Parte! und öeamtengewerksthasten. Stürmische Auseinandersetzungen zwischen ATB.- und DBK.-Richtung. Einstimmige Billigung der bisherigen neutralen Haltung des Parteivorstandes. Am 2. Verhandlungstage kam es auf der Tagung des R e i ch s- beamtenbeirats zu teilweise leidenschaftlichen Debatten über die für die Beamten geeignetste gewerkschaftliche Organisations- form. Den Auftakt hierzu gab das Referat des Leiters unserer Beamtenzentrale, Genossen Hermann Wäger, über »llasere nächsten Aufgaben". Genosse Wäger gab zunächst einen Rückblick auf die bisherige Agrtations- und Organisationsarbeit, sowie auf die Tätigkeit des alten Reichsbeamtenbeirats, um dann die Aufgaben des neuen wesentlich erweiterten Beirats zu erläutern. Dann kam er auf die verheerenden Wirkungen zu sprechen, die das Hineintragen der beamtengewe'rkschaftlichen Richtungs st reitig. k e i t e n in die Parteiorganssationen, die Parteiversammlungen, die Werbeausschußsitzungen usw. zur Folge hatten. Er verteidigte und begründete die vom Parteivorstand in dieser Frage bisher ein- genommene und von den Parteitagen sanktionierte Haltung und betonte mit aller Schärfe, daß der Reichsbeamtenbeirat nicht aus- einandergehen dürste, ohne eine klar« Entscheidung über diese Dinge herbeigeführt zu haben. Es sei ein für die Partei un- erträglicher Zustand, wenn eine große Anzahl von Parteigenosse,� die dem Deutschen Beamtenbund und seinen ihm angeschlossenen Organisationen angehören, andauernd von ihren Parteigenossen vom ADV. als„Gelbe" beschimpft und minderen Rechts epAärt würden. In manchen Parteiorganisationen sei es in der letzten Zeit zur ständigen Gewohnheit geworden, Genossen, die sich seit fahren der Achtung der übrigen Parteigenossen erfreuten und deshalb für Ehrenämter in der Partei vorgeschlagen wurden, als„Gelltfe" zu bezeichnen und damit vor den übrigen Genossen, die die /Verhältnis- mäßig junge Beamtengewerkschaftsbewegung noch nicht kennen und begreifen, verächtlich zu machen. In ahnlicher Weis« sei auf die Redaktionen mancher Parteiblätter eingewirkt worden, denen man die DBB.-Organisationen als„gelbe" Gewerkschaften bezeichnete. Statt durch die Parteipresse Unterstützung ihrer Pionierarveit, zu der sie von der Partei angehalten wurden, zu erfahren,'wäre die Arbeit dieser Genossen durch die total falsche und auf Unkenntnis der tat- sächlichen Verhältnisse beruhenden Einstellung Erschwert worden. In der Arbeiterbewegung wäre es immer Grundsatz gewdey, daß die gewerkschaftliche Agitation in den Betrieben und Betriebs- Versammlungen vor sich zu gehen habe. Die A�)B.-Genossen wären ober mehr und mehr dazu übergegangen, itsre Werbearbeit für ihre Berufsverbände in die Partei zu verlegen. Damit müsse jetzt unter allen Umständen aufgeräumt werden, denn der hierdurch für die Partei entstandene Schaden wäjre kaunu wieder gutzumachen. Der Heidelberger Parteitag habe die Ausgabe, den Parteiorgan!- sationen und der Parteipresse ganz unmifzoerständlicho Richtlinien für die Behandlung dieser Fragen zu geb<n. Die heutige Tagung dürfe nicht auseinandergehen, ohne eine Lösung zu finden, die die Werbearbeit unter den Beamten für die Partei wieder ermögliche. Rur eine rücksichtslose Erörterung des ganzen Fragenkomplexes könne zu diesem Ziele führen, und er sqirdere deshalb die Genossen vom ADB. auf. alles vorzubringen,, was sie zu ihrer Bs- kämpfung des Standpunktes des Parteivorstandes veranlaßte. Wir wollen endlich klare Bahn haben und ims schlüssig darüber werden. wohin die Resse gehen soll!(Lebhafter Beifall.) Die Diskussion. Da sich bereits während des R/eferats 32 Redner zum Worte gemeldet hatten und noch weiter«/ Wortmeldungen zu erwarten waren, wurde beschlossen, den Ha/iptvertretern beider Richtungen, den Genossen Lockenwih(DBB.) ynd Kohur(ADB.) eine längere Redezeit zu gewähren, im übrigen-aber die Redezeit auf 15 Minuten ju beschränken. Die teilweise leidenschaftliche Diskussion wurde vom Genossen L e g a t i s> Königsberg . eröfsnet, der sich als begeisterter ADB.-Anhänger bekannte, gleichwohl aber in eindringlichen Worten die Notwendigkeit betonte, daß> die Parteipresse und die Partei- Organisationen beiden Eewcrk-schaftsrilhtungen gegenüber eine ab- solut neutrale Haltung einnehme. Es läge im ureigensten Interesse des ADB. selbst, den, Eindruck zu vermeiden, als ob er nur mit Hilfe der Krücken der Partei stehen könne.„In der Partei sind wir alle nur Parteigenossen und als Sozialisten müssen wir den Terror gegen die DBB../Genossen verwerfen." Diese mit lebhaftem Beifchll aufgenommenen Ausführungen be- cinflußten sichtbar die ganze /sechsstündige Debatte, die nun folgte. An diesem Eindruck konnten auch die Ausführungen einiger ADB.- Vertreter nichts ändern, die. sich um den Nachweis bemuhten, daß der DBB. eine bekämpfenswerte Organisation sei. Den scharfen Auseinandersetzungen wurde schließlich durch den Borsitzenden des ADB., Genossen Falkenberg ein Ziel gesetzt, indem er folgende anzunehmen empfahl: �akschKeßung „Der Rcichsbeainten/beirat der SPD. verurteilt die De- strebungen, mit Hilfe der Autorität von Parteiinstanzen und -organen den gewsrkschi iftlichen Richtungsstreit zwischen den Be- amtenorganisationen zu beeinflussen. Er oerlangt von allen Parteiinstanzen und Parteigenossen, auf dem Boden der Pavtei absolute Objektivität gegen- über b e i d e n Richtungein zu wahren. Im übrigen verpflichtet der Reichsbeamtenbeirat alle partei- genössiichen Beamten, sich tatkräftig für die Durchführung des auf der Reichsbeamtenbeiratstaguna im Juni 1324 gefaßten Be- schlusses einzusetzen, der folgenden Wortlaut hat: „Die parteigenössischen Beamten sind verpflichtet, in ihrer gewerkschaftlichen Betätigung für das Ziel des Wirtschaft- lichen Szialismrrs zu wirken." Ferner gibt der Rhichsbeamtenbeirat der Erwartung Aus- druck, daß der Parteitag in Heidelberg in der Frage der gewerk- schaftlichen Organisation eft,« Entscheidung trifft, die geeignet ist, der Förderung der sozialistischen Gedankenwelt in der Beamten- schaft einen neuen und kräftigen Anstoß zu geben." Diese Entschließung wi,ft>e einstimmig angenommen. Ge- nosse Wäger gab darauf j» seinem Schlußworte seiner rückHall- losen Befriedigung darüber Ausdruck, daß sich der Rcichsbeamten- beirat durch die einstimmige Annahme dieser Entschließung von der Richtigkeit der Hallung des Parteivorstandes überzeugt habe. Damit sei das Ziel, den Weg für die Entwicklung freizu- machen, erreicht und er zweifle nicht daran, daß sich auch der Heidel- berger Parteitag auf den Boden dieser Entschließung stellen werde. Nach einem anfeuernden Schlußwort des Genossen Stelling und einem begeisternden Hoch auf die Sozialdemokratie wurde die Tagung geschlossen. Preußen unö die Landwirtschaft. Eine Rede des Illinisterpräfidenten Braun. Im Hauptausschuß des Landtages stand am Montag der Etat des Ministerpräsidenten zur Beratung und damit die Gesamt- heit der politischen Fragen, die heute in Preußen brennend sind. Der Etat wurde von der Opposition erstaunlich zartfühlend be- hcndell. Wohl beschwerte sich der deutschnationale Abgeordnete B a« ck e r darüber, daß die preußische Regierung silh nicht für eine Schutzzollpolltik im wahren Sinne des Wortes eingesetzt habe, allein seine Kritik war doch so vorsichtig und behutsam, wie man das sonst von der Rechten nicht gewohnt ist. Die Rechte fürchtet eben die Neuwahl. Genosse H e, l m a n n kritisierte die Fonn der neu- beschlossenen Einsuhrscheine und forderte eine Ersetzung der oer- alteten Disziplinargesetzgebung durch zeitgemäßes modernes Recht.
Ministerpräsident Braun hielt an seinem bvkannten Standpunkt, daß mit Schutzzöllen in der heutigen wirtschaftlichen Situation der Landwirtschast nicht zu helfen sei, fest. Wenn die Stimmung in der Landwirtschast augenblicklich nicht rosig ist, betonte der Ministerpräsident, so liegt das daran, dah sich die hohen Erwar- tungen, die an die Zölle geknüpft wurden, nicht erfüllt haben. Nur wenn der Landwirt bei Verwertung feiner Ernte die Marktlage besser ausnützen kann und nicht gezwungen ist, seine Produkte schleunigst aus den Markt zu werfen, kann er über die schwierige Situation hinwegkommen. D�xä bedarf es aber der großen Kreditaktion, dieBch schön mehrfach gefordert habe und die sicherer und weit eher als Aölls den Landwirten helfen kann. Die Landwirtschaft braucht nicht Zölle, sondem Kredithilfe und eine bessere Organisation des jEertriebs der Waren unier Ausschaltung überflüssiger Zwischeninltchnzen. Im übrigen darf bei vollem Ver- ständnis für die Lage oer Laydwirsslhaft der Konsument nicht vergessen werden,'' lieber die Einfuhrscheine erklärte der Minister- Präsident, daß die preußische Regierung der Reichsregierung bei der Durchführung ver von ihr angekündigten wirtschaftlichen Maß- nahmen in fetner Weise in den Arm fallen wolle, da die Reichs- regieriäng allein die Verantwortung für dies« Maß- nahmen zu tragen habe. Bon den sozialdemokratischen Vertretern wurde u.a. die Wieder- einrichtung der preußischen Gesan d tschaft in München beanstandet. Der Ministerpräsident hat mll der Wiedereinrichtung einen bindenden Beschluß des Landtags durchführen müssen. Sozial- demokraten/ Demokraten und Kommunisten forderten, daß dieser Posten wieder eingezogen werde. Auf der anderen Seite hatten die Regierungsparteien den Antrag gestellt, die Vertretung Preußens in Dresden , die ausgehoben worden war, wieder» herzustellen und ebenso in den Hansestädten eine Vertretung mit dem Sitz iu Hamburg einzurichten. Der Antrag wurde an- genommen. Merkwürdigerweise brachte das Zentrum den dritten Absatz des Antrages, der die Mittel für diese neuen Gesandt- schaften bewilligen sollte, zu Fall. Die Rechtsparteien brachten ihre Forderung auf Verbresterung der Basis der preußischen Regierung zwar in langer Rede, aber doch zurückhaltend vor. Ministerpräsident Braun erklärte kühl und ruhig, daß die preußische Regierung keine Verbreiterung, sondern Ruhe zur Arbeit brauche. Volksbegehren über die /tafwertungsgefetze. Der Sparerbund, der Hypothekengläubiger- und Sparerschutz. verband teilt mit. daß er am 3. und 29. August in Weimar Sitzungen ohgehalten hat, in denen Gesetzentwürfe für ein V o l k s b e g e h.r e n eingehend beraten wurden. Eine baldige Fertigstellung der Entwürfe wird in Aussicht gestellt. Für die Durchführung des Volksbegehrens sst eine Kommission gebildet. Eine heftige Entschließung wendet sich dagegen, daß„in dem Gesetz über den Finanzausgleich die Mietzinssteuer erneut erhöht und gleichzeitig verlängert worden ist und fordert die unver- zügliche Beseitigung dieser ungerechten und verfassungswidrigen Sondersteuer'. Hoffentlich hat der Sparerverband nicht versäumt, diese Entschließung der deutschnationalen Reichstags- fraktion zu übermiteln. Für den deutschnationalen Finanz- minister v. Schlicben bestand bekanntlich das Kernstück des neuen Finanzausgleichs darin, die Länderregierungen durch Reichsgesetz zur ununterbrochenen Steigerung der Mieten und zur Anspannung der Hauszinssteuer nicht etwa zugunsten des Wohnungsbaues, sondern für allgemeine Finanzzwecke zu zwingen. Damit sollten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden, den Länderregierungen sollte das Odium für die Erhebung einer unpopulären Steuer zugeschoben und die Taschen der deutschnationalen Kapitalmag- naten vor Besitz st euern gesichert werden. Die Sparer haben diese Herrschaften selher in den Sattel gesetzt und können sich höchstens an ihrer eigenen Organisation schadlos halten, die polftisch so kurzsichtig gewesen ist, auf deutschnationale Wahlversprechungen auch nur das Geringste zu geben. Konflikt in Thüringen . Krach zwischen Regierung und Justiz. In der Angelegenheit des Weimarer Oberstaatsanwalts Dr. Frieders, der gegen sich sofortige Dienstemhebung und Einleitung eines Disziplinarverfahrens beantragte, liegen jetzt Aeußerungen der thüringischen Regierung und des Oberstaatsan- (valts selbst vor, die höchst bezeichnend für die Zustände in Thü- ringen sind. Die staatliche Pressestelle in Weimar läßt folgende Meldung verbreiten: „Ein Teil der Presse verbreitet die Nachricht, daß Oberstaats- anwalt Dr. Frieders beantragt habe, ihn zu beurlauben und ein Disziplinarverfahren gegen ihn zu eröffnen, lim einer irreführenden Legendenbildung vorzubeugen, wird festgestellt: Der Oberstaatsanwalt Dr. Frieders hat zwar beantragt, ein Dienst- strafoerfahren gegen ihn zu eröffnen. Der Antrag ist a b g e- lehnt worden, weil die vom Oberstaatsanwalt Dr: Frieders an- geführten Umstünde keinen Anlaß dazu geben, ein Dienststrafver- fahren einzuleiten." Die reaktionäre thüringische Regierung gibt damit nicht nur den Tatbestand glatt zu, sondern sie verrät auch eine sehr auf- fällige Scheu vor einer Klärung. Worauf diese Angst zu- rückzuführen ist, deutet Oberstaatsanwalt Frieders in einer Er- klärung an. in der es heißt: „Das Disziplinarverfahren ist vom Oberstaatsanwalt beantragt worden, weil in letzter Zeil ausfällige hinweise an ihn gelangt sind, deren Berechtigung und Z u l ä s s i g k e I t der Form nach er im Interesse seiner Person und Stellung und im Zuteresse eines ungehinderten Arbeilens der Staalsan- waltschaft durch einen unabhängigen Richter im Dlsziplioarver- fahren nachgeprüft haben will." Es muß im Lande Thüringen herrlich weit gediehen sein, wenn sich der Vertreter einer Behörde, die sonst chre stockreaktionär« Ge- sinnung nicht laut genug betonen kann, genötigt sieht,«ine k o n- servatioe Regierung vor aller Oeffentlichkeit einer u n- befugten Beeinflussung der Justiz zu bezichtigen. Unter diesen Umständen kann man sich die Gründe denken, aus denen die thüringische Regierung die Einleitung eines Disziplinar- Verfahrens ablehnt. Nicht der Oberstaatsanwalt, sondern die„Ord- nungsbund'-Regierung würde bei dem Verfahren auf der Anklage- bank sitzen. Auch dieser Fall zeigt, daß die Deutschnotionalen die Rechtsprechung zu parteipolitischen Zwecken mißbrauchen, wo sie die Macht dazu zu haben glauben. völkischer verfall. Ei« Geständnis der„Reichsflagge". Alunchen. 7. September. (Eigener Drahtbericht.) Die„Reichs- flagge", jener rechtsradikale bayerische Wehrverband mit dem Sitz in Nürnberg , der schon vor dem Novemberputsch 1923 von Hitler zu Kohr überschwenkte, hält merkwürdigerweise seine diesjährige Bundestag üng in Sachsen und uicht, wie bisher, in Bayern ab. Ueber die Gründe für diesen Schritt unterrichtet ein Artikel in dem neuesten Mitteilungsblatt des Bundes, der zugleich auch ein deutliches Bild abgibt von der gedrückten Stimmung und dem Ver- fall in den Vaterländischen Verbänden, die in den letzten Jahren fast ausschließlich das bürgerliche Bayern beherrscht haben. In diesem Artikel heißt es u. a.:......
„In Bayern sst eine Stagnation eingetreten. Dos furchtbare Geschehen des November 1923 hat sich wie Blei aus die Gemüter gelegt. Der Opfergeist, der damals Gut, Blut, Geld und Zeit freudig für ein.nationales Deutschland zur Verfügung stellte, sogt doch, wo ist er? Gewiß, wir haben in Bayern geordnete Zu- stände, wir haben eine Regierung, die uns nahesteht. Aber lastet es nicht auch auf dieser Regierung wie Blei? Haben wir von chr nicht erwartet, daß sie sich zum Fackelträger des nationalen Deutsch- tums und Bayerntums macht, die Umgestaltung der Ver- f a s s u n g, die Forderung jedes nationalen Keimes, auf ihre Fahnen schreibt? Haben wir nicht erwartet, daß sie sich frei macht von jener falschen, übertriebenen Objektivität, die nach rechts und links in gleicher Weise verbietet und gestattet? Wir vermissen an der baye- rischen Regierung immer mehr den Zug einer frischen Energie, die schöpferisch neues gestallet und den Staat national durchdringt und umformt. Wir vermissen in den Reihen aller Vaterländischen Ver» bände in Bayern die nicht rastende Tätigkeft, die alles bezwingende Werbekraft, den idealen Opfersinn, der sich von der Zell nicht er- drosseln läßt. Und nicht zuletzt darum fahren wir nach Sachsen ."
Republikanertag in tzagen. Hägen, 7. September. (Eigener Drahtbericht.) Am Sonnabend und Sonntag fand in Hagen-Haspe ein großer republikani» scher Tag statt. Die Kundgebung wurde durch einen Fackelzug eingeleitet. Die Bannerweihe erfolgt« durch den stellvertretenden Bürgermeister, Genossen Liebig, dessen Bannerrede begeistert auf- genommen wurde. Am Sonntag veranstalteten in Hagen etwa 2599 Reichsbannerleute einen großen republikanischen Demonstrationszug. Trotz des schlechten Wetters war die Beteiligung gut. Die Bevölkerung der Stadt Hagen sah zum ersten Male durch die Straßen der Stadt viele schwarzrotgoldene Fahnen tragen. Der Erfolg ist umso be» achtenswerter, als bisher das Bürgertum in Hagen durch ungünstige politische Erziehung sehr wenig Sympathie für die schwarzrotgoldene Fahne empfunden hatte. Aus dem großen Platz vor der Stadthalle feiert« Bausekretär Genosse Schmidt- Dortmund vor etwa 5999 Personen die demo- kratische Verfassung Weimars und ließ zum Schluß die Kameraden feierlich schwören:„Deutsche Republik, der letzte Tropfen Blut soll dir gehören." Die tägliche Verleumdung. Aus der Praxis der„Einheitsfront. Aus Halle a. d. S. wird uns geschrieben: Der„Klassen- kämpf" stellte am 4. September die Behauptung auf— und selbstverständlich hat die übrige kommunistische Presse diesen Schwindel übernommen—, daß der sozialdemokratisihe Regierungspräsident Grützner in Merseburg einen kommu- nistischen internationalen Iugendtag verboten hätte, und zwar mit der Begründung, daß am gleichen Tage in Merseburg S e d a n- feieriv stattfänden. Der einfache Schluß war gegeben: dem sozial. demokratischen Regierungspräsidenten liegt die Sedanfeier näher als die kommunistische Jugendfeicr. Regierungspräsident Grützner teill nun mit, daß die Kommunisten weder an ihn, noch an einen anderen Beamten seiner Regierung wegen der Genehmigung ihres Jugend» tages herangetreten seien. Sie hätten allein bei dem deutschnatio» nalen Oberbürgermeist er der Stadt Merseburg wegen ihres beabsichtigten Jugendtages einen Antrag gestellt: von diesem seien sie aber darauf aufmerksam gemacht worden, daß an dem in Aussicht genommenen Tage, dem 6. September, in Merseburg große Sedan - feiern stattfinden. Daraufhin haben die Komrnunistsn am folgenden Tage chren Antrag zurückgezogen. Es ergibt sich also, daß Re» gierungspräsident Grützner mit der ganzen Angelegenheit gar nichts zu tun hat und es sich wieder einmal um eine der üblichen kommunistischen Hetzen gegen einen sozialdemokratischen Beamten handelt.
Viviani gestorben.
Paris , 7. September. (Eigener Drahtberlchl.) Der ehemasigs Minislerpräsident Rene Viviani ist am Monlagmorgen nach zweijähriger Krankheil im Sanatorium Ehamart im Alter von V2 Jahren gestorben. » Dioiani war in Algier geboren und hatte nach juristischen Studien die politische Laufbahn mit um so größerem Erfolg angetreten, alz er ein ganz hervorragender Redner war. Er sing als Sozialist an, gehört« jedoch zu dem Flügel, der mit Millerand und Briand den Ministerialismus bejahte, und trennte sich daher von der Partei. Im Jahre 1995 wurde er Mitglied der Regierung Clemenceau . Während aber der geistige Bruch zwischen Millerand und Briand auf der einen und der sozialistischen Partei auf der anderen Seite vollständig war, empfand man im Lager der Sozialisten für Viviani auch nach dieser Trennung allgemeine Sympathie, zumal er es stets vermied, seine frühere Partei anzugreifen und er al» Arbeits- minister ein starkes Maß von sozialem Empfinden zeigte. In den Jahren bis zum Kriege stand Viviani in allen Fragen auf dem linkesten Flügel der bürgerlichen Demokraten. So war er ein er» klärter Gegner der dreijährigen Militärdienstzeit. Nach den allgemeinen Neuwahlen im Mai 1914 wurde er Ministerpräsident und nahm an der schicksalsschweren Reis« Poincares nach Petersburg in der zweiten Iulihälfte teil. Es ist von einigen französischen Kennern der Kriegsschuldsrage Viviani vorgeworfen worden, daß er sich von Poincari damals Hab« täu- schen lassen, andere gehen sogar weiter und werfen ihm bewußte Unterlassungen vor, die den Kriegsausbruch begünstigt hätten. Wie dem auch sei, die Tatsache, daß Viviani die Leitung der Regierung damals hatte, ist insofern von weittragendem Einfluß gewesen, als . das große Vertrauen, das er auch bei Iaures und den Sozialisten genoß, wesentlich dazu beitrug, die Arbeiterschaft von der Un- schuld Frankreichs am Kriege zu überzeugen. Nach dem Kriege war Viviani noch verschiedentlich Minister und er vertrat Frankreich noch vor drei Iahren auf der Völkerbunds- Versammlung in Genf . Damals sprach er sich gegen den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund aus, weil der Zeitpunkt dazu noch verfrüht sei.' Im Parlament trat er fast gar nicht mehr hervor. Er' ließ sich vor zwei Iahren in den Senat wählen, kurz danach erfuhr man jedoch, daß er wegen einer unheilbaren Nervenkrankheit in ein Sanatorium übergeführt worden sei.- Jetzt ist er in geistiger Umnachtung gestorben. Kommuniftenfagd in Warschau . Warschau , 7. September. (WTB.) Die kommunistische Jugend sollte auf Befehl von Moskau heute große Demonstrationen veran- stalten und Plakate mit kommunistischem Inhalt in den Straßen anbringen. Die Polizei vereitelte jedoch die Demonstration, indem sie in der vergangenen Stacht zu Massenverhaftungen schritt. Im ganzen sind über 199 kommunistische Führer verhaftet worden.(Offenbar, befördert die Polizei nach vollbrachter Staats- rettuyg jeden Verhafteten zum Führer. Red.)