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Mittwoch

26. August 1925

Unterhaltung und Wissen

Geschäftliches aus Mecklenburg  .

Aus schweren Tagen.

Ernstes und Heiteres von Adolph Hoffmann  .

Vorpostengepläntel.

Zweimal schon war das Sozialistengesez verlängert und noch inimer war der Tod der Sozialdemokratie, den Bismard 1878 im Reichstage prophezeit hatte, wenn er das Gesetz gegen sie für zwei Jahre befäme, noch nicht eingetreten.

Die harten Schläge durch rigorose Unterdrückungs-, Gefängnis­und Ausweisungspolitik hatte die Partei überwunden.

Wenn auch die Betroffenen und ihre zum mindesten unschuldigen Familien schwer darunter zu leiden hatten, so war es doch gelungen, die Getreuen wieder zu sammeln, fie organisatorisch natürlich im

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geheimen zusammenzufassen und nicht nur die Mittel zur Un­terstützung der durch die Ausweisungen um ihren Ernährer beraubten Angehörigen aufzubringen, sondern auch für die Agitation wieder Gelder flüssig zu machen.

Unvergessen wird allen damals mit tätigen Genossen die Hoch­herzigkeit unseres leider viel zu früh verstorbenen Genossen Paul Singer bleiben. Er gab mit vollen Händen, um die erste Not und die Tränen der Frauen und Kinder der Ausgewiesenen zu stillen; nicht, um, wie die Gegner so oft behauptet haben, eine Rolle in der Partei zu spielen. Schreiber dieser Zeilen war wiederholt dabei, als fünf Jahre nach Bestehen des Sozialistengesezes Singer zur Annahme eines Stadtverordneten- und später Reichstagsmandats geradezu gepreßt werden mußte. Immer hatte er abgelehnt mit den Worten: Ich fann finanziell viel mehr für unsere Sache tun, wenn ich öffentlich nicht hervortrete."

Der Bismard- Putttamer- Regierung wurde es immer schwerer, zur Begründung der Verlängerung des Sozialistengesetzes die not­wendigen Beweise für die verbrecherischen" Neigungen der Sozial­demokratie zu schaffen.

Das Geschäft der Nichtgentlemen", wie Butkamer seine Agents provocateurs nannnte Achtgroschenjungen" taufte sie das Volk

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blühte.

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Vor allem galt es, der Verbreitung des 3ürich e r( Sozial­demokrat") auf die Spur zu kommen, der einzigen Zeitung, die jahre­lang wöchentlich einmal der deutschen   Sozialdemokratie zur Ber­fügung stand. Dann aber wollte man gern mit einem großen Schlag Die ganze geheime Organisation der Sozialdemokratie aufdecken uno vernichten.

Dazu wurden Kraftanstrengungen gemacht, Berräter zu tausen gesucht. In solchen Fällen ging man auch über die Tage der Acht­groschenjungen hinaus und bot erheblich mehr.

Die Versucher, welche Verräter in den Arbeiterkreisen werben wollten, machten sich mit Vorliebe an Genossen heran, von dener man ausspioniert hatte, daß sie wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet waren, womöglich große Familie befaßen. Hatte man durch Beob­achtungen festgestellt, daß das ausgesuchte Objekt zur Inneren ( Corpora  ) gehörte, suchte man fich ihm zu nähern. Ging's nicht anders, so geschah es durch eine Haussuchung. Am besten, wenn der Mann nicht zu Hause war.

Mit gewinnender Liebenswürdigkeit erschien ein Kriminalwacht­meister oder Kommissar mit drei bis vier Trabanten bei der Frau. Tausend Entschuldigungen: Es täte ihm sehr leid, Amt und Pflicht wären härte Gebieter usw. wurden angewandt, um die Frau zu ge winnen, wenigftens für fich einzunehmen.

Man nahm es auch in solchem Falle mit der Haussuchung" gar nicht ernst, denn was man fuchte, war ja nicht Material gegen einen Schuldigen, sondern ein Werkzeug für höhere 3wede".

Die Haussuchenden wollten ja gar keine Beweise finden, sondern fuchten Anschluß.

Zu diesem Zwecke schmeichette man der Frau, lobte die muster­hafte Ordnung der Käften und Schränke, die man durchsuchte und in denen man mit größer Genauigkeit alles wieder crdnete. Wäh end bei ernsten Haussuchungen nur zu oft alles wild durcheinander geworfen und rücksichtslos in dieser Unordnung liegen gelassen wurde. Ram es vei solchen Annäherungs- Haussuchungen" doch vor, daß der Herr Kommissar" womöglich bei einem besonders sorgfältig geord neten Komodentasten, in dem die Frau ihre Familienheiligteilen aufhob, den suchenden Beamten zurief: Warten Sie mal!" und, fich liebenswürdig an die Frau wendend:" Bersichern Sie mir, liebe Frau, daß da nichts von dem drin ist, was wir suchen?", was die Frau natürlich gern tat. Worauf der Leiter der Expedition den Beamten erklärte: Lassen Sie der Frau den sorgsam geordneten Raften unberührt. Ich glaube ihr."

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Der Herr Vorgesezte, welcher zur Beobachtung der Haussuchung Blaz genommen hatte, pleuderte jovial mit den Kindern, nahm wo­möglich den Jüngsten ohne Rücksicht auf alle von fleinen Kindern drohenden Gefahren auf den Schoß. Während die Beamten ihres schweren Amtes" malteten, plauderte er mit der Frau über die schwere not der Zeit" ,, teure Lebensmittel"" Sorgen finder­reicher Familien" fargen Berdienst" und ließ dann so nebenher eine Bemerkung fallen wie etwa: daß ihm jedesmal das Herz blute, wenn ein ordentlicher Arbeiter und guter Familienvater durch die Ausweisung von den Seinen gerissen würde. Schließlich bescheinigte der Herr Kommissar die Resultatiofigkeit der Haussuchung und empfahl fich unter abermals vielen Entschuldigungen als der wirklich freundliche und rücksichtsvolle Beamte, den die Frau ihrem heim­fehrenden Gatten schilderte.

Der Mann vermutete dahinter sogleich irgendeinen Schurken streich und beruhigte fich erst, wenn er sich vergewissert hatte, daß fich weder Kinder noch Frau hatten ausfragen laffen.

In den allermeisten Fällen bat die Frau natürlich ihren Mann, wenn sie ihn nicht ganz vom politischen Leben zurückziehen konnte, doch ja recht vorsichtig zu sein.

Die direkte Attade.

Nach dieser Vorbereitung Tränierung setzte die dirette Aktion ein, und nun will ich einen der vielen Fälle, d. h. Selbst erlebtes, berichten.

Im Jahre 1883 wohnte ich Am Ostbahnhof und hatte regelmäßig, mie viele bekannte Genoffen, einen Spigel vor dem Hause oder der gegenüberliegenden Milchrampe des Ostbahnhofs zu stehen. Die Observationen" der Genoffen dieses Bezirks wurden besonders ge­leitet von Kriminellen" mit den schönen Spitznamen Detonom", Alpenjäger"," Planschneese".

Eines Morgens gegen 9 Uhr verließ ich meine Wohnung, um einen Lieferanten zu besuchen.

Kaum drei Häuser von meiner Wohnung tam mir der Alpen  jäger entgegen, grüßte sehr freundlich und sagte:" O, Herr Hoffmann, ich bedaure. Ich wollte eben zu Ihnen fommen.

Auf meine fartastische Frage: Wollen Sie wieder mal haus­fuchen? Dann komme ich natürlich mit zurück" entgegnete er: Rein, nein. Ich wollte nur mit Ihnen etwas besprechen.

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"

Na, und?" war meine gedehnte Antwort.

Wo gehen Sie lang?"

" Das wissen Sie ja. Zu meinem Lieferanten. Sie laufen ja oft genug hinterher." " Herr Hoffmann," sagte er beschwichtigend und ausweisend. Ich habe bei Erfüllung meiner Berufstätigkeit Gelegenheit gehabt, Ihren Fleiß, Ihre Strebsamkeit und Regjamkeit zu beobachten. Ich weiß ſelbſt viel zu gut, wie schwer es ist, einen Hausstand mit einer Reihe von Kindern ehrlich aufrechtzuerhalten.

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Wo will der hinaus? fuhr es mir durch den Kopf, und mit den Morten: Na, und?" blieb ich stehen.

T

Beilage des Vorwärts

W.STEINERT.

Mehrere Fähnlein noch gut erhaltener deutscher Landsknechte sind wegen schlechter Geschäftslage an Interessenten meistbietend zu versteigern.

Gehen wir ruhig meiter," mahnte er, sich umsehend. Wir vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gezeigt hat. Das Mutter­dürfen nicht auffallen." land der Maschinenstürme ist jedoch England. Hier hatte namentlich Jett dämmerte es mir. die Textilindustrie bereits am Ende des 18. Jahrhunderts eine meite

Er fuhr fort: Sehen Sie, Sie könnten sich so leicht einen Ausdehnung gefunden, und auch die Maschine, der eiserne Kollege" hübschen Nebenverdienst verschaffen

"

Was?" stieß ich erregt heraus und blieb stehen.

" Gehen wir ruhig weiter, mahnte er wieder." Ich wili jest feine Antwort von Ihnen. Ueberlegen Sie sich ruhig, ob es nicht ftug wäre, mein Angebot, uns Nachrichten über Parteiangelegen heiten zukommen zu lassen, anzunehmen.

Ihr Achtgroschenjunge" zu werden!" stieß ich höhnisch und erregt hervor.

" Scht!" machte er, niemand braucht zu wissen, was wir be­sprechen. Sie sind im Irrtum. Wir würden anständig honorieren. Sie sollen jezt nicht ja, nicht nein sagen, sondern mit Ihrer Frau ruhig überlegen, ob Sie die Trennung von Frau und Kindern riskieren oder aber sich eine hübsche Beihilfe zur Existenz verdienen wollen."

In mir tochte die Wut über die schamlose Zumutung, Berräter meiner Kampfgenossen, Der größte Lump im ganzen Land­zu werden. Ich habe wirklich nie Anlagen zum Brügelhelden gehabt. sucher die Antwort sofort ins Gesicht zu schlagen. Aber, überlegte Aber in diesem Augenblick zuckte es in meinen Fingern, dem Ver­ich im Moment, niemand weiß, was wir besprochen. Der Kri­minelle würde natürlich alles ableugnen und ich vielleicht noch oben­drein wegen Beleidigung bestraft werden.

Da er fortfuhr:" Bestimmen wir einen neutralen Ort, wo mit uns aussprechen und eventuell näheres verabreden können," reizi mich die Möglichkeit, den unverschämten Kerl in Zeugengegenwart zu

entlarven.

gestellt, tonnten aber felten unter Beweis gebracht werden und In letzter Zeit waren an Genossen öfter folche Zumutungen vom Polizeiminister Buttfamer abgestritten, oder es wurde gar be­murden im Reichstag bei den Sozialistengejezverlängerungsdebatten hauptet, der betreffende Arbeiter hätte sich zu solchen Diensten ange­bolen und sei als unzuverlässig oder ungeeignet abgelehnt worden. Alles das ging mir blitzschnell durch den Kopf. Er glaubte wohl sagte: Kommen Sie heute abend nach dem Garten Bellevue am mein Schweigen so deuten zu dürfen, daß ich schon schwanke, und Bahnhof Stralau- Rummelsburg. Sagen wir sechs Uhr. Aber

tommen Sie!"

Mensch bleiben," entgegnete ich, gewaltsam das, was in mir tobte, Wenn ich nicht tomme, nehmen Sie an, ich will ein ehrlicher

unterdrückend.

Wenn wir uns ausgesprochen haben, werden Sie mein Angebot anders auffaffen."

Jezt lassen Sie mich gehen. Wenn man mich mit Ihnen zu= sammen gesehen hat, bin ich bei meinen Freunden sowiese schon tompromittiert," sagte ich, um schnellstens loszukommen.

Mit den Worten:" Dran liegt mir natürlich nichts. Also heute abend sechs Uhr Bellevue Rummelsburg" schob der Lumpen fammler" ab. ( Fortsetzung folgt.)

Maschinenstürmer.

des Spinners, Wirkers und Webers  , war bald zur Stelle. Gerade in diesem Ursprungslande der europäischen   Industrie war aber der foziale Gedante, wie Friedrich Engels   in seinem bedeutungsvollen Buche Die Lage der arbeitenden Klassen in England" schildert, bei Fabrikanten und Regierung aufs äußerste verpönt. Der Unter­nehmer wies in brutalem Herrendünkel den schlecht bezahlten Arbeiter auf seinen neuen ,, eifernen" Kollegen hin und konnte auch den Be­trieb vorübergehend einstellen, um später das Versäumte schnell wieder nachzuholen. Die Erbitterung der Arbeiterschaft darüber hat fich dann im Laufe der Zeit mehrfach in umfangreichen Maschinen­zerstörungen ausgetobt.

geblich nach einem Strumpfwirker Ned Ludd benannt, bildete sich Am bekanntesten ist die Bewegung der Ludditen geworden. An= die Verschwörung der Ludditen, die besonders in den Jahren 1811 bis 1813 in Nottingham   und anderen englischen Städten gang inste matisch die Maschinenzerstörungen betrieben. Da ein großer Teil auch der nicht unmittelbar betroffenen Bevölkerung mit den maschi­Behörden bald machtlos gegenüber den Ludditen. nenfeindlichen Banden sympathisierte, so waren Unternehmer und Das Militär fonnte zunächst nur vorübergehend die Ruhe wiederherstellen. Schließlich wurde die Regierung mit gesetzlicher Todesstrafe und Des portation wieder Herr der Lage. Der Dichter Ernst Toller   hat in unserer Zeit diese organisierten Berzweiflungstaten der Ludditen auf die Bühne gebracht.

Auch in den dreißiger und vierziger Jahren des vorigen Jahr­hunderts hat England noch Maschinenzerstörungen in der Tertil liche Vorgänge nicht aus. und Schuhindustrie erlebt, und auch in andern Ländern blieben ähn Der Mangel an Verständnis für die Mission der Maschine im Wirtschaftsleben hat auch vielfach einen Haß gegen die Erfinder solcher Maschinen hervorgerufen. Als der englische   Pfarrer Cartwright sich im Jahre 1784 mit der Erfindung des mechanischen Webstuhls beschäftigte, wurde er von den bereits durch die Spinnereimaschinen aufgebrachten Ortsgenossen von seinem Pfarrhofe verjagt. Beffer war es übrigens auch zwanzig Jahre vorher dem Weber Hargreaves in Standbill nicht ergangen, der eine Spinnmaschine in schiaflosen Nächten erdacht und in fargen Feiers stunden konstruiert hatte. Der Pfarrer William Lee in Woodbargh, heit zu bringen, feine englische   Heimat verlassen und nach Frankreich  der eine Strickmaschine erfand, mußte gar, um sein Leben in Sicher auswandern, wo er seine Erfindung vollendete. Auch an Einwän den, die uns heute ungemein drollig anmuten, hat es nicht gefehlt. Als die erste deutsche Eisenbahnstrecke Nürnberg- Fürth angelegt wurde, erklärte das bayerische Medizinalkollegium, daß das über­schnelle Fahren mit der Eisenbahn bei den Fahrgästen Gehirnfrant­heiten hervorrufen werde, und gegen den Bau der Berliner Stadt­ bahn   protestierten die Schuhmacher, weil dadurch die Biner fünftig weniger Stiefel abnußen und dadurch die Schuhmacher brot­los werden würden.

Heute lacht man über diese Dinge. Bon unsern besten Dichtern ist das Maschinenzeitalter schwungvoll belungen worden, und längst hat man den unerfeßlichen Kulturwert der Maschine erfannt. Ber wunderlich aber ist es feineswegs, wenn dort, wo der eiserne Rollege" sich zuerst in die arbeitende Umgebung mischt und eine wüste Knechtung und Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft ver­ursacht, den Arbeitern die Galle überläuft und sie in Unkenntnis der tieferen wirtschaftlichen Zusammenhänge zu wilden Maschinen­J. Kl. stürmern werden.

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Wie man Profeffor wird. Der verstorbene Arzt Bernhard Naunyn   erzählt: Gelegentlich einer Abendgesellschaft führte ich die Frau eines höheren Offiziers zu Tische. Das Gespräch fam auf mein Studium und ich erzählte, daß ich auf allen möglichen Universitäten herumgekommen sei. ,, Ja, fragte die Dame wo haben Sie

In der chinesischen Stadt Tientsin   haben vor turzem streitende Baumwollspinner in größerem Umfange Spinnerei- und Wcb maschinen zerstört und dadurch großen Schaden angerichtet. Das Borfommnis war ein But- und Berzweiflungsaft der Arbeiterschaft gegen die schon lange gehaßten Ausbeutungsmethoden des Kapita Nach den Berichten stellte Militär die Ordnung" wieder her, forseit in China   zurzeit von Ordnung überhaupt die Rede sein tann. Die Maschinenzerstörungen in Tientsin erinnern an ähnliche Vorgänge in früherer Zeit. Ueberall, wo sich die Maschine einzu bürgern begann, begegnete sie anfänglich dem Mißtrauen und Mih­mut der Menschen, deren Arbeitsleistung und Arbeit traft fie cr­feßen sollte. Man wußte noch nicht, daß durch die Maschine zumeif dann aber das Eramen gemacht?" Welches Eramen?" Nun, eine Verbilligung der Produktion und damit in der Regel eine Aus- als Professor!" ,, Als Professor macht man fein Eramen!" dehnung des betreffenden Industriezweiges und also keine Ver- ,, Nicht möglich? Professor wird man ohne Eramen?" Ja ge minderung, sondern bas eine größere Nachfrage nach menschlicher wiß!" Das ist ja famos! Höre doch," rief sie ihrem Gemahl Arbeitskraft hervorgerufen wurde. In ihren Anfängen ist die Ma­ In   ihren Anfängen ist die Maschräg über den Tisch hinzu, Professor Naunyn sagt: Professor schinenzeit freilich manchmal zu einem schlimmen Lohnbrücker ge- fann man ohne Examen werden! Das wäre doch endlich was für worden, wie z. B. die Verelendung der schlesischen Leinweber in den unseren Otto."

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