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Nr. 3�3> 42. Jahrgang

1. Heilage ües vorwärts

Freitag, 21. August 7425

wie öer polizeihunö lernt.

Wer vom Bahnhof Fangschleufe unweit Erkner dem idyllischen Grünheide zustrebt, wird plöglich mitten im Walde durch lautes Hundegebell begrüßt. Fern dem hastenden Getriebe der Großstadt, liegt die unter der Leitung des.Polizeioberleutnants S ch ö n h e'r r stehende staatliche Polizeihundzucht- und Dressuranstalt. Hier werden alle für Polizeizwecke geeigneten Hunde, vorwiegend aber Schäfer- Hunde gezüchtet und abgerichtet. Aus allen Teilen Preußens kommen Polizeibcamte hierher, um in einem dreimonatigen Kursus zu Diensthundführern ausgebildet zu werden. Jeder Bc- amte behält in der ganzen Ausbildungszeit denselben Hund und nimmt ihn später auch an seinen Dienstort mit. Wenn man von einem Polizeihung gute und zuverlässige Arbeit erhalten will, muß man viel Geduld und Mühe auswenden. Ver Appell. Das ABC jeglicher Abrichtung ist der Appell, d. h. der an- bedingte Gehorsam des Hundes. Auf den leisesten Anruf oder Wink seines Herrn muh er sofort hören und darf dem Führer bei keiner Gelegenheitaus der Hand gehen". Ehe das nicht erreicht ist, ist ein weiteres Einarbeiten unmöglich. Im weiteren Verlauf der Uebung leriü der Hund zuerst mit, später ohne Leine folgsam an der linken Seite seines Führers gehen, ohne sich vorzudrängen oder zurückzubleiben. Ob plötzlich rechts oder links abgebogen oder kurz kehrt gemacht wird, stets muß der Hund linksbei Fuß" bleiben. Es folgt dann das Einüben vonSetz Dich",Auf".Meder" und haii". Die ersten beiden Begriffe..Setz Dich" undAuf" dem Tier klar zu machen, erfordert meist nicht allzu große Mühe, mehr dagegen die beiden letzteren. ZumNieder" gehört nicht nur das Nicderkauern des Hundes, sondern vor allem das längere Derweilen

Auf der Fährte. st, dieser Stellung, selbst beim Fortgehen des Führers. Der Hund will anhänglich seinem Herrn auf dem Fuße folgen und kann es nicht fassen, warum er allein, auf dem Boden liegend, zurückbleiben

soll. Doch auch dieses lernt er schließlich: bald bleibt er willig liegen, bis er abgerufen wird. Ebenso ist es mit dem sofortigen halt" aus der Stelle. Wenn der Führer mitten in schnellster Gangart oder im vollsten Lauf Hall macht, muß auch sein Hund auf der Stelle stehen. Wenn er angeleint ist, macht er das ja auch zumeist: geht er aber ohne Lewe, wird er zuerst immerdurch­gehen": doch mit Fleiß und Ausdauer bringt man ihm auch das sofortigeHall" bei. DasLautgeben". d. h. Bellen auf Kommando, fällt, so einfach es auch schemen mag, nicht immer jedem Hunde leicht. Um ihm das beizubringen, bedient man sich mehrerer Kniff«. Einer besteht darin, daß man dem Hund einen Leckerbissen vor die Nase häll und ihm.zuruftGib Laut". Er macht das zuerst nicht, sondern will den Leckerbissen erhaschen. Nun zieht man ihn immer wieder weg unter fortwährender Aufforderung, Laut zu geben. Er wird schließlich ärgerlich darüber und bellt. Unter Lob- warten bekommt er den Bissen, man hat gewonnenes Spiel. Wird die Uebung öfter wiederholt, so gibt der Hund sofort auf Befehl Laut". Eine andere Uebung ist das verweigern des Futters aus fremder Hand. Ein Gehilfe reicht dem Hund einen Köder. Will er zuschnappen, folgt auf dem Fuße ein strafendesPfui" seines Führers. Dasselbe geschieht, wenn er eigens zu diesem Zwecke aus- gestreute Brocken vom Erdboden aufnehmen will. Daraufhin müßte eigentlich jeder Hund, nicht nur der Polizethund abgerichtet werden. Von fremder Hand dargebotene oder ausgestreute Brocken können zur Unschädlichmachung des Hundes vergiftet sein: ein gut erzogener Hund soll daher nur aus seiner Schüssel oder seines Herrn Hand Futter nehmen. Das aber hat zur Voraussetzung, daß er von Hause aus satt ist. Kann�der Hund nun die bisherigen Uebungen, so ist schon ein großes Stück Arbeit geleistet. Die Bor- dressur kann als beendet angesehen werden. die hinöernifse. Ein Polizeihund soll bei der Verfolgung von Verbrechern, die über Zäune, Mauern und dergleichen zu entrinnen oersuchen, folgen können. Der Hund lernt zunächst das lleberspringen einfacher Hürden. Wenn das Hürdenspringen auch noch verhältnismäßig einfach ist, so gestallet sich das Ueberkletteru von Bretterzäunen bedeutend schwieriger. Geübt wird das Klettern an einem holz- geftell mit einschiebbaren Brettern, deren man im Verlauf der Uebung immer mehr einfügt, bis die gewünschte Höhe erreicht cht. Vor und hinler dieser Wand ist. wie auch bei den anderen Hinder- nissen, der Erdboden gelockert, damit sich der Hund beim Ab- und Aufsprung keine Verstauchung oder Brüche zuzieht. Ausgebildete Hunde überklettern mit einem Anlauf von 4 Metern im schlanken Zug Zäune von Z bis Zi? Metern höhe. Daran anschließend wird das lleberspringen von Massergräben geübt. Diesem Zwecke diem ew gemauertes, mit Wasser gefülltes Becken von ungefähr Z Metern Breite und l Meter Tiefe. Beiderseitig ist es von einer kleinen Mauer eingefaßt, damit die Hunde es nicht umgehen können. Zuerst will der Hund vom lleberspringen des Waffers nichts wissen und stellt sich eigensinnig. Er wird dann von zwei Mann mit je einer Leine festgemacht und so zum lleberspringen gezwungen. Mit der Zeit setzt er dann von selbst hinüber, manchmal jedoch nimmt er dabei ein unfreiwilliges Bad. Als letztes Hindernis ist neuerdings in der Anstatt ein Drahlzauu errichtet worden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß der Hund bei Verfolgung von flüchtigen Verbrechern vor Drahtzounen zurückschreckte. Er konnte den Flüchtenden wohl sehen, jedoch ihm nicht nochsetzen. Man bildet daher die Hunde jetzt auch im Ueberkletteru von Drahlzäunen aus. vresiur auf den Mann. Die an sich wichttgste Dressur für einen Polizeihund ist die auf den Mann". Ein Gehilse, der mit einem gepolsterten Leder- anzug angetan ist. stellt den Verbrecher dar. Er versteckt sich in einem dem Hund« unbekannten Ort. Wenn dieser ihn dort auf- gespürt hat. darf er ihn nicht ohne weiteres anfallen und beißen, sondern nur solangeverbellen", bis der Führer heran ist. Beim Abführen achtet der Hund auf jede Bewegung des Verbrechers. Versucht dieser unverhofft, den Beamten onzufällen, so springt er sofort nach seinem Arm und macht ihn somit kampfunfähig. Eni- flieht der Verhaftete plötzlich, setzt der Hund hinterher, springt ihn

aber nicht an, wie dies früher geübt wurde, sondern umkreist ihn drohend und zwingt ihn ebenfalls durch Verbellen zum Stillstehen. Wehrt sich der Verfolgte gegen den Hund und versucht ihn durch Stockschläge, Revolvgrschüssc oder dergleichen zu vertreiben, so wird er gleichfalls am Arm gepackt und vom Hund unschädlich gemacht. Ueberhaupt darf der Hünd beim Fallen von Schüffen nicht aus- kneifen, sondern muß unbeirrt seine Pflicht tun. Durch öfteres Schießen bei den Uebungen werden die Hunde an den Knall eines Revolvers gewöhnt und achten nachher gar nicht mehr daraus. Anfänglich pflegen die Hunde blindwütig draufloszugehen und den Worten des Abrichters zur Mäßigung wenig Gehör zu schenken. Einaus den Mann" abgerichteter Hiir.d bildet in der Hand eines umsichtigen Führers eine wertvolle Hilfe, kann aber ebensogut ohne genügende Aufsicht eine Gefahr für die Mitmenschen werden. Eine

Dressurauf den Mann". solche Ausbildung empfiehlt sich daher nur für Diensthunde, di- stet» unter Aufsicht eines besonnenen Führers flehen. Ein privater Schutzhund wird bei Gefahr, die seinem Herrn droht, auch schon ohne besondere Anleitung zu seinem Herrn stehen. finjfinüen unö Nachgehen von Spuren. Das Auffinden und Verfolgen einer Spur ist eine Arbeit, lür die sich leider nur sehr wenige tnrnde eignen. Es kommen dchur nur Hunde in Betracht, die einen über das Normale hinausgeherllen Gcruchsinu haben und auch selbst dann, wenn diese Boraussetzung erfüllt ist, bedarf es eines für solche Zwecke besonders geeigneten Führers. Bis zu einem gewissen Grade können geeignete Hunde wohl zum Spuren finden ongeluilten werden, ob sie aber in der Praxis hervorragende Arbeit leisten werden, hängt eben von der angeborenen Geeignetheit des Hundes sowie fcives Führers ab Besondere Neigung und Talent haben dazu Hündinnen, wenn sie schon etwas älter sind. Als Vorarbeit wird das Suchen verlorener und versteckter Gegenstände geübt. Man läßt den Hund von einem Taschentuch oder sonstigen Gebrauchsgegenstand zunächst Witterung nehmen und geht mit ihm ein Stück des Weges, wobei man inzwischen den Gegenstand unbemerkt fallen läßt. Nach einer Weile wird plötzlich halt gemacht, dem Hund die leere Hand gezeigt und er zum Suchen angehalten. Auch versteck� man den Gegenstand an einer nicht gleich dem Hund sichtbaren Stelle und läßt ihn dann danach suchen. Dann»ergräbt man das zu Suchende im Beisein des Hundes, entfernt sich mit ihm ein Stück und läßt ihn das Vergrabene suchen und ausscharren. Wenn man anfangs noch immer in die Nähe der Steile zurückkehrt, so gestoliet man im wetteren Verlaus die Uebung immer schwieriger. Man gräbt z. B.

Das unbegreifliche Ich. 18] Geschichte einer Iugeyd. Ronuin von Tom kristeusea. (Berechtigte Uebersetzung aus dem Dänischen von F. E. Bogel .) Mutter!" schrie ich in einer plötzlichen Angst. Das Dunkel und der Regen brachten mich zum Frieren, und es war, als ob ich eine fremde Dame an der Hmid hielte. Ich mußte um Hilfe rufen, und ich gebrauchte den einzigen Rot- schrei, den ich kannte:Murter!" Wirst du still seilt, verstanden!" zischte Mutter, und sie preßte ihre Hand aus meinen Mund. Dann hob sie mich hoch, und ich ahnte, daß sie die Böschung herunter zum Wasser laufen wollte. Guten Abend, schöne Frau. Es find dunkle Wege, die Sie da gehen." Eine breite, dunkle Gestalt schwenkte einen großen Hut; doch ich erkannte die Stimme. Es war Remy. Guten Abend!" sagte Mutter spitz. Soll ich Sie nicht lieber begleiten? Für eine junge Frau ist es hier nicht so ganz ungefährlich. Und da haben wir ja meinen kleinen Freund. Ist er müde, das kleine Ge- schöpf? Er ist doch viel zu schwer zum Tragen. Darf ich nicht lieber?"-. Er ist unartig, ganz, ganz unartig, antwortete Mutter. Ich bin nicht unartig!" knurrte ich. Ich verstand ihre Beschuldigung nicht und stieß böse mit den Füßen, um auf die Erde "zu kommen. Wirst du mal ruhig fem!. Aber ich kam doch herunter und wieder auf meme eigenen Füße, und ich ging augenblicklich hin und ergriff Remys Hand. Ein streitbares Gemüt!" murmelte er. «Ja. man hat es nicht leicht mit den Kindem, sagte Mutter tonlos und während wir nach Haufe gingen, sprach sie die ganze Zeit Sie atmete stoßweise, und alles, was sie sagte, klang in ein andauerndes Jammern zusammen. ..Aber Kinder sind doch ein Segen, liebe Dame. In den Augen der Kinder liegt ein Abglanz des Paradieses. O, glauben Sie mir doch. Ich, drr-ine kinderlose Ehe kenne. weiß, was Kinder bedeuten. Licht sind sie. eine Leuchte für uns elende Geschöpfe�" tröstete Remy mit we-tausholcnden Gebärden. Er sprach so laut, daß die Leute, die wegen des Regens in Türen und Durchgängen standen, uns nachsahen.

Ich ging an seiner Seite und fror. Das nasse Zeug klebte an meinem Körper und erschwerte mir das Gehen. Ich war unsäglich traurig, und Remys schlürfende Schuhe auf dem nassen Pflaster klangen mir ganz unheimlich. Was sie mitein­ander sprachen, die beiden erwachsenen Menschen, hörte ich nicht. Ich begriff, daß es ohne Bedeutung war: aber das saugende Geräusch von Remys undichten Sohlen prägte sich mir tief ein, so daß ich jedesmal frieren muß, wenn ich es höre. Als wir zu Hause waren, wurde ich sofort ins Bett ge- steckt und fiel schnell in Schlaf: doch am nächsten Morgen wurde ich dadurch geweckt, daß Mutter aus den Knien vor meinem Bett lag und weinte. Du bist mir doch nicht böse?" schluchzte sie. Ich sah sie an und dachte darüber nach, wie schrecklich es doch am vergangenen Abend gewesen wäre. Es saß noch ein Angstgefühl in mir, und ich konnte nur mühsam lächeln. Dann kam es mir vor, als ob alles wie immer wäre: doch das fremde Gefühl meiner Mutter gegenüber, der Mangel an Herzlichkeit, den ich ihr meine ganzen Jungenjahre bis zu ihrem Tod bewiesen, müssen sich aus jenem schicksalsschweren Abend hergeleitet haben, wo ich sie als eine gefährliche Macht erlebt hatte. So oerschob sich mir schon im frühesten Alter alles. Die Kirchendienerin wurde ein Diebsstück, und meine Mutter wurde an einem einzigen Abend zu einer fremden Dame. Ich verstand nicht, was ich erlebte: aber ich erinnerte mich viel zu gut an alles, und Jahre danach habe ich diese Bilder wieder hervorgeholt, sie betrachtet und nach einer Erklärung dafür in mir gesucht. Bielleicht enthalten etwas davon diese Blätter. 4. Den ganzen Abend ging Waldemar in seinem Zimmer hin und her und pfiff. Das war nun seine Art, einen Ab- schnitt seines Lebens zu verdauen, und nach dem, was er an dem Tag erfahren hatte, schien es, als ob man ihn nach Hongkong oersetzen wollte. Schanghai , die Straßen, in denen er gegongen war, die Menschen, die er getroffen hatte, war dabei, ihm zu entgleiten, zur Erinnerung zu werden, und diese Verschiebung rief stets in ihm eine Stimmung bei ihm hervor, die zwischen Melancholie und Munterkeit pendelte. Er war nur so kurze Zeit hier gewesen, daß er nichts Trauriges erlebt hatte. Die vielen Menschen, mit denen er gesprochen, die flüchtigen Einblicke in Schicksote, die er zufällig getan hatte, hatten nur jene schwache Melancholie geweckt. die seine Grundstimmung ausmachte. Ihm schien, als ob sich

alles verwandelte, während er es betrachtete. Es gab nichts, was mar. Wenn bloß eine große Mauer in Schanghai gewesen wäre, wäre er jetzt fortgegangen, um sie sich anzusehen. Er fühlte, er brauchte dieIllusion von etwas, das war. Oder hätte er bloß gemußt, wo er den Dänen, der zuyr Chinesen ge- worden, würde treffen können, wäre er zu ihm hingegangen und hätte mit ihm gesprochen, um ihm dann einen Whisky nach dem anderen trinken zu lassen. Waldemar mar wieder Europäer geworden, unruhig und gefährlich. Die Gedanken durchjagten ihn zügellos, bloß weil er vielleicht in einigen Tagen südlich nach Hongkong fahren sollte, um auf die Schisse, die aus Kanton kamen, aufzupassen. Die ganze Ruhe, die er errungen zu haben glaubte, weil er den Sprung nach Asien herüber gewagt halte, war ver- schwunden. Es war wieder der alte Waldemar Rasmusien, der in ihm rumorte. Ich entsinne mich des ersten Males, wo mir eine Welt entschwand gerade deshalb, weil ich nicht die Ruhe und die Selbstverständlichkeit vergessen kann, womitich das aufnahm. Später wurde mir der Tag zu einer Art von Schmerz. Ich erlebte ja, daß das Leben ein Bruchstück ist, doppelt unver- ständlich, weil es stets an ganz zufälligen Stellen abbricht. Wir zogen um. Alle Hüte waren verkauft, und der Laden gekündigt. Ein Radfahrhändler sollte in einigen Tagen einziehen und das Fenster, wo Mutters bunte Gebilde geleuchtet hatten, mit trauen Gummireifen und langweilligen Gestellen und Gumpen füllen, und dann existierte Mutters Fenster nicht mehr: doch an dem Tage, an welchem wir auszogen, wußte ich noch nicht, was es heißen wollte, irgend etwas höre auf zu existieren. Veränderungen kannte ich wohl. Ohne daß ich es ne> stand, hatten sich Menschen verwandelt, während ich sie ansah, aber meine Gedanken hatten nur ihr Ausssehen, ihr Bild sest- halten können. Remy war aus einem Mann mit Läusen zu einem freundlichen Herrn, die gefürchtete Kirchendienerin zu einem Diebsstück geworden, vor der keiner mehr Respekt hatte: und Mutter war zu einer Dame geworden, der ich folgen mußte, obgleicsi ich kein großes Vertrauen zu ihr hegte. Von mir selbst kannte ich viele Bilder, als Sohn Gottes, als hinterlistig, als mit, als unartig: aber ich empfand noch nicht, daß dies eine Veränderung bedeutete. Sic waren nur in buiuer Reihenfolge in mir aufgetaucht.(Fortsetzung folgt.)

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