Sn Zwischenspiel vuü ein Nachspiel. Zöllner unter sich. Die Zollberatung, so sehr sie auch eine machtlüsterne Porla- ■mentsmehrheit abkürzte, war immerhin lang genug, um eine an- ständige Blamage der Nationali st en auf Gegen- s e i t i g k e i t herbeizuführen. Der häusliche Streit zwischen Deutsch - nationalen und Völkischen hatte sogar em niedliches parlamentarisches Zwischenspiel zur Folge, das der Oeffentlichkeit wenig Interesse bieten würde, wenn ihm nicht noch ein Nachspiel gefolgt wäre, dessen Form bezeichnend genug für die gegenseitige Wertschätzung der Völkischen und der Deutschnationalen wäre. Die Sache entwickelte sich folgender. niaßen: Der Völkische v. G r a e f e, der zuweilen protestantischer als Papst Luther ist, hatte mit seinen Getreuen einen Antrag zur Zoll- vorläge eingebracht. Danach sollten die Mindestzölle für Getreide z u den im Kompromiß vorgesehenen Mindeftzöllen auf Dieh wieder- eingeführt werden, die Umsatzsteuer auf Lebensmittel aufgehoben werden. Dazu waren noch einige andere Forderungen gestellt. Die Tatfache, daß es noch auf der Rechten Leute gab, die mit der Zollvorlage nicht einverstanden waren, verletzte die regierungstreuen Gefühle der„Deutschen Tageszeitung", des Agrarisrorgans, das zwar oft im Namen des Reichslandbundcs ähn- liche Forderungen wie Herr v. Graes « vertreten und begründet hotte, nun aber aus einmal den Antrag der Völkischen nicht anders als die sozialdemokratischen und kommunistischen Anträge einfach als Z o l l- demagogie bezeichnete. Das Blatt hatte sich zwar nicht die Mühe gemacht, den Antrag der Völkischen durchzulesen, es hatte auch darauf verzichtet, sich die wirklich nicht sehr geistvolle Begründung des Herrn v. Graefe anzuhören. So entstanden einige Fehler in der Wiedergabe des völkischen Antrag» in der„D. W* v. Graes« geriet in eine nicht geringe Entrüstung, bezeichnete die Zeitung als böswillig, ver. logen, demagogisch. Es kam aber noch besser. Herr v. Graefe verlangte von der deutschnattonalcn Partei, daß sie von dem Artikel abrücke, andernfalls behalte er sich gegenüber so unanständiger Politik die volle Handlungsfreiheit semer Fraktion vor, die bi» dahin dem verhandlunasmüden Parlament mft seiner wackligen Mehrheit zur Beschlußfähigkeit verholfen hatte. An Deutlichkeit ließ die Drohung nun nichts zu wünschen übrig. Sie hätte, wäre sie wahrgeinacht worden, die Verabschiedung der Zollvorlage unmöglich gemacht. Bei dem anerkannt weiten Gewissen der Deutschnationalen kam es aber anders. Noch am Montag, als Graefe seine Philippika hielt, erschien in der„D. T." eine Notiz, in der die Redaktion ihren Rückzug machte, rhn aber nach Richtigstellung de» Irrtums mit Ausfällen gegen die völkische Taktik verbrämte. Im Reichstag selbst wurde das ganze Redncrprogramm umgeworfen. Die Deutschnationolen, die sich an der Debatte nicht beteiligen wollten, schickten nun doch noch Herrn v. Goldacker vor, der mit einer Art Ehrenerklärung für seinen völkischen Kollegen v. Graefe die aufgeregten Gemüter der Völkischen beruhigte. Diese stimmten dann treu und brav für die Regierungsvorlage. Heute mögen, also nach der dritten Lesung der Zollvorlage, bringt die„Deutsche Tageszestunz� einen Artikel,„Erzwungene Ab- wehr" bezeichnet! der Zwang hol eben sehr, sehr langsam gewirkt. Er stellt das Vorgehen v. Graefes als verantwortungslos hin: „Aber wir werden auch jedem Gelüst widerstehen, uns in Zukunft noch einmal mit dem Abgeordneten v. Eraef« unmittelbar in loyaler Weife auseinanderzusetzen. Erst die gestrige Reichstagssitzung mit seinen von dem ihm wohl- wollenden Präsidenten wiederholt gerügten maßlosen Aus- fällen hat wieder bewiesen, daß der Abg. v. Graefe sich nicht im mindesten in Zucht zu hallen vermag. Wohl oder übel muß man deshalb ihm gegenüber zu anderem Verholten kommen, als man es auf Menschen von normalen Hemmungen an- wenden kann." Also: Herr v. Graefe hat den Schutz des§ Sl, er ist frei von normalen Hemmungen. Das ist zwar noch sehr zart in einem Blatt, das das Attentat auf Scheidemann als ein Attentat mit der Klystierspritze bezeichnete, aber da von Graefe doch immer noch sozusagen zur Zunft der Großagrarier gehört, ist die Kennzeichnung eigentlich scharf genug._ Germania non necesse! Jetzt kommt fie philologisch. Die..Kreuzzeitung " ist sich dessen wohl bewußt, daß sie mit ihrem rasch berühmt gewordenen Satz ihre wahre Gesinnung allzu unoor- sichtig manifestiert hat. Sie unternimmt jetzt ein« Flucht ins Gebiet der Philologie, indem sie schreibt: Wir hätten bisher den Herren vom„Vorwärts" nicht nur etwas mehr historische Bildung, sondern auch etwas mehr Klug- heit zugetraut: wir bedauern, daß ihnen auch diese Vorzüge abzugehen scheinen. Dos Wort Xavixare neeezz-, vivere nc>a ueeesse, dieser Sinnspruch der alten Hansastadt bedeutete nämlich nicht etwa, daß die Hansa alles Leben vernichten wollte, sondern es sollte damit zum Ausdnick gebracht werden, daß die Schiff- fahrt ollen anderen Interessen vorginge: ließ man die Schiffahrt, so ließ man das Leben. „dkavisare necesse«st, vi ver« non necesse" heißt auf deutsch : „Seesahren ist notwendig, leben ist nicht notwendig". Sinngemäß: es kommt nicht darauf an, ob menschliche Leben dabei zugrunde gehen. es muß zur See gefahren werden. Nun sogt die„Krcuzzeitung": „Borussia necesse est, Germania non necesse." Sinngemäß: „Wenn nur Preußen erholten bleibt, mag da» Reich ruhig drauf. gehen I', Daß diese Auffassung der geschichtlich überkommenen Gesinnung des sich jetzt.deutschnational" geberdenden Junkertum» vollkommen entspricht, haben wir nachgewiesen. Räumung üer Rheinhäfen. Zum 25. August. pari». 13. August.(HUB.)„Makin " erfährt, daß wie». baden. Düsseldorf . Duisburg und»uhrorl am ?S. August oollkommeu geräumt sein würden. Süüslawien wehrt sich. Wieder 25 bulgarische Komitatschi getötet. Belgrod. 13. August.(Til.) In der letzten Nacht sind 25 bul- garische Komitatschi in der Gegend von Kewader auf südslawisches Gebiet übergetreten. Südslawisch« Verfolgungsobteilungen um- »' n g« l t e n die Band« und machten sie nieder. Die belgisch-amerikanischen Kriegsschulden Verhandlungen. Der amerikanisch« Gegenvorschlag zur Regelung der belgischen Kriegs- schulden isr von der belgischen Kommission abgelehnt worden. Es wurde angedeutet, daß die Ansichten der beiden Kommissionen sehr weit auseinandergehen. Di« belgische Kommission soll em M o r a t o r i u m für die Schuldenzahlung beantragt Hobe«. bis Deutschland die gesamten Belgien zustehenden R«. parationszahlungen geleistet Hobe.
Lasttiere.
Wenn ein Pferd zu lange warten oder in der Sonne stehen muß, dann gibt es deutlich Zeichen von Ungeduld und Unwillen von sich. Wir haben es schon erlebt, daß ein Tier versuchte, mit- samt dem Wagen Kellerstufen hinuntcrzuklettern, um seinen Herrn aus schattigem Aufenthalt vom kühlenden Trank wegzuholen. Ja, die vierbeinige Kreatur ist klug. Sie handelt manchmal folge- richtiger als die zweibeinige, und wenn sie sich in ihrem Aerger und ihrer Herzensnot dem Menschen bemerkbor macht, dann freut man sich darüber und findet dies reizend. Nur wehren darf sie sich nicht, sonst nennt man sie ein elendes Vieh und züchtigt sie mit all der Grausamkeit, die dem Menschen zur Verfügung steht. Aber es gibt auch Lasttiere, denen man es übel nimmt, wenn sie auch nur das leiseste Zeichen von Unwillen bekunden. Da steht ein junger Mensch, blaß, nicht gerade gut genährt, von rührender Willigkeit und Er- gebenheit, und man lädt ihm eine Last nach der anderen auf, ohne auch nur zu fragen, ob er sie noch zu tragen vermag. Er käme schön an, äußerte er von selbst, daß es ihm zu viel sei. Man würde ihn einen schlechten und faulen Arbeiter nennen und ihm höchstens noch mehr aufbürden. Da steht er nun und wenn er geht, weiß er meist keinen Rot, wie er das alles an seinen Bestimmungs- ort bringen soll. Man verlangt von ihm, daß er Athlet oder Rad- künstler oder beides zusammen sei. Aber selbst damit ist seine schwere Rolle noch nicht beendet. Aus der Straße möchte er aus- ruhen, er setzt die Last ab. Was nicht alles an mißbilligenden Blicken auf ihn losschießt! Sie, die gar nichts von körperlicher Arbett wissen, die niemals wunde Schultern und zerschlagene Knochen hatten, nie auf schmerzhaftem Loger über das Risiko der Arbeit nochsinnen mußten— sie alle und am meisten die vornehme Damenwelt— finden Arbeiter von heute träge und darauf bedacht, ihrem Brotherrn das Geld aus der Tasche zu stehlen. Mit dem „armen Tier" hoben sie olle Mitleid— wehe dem Kutscher, der zur Peitsche greift, weil seine Riesenlast eine Wegsteigung nicht überwinden kann!—, man gibt dem lieben zugelaufenen Kätzchen mehr Milch auf einmal, als Kinder während einiger Tage bekam- men, und das„gute Hundchen" kennt Seidenkissen, wo Volk auf Lumpen schlafen muß. Für den Menschen hat man nichts übrig, das Lasttier mit den Augen des Gottesebenbildes sieht man nicht, auch wenn es in der Hitze zusammenbricht Und schwer erkrankt. Darum, Lastttere, helft euch selbst— werdet Kämpfer und wagt euch zur Sttmmbekundung, wie es sich das ärmste eurer Tier- kollegen, verzeiht das Wort, nicht nehmen läßt, und helft die Zeit miterkämpfen, wo es keine menschlichen Lasttiere mehr geben wird!
kasernenhofton bei der Schupo. Bekanntlich können es einige beamtete Persönlichkeiten noch immer nicht begreifen, daß es einen neunten November gegeben hat. der die Herrschaft des Militarismus brach. Sie träumen ihren militaristischen Traum weiter und zeigen so gerne, wenn sie nur irgendwie können, ungeschminkt ihre Machtgelüste. Zu� diesen Men- schen scheint der Polizeihauptmann und Bereitschoftsiührer I. von einer Polizeiinspektion im Zentrum Berlins zu gehören, hin und wieder tauchen über ihn merkwürdige Gerüchte auf, die der Wahr- heit nicht zu entbehren scheinen. Herr Polizeihauptmann I. lebt noch in der wilhelminischen Aera und glaubt statt Beamte Rekruten vor sich zu haben: er ver- gtßt scheinbar auch völlig, daß er selbst ebenfalls nur Beamter ist. Doch vielleicht nimmt er an, daß höfliche Behandlung die Mannes- zucht unterwühle und die Beamten zu nachgiebiger Weichlichkeit verführe. Wie dem auch.sei, Herr Polizeihauptmann I. vergißt. daß er vielleicht einmal eine gute Kinderstube genossen hat, und ge- sälll sich in weniger salonsähigen Ausdrücken. Sein beliebteste» Bonmot ist„Sie Dussel " oder..Das ist ja unter aller Sau!" Aber das sind nur scherzhafte Einfälle, wenn er wütend ist. bietst er seinen Untermachtmeistern sogar Ohrfeigen an. Man kann zu diesem Betragen nur bemerken, daß es sich durch besondere Knsernonhoffriscbe auszeichnet. Und bei Appellen ist der Herr Polizeihauptmann I. nur strengste Manneszucht. Wehe, wenn der Appell nicht zur Zufriedenheit des Gewaltigen ausfällt, dann werden dien st freie Tage sofort ausgehoben. und die Beamten werden„geschliffen" nach allen Regeln alter ge- heiligtcr Kofernenhoftrodition. Um acht Uhr morgens beginnt die Angelegenheit auf dem Hof mit einer Parade mit Tischen und Bürsten und bis zehn Uhr werden dann die Tische geschrubbt und gewaschen, darauf Appell und zweistündiges strammes Exerzieren. Herr Polizeihauptmann I. leistet damit richtige„Friedensorbeit". Wenn aber ein Beamter glaubt, daß sich der Herr Polizeihaupt- mann I. wir einen schlechten Witz erlaube und daß dienstfreie Tage tassächlich dienstfrei wären, dann wird er sofort aus der Bereit- fchaft entlassen, der Herr Polizeihauptmann I. kündigt ihm einfach und verbietet ihm, jemals wieder die Käsern«zu betreten. Eigentlich sollten diese Befehle von häherer Instanz kommen. Und unwohl darf bei diesen schmissigen Uebungen niemanden werden: er darf nicht das Glied nerlassen. Was soll ober diese Behandlung? Glaubt etwa der Herr Polizeihauptwann I. dadurch die Dienstfreudigkeit seiner Unter- gebenen zu erhöhen. Und weiß er nicht, daß dieser Ton auf seine Untergebenen in ihrem Verkehr mit dem Publikum abfärben kann? Wäre es nicht endlich an der Zeit, daß vorgesetzte Behörden diesem Unfug steuern? Wer sich nicht den neuen Verhältnissen fügen will und es nicht fertig fringt. anders als durch militärischen Drill er- zieherisch zu wirken, soll doch lieber seinen Abschied nehmen. Die Republik ist für ihn kein Boden. „Theorie und PraxiS". In dem Buch„Das wirtschaftliche Amerika : Wege zur De sundung unseres Volkes", Verfasser Herr Dr. K ö t t g e n, General� direktor der Siemens-Schuckert- We r k e, findet man auf Seite 66 folgende Ausführungen:„Das Nationalbewußtsein herrscht nicht nur in den regierenden Kreisen. Es durchzieht das ganze amerikanische Volk. Nirgendwo sieht man so oft die Nationalflagge. Erscheinen die„Stars and Stripes"(Sterne und Streifen) auf der Buhne oder der Leinewand, so erheben sich all« Anwesenden. Man pflegt das Nationalbewußtsein. Der Beste in der Schule darf morgens die Flagge hochziehen!" Man sollte nach diesen Worten annehmen, daß Herr Dr. Köttgen keine Gelegenheit vorüber gehen läßt, um auch das d e u t s ch e Nattonalgesühl zu pflegen. Doch nichts non alledem. Am Geburtstag der Republik , dem höchsten National- feiertag, standen,-wie man uns mitteilt, die vielen Floggen- mästen auf den Siemenswerken leer da, trotzdem die Firma Siemen» über einige schwarzrotgoldene Fahnen verfügt. Das Nationolgefühl ist aber mehr eine Angelegenheit, die man bei anderen bewundert, aber auf die eigenen Verhältnssse aus be- stimmten Gründen lieber nicht angewandt wissen will. Bcrkehrsutz�älle und Volksfürsorge! Immer mehr gehen wir auf dem Verkehrsgebiet amerikanischen Verhältnissen entgegen. Dos Automobil beherrscht die Straßen. Heute
aua) ernc g c u 0 e uet u. u| u 1 1 u ,5111 Folge. Die Statistiken reden eine allzu deutliche Sprache. Kann man auch das Schicksal nicht bestimmen, so bietet sich doch die Ge- legenheit, die materiellen Sorgen, die sich fast immer bei Unfällen einstellen, zu lindern. Die„V o l k s j ü rs o r g e" bietet bei trag. baren Prämien zum Selbstkostenpreis eine Lebensversicherung, die nicht nur berm Tode durch Unjall, sondern auch für das Aster eine
segensreiche Aufgab« erfüllt. Die„Dolksfürsorge" zahlt beim Tode zurch Unfall und Infekttonskrankeiten ohne jedwede Korenzzeit die volle Versicherungssumme aus. Wer für den schlimmsten Notfall Vorsorgen will, wem das Wohl seiner Angehörigen am Herzen licat, wer der Allgemeinheit dienen will, der schließt eine Versicherung bei der.Volksfürsorge" ab und setzt sich mit allen Kräften dafük e n. daß sie bald in allen Familien Eingang findet. Agrtationsmaterial wird portofrei von der Rechnungsstellc Berlin, Engelufer 28, über- mittelt. Die Technik üer Erpresser. Das„Institut für Sexualreform" hatte unlängst eine Vortragsfolge veranstaltet, in der die Referate des Sonitätsrats D:'. Magnus H i r s ch f e l d über die„Bestrafung sexueller Triebab- weichungen" und des Kriminalinspektors, o. D. v. Treskow über „Erpressungen auf sexueller Grundlage" den Abschluß bildeten. Zu- sammensassend und rückschauend kann über das in den Vorträgen behandelte Thema gesagt werden: Die sachliche Kritik, die hierbei von Aerzten und Juristen, von Praktikern und Theoretikern geleistet wurde, wird auf die Ge- ftaltung der Sexual st rasgesetzgebung im zukünftigen Strafgesetzbuch wohl nicht ohne Einfluß bleiben. Treskow, ehe- mcliger Leiter der Berliner Sittenpolizei, schöpfte aus eigener reicher Erfahrung, als er aufs energischste gegen die Paragraphen des Eni- murfes Stellung nahm, die vielleicht noch mehr als die entsprechenden Paragraphen des geltenden Strafgesetzbuches geeignet sind, das E r- presser tum zu züchten. Er erinnerte an den nicht unbc- kannten Fall eines Berliner Londgerichtsrots, der zu einer Masseuse in Beziehung getreten war und schließlich von ihr derart erpreßt wurde, daß er sein Amt aufgeben mußte. Nicht besser erging es einem sehr bekannten Berliner Rechtsanwalt, der gleichfalls einer Masseuse in die Hände fiel und ihr sein ganzes Vermögen ausliefern mußte. Ein anderer Beamter hatte die Unvorsichtigkeit, einem Mädchen einen Brief zu schreiben, in dem er sein Bedauern darüber aussprach, die Verabredung nicht einhalten zu können, da er„non Seiner Majestät zum Frühstück geladen sei und trog der schrecklichen Langeweile, die seiner da harre, das Essen über sich ergehen lassen müsse". Der Brief wurde zur Quelle langjähriger Er- p r e s s u n g en. Alle drei hatten Treskow aufgesucht, um seinen Rat zu erhalten und alle drei zogen es vor, aus Furcht vor der OcffentlichkeitdieErpressungenübersichergehcn zu lassen. Der§ 262 des Entwurfs, der selbst die Verführung von bescholtenen jungen Mädchen unter Strafe stellt und die Dei-- folgung von der Zustimmung derselben abhängig macht, wird nach Ansicht Treskows die Erpressungen zu einer noch höheren Blüte bringen. Das gleiche gelte auch von der neuen Fassung des§ 175. Er züchtet die männliche Prostitution und somit auch die Er- Pressungen. Wenn es nicht auch andere Gründe gäbe für seine Abschaffung, so genüge schon dieser Umstand allein. Auch hier führte Treskow eine Reihe von Fällen aus seiner Praxis an. So den Fall des Legationssekretärs der preußischen Gesandtschaft in Dresden , des Grafen v. Hohenau , der Opfer einer ganzen Bande von Erpressern wurde und der schließlich, ols der Bericht über die Gerichtsverhandlung gegen die Erpresser in der Presse erschien, seines Postens verlustig ging. Ein anderer Fall betraf einen polnischen Grafen, der diesmal den Erpresser spielte. Ein weiterer handelte von einem Oberbürgermeister und Reichstagsabgeordneien, dessen Schwestern selbst nach dem Tode ihres Bruders von dem Erpresser, der den Verstorbenen materiell ruiniert hatte, nicht uer- schont blieben.'Es folgte der Fall des Mühlenbesitzers Mackon:y, der von seinem Erpresser namens Breuer erschossen wurde und der Fall des Kommerzienrots Israel, der angeklagt, im Prozeß gegen seinen Erpresser einen Meineid geleistet zu haben, es vorzog, auz dem Leben zu gehen. Die Zahl der Opfer von Erpressern, selbst solcher, die freiwillig aus dem Leben geschieden sind, könnte ins Unendliche vermehrt werden. Treskow forderte energischen Kampf gegen den§ 175. Dr. Magnus Hirschfeld stellte dann die These auf, daß als Sexuolgefetzgebung eigentlich ein Paragraph genügen müßte, nämlich: mit Gefängnis oder Geldstrafe werden alle diejenigen bestraft, die Gewalt anwenden, Kinder verführen und öffentliches Aergern!; erregen. Hinzuzufügen wäre noch, daß alle Beschuldigten ärztlich untersucht werden müßten. Dr. Magnus Hirschfeld betonte weiter, daß eine ganze Reihe von Paragraphen des Entwurfs zweifelsohne eine Verschlechterung gegen Paragraphen des alten Strafgesetzbuches vorstellen und"daß der Gesetz- geber in diesem Falle den neuesten Errungenschaften der medizinischen Wissenschaft in keiner Weise Rechnung getragen habe— den besten Beweis hierfür liefere die eben erst erschienene Begründung des Entwurfs. So erscheine es notwendig, mit voller Energie den Kampf für eine rechtlich und medizinisch einwandfreie Sexualstrafgesetzgebung zu führen.__ Am Grabe seiner Frau erhängte sich auf dem Friedhof der Zionsgemeinde in Berlin -Nordend der 54 Jahre alte Wächter Adolf Rinke aus der Griebenowstroßc. Er entfernte sich gestern vor- mittag aus seiner Wohnung mit dem Bemerken, daß er die Blumen auf dem Grabe seiner Frau pflegen wolle. Als er am Nachmittag noch nicht wieder nach Hause gekommen war, gingen seine Ber - wandten. Böses ahnend, nach dem Friedhofe und fanden den Mann en dem Grabstein seiner Frau erhängt auf. Rinke war nach dem Tode seiner Frau schwermütig geworden und konnte ihren Verlust nicht verwinden. Tharloltenborger Beratungsstelle für G«schlecht» kr« ke. Die Sprech, stunden finden im Charlottenburger Krankenhause, Ki> chstratzc sowohl für Männer wie für grauen(nach Geschlechtern getrennt) Montags und Donner»- tag» von 8 bis 9 Uhr abends und Mittwochs und Sonnabends von tS bi» 1 Uhr mittags statt. Beratungsbedürftige werden unentgelilich untersucht und beraten. Nennung des Namens nicht erforderlich. Eine Bchandlunz findet in der Beratungsstelle selbst nicht statt.
Die Hanauer Typhnsepidemie. Hanau . 13. August. In vergangener Nacht ist wiederum e i n Typhuskronker gestorben. Die Zahl der Erkrankten hat sich im Laufe de» gestrigen Tages um neun Personen erhöht, so daß nunmehr 52 Fälle van Typhus fest gestellt sind, darunter fünf Fälle von Paratyphus und Typhusverdachtsfälle. Im ganzen sind bisher fünf Personen gestorben.
Jünf Personen vom Blitz erschlagen. Kowno , 13. August. In dem Ort Poniemon schlug ein kalter Blitz in das Haus eines Besitzers und tötete fünf Personen. Eine weitere Person wurde lebensgefährlich verletzt.
Ein grauenerregender Unglücksfall ereignete sich im Riesengebirgs- orte R o ch l i tz. Eine Berliner Gesellschaft fand am Rückrpege von der Kesselkoppe den Grundbesitzer Schwanda aus Rochlitz bewußtlos in einer Grube auf. Dem Mo nne ging ein Draht durch das Auge und den Kopf. Mit diesem Draht« hatte er vor zwei Stunden seine Wasserleitungsröhren gereinigt und war bei der Arbeit gesehen worden. Nach längerer Zeit tras ärztliche Hilfe ein, eine Krankenschwester entfernte den Droht, der Bcrunglücktc aber starb bald darauf ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Offenbar ist Schwanda, der einen Schlaganfall erlitten hoben soll. in den Draht gestürzt.___ Groß-6erliner partemachrichten. 24 Abt.- Die stnitig- Funltionärfitzung findet bei Rosner.«manuel Kirchstr. 25, statt i» Abt. : Heute abend 8 Uhr Funttionärfitzung bei Loiack. Beymostr. 8. M. Abt.«ritz: Morgen, ssreitag. abends'1# Uhr. tzuntlionärtonieren» beim«e» Nossen Kegel . I. Gemetndeschule. Die Vorstandsmitglieder werden gebeten, eint dalde Stunde früher su erscheinen. Zvngsozialiste».»ruppe Lankwitz: Areitag, pünktstch 8 Uhr abend«, im R-»<mront Sporte«. Kalkr-WUbelmstratzc, Vortrag der Senossm Maraun über die deutsch Sstermchtfche Sozialdemokratie.