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Abendausgabe

Nr. 394 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 194

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10 Pfennig

21. August 1925

Vorwärts=

Berliner Dolksblatt

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Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Gemeinsame Aktion gegen China ?

Aufforderung Chamberlains an die Mächte.

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London , 21. Auguft.( TU.) Die englische Regierung iff mif| fönnte. Während im Norden, dort, wo Tschangtfolin geneigt sei, den anderen Mächten wegen einer gemeinsamen Aftion gegen die seinen Einfluß geltend zu machen, die Lage augenblicklich verhält­Kantoner Regierung in Verbindung getreten. Chamberlain nismäßig. günstig sei, verstärke der mit den Bolschemisten verbundene, steht auf dem Standpunkt, daß die Haltung der Kantoner Regierung start antibritische Fengjujiang in der Nähe von Beting immer mehr in der Schiffahrtsfrage eine schwere Verlegung des Völkerrechts jei, feine Stellung, und der Erfolg einer Herausforderung in Kanton von der auch die Handelsflotten der anderen Länder betroffen werden. würde ihm vielleicht die Gelegenheit geben, auf die er möglicherweise warte, endgültig die Macht in Beking an sich zu reißen. Borah gegen die Sonderrechte der Mächte in China . Times" hält es für wahrscheinlich, daß eine Tarifton­Paris, 21. Auguft.( TU.) Der New York Herald " veröffent- ferenz im Ottober stattfinden werde und meint, daß die Mächte licht einen Brief des Senators Borah, des Präsidenten der dann vielleicht endlich eine wirkliche Gelegenheit haben würden, Senatskommiffion für Auswärtige Angelegenheiten, in dem er die ihre Politit bezüglich Chinas in Eintlang zu Abschaffung der Egterritorialrechte der Mächte bringen". Es müsse jedoch zugegeben werden, daß Groß in China befürwortet. Er weist aber darauf hin, daß es sich selbst- britannien und Japan in der Intensität ihrer Teilnahme verständlich nicht darum handle, die Erterritorialität unverzüglid) an der augenblicklichen gefährlichen Lage" etwas allein fün ohne jeden Uebergang aufzuheben. Sache der Großmächte fei es, den. Es bedeute etwas für England, in diesen schwierigen Tagen China so viel Vertrauen entgegenzubringen, daß eine neue Cage einen alten Freund an seiner Seite zu haben, es müffe jedoch immer entstehe, die die Abschaffung der konzeffionen ermög- wiederholt werden, daß eine kluge und energische britische liche. Die Politit, die die Mächte zurzeit China gegenüber befolgen, Initiative vor allem notwendig sei. Chamberlain fei gestern laffe darauf schließen, daß fie diefes Ziel nicht im Auge häffen. eigens nach London gekommen, um sich mit dem chinesischen In dem Brief heißt es weiter: Die auswärtigen Infereffenten- Broblem zu befassen. In einer Krisis, wie fie augenblicklich gruppen beuten das Menschenmaterial in China in einer Weise aus, herrsche, könne England es sich nicht leisten, auch nur einen Augen­die jeder Beschreibung spottet. Kann man China einen Berwurf blid nicht auf der Hut zu sein. daraus machen, daß es selbständig zu Reformmaßnahmen feine Zu­flucht nehmen muß?" Borah gibt der Ueberzeugung Ausdrud, daß, wenn die Mächte ihre Politit ändern würden, die Chinesen gemeinsam mit den Mächten zur Ausarbeitung eines Re­formprogramms bereit seien.

Heftige Besorguiffe in London .

London , 21. Auguft.( WTB.) Times" betont in einem Leit artifel, daß die Rote Regierung" von Kanton, die von den Bolsche­wisten unterstüßt werde, eine heftige Tätigkeit gegen Großbritannien entfalte. Das Blatt bezeichnet die letzte Berfügung der Regierung, von Kanton gegen das Einlaufen von britischen und japanischen Schiffen als eine offene Herausforderung und erwidert auf die Frage, was die Mächte tun fönnten, es würde höchst einfach sein, mit einer Blodierung der Mündung des Flusses zu antworten. Es dürfe jedoch nicht vergessen werden, daß es vielleicht der wirkliche Zweck der Feinde Englands sei, durch die Veröffentlichung selcher Verfügungen Großbritannien gerade zu einem derartigen Schritt herauszufordern, der als Kriegsmaßnahme ausgelegt werden

Die Schuldenregelung.

Die Amerikaner wollen ihr Geld. London , 21. Auguft.( WIB.) Times" meldet aus Washington , aus der belgischen Schuldenregelung gehe hervor, welche Bedingun­gen der franzöfifchen Schuldenfundierungskommiffion gestellt würden, nämlich eine Zurüdzahlung in 62 Jahren bei einem Zinsfuß von 3% Prozent. Die Entschloffenheit der Regierung Coolidges, denjenigen, die ihre Verpflichtungen nicht einhielten, die kredite zu verweigern, beffehe unverändert fort. Dies sei den 3talienern und Belgiern gesagt worden, und die Fran30­fen müßten damit als dem wichtigsten Grunde für eine Regelung rechnen.

Französische Unterhändler nach Washington . Paris , 20. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Die amerikanische Meldung, daß eine Kommission französischer Finanzsachverständiger und Barlamentarier sich am 15. September zur Regelung der fran­zöfifchen Schulden nach Washington begeben soll, wird vom fran zösischen Finanzministerium bestätigt. Die Kommiffionsmitglie. der sollen von dem übernächsten Ministerrat bestimmt werden, da Finanzminister Caillour nicht vorher von London zurückerwartet wird.

Internationaler Nationalismus." Deutsch - ungarische Entente gegen die Juden. Es ist eine alte Geschichte, daß die nationalistischen Hysterifer, wie Mussolini , Primo de Rivera , Horthy , Hitler und Herr Wulle eine besondere Sympathie füreinander empfinden und nicht versäumen, diesen Gefühlen auch lebendigen Ausdruck zu geben. So geht anläßlich des Zionistenfongresses in Wien ein Wutschrei nicht allein durch Bayern und Mecklenburg , sondern auch durch Berlin , Budapest , Rom , Madrid , überall hin, wo völkische Belange" die Gehirne vernebelt haben. Diesem inter nationalen Unterbewußtsein der Nationalisten hat die Großdeutsche Warte" Ausdrud verliehen. Sie bringt einen Leitartikel einer ungarischen völkischen Größe, in dem es heißt:

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Wenn wir aber den im nationalen Gedanten enthaltenen Bert einmal richtig erfaßt haben, so fönnen mir nicht umhin, diesen Wert auch bei anderen Nationen zu würdigen und zu schäzen, und der Gedante eines zusammenwirtens aller von der Idee des Nationalismus durch drungener Rationen wird zur zwingenden Roi mendigkeit. Wie fönnten wir sonst gegen die, die ganze chriftliche Kulturmelt bedrohenden, international organisierten anti nationalen Strömungen der Kommunisten, Margiften, Freimaurer furz gegen alle jene Strönungen, die hauptsächlich den jüdischen Charakter an sich tragen erfolgreich anfämpfen?

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Ja sehr schön! Alle von der Idee des Nationalismus burchbrungene Nationen" sollen zusammenwirfen"? Poincaré und Muffolini sind doch wohl als Nationalisten zuverläffig genug? Sie follen demnach angegangen werden, zur Lösung der eljab- loth

Auch Financial Times " befoßt sich in einem Leitartikel mit der Lage in China und betont, daß der Handel in Hongkong unter dem antibritischen Boykott täglich fast eine Biertelmillion Pfund Sterling einbüße.

" Daily Mail" berichtet, das Foreign Office sehe die Attion ber Behörden von Kanton, die den britischen und den japanischen Schiffen die Einfahrt in ihre Häfen verbieten, sehr ernst an. Dies gehe daraus hervor, daß Chamberlain seine Ferien unterbrochen habe, um die in China geschaffene Lage zu erwägen. Es herrsche jedoch allgemein die Ansicht vor, daß diese Aktion gegen die britischen Inter­effen von einer nicht anerkannten Körperschaft ohne rechtliche Grund­lage unternommen wurde und daß Großbritannien mit Japan , falls legteres dies münschen sollte, vol berechtigt sein würde, alle Maßnahmen zu ergreifen, die für notwendig ge­halten werden, um die britischen Rechte aus dem internationalen Bertrag zu schützen. Chamberlain beabsichtige nach Abschluß der Untersuchung einen sofortigen Regierungsbeschluß darüber herbei. zuführen, ob es wünschenswert sei oder nicht, eine entscheidende Aftion zu unternehmen.

ringischen, der südtiroler und der südslamischen Frage mit Hitler , Ludendorff und Horthy zusammenzuwirken. Oder etwa nicht?

Monstre- Prozesse in Litauen .

Wegen kommunistischer Propaganda. vor dem Obersten Landesgericht in Kowno eine ganze Reihe von Kowno , 21. Auguft.( DE.) Nach den Gerichtsferien beginnt Rommunisten prozessen. 136 Kommunisten werden unter der Anklage, staatsfeindliche Propaganda getrieben zu haben, sowie wegen Gründung einer Geheimorganisation und Aufbewahrung von Waffen vor Gericht gestellt. Eine Antlage richtet sich ferner gegen die jüdische Kulturliga in Litauen , die angeblich kommunistische Propaganda getrieben haben soll. Sodann stehen noch mehrere Prozesse bevor gegen die in verschiedenen Städten Litauens ent bedten fommunistischen Geheimbünde. Nach der Antlage find in mehreren Fällen Beziehungen zur Kommunistischen Internationale, zum Zentralorgan der Russischen Kommunistenpartei und zur Russischen Kommunistischen Jugendorganisation festgestellt worden.

Todesurteile in Warschau .

Warschau , 21. Auguft.( Eigener Drahtbericht.) Das Warschauer Standgericht verurteilte drei junge Kommunisten zum Tode durch Erschießen. Die Verurteilten hatten am 17. Juli in den Straßen Warschaus Gebrauch von ihren Waffen gemacht, um sich der Berfolgung durch die Polizei zu entziehen und dabei drei Bolizeibeamte tötlich getroffen.

Das Urteil vollstreckt.

Das erwachende China .

Das Zentralorgan der russischen Sozialdemokratie, Der Sozialistische Bote", veröffentlicht in seiner soeben erschienenen Nummer 15/16 den Brief eines Genossen aus China , der einen lehrreichen Einblick in das innere Ge­triebe der chinesischen Politik und das Berhältnis Chinas zu den Mächten gestattet. Wir geben aus diesem Briefe die wichtigsten Teile wieder.

Der Protest aller Schichten der chinesischen Bevölkerung gegen die empörende Schießerei in eine friedliche Studenten­demonstration ist nichts anderes als der äußere Ausdruc jener Stimmungen, die schon seit dem Eintritt Chinas in den Weltkrieg vollkommen bewußte Formen angenommen haben. Das ist der Protest des chinesischen Volkes gegen den Staat im Staate", gegen die Erterritorialität und die Konzessionen der Ausländer.

Die gedrückte, unterwürfige Haltung, die nach der Nieder­werfung des Bogeraufstandes bei den Chinesen zu finden war, ist längst verschwunden. Die engeren Beziehungen mit Europa und Amerika während des Weltkrieges haben eine Wandlung in der chinesischen Oeffentlichkeit hervorgerufen. Die Zerstörung der Wirtschaftsfräfte Europas , die Niederlage Deutschlands , die Revolutionen in Rußland und Deutschland haben die Angst vor den ,, weißen Teufeln" beseitigt.

Die Tatsache, daß es China gelungen ist, die russischen und die deutschen Konzessionen zurückzuerlangen, hat die Frage der anderen Konzessionen und der Exterritorialität der übrigen Mächte auf die Tagesordnung gestellt. Die Washing­toner Konferenz war bereits eine gewisse Antwort auf die For­derungen der Chinesen.

Die Wirren in China selbst, der Kampf der verschiedenen militärischen Cliquen untereinander ist von den Chinesen, nicht ohne Grund, auf die Tätigkeit der an den chinesischen Ronzeffionen interessierten imperialistischen Gruppen zurüd­geführt worden. So mancher militärische Borstoß ist unter dem Schuß der Ausländer, insbesondere der Japaner und Engländer, vorbereitet worden. Die geschlagenen chinesischen Generäle fanden Zuflucht in den ihnen freundschaftlich ge­finnten ausländischen Ronzessionsgebieten.

nehmern selbst ausgebrochen, so hätte die Ermordung strei­Wäre die jetzige Streifwelle bei den chinesischen Unter­fender Arbeiter keine so offene Empörung hervorgerufen. Als beispielsweise der Liebling der Engländer und der Abgott des chinesischen Spießbürgertums, Wu- pei- fu, vor anderthalb Jahren einige Eisenbahnarbeiter wegen Teilnahme an einem Streit hinrichten ließ, rührte sich keine Hand zum Protest. nifchen Fabrikanten. Ein japanischer Aufseher tötete einen Jezt jedoch streiften die chinesischen Arbeiter bei ja pa­Chinesen. Ein Fremdling, ein Imperialist, der den Chinesen schon so viel Unheil zugefügt, wagte es, einen Chinesen zu töten. Da trat nicht nur der Klassenkampf in die Erscheinung. Hier handelte es sich nicht nur um das Blut eines Arbeiters, fondern um das Blut eines Chinesen, das von einem Japaner vergossen wurde.

in

Bewegung. Man inszenierte eine Demonstration. Der Diese Tatsache brachte China , das chinesische Bürgertum englische Snob ist aber nicht gewohnt, mit den Chinesen als Menschen zu rechnen oder gar sie zu fürchten. Für ihn unter­liegt es feinem Zweifel, daß die Chinesen Feiglinge find. Und jeder englische Bengel vertritt die Auffassung, daß man einen Chinesen ohne weiteres niederschießen könne.

gewesen, so hätten sie nicht mit dem Feuer gespielt. Aber das Wären die Polizeibehörden etwas flüger und weitsichtiger ist schon das tragische Schicksal der Polizisten. Sie schossen in die Menge und riefen eine Boltsbewegung von fo unge­heurem Ausmaße hervor, daß buchstäblich ganz China jetzt auf die Beine gebracht ist.

Die einfeßende Welle der Empörung war so stark, daß dings mit England zu fofettieren anfing, um mit deffen Hilfe felbst Tsch ang tso- lin, der Söldling Japans , der neuer­der Diktator Chinas zu werden, sich, wenigstens den Worten nach, dem allgemeinen Protest anschloß und zum Schutz der chinesischen Studenten in Schanghai auftrat.

Es unterliegt teinem Zweifel, daß dieser Banditengeneral das chinesische Bolt betrügen wird. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß er irgendeinen Vorwand benutzen wird, um diese ganze Bewegung, zur Freude der Japaner und der Eng­

ojciechowski von seinem Begnadigungsrecht teinen Geländer, niederzuwerfen. Schon jetzt macht sich in dieser Rich­Warschau, 21. Auguft.( WTB.) Da der Präsident der Republit brauch gemacht hat, wurden die brei kommunistischen Terroristen Hübner, Rutkowski und Kniedi heute in den Morgenstunden

erschoffen.

Keine Selbstverwaltung Indiens . Thronrede des Vizekönigs.

tung eine gewiffe Provokation bemerkbar. Aber allein die Tatsache, daß General Tschang- tho- lin sich genötigt fah, gegen die Schießerei in Schanghai Proteft zu erheben, zeigt, wie mächtig die Voltsbewegung in China ist.

Welche Rolle spielt nun die Kommunistische Internationale bei allen diesen Ereignissen? Ihre Rolle ist zwiespältig. Sicherlich haben die Agenten der Kom­Simla, 20. Auguft.( WTB.) Bei Eröffnung der indischen gefek munistischen Internationale viel Mühe und Geldmittel aufge= gebenden Berfammlung erflärte der Bizelönig Lord Reading, mendet, um Arbeiterorganisationen in China ins Leben zu feine Unterredungen mit den Führern der verschiedenen politischen rufen. Biel haben sie auch daran gearbeitet, um das natio Richtungen bei seinem letzten Aufenthalt in England hätten ihm nale Bewußtsein der Chinesen zu wecken. Aber die Kommu­gezeigt, daß man Indien wohlwollend gegenüberstehe, daß nistische Internationale wäre nicht das, was sie ist, wenn sie man aber andererseits enti loffen sei, teine berfrühten sich darauf beschränkt hätte, proletarische Massenorganisationen 8ugeständnisse au machen und einem in dieser Hinsicht von auf dem Boden des Klaffenkampfes zu schaffen. Statt deffen Indien ausgeübten Drud nicht nachzugeben. Eine( offenbar haben ihre Agenten die Arbeiterorganisationen mit der natio­beantragte. Red.) Kommission zur Untersuchung über die nalistischen radikalen Partei Ruomingdan auf das engste ver­Möglichkeit wirksamer parlamentarischer Reformen würde zu Entfnüpft, mit dem Erfolg, daß das Klassenbewußtsein der Ar­täuschungen führen. Die Ereignisie hätten ihn in der Auf- beiter nicht geflärt, sondern getrübt worden ist. faffung bestärkt, daß Indien nur durch freundschaftliche 8ufammenarbeit mit England feinem Endziel näher tommen tönne.

Unter dieser Taftif der Bolschemisten hat aber auch die Bartei Ruomingdan, die einzige raditalnationale Gruppe, Chinas , ftart gelitten Infolge der Treibereien der Agenten