 eh den haben wir erreicht; eine wirtliche Bergstadt mit hügeligen Straßen und sehr unebenem Marktplatz. Ueber Niederlübbichow wandern wir nach Bellinchen, wo die Oder   wieder dicht an die neumärkische Hochfläche herantritt. Gegenüber, am Rande der udermärkischen Hochfläche, liegen Lunom, Stolzenhagen und Stolpe   mit dem erhalten ge­bliebenen Bergfried der alten Burg. Das Gelände des neumärkischen Ufers wird jezt flacher. Durch schönen Wald kommen wir über Beegig nach Raduhn. Jetzt steigt das Gelände wieder unmittelbar steil auf aus der Talebene, nur ein schmaler Pfad bleibt am Fuß des Steilhangs. Auf der Höhe bei Raduhn liegt ein vor. geschichtlicher Burgwall. Wir folgen dem Pfad nach Nieder­saaten. Weiterhin liegt in den schön bewaldeten Schluchten des Höhenrandes das Tal der Liebe, ebenfalls eine Schlucht. Bon Niederfränig bringt uns die auf dem hohen Damm hinführende Chaussee durch die Oderniederung. Stromauf- und stromabwärts fehen wir schöne Landschaftsbilder. Die letzte der vielen Brücken überschreiten wir, und wir sind in Schwedt  , der Hauptstadt des udermärkischen Tabafbaues. Schon von weitem sehen wir die Trodenfcheunen für den Tabat. Das an der Oder liegende Schloß mit seinem schönen Bart, sowie die dorthin führende alleeartige Straße verraten uns, daß Schwedt   einst eine fleine Residenz war. Jetzt wird das Stadtleben jedoch beherrscht von Handel und Industrie, in der Hauptsache durch den Tabat hervorgerufen und unterhalten. Schwedt   bildet das Endziel unserer märkischen Ferienwanderung durch das Odertal  . Reich an schönen Eindrücken, befriedigt von den vielen prächtigen Landschaftsbildern, tehren wir über Angermünde  130 Rilometer( 6 bis 7 Tage). Wer weniger Zeit zur Verfügung hat, nach Berlin   zurüd. Gesamtlänge der ganzen Wanderung etwa mag sich mit diesem oder jenem Teilabschnitt begnügen, zum Beispiel Rüftrin- Schwebt, etwa 96 Kilometer( 4 bis 5 Tage), Frankfurt­Bäderid, etwa 83 Rilometer( 4 Tage), Küstrin  - Bäckerid oder Zäde­rid- Schwedt, je etwa 47 Kilometer( 2 bis 3 Tage).

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Spricht man von der Poesie und Geschichte deutscher   Ströme,| jo dentt man immer mur an den Rhein  , die Saale  , die Donau   oder andere Ströme Best-, Mittel- und Süddeutschlands  . Und dennoch haben die Strome Nord- und Ostdeutschlands   ebensogut ihre Boefie, ihre Geschichte. Sie winden sich nicht durch Gebirgspässe und Felsen­tore; ihr Lauf geht durch weite Talebenen, von fanften Uferbängen begleitet, auf denen nicht der Weinstod gedeiht, wohl aber üppiges Brottorn wächst oder Laub- und Nadelwälder grünen. Burgruinen spiegeln sich nicht in den Fluten dieser Ströme, aber dennoch haben fich an thnen wichtige Geschehnisse der Geschichte abgespielt. An der Schwelle von Borgeschichte und Geschichte liegen die gewaltigen Völkerringen, in denen die Ströme Nord- und Ostdeutschlands   ihre geschichtliche Rolle spielten; so Weser   und Aller bei den Ausein andersetzungen zwischen Franken und Sachsen  ; Elbe   und Oder bei dem Aufeinanderprallen der Deutschen   und Benden. Und dieser Strom, die Oder, soll es sein, dessen Ufer mir zu unserer märkischen gen Nord. Bis in das 18. Jahrhundert hinein war das Oberbruc regt sich eine Mutter fürchterlich auf über ihren definitiv abhanderi­

Ferienwanderung wählen.

Don Frankfurt nach Küstrin  .

Bom 13. Jahrhundert an war Frankfurt   neben Breslau   und Stettin   einer der Hauptpläge am Oberstrom. Der Handel war die Grundlage des Aufblühens der Stadt. Die weitverzweigten Handels­beziehungen reichten nach Schlesien   und Bommern  , nach der Mittel­mari, nach Bolen und Preußen. Die Stadt hatte das verbriefte Recht, den Handel aus der weiteren Umgebung durch ihre Mauern zu lenken und das Feilhalten der durchgehenden Waren zu fordern ( Straßenzwang und Niederlagsrecht). Späterhin wurde in Frank furt eine Universität gegründet, die hier bis 1811 bestand. Alsdann murde Frankfurt   durch das Verlegen vieler Behörden nach hier eine ausgeprägte Beamtenstadt, der bis 1918 auch das hier befindliche zahlreiche Militär seine besondere Note aufdrückte. Jetzt nimmt die Industrie mehr und mehr Aufschwung, so daß sich Frankfurt   von der Handels- und Beamtenstadt zur Industriestadt entwickeln wird.= Durch die Lebujer Borstadt verlaffen wir Frankfurt  . Auf dem West ufer der Oder führt die Straße nach der alten Bischofsstadt Lebus  , früher ebenfalls bedeutend für den Oderhandel. Bis 1385 mar Lebus   die Residenz der Bischöfe des gleichnamigen Bistums. Die Stadt besteht aus einer Oberstadt, die sich auf den Abhängen des Bergrüdens hinzieht, und einer Unterftabt auf dem schmalen Ufer fireifen zwischen Höhenzug und Strom. Bon Lebus wandern wir weiter auf der Höhe der Uferhänge, mit schönen Ausblicken über das Odertal über Klessin und Wuhden nach Reitmein. Südlich des Dorfes, unmittelbar fteil abfallend zum Odertal, liegt ein vor­gefchichtlicher Burgwall. Nur noch Teile des Erdmalls dieser Burg­anlage find erhalten geblieben. Schafe grajen jetzt hier; von den Gebäuden, die aus Holz errichtet waren, ist nichts mehr vorhanden. Bei Reitmein springt die Hochfläche des Lebuser Landes als Reit­meiner Nase" weit in das Odertal   vor. Nördlich davon beginnt die meilenweite Ebene des Oderbruchs. Wir wandern zur Oder und laffen uns mit der Fähre nach Görig übersehen, einer alten Stadt, die zeitweise Residenz der Lebuser Bischöfe war. Auch eine Marien­

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Sinnenspiel.

Aus einem Tagebuch mitgeteilt von Rurt Eisner.

14. Auguft. Beim Ueberlefen der letzten Blätter will es mir heute scheinen, als ob ich manches übertrieben hätte. Es ist mir gar nicht mehr möglich, mich in die Stimmung hineinzufühlen, doch kann ich nicht leugnen, daß jene eine Nacht wirklich von den Gedankenverbrechen, mie ich sie schilderte, besudelt war. Das weiß ich leider nur zu genau und ich werde es niemals vergessen. Aber ebenso genau weiß ich, daß während dieser ganzen Zeit auch damals die größte Freude des ganzen Tages eigentlich der Briefbote war. Benn die Zeit der Bestellung heranrückte, lief ich bis zum Boftgebäude dem Manne entgegen, um ja rechtzeitig den Gruß von Klara zu empfangen. Sie schrieb fast jeden Tag, plauderte in ihrer an­mutigen, humoristischen Weise von diesem und jenem, erzählte mir in sehr hübscher, lebhafter Stilisierung von den beispiellosen Helden­taten meiner Sprößlinge, die wir um fo mehr bewunderten, je unzivilisierter fie sind, und schloß gewöhnlich in Andeutungen unferer alten Geheimsprache mit einer auf unser Berhältnis zielenden Reckerei, aus der doch die Liebe und Sehnsucht flar, wenn auch mit lächelnd zur Seite gewandten Augen hervorschaute. Manchmal trafen auch Postkarten mit zierlichen Bersen ein. Blieb die gewohnte Spende einen Tag aus, so hätte ich am liebsten den Briefträger wegen seiner Unverschämtheit, mich im Stiche zu laffen, geprügelt, wobei ich allerdings sicherlich schnell in die Defen­five geraten wäre. Und nun habe ich gar seit sechs Tagen teine Sendung erhalten. Auch heute schüttelte der Briefträger mit dem mitleidigen Bächeln, das ihn dabei ziert, den Stopf auf meine Frage, ob er etwas für mich hätte. Was ist geschehen? Ich bin fehr unruhig. Ich bilde mir ein, daß die Kinder erfrankt sind. Kinderfrankheiten sind so unheimlich schnell. Ehe ich es noch er­fahre, find fie; ich fann mir das gar nicht vorstellen, daß ich fie vielleicht niemals wiedersehen werde, ich würde wahnsinnig werden. Oder ist Klara selbst erkrankt, dann würde sie mir erst recht eine Nachricht schicken, um mich nicht in Sorge zu bringen. Wahrscheinlich wird sich das Rätsel ganz harmlos aufklären: Wirt schaftliche Abhaltung, große Wäsche und dergleichen. Morgen werde ich das erfahren, 3 merbe bann lachen über meine grundlofe

Oberbruch  , das über 50 Rilometer lang und 12 bis 30 Kilometer Bei Küstrin   tritt die Oder   in eine meilenweite Ebene, das breit ist. Hier befand sich am Ende der Eiszeit ein riesiger Staufee, in dem sich die durch das alte Thorner Urstromtal von Ost heran­wälzenden Schmelzwasser und die von Süden tommenden Wasser der Oder fammelten. Allmählich gelang erst der Durchbruch bei Niederfinom und Eberswalde   gen West und später, als das Inlandeis fich zurückgezogen hatte, bei Oderberg   und Hohenfaaten

ein unmegfames, fumpfiges Land, das mur von wenigen Menschen bewohnt war. Defto zahlreicher waren hier die Fische, Krebse, Bögel und Mücken. Im 18. Jahrhundert wurden die Sümpfe ent mäffert, der Strom eingedeicht. Dadurch wurden Wiesen und Aeder gemonnen, so daß 43 Ortschaften angelegt und mit 1315 Familien ( 6137 Personen) besiedelt werden konnten, die aus Desterreich, Bolen und aus der Pfaiz, sowie der französischen   Schweiz   herbeigerufen wurden. Von Rüstrin wandern wir am Ostrand des Öder­bruchs weiter. Rechts erhebt sich die Hochfläche der Neumart, mitunter fanft ansteigend, mitunter ziemlich fieil aufragend. Ueber Altorewig, Altschaumburg und Ralenzig tommen wir nach Klewitz, wo die von Soldin tommende Miegel in die Oder mündet. Bald darauf sind wir in Sälse, wo wir mit der Fähre über den Strom jezen. Nun bleiben wir auf dem Deich und fommen über Rieniz und Groß- Neuendorf zum Zelliner Fährhaus. Hier geht es zurück über die Oder nach Bellin und weiter über Altblessin nach Güstebiefe. Am Fuß der Hochfläche wandern wir nach bem schön gelegenen Attliebegoride mit gutem Badestrand an der Oder. Hier mündet die fich von Mohrin herabschlängelnde Schlibbe Beiterhin tommen wir nach 3 aderid mit mehreren alten Häusern, die einen laubenartigen Borbau besigen. Jenseits des Dorfes liegt der Bahnhof 3äderid Altrüdniß der Bahn Berlin   Briezen- Königsberg( Neumark  ). Unser Weg führt über Alltrüdnih nach Alttüftrindhen. Gegenüber liegt Neu- Gliezen. Eine wesentliche Arbeit zur Urbarmachung des Oderbruchs war die Anlegung des neuen Oderbettes von Güstebiese nach Neu- Gließen. Hierdurch erhielt der ursprüngliche Dderlauf über Briezen, Freien, walde und Oderberg  , die jezige alte Ober, mur noch untergeordnete Bedeutung. Der Lauf des Stromes wurde durch die neue Oder Don 46 auf 21 Rilometer verfürzt.

Don Altküsteinchen nach Schwedt  .

Bei Altfüftrinchen springt die Hochfläche der Neumark   weit, gen West in das Oderbruch   vor; sie bildet die Neuenhagener Insel, die einst von der Oder im westlichen Bogen umfloffen wurde. Die neue Oder geht öftlich an der Insel vorbei. Wir bleiben

Angst, aber auch Klara tüchtig ausschelten, daß sie mir durch ihr Schweigen den Anlaß zu meinen Befürchtungen gegeben hat. Ich lese schon, wie sie anworten wird: hätte ich dich nicht verwöhnt mit Briefschreiben, würdest du dich nicht beunruhigen, wenn ein paar Tage fein Brieflein tommt: einfach, weil die geplagte Haus­frau eben noch einiges anderes zu tun hat, als ihren Gemahl schriftlich in guter Laune zu erhalten...

Ich habe recht prophezeit. Heute fam ein Brief von Klara, aber dieser Brief hat meine Unruhe nicht beseitigt, sondern ins unerträgliche gesteigert. Unbefangen begann ich zu lesen, bis plöglich Gespenster zwischen den Zeilen auftauchten und mich grinsend verfolgten. Ein Argwohn, den ich bisher niemals auch nur in flüchtigen Gebanten geftreift habe, erwachte, und seitdem bin ich in seinen Fängen. Dabei ist es wahrlich nicht wie eine Kraftäußerung meines Scharfsinns, der ein wenig zu deuten und beuteln begehrt. Und doch, wenn ich mir auch vernünftig sage, es sei alles bloß willkürliche Einbildung, es weht aus dem Brief so, schwül und unwahr, daß ich das Gefühl des Verdachts nicht zu bannen vermag. Ich will den Brief abschreiben und tommen tieren, einer wissenschaftlich nüchternen Kritit aussehen viel­leicht ist bas ein Mittel, um tlar über ihn und mich felbft zu

werden.

..... 9./10. Auguft.

Diesen Brief schreibe ich lange nach Mitternacht  . Ich fonnte nicht einschlafen, stand wieder auf, fige nun auf dem Ballon der lauen Nacht, nur mit dem weißen Matinee" befleidet, und plau. bere mit Dir. Die Lampe   bedeckt sich mehr und mehr mit unzäh. ligen Gnigen, die sich versengen und dann in der Fettschicht des Baffins ihr Massengrab finden. Auch ein paar dide braune Nacht­falter, vor denen ich mich eigentlich fürchte, haben schon ihr Leben laffen müffen, bloß meil ich an Dich schreibe und dazu Licht brauche. Der Balkon stellt gleichsam einen Leuchtturm dar in der unend­lichen Finsternis, nur daß er zum Unterschied von den.richtigen Leuchttürmen, von denen ich leider noch niemals einen gesehen habe, die in dem Luftmeer treibenden Wesen nicht warnt, sondern zum Scheitern verführt. Ein wunderschönes, hauchzartes Gespinst mit grünfilbernem, leuchtendem Geäder habe ich eben noch gerettet, indem ich es in der hohlen Hand vorsichtig abfing und am Gitter bes Baltons in die dunkle Tiefe versentte. Das Tier fam finger­meise nicht wieder, Die anderen aber lockt die Flamme in den

Treptow   am Mittwochabend.

In den Gärten herrscht ungetrübtes Familienglüd. Die einen Tische am Wasser sind überfüllt. Jeder Bapa hält mindestens ein Kind auf den Knien. Zwischen den Tischen spielen die Kinder Greifchen oder beschäftigen sich anderweitig ernsthaft. anderweitig ernsthaft. Manchma

gefommenen Sprößling. Es wird viel Bier getrunken. Und das Orchester spielt mit Temperament den Cfardas aus der Csardas. fürstin".

Unter den Rolonnaden, wohin der Schein der stimmungsvoller Lampions nicht reicht, genießen Liebende eines zurückgezogenen Glücks, der Kellner, ein verstehender Mann, stört nicht weiter. Aus dem Dunkel glühen die Zigaretten wie Leuchttäfer auf, die Unterhaltung wird in leisen Tönen geführt. Allmählich verbreitet sich unter den Menschen eine größere Erregung. Die große Stunde naht. Man inszeniert eine Völkerwanderung, man drängt mehr nach vorne, an den See, auf dem illuminierte Boote Stimmung machen. Biözlich ein Schuß, der das Zeichen gibt. Selbst die Liebenden sind erwacht. zischen hoch, Sonnen brennen ab, dunkelrote Leuchtkugeln werden Alles stürzt, rennt wie von Furien gepeitscht, an den See. Raketen mit entzückten Achs und Ohs begleitet. Spannung, sogenannt fieberhaft.

Man steht auf Lischen und Stühlen und hebt noch seine Kinder hoch, eine ältere Dame trifft energische Vorbereitungen, auf eine Raftanie zu klettern. Ein Herr erflärt von einem Boot aus, daß jetzt der berühmte Todessprung ausgeführt werden wird. Die Augen Durchlöchern das Duntel; plötzlich flammt ein Licht auf, die Brücke ist taghell beleuchtet, und unter den Klängen des Mimosenwalzers, durch die Luft, Raketen steigen, darüber triumphierend, in die Höhe. der einen Nacht und der Orpheusouvertüre fliegt ein dunkles Etwas

Ganz Vorsichtige taften sich jetzt mühsam zur Straßenbahn zurüd, die bereits angenehm überfüllt ist. Noch immer leuchtkugelt und ratetet es am Himmel. Dann tommt der große Ansturm, be­gleitet von sanftem Regen, man fämpft mit wilder Erbitterung um einen Platz auf dem Trittbrett der Straßenbahn. Ueberfüllte Autos tuten sich den Weg durch die Menge. Nach zwei Stunden sind die letzten Menschen abtransportiert. Gärten und See liegen ruhig und schweigend da.

Tod. Ich weiß, Du erflärst mir die Sache anders: Die Insekten würden nicht von der Flamme angezogen, sondern sie gerieten von ungefähr in den Lichtkreis, geblendet verlieren sie ihr Richtungs­gefühl, taumeln bewußtlos und vermögen so nicht zu fliegen. Meinst du das nicht? Ach, was ich als Leidenschaft zur Flamme mir erträume, erklärst Du grausam falt für eine Nervenſtörung. Aber vielleicht ist ja auch die Leidenschaft nichts als eine Nerven­störung.-- Leidenschaft... sie ist zu den Fröschen entflohen. Da zieht ein Trupp Soldaten hinaus, wohl zu einer Nachtübung. Sie fingen. Aber es ist ein müdes Geplärr, wie von eisgrauen Männlein, nicht wie das tönende Feuer junger Kraft. Da ver­stehen es die Frösche unten am Weiher wirklich besser. Sie quaten fo leidenschaftlich, daß man fühlt, wie heiß es ihnen troh ihres talten Blutes zumute ist. Oder ist das ein naturwissenschaftlicher Irrtum, haben diese Tiere warmes Blut? Schreib mir doch darüber. Ich mag das Ronversationslegiton nicht nachschlagen, denn da würde mir erst recht zum Bewußtsein kommen, daß Du fern bist. Sonst brauche ich es ja nicht, weil Du alles aus- und inwendig weißt."

drängende Begehrlichkeit. Nein, ich täusche mich nicht. In diesem Eingang züngelt eine Das ist die verhaltene Sprache ihrer Brautbriefe, in denen sich auch die Worte der Leidenschaft gern in Als ob jene sich schämten und abfchweifende Säge verloren. hinter den Scherzen sich zu verbergen suchten. Nuhig und heiter flingt es dann auch, was sie mir von den Kindern und allerfei Richtigkeiten schreibt. Ganz am Schluß folgt dann, wie beiläufig, als wenn sie die Mitteilung beinahe vergessen hätte:

,, Uebrigens war Euer Kind" heute, das heißt gestern- denn jetzt ist es ja fchon morgen nachmittag bei mir. Der arme Junge fühlt sich recht unglücklich, weiß nicht, was er werden will. Möchte alle Fakultäten durchstudieren. Er hat mir so gründlich sein Herz ausgeschüttet, daß er gleich bis zum Abend bablieb. Der Besuch war mir gerade recht fatal, weil ich in der Wirtschaft be­fonders viel zu tun hatte. Aber er versöhnte mich dadurch, daß er mir von seinen neuesten Reifen erzählt, von denen er erst am Tage zuvor zurückgekehrt war. Er hat förmliche Entdeckungen ganz unbekannter Schönheiten gemacht, die weder im Baedeker, noch im Meyer stehen. Er läßt Dich pielmals grüßen, ebenso wie ich und die anderen.

Klara. ( Fortegung folgt)|