Norö oöee Unglücksfall; Geheimnisvoller Tod eines jungen Mädchens im D-Zug.
Ein geheimnisvolles Drama hat sich gestern abend in dem D-Zug 171, der von Bentheim nach Berlin kommt, abgespielt. Vor dem Eintreffen des Zuges in Verlin hatte die Ueberwachungsabteilung der Eisenbahndirektion ein Bahntelegramm erhalten, demzufolge hinter der Station Schönhauser Damm, gleich hinter Stendal , auf dem Bahnkörper eine weibliche Leiche aufgefunden worden war. Als der Zug um 8, Sll Uhr eintraf, wurde er einer eingehenden Durchsuchung unterzogen. Die Ermittlungen ergaben, daß ein reisendes junget Mädchen, die 24 Jahre alte Marie Lampersbach, vermißt wurde. Durch die ersten kurzen Vernehmungen des Zugpersonals ergab sich die Notwendigkeit, eine ebenfalls im Zuge befindliche Holländerin T. vorläufig in Hast zu nehmen. Inzwischen wurde die Mordkommission alarmiert, und Regierungsdirektor Dr. Weiß mit seinen Beamten eilte sofort nach dem Bahnhof Charlottenburg. Nach Besichtigung des Zuges wurden sämtliche Zeugen und Frau T. in das Polizeipräsidium geladen, wo sofort eine eingehende Vernehmung eingeleitet wurde. Es ergab sich folgendes: Die Lampersbach, die aus(Zollubien im Kreise Goldap (Ostpreußen ) stammt, war seit 1018 als Hausangestellte tätig. Am 5. Oktober v. I. vermietete sie sich als Kindermädchen nach Grave- land in Holland . Sic fühlte sich dort anscheinend aber nicht wohl, denn aus ihren Briefen, die sie an eine in Berlin in der Frankfurter Allee wohnende Base richtete, sprach großes Heimweh. In den letzten Briefen teille sie ihrer Verwandten mit, daß sie in den nächsten Tagen nach Haufe fahren und die Base wie immer auf der Durchreise in Berlin besuchen werde. Den genauen Zeitpunkt ihrer Ankunft wollte sie durch eine Postkarte anmelden. Statt dessen traf gestern abend bei der Verwandten eine Depesche ein, die in Stendal aufgegeben war. In ihr meldete die Lampersbach, daß sie um 9,19 Uhr auf dem Schlesischcn Bahnhof ankomme. Die Verwandte, die sich zu dieser Zeit dort einfand, wurde von den Bahnbeamten von dem Unglücksfall des jungen Mädchens in Kenntnis gesetzt. Die Vernehmung des Zugführers ergab, daß die L. sich während der ganzen Fahrt sehr aufgeregt gebärdet hatte. Auf der holländischen Station Hilversunn war sie eingestiegen. Unterwegs hatte sie den Schaffner angesprochen und ihm gesagt, daß sie sich durch einen Herrn und eine Dame bedroht fühle. Der Schaffner beruhigte die Aufgeregte damit, daß er und seine Kollegen den Zug ständig kontrollierten. Im Notfalle wolle er ihr gern Hilfe leisten und sie in seinem Dienstabteil unterbringen. Auch weiterhin war das Benehmen des jungen Mädchens unge- wohnlich erregt und verstört. In ihrer Bedrängnis vertraute sich das junge Mädchen, das sonst sehr zurückhaltend war, einer
mitreisenden Frau an. Sie zeigte ihr und einer Zugbediensteten den Mann und die Frau, vor denen sie sich fürchtete. Der Herr, der einen grauen Anzug trug und einen großen schwarzen Schnurrbart hatte, saß in einem Abteil 2. Klasse, die Frau, jene Holländerin T., saß niit ihr in demselben Abteil. dem dritten des letzten Wagens. Nachdem das Telegramm in Stendal aufgegeben war. kann sich niemand mehr entsinnen, das Mädchen gesehen zu haben. Kurz vor Eharlottenburg macht» die Dame, der die Lampersbach sich angeschlossen und die ihr Hilfe zugesagt hatte, den Zugführer sowie die Wartefrau auf das auf. fällige lange Ausbleiben der L. aufmerksam. Gemeinsam suchten sie die Abteile, den Speisewagen und die Toiletten ab, ohne sie zu finden. Beim Einlaufen in Charlottenburg wurde durch dus Bahntelegrarmm das Fehlen aufgeklärt. Bei der sofortigen Kontrolle durch den Ueberwachungsdienft wurde jener schwarzbärtige Herr nicht mehr im Zuge angetroffen. Wann er ihn verlassen hat, steht nicht fest. Da die Einfahrt nicht frei war, mußte der Zug kurz vor Spandau einen Augenblick halten. Ob der Mann hier auf offener Strecke den Zug verlassen hat, ist ungewiß. Die Holländerin, die noch im Zuge war, gibt folgendes an: Sie sei die Frau eines Diamantenhändlers aus Rotterdam und wolle jetzt nach Kattowig, um ihre dort wohnenden Eltern zu besuchen. Auf die L- will sie nicht weiter geachtet haben und will auch keinen ihr bekannten schwarzbärtigen Herrn im Zuge gesehen haben. Nachdem man Frau T. gehört hatte, wurde sie wieder entlassen. Sie wird aber im Laufe des heutigen Tages noch einmal vernommen werden. Bei der Vernehmung der hilfsbereiten Dame, die im selben Abteil mit der L. fuhr, stellte es sich heraus, daß der unbekannte Herr an dem Zlbteil vorbeigegangen sein soll und dabei Frau T. anblickte in einer Weise, die auf Bekanntsein schließen ließ. Wie wir weiter erfahren, wurde auch einer der Schuhe der L. unter der Bank des Abteils gefunden, der zweite fehlt noch. Der ganze Vorfall ist so geheimnisvoll, daß sich vorläufig noch keine Schlüsse ziehen lassen. Auch die Möglich- kciten eines Selb st mordes oder Unglückss lies sind nicht von der 5)and zu weisen. Alle zweckentsprechenden Mitteilungen nimmt die Mordkommission E. E. Müller-Zopfe im Polizei- dienstgebände in der Magazinstraße. Zimmer 44, entgegen. Besonders aber feien Barbiere und Friseure auf jenen ge- beimnisoollen Herrn mit dem großen schwarzen Schnurrbart auf- merksam gemacht, da, falls der Betreffende mit dem Tods des Mädchens in Verbindung stehen sollte, die Wahrscheinlichkeit besteht, daß er sich den Bart abnehmen läßt.
nicht weniger als 60 Prozent aller endgültig ernann- ten Lanoräte(insgesamt waren 426 Landratsstellen zu be- setzen), von denen nian nicht„weiß", wie sie zur Republik stehen. Jedes Wort des Kommentars könnte die Wirkung dieser Zeilen nur abschwächenl Aber weiter: Von 11 besetzten Stellen der Vizepräsidenten beim Oberpräsidium(früher Ober- präsidialrät?) verteilten sich 2 auf das Zentrum, 1 auf die Deutsche Volkspartei , 8 gleich 7Z Prozent waren„unbekannt". Den Vogel schössen die Vertreter der Regierung spräsidenten (früher Oberregierungsräte) ab, 31 an der Zahl: sie waren fämt- l i ch„n i ch t z u rubrizieren!" Eine„erfreuliche" Liste, wenn man den Einfluß der„Referenten" kennt. Wo bleiben denn nun die das ganze Land überwuchernden „Kreaturen S e v e r i n g s"?
Die völkische Sekte. Ludendorsss Aufruf für den Prcsseschatz. Es ist ein Verdienst des„Retters", daß er die„n a t i o n a- len" Verbände durch seinen Eid auf die Verfassung und durch die Sanktionierung der Luther-Stresemann-Politit in die Richtung der„konservativen Republik " herumgelenkt hat.„Stahl- Helm",„Werwolf",„Kyffhäuser " und.Offiziersbund" sind dadurch hosfähige Organisationen, mit dem Zutritt zum Reichs- Präsidenten und zum Rcichswehrminister geworden. Hier wird ihnen die„nationale" W o h l a n st ä n d i g t e i t und das „Recht zum Tragen der Uniform" bewilligt. Um so peinlicher wird nunmehr von der„völkischen" Su i t e des Generals Ludendorff diese neuerliche Isolierung empfunden. So speit der„Nachrichtendienst der nationalsozialisti- schcn Freiheitsbewegung" vom„30. Ernting" Gift und Galle gegen die„Nationale Journaille", die es gewagt habe, die ful- minante Rede Ludendorffs in Schneidemühl zu unterschlagen: „Die gesamte nationale Presse hat den Besuch Ludendorsss im Optantenlager zu Schneidemühl und seine dort gehaltene Rede einfach totgeschwiegen, während sie über jedes Auf- treten eines hergelaufenen Ostgaliziers, über jede Rede eines Sowjetjuden, ja z. B. sogar über den Zionistentongreh in Wien eingehend berichtet. Nur nicht von Ludendorff sprechen und schreiben, und nicht ihn erwähnen, das scheint die Losung der„Nationalen Journaille" zu sein, es sei denn, daß es was Ungünstiges, Entstelltes ist." Die politische Bedeutung dieser„Journaille" ist den Militärpensionisten und Handlungsgehilfen um Hitler und Luden- dorff nun scheinbar doch aufgegangen und so wendet sich der„Gene- rol" ausnahmsweise nicht an die„Jidden in Paulen", sondern an die Auserwählten der Nation mit seinem„Aufruf zur Gründung eines Presseschatzes": „Der politische Kampf der letzten Jahre hat mit aller Deut- lichkeit gezeigt, daß die völkische Bewegung niemals ihre hohen reinen Ziele erreichen kann, wenn sie sich nicht aus eine leistungs- sähige Presse stützt. Nur dann kann aber der Kampf für sie gegen alle staatlichen und überstaatlichen Feind- mächte und ihre öffenllichen Organe und gegen die Lauheit und Gleichgültigkeit mit Erfolg gesührt werden, wenn wir auch bereit sind, für unsere Ueberzeugung und in diesem Fall für eine völkische Presse Opfer zu bringen...." Die völkischen Landknechtsführer werden an ihrem Aufruf nicht viel Freude erleben. Erstens ist— wie die Erfahrung lehrt— die beste Sache von vornherein pleite, wenn L u d e n d o r f f sie in die Hand nimmt. Zweitens ist die Hoch- konjunttur der Hitlermützen und der Ludendorffparaden vorbei! Das Großkapital ist bekanntlich gerade dabei, dem Dr. Luther einen„Preisabbau" vorzumachen und Subsidien an Ludendorff — verderben das Geschäft! Der Gewerkschaftskongreß. Jäckels Korreferat. Breslau , 2. September. (Eigener Drahtbericht.) Als Korreferent sprach über Wirtschafisdomokratie I ä ck e l (Texnlarbeiier). Die deutsche Arbeiterschaft sei nicht gewillt, eine Hebung der Konkurrenzfähigkeit mit den Mitteln zuzulassen, die den amerikanischen Arbeitern in Form einer extremen mechanischen Taylorisierung aufgezwungen wurde. Jäckel sieht einen Ausweg nur in der Steigerung der Persönlichkeitsenergie des einzelnen Arbeiters. Diese setze eine Betriebssührung voraus, die sich zum mindesten auf dem Wege zur Wirtschaftsdemokratie und zur Gleichberechtigung der Arbeiterschaft im Betriebe finden müsse. Der Anfang der Wirtschaftsdemokratie liege im ersten Tarifver- trag der deutschen Buchdrucker aus dem Jahre 1898. Seither sind wir zum heute geltenden Betriebsrätegesetz gekommen, das trotz vieler Unvollkommenheiten die Erfahrungen der Arbeiterschaft in der Be- triebsdemokratie erheblich vermehren konnte. Eine Stärkung des Kampfes der Arbeiterschaft um die Demokratisierung der Wirtschaft könne von ihren eigenen Betrieben und deren Finanzkraft ausgehen. Das starte Interesse der englischen Arbeiterschaft an der Entwicklung der Konsumgenossenschaf- ten sei vorbildlich. Auch die deutsche Bauhüttenbewe- g u n g hätte unter Führung Dr. Wagners einen Weg gezeigt, auf dem die Arbeiterschaft sich vom privaten Baukapital unabhängig machen könne. Dazu kämen als Machtpositionen für die Demokratisierung der Wirtschaft die Betriebe der öffentlichen Hand. Der Redner forderte schließlich die Errichtung des verfassungs- mäßig längst zugesagten W i r t s ch a s t s p a r l a m e n t s. Die Ar- bcitgeber wehren sich gegen die Einrichtung der W i r t s ch a f t s- k a m m e r n offenbar nur, weil sie jede vermehrte Kenntnis der Ar- beiterschaft über das Wirtschaftsleben fürchten. Das Ziel der Um- Wandlung der heutigen Wirtschaft in eine von den Arbeitern für die Arbeiter geleitete sei nicht auf einen Schlag zu erreichen, aber der Sitg sei sicher, weil Deutschland nur leben könne, wenn seine Arbeiterschaft zur demokratischen Mitwirkung in Wirtschaft und Gesellschaft komme. Der demokratische Staat soll unser Staat sein und zum Staat der sozialen Gerechtigkeit, zum sozialistischen Staat werden. Auch diesem Referat folgte lebhafter Beifall. Damit ist der zweite Verhandlungstag abgeschlossen. In der heutigen Vormittagssitzung des Gewerkschaftskongresses begrüßte der Vorsitzende zunächst den französischen Vertreter L e- n o i r und teilte mit. daß der Reichsgerichtepräsident Dr. Simons telegraphisch sein Ausbleiben entschuldigt und den Arbeiten des Kongresses besten Erfolg gewünscht hbt. Dann folgte die Dis- kussion über die beiden gestrigen wirtschastspolitischen Referate. E l l i n g e r vom Verband der Sozialen Baubetriebe gab einen Ueberblick über die, Entwicklung der Bauhüttenbewegung. die bereits 181 selbständige soziale Baubetriebe mit 25 000 Arbeitern und Angestellten und einen Umsatz von 50 Millionen Mark aufweist� Die Bauhüttenbewegung habe den Zweck, in die Preispolitik der kapitalistischen Unternehmer Bresche zu schlagen und durch eine aktive Preispolitik die Lohnpolitik der Gewerkschasten zu ergänzen. Darüber hinaus wollen sie den Arbeiter aus einem Objekt zu einem Subjekt der Wirtschaft machen. Eggert vom Bundesvorstand zeigt an einigen Beispielen, daß die deutschen Unternehmer alles andere als eine wirklich nationale Wirtschaftspolitik treiben, wie sich Z- B. aus dem Verkauf von deutschem Eisen und Stahl im Ausland zu billigeren Preisen als im Inland ergibt. K r a u ß- Stuttgart (Metallvbeiterverband) bezeichnet die Idee der Wirtschaftsdemokratie als eine Fortsetzung der Arbeitsgemein. fchaftspolitik und bekämpft die ent prechenden Ausführungen des Kejcrenten Jäckel,
Die Drtmöftiftungsepiöemie von 1 Die größte Brandstiftungsepidemie, die Berlin in neuerer Zeit hatte, ist die von 1908. Sie dauerte fast siebenMonatehin- durch, von etwa Mitte Februar bis Ende August. In jener Zeit kamen in dem damaligen Stadtgebiet Berlin 249 Dachstuhl» b r ä n d e vor, gegenüber nur 59 Dachstuhlbrände, die aus dem- selben Zeitraum des vorhergehenden Jahres gemeldet worden waren. Die Mehrung der Dachstuhlbrände begann am 10. Februar 1908 mit einem„Auftakt", der sogleich in den ersten vier Tagen sieben Brände brachte. Dann kam zunächst eine Pause von sechs Tagen, danach aber setzte am 20. Februar eine lange Reihe von Dachstuhlbränden ein, die mit geringen Unterbrechungen bis Mitte April dauerte und von da ab sich mit größeren Unterbrechungen noch bis Ende August hinzog. Schon aus den Togen des 20. bis 29. Februar wurden 17 Dachstuhlbrände gemeldet, im Monat Mörz aber waren nicht weniger als 79 Dachstuhlbrände zu verzeichnen. Der Höhepunkt wurde am 11. und 12. März mit zu- fammen 11 Dachstuhlbränden erreicht. Der April hatte 50 Dach- stuhlbrände, wovor allein 10 am 7. und 8. April vorkamen. In den folgenden Monaten ließ dann die Zahl der Dachstuhlbrände langsam nach. Gemeldet wurden im Mai 34, im Juni 24, im Juli 19, im August 19, aber auch das waren immer noch ungewöhnlich hohe Zahlen. Erst mit Beginn des Monats September konnte die Brandstiftungsepidemie als erloschen gelten. Eine Auszählung der damaligen Dachstuhlbrände nach Wochen- tagen ergab, daß die Sonnabende und die Sonntage mit auffallend geringen Zahlen beteiligt waren. Sehr ungleich war auch die Beteiligung der verschiedenen Tages- und Nachtzeiten. Hier ergab die Auszählung ein Anschwellen der Zahlen für die Vormittags st unden. Auch das fiel auf. daß unter den von Brandstiftungen heimgesuchten Häusern die Eckhäuser ungcwöhn- lich zahlreich waren. Solche Zählungen und Feststellungen sind keine müßige Spielerei, sondern können manchmal Aufschlüsse geben, die für die Arbeit der Kriminalpolizei wertvoll sind. Freilich blieben damals die Bemühungen, den Brandstistern auf die Spur zu kommen, leider erfolglos. Hoffentlich gelingt es diesmal besser.
Die Iagö nach Sern Pimmerftreifen. Eine Geschichte ohne Pointe. Du schreckst morgens gegen 7 Uhr wirr aus dem Schlaf, während dir noch der programmäßig gestellte Wecker ins müde Ohr schreit. Halt, was war es denn noch? Ja, richtig: Film, Verkehrsinspektion. Und schon formt sich das Gebilde.„Die Verkehrsinspektion des Polizeipräsidiums veranstaltet am 1. September um 10 Uhr in der Neuen-Krug-Allee(an der Treptower Chaussee) eine Filmaufnahme von einem Zusammenstoß im Straßenverkehr." Welch lehrreicher Versuch. Eine tressliche Gelegenheit, die bis jetzt heil gebliebenen Knochen der verehrlichen Leserschaft vor den zerstörenden Zugriffen des Berliner Verkehrs zu bewahren. Und die Presse war höflichst eingeladen. So zieht man sich an, und mit Hilfe eines Viertel- dutzends verschiedener Verkehrsmittel(die bekanntlich in dringlichen Augenblicken die Eigenschaft haben, aus sich warten zu lassen) nähert man sich, den Kopf voll von wirbelnden Film- und pädagogischen Ideen, dem Gelände, auf dem die polizeilichen Flimmerregisseure ihr Talent erproben wollen. Du landest pünktlich gegenüber dem Fried- Hof, wie es so genau in der Ankündigung heißt, und— siehst nichts als trübselige Rezenpfützen. Einsam wanderst du die Chaussee entlang— 100 Schritt vor, 100 Schritt zurück und denkst: Warum ist man so lächerlich früh gekommen?— Ein Wagen mit stattlicher Mistladung rattert vorüber, und die bescheidene Anfrage, ob er mit der Filmexpedition irgend etwas zu tun habe, wird von dem Rosse- lenker liebenswürdig dahingehend beantwortet, daß man sogleich eine wohlbemessene Schaufelladung des duftenden Wageninhalts über den Schädel bekommen könne. Man war unterrichtet. Endlich begegnet dir, nachdem du in Innerster Seele beunruhigt bilt, ein Polizei- mann, der die kotige Landstraße entlangzieht.„Ja," sagte der und rollte das Amtsgesicht in dienstliche Falten.„Danach haben schon mehrere gefragt. Alles Presseleute. Ich weiß von nichts. Vor acht Tagen, da haben sie. mal so was gemacht. Vielleicht irren Sie sich im Datum!" Man steht in leichter Seelenverstimmung und fragt den Beamten so nebenbei, ob er aus Köln wäre. Er spräche so „Köllsch". Er antwortet, daß er aus Ostpreußen sei. Und damit ist die Unterredung beendet. Wahrscheinlich wird die Verkehrsinspektion fünf Minuten später gekommen sein. Das ist nun sehr ärger- lich. Diese Geschichte hat keine Pointe. Auch ist sie verkehreproble- malisch ganz unproduktiv. Am der Berichterstatter hat ans dieser
vergeblichen Jagd nach der Filmexpedition etwas gelernt. Nämlich: daß ein Journalist auf Einladungen der verchrlichen Verkehrs- inspektion entweder gar nicht oder zum mindesten mit zwei Stunden Verspätung komme» soll. Im letzteren Falle wird er sicherlich nicht mehr lange zu warten brauchen.
Schlachtentage als Feskta-'e. Die nationalistischen Zeitungen haben gellern ihre Partei- gänger aufgefordert, am heutigen Tage die monarchistische schwarz-weiß-rote Fraktionsfa'hne zu hissen. Dieser Apnell hat selbst bei den auf mancherlei Idiotie dressierten Nach- löukern der schwarzweißroten Demagogie wenig oder gar keinen Anklang gefunden. Das Blatt für König und Vaterland, die „Kreuzzeitting", läßt allerdings ihr riesiges Loken im trüben Vor- mittag flattern. Auch die Vorkämpferin für Agrariens Zollprosite in der Bernburger Straße, die„Deutsche Tageszeitung", drapiert ihre Bureaus mit dem wohlfeilen Tuch. Das Blättchen für zehn- prozentiges Christentum(die restlichen 90 Prvz. entfallen auf wackeres Germanentum), der„Reichsbote", der in der Dessauer Straße sein Domizil hat, darf im Streite der deutschen Männer natür- lich nicht zurückstehen und hat gleichfalls schwarzwsißrot geflaggt. Das find die Leute, die das Banner des letzten Wilhelm noch an» Prestigegründen hochhalten. Sonst ober sieht's sehr windig aus. Unsere nationalistischen Rummelkrieger scheinen von der Feier» Psychose mit stark alkoholischem Einschlag erfaßt. Die unmöalichsten Gelegenheiten werden beim schwarzweißroten Wickel ergrissen, um den Patrioten Gelegenheit zu geben, ihren bedrängten Seelen mit kernigem Phrasenschwulst Lukt zu machen. Die Vergnügungs- sucht der nationalistischen Kreise kennt kein« Grenzen mehr, und statt alle Schlachtentage in einer würdigen Totengedenkfcier zusammenzufassen, macht man aus jedem einzelnen einen neuen patriotischen Rummel. Historisch ergrisfene Reichswehrkapeven lassen es sich nicht nehmen, den Tag von St. Privat mit schmetternden Faniaren zu seiern, die völkische grüne Jugend feiert den Tag von Großbeeren , an dem sich Deutsche gegenseitig töteten, durch schwülstige Phrasen. Heute abend werden 1% Dutzend gemischte Neichswehr- k a p e l l e n den Schlachttag von S e d a n im Stadion gebührend feiern. Die Sache scheint sich demnach dem Ressort des Pfnchiaters bedenklich zu nähern. Diese Herrschaften suchen einen Spektakel um jeden Preis. Und ein findiger Festarrangeur völkischer Eon» leur wird wohl in Kürze die Niederlage von Jena und A u e r st ä d t in preußische Gloriole umzudichten verstehen. Den völkischen Festarrangeuren ist mit Vestimmtheit alles das zuzu» trauen, was sie in den Augen der Rlitwelt nur noch lächerlicher machen kann._ Kunzes Riesenpleite. An den Litfaßsäulen erinnert ein kümmerliches Plakat, aus dem für den skeptisch Vorübereilendcn nur zwei Worte in fetterem Druck herausleuchten:„Kunze spricht... Riesenpleite..." Wir wissen es ja, wackerer üllkoholfreund von Gardelegen und Spezialist für trcudeutsche Gummiknüppel, daß dein Bankrott ein überdimensionaler und restloser ist. Glauben Richard Kunze und seine auseinandergesprengte Partei miniature die Zeit zu neuen Spekulationen für gekonimen? Muß ein anderer Sally Posener den ramponierten Knüppelschwinger in anderem Sinne vor dem Ersaufen retten? Es scheint fast so. Der geschäftige Phraseur dürfte allerdings mit seinen politischen Transaktionen kein Glück mehr haben._
Groster Petroleumbrand bei New N�rk. Die in der Nähe der Docks liegenden Petroleumbehälter sind in Brand geraten. Hunderte von Feuerwehrleuten bemühten sich vergebens, das Feuer zu löschen. Die Rauchentwicklung ist so stark, daß 190 Feuerwehrleute bereits wegen Erstickungs- gefahr ins Krankenhaus gefahren werden mußten.
Wieder ein Lufttransport von Tawcsobligationen. Heute morgen 9,15 Uhr startet in Berlin das Junkers-Groß- flugzeug„G. 23" mit neun Millionen Pfund Dawes-Obligationen nach London . Das Flugzeug unterbricht den Flug in Amster- dam, wo ein Teil der Obligationen für Paris umgeladen wird. Begleiter der Sendung ist Ge h e i m r a t M ü ck von der Reichsschuldenoerwaltung: Flugzeugführer ist Linder.
26 000 Zentner Kall im Rhein gesunken. Ein französischer Schleppkahn, der mit 26 000 Zentner Kali beladen war, fuhr auf einen Felsen auf. wurde leck und sank innerhalb weniger Minuten. Die Besatzung konnte sich nur unter großen Schwierigkeiten in Sicherheit bringen, mußte aber ihr Hab und Gut im Sttzche lassen.