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Nr. 441 42.Iohrgaäg
1« Heilage ües vorwärts
Ireltag, 18. September 1925
Weintrauben. Die Weintraubensaison ist im vollen Gange. Erst gab es da und dort welche in den Delikatessenläden, wo ein genußsüchtiges Publikum immer das haben will, was es gerade nicht gibt. Diese Sorte von nichtsiuenden Geniehern eilt so immer allem eine Jahreszeit voraus oder humpelt drei hinterher, ganz wie man will. Später sah man sie in den Obstläden, bis jetzt endlich die Ueberfülle an jeder Straßen- ecke Wagen über Wagen von Weintrauben schier überquellen läßt. Alle Länder machen eine Verbeugung vor der gefestigten Wähning und so ist das nördliche Berlin   neben deutschen   Trauben mit Wein aus alteran, aus Ungarn  . Italien  , Spanien  , kurz allen weinbauenden Ländern versehen. Auch Brüssel sendet aus seinen großen Glas- hauskultuven richtige Trauben, die einen manchmal an die Wein- traube der Kundschafter in Kanaan   denken läßt. Jetzt ist die große Zeit der Traubenkuren. Blauwem für Blutarme! Koldwein. Meraner! Es ist ein eigenartiges Gefühl, wenn man sich vorstellt. welche Sonne die Beeren gereift, welche Äände sie gepflückt haben mögen. Ein Stückchen fernen südlicheren Himmel, ein Bechen  , der nicht so karg wie der märkische ist. Womit nichrs gegen den mär- kischen Weinbau gesagt sein soll, war doch selbst Berlin   einst eine weinbautreibcnde Stadt. Doch wo nicht der Glasschutz nachhilft, sind natürlich die Weintrauben nicht mit denen der süddeutschen und auherdeutichen Weinbaugebiete zu vergleichen. Schon der Anblick der vollen Wagen läßt einen jetzt, wo die Sonne wieder scheint, das Herz im Leibe lachen und täuscht einem angenehm südlicher« Breiten- grade vor. Und da der Preis erschwinglich, ist es kein Wunder, daß fast ganz Berlin   unterwegs Beerlein nach Beerlein zupft und sich der Süße freut, die die Sonne eines anderen Landstriches für uns kochte. Kein Wunder, daß dabei auch manchmal des guten zuviel getan wird. Die klebrigen Hände vom zuckrigen Weinsast gehen noch an. wenn auch nach dem Händeschütteln mit guten Freunden die Hände wie durch geheimnisvollen sympathischen Zauber zusammen- hasten. Auch das Spucken von ausgelutschten Beerenscholen» soweit nur die Bäume und nicht das Pflaster bedacht werden, geht an. Es ist sogar eine anmutige Beschäftigung für nervöse Knaben, die so ihre Weltoerachtung richtig ausspucken können, nachdem sie glücklich das Süße der Welt genossen. Doch das sind alles noch Dinge, die dem lieben Nebenmenschen angehen und die werden gemeinhin als nicht wichtig betrachtet. Doch der Fluch trifft die Vielfraße unter den Traubenfreunden selber, wenn sie eine zu große Portion verdrücken. Die Wirkungen sind von einer so durchschlagenden Kraft, daß sich die nähere Beschreibung erübrigt. Leider ober sind trotz billiger Preise viele nicht einmal in der Lage, es an sich auszuprobieren und viele tausende von Kindern morden wohl nicht einmal ein Deerlein zu kosten bekommen. Sollte es nicht möglich fein, statt so viel leerem Brim- borium den Schulkindern ein Fest zu geben, das sie mitschnabulieren läßt von den reifen Herbstgaben. Bielleicht so, daß die einzelnen Straßenzüge für Ihre Schüler einstehen und Wein, Aepfel und Birnen im großen beziehen. Die Schulkinder werden mit einem solchen Fest sicher einverstanden sein!-
Die Amnestie. Ein fsir Beamtenverbände und andere Organisationen wichtige Entscheidung bezüglich der Amnestie fällte gestern das Schöffen- gericht Berlin-Schöneberg. Der wegen öffentlicher Beleidigung an- geklagte Redakteur Ernst Sommer   ist verantwortlicher Leiter der Zeitschrift.Unter dem Reichsadler", des Organ« vom Verband der Deutschen Reichspost- und Telegraphenbeamtinnen. In ihm wurde vor einiger Zeit ein Eingesandt.Fernsprechamt Merkur" veröffentlicht, in dem erhebliche vorwürfe gegen zwei AussichtS- beamte de« genannten Amtes erhoben wurden. U.a. wurde gesagt, daß dort die Beamten zu Maschinen und Nummern umgewandelt würden und der Drill soweit ginge, daß z. B. die Beamtinnen nicht aufzustehen und Hilfe zu leisten wagten, al« eine Kollegin während de« Dienstes in Schreikrämpfe verfiel, Behauptungen, die den Strofantrag zur Folge hatten. Vor Gericht machte nun Recht«- anwalt Dr. L a n d« b e r g  , der frühere deutsche Gesandte in Brüffel, der an sich znm Antritt de« Wahrheitsbeweise« bereit war, geltend, daß hier die letzte Amnestie Platz greisen muffe. Da» Gericht schloß sich auch diesem Standpunkt an. Der Verband ver-
folge, so begründete e«, die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Jntereffen seiner Mitglieder und die Hebung de« Stande  «. Nach der Amnestie vom August d. I. seien nun u. o. alle Beleidi- gungsklagen im Sinne der s§ 185 bis 137 niederzuschlagen, wenn Angriffe, die richtige Form vorausgesetzt, in öffentlichen Kundgebungen während eines politischen oder wirtschaftlichen Kampfes erfolgt feien. Das läge hier vor und demgemäß fei auf Einstellung des Verfahren» zu erkennen.
vie japanischen Evropaflieger. Tempelhof   in Bewegung. Am gestrigen Doimerstagnachmittag um 2 Uhr 50 Minuten ist der japanische Flieger Abe mit seinem Monteur Shinohara aus Königsberg   auf dem Tenipelhoser Flugfeld«ingetroffen. Die An- kunft hatte stch durch eine Zwischenlandung erheblich verzögert. Während dessen entwickelte sich auf dem Tempelhofer Feld«in Treiben, das unser Berichterstatter im Folgenden schildert. Bereits um Ist Uhr herrschte vor dem Eingang zum Flughafen Tempelhvf reges Familientreiben. Alle Enttäuschten, die schon am Mittwoch mittag die japanischen Wellfliegcr erwarteten, gaben sich ein trauliches Stelldichein. Irgendeiner der Direktoren des Aero- Lloyd versichert jedem, der es hören will, daß der japanische Haupt- mann Ab« Königsberg   kurz nach 8 Uhr verlassen habe und spätestens um Mittag in Berlin   eintreffen müsse. Der Flugplag füllte sich allmählich beängstigend. Ein Auto nach dem anderen bringt Japa- ner auf das Tempelhofer Feld, das allmählich zu einem Tokio   in der Westentasche wird. Kurz vor 11 Uhr erscheint ein« An- zahl von deutschen   Herren. Reaierungsvertretern, wie man sagte. Die Atmosphäre ist offiziell geworden. Sie wird es noch mehr, als der japanische Botschafter mit Gefolge auf der Bildfläch« angekommen ist. Kinooperateure drängen sich heran und machen in aller Eile Großaufnahmen von ollen möglichen offiziellen Persönlichkeiten. Im Restaurant ist man währenddessen zu Bockwün'tchen mit Kartossel- salat übergegangen. Ein Fleugzeug ist inzwischen startbereit. Es soll mit dem japanischen Botschafter und einigen ernsthasten Presse- persönlichkeiten den Europailiegern entgegeneilen. Der Kinooperateur macht noch schnell eine vollbelichtete Großausnahme. Seit zwei Stunden zeigt bereits das Begrüßungsflugzeug seinen Insassen die Schönheiten des Berliner   Ostens. Eigentlich sollten die Weltflieger lange in Berlin   sein. Die Zuschauer beginnen nervös zu werden. Jedes Flugzeug, das sich irgendwie am Himmel zeigt, wird mit donnernden Hurras empfangen. Japanische und deutsche Fahnen werden ausdauernd geschwenkt. Der Pilot eines harmlosen Post- flugzeugs sieht sich plötzlich von einer begeisterten Menge umringt, ein Postsack fühlt sich umarmt, die Direktoren des Aero-Lloyda werden mit Fragen üderstürmt. Man weih nichts. Wo mögen die Japaner stecken? Das Begrüßungsflugzeug landet. Seine In- fassen wisicn nun genau, wie Berlin   aus der Vogelschau aussieht. Der japanische Botschafter fährt im Auto nach Hause. Di« Uhr zeigt zwei. Man munkelt von Abstürzen und ähnlichem. Di« Direktion wlephoniert fieberhakt. Niemand weiß etwas vom Verbleib der Japaner. Lebhafte Geister orakeln, sie seien in Leipzig  , Warschau  oder München   versehentlich gelandet. Trotz der lastenden Mittags- Hitze haben die Hoffnungen den Gefrierpunkt erreicht? die Japaner aber bewahren wundervoll ihre überlegene Ruhe. Da plötzlich, die Uhr zeigt fünf Minuten vor drei, ertönen Alarmschüsse,«irenen heulen, ein unentwirrbarer Menschenknäuel ist plötzlich entstanden. Di« Europoslieger sind da. Man läuft durcheinander, man schreit und tobt. Der Flieger ist inmitten dieser Aufregung bereits gelandet. Die ruhigen, überlegenen Javaner jubeln vor Begeisterung.. Re- porter, Kinooperateur« und Pyotographen quetschen sich rücksichtslos durch die Meng«. Die Stimmung notiert ganz ä la Hausie. Kaum können die Weltflieger aussteigen, immer wieder erdröhnt die Luft von begeisterten Bansairufen. Ein Kinooperateur weih nicht, wie er zu seiner Großausnahme gelangen soll, und ein Schupo verhastet aus Dersehen einen Pressevertreter. Gleich hinter Königsberg   mußte Ab« mit seinem Begleiter Shinohara wegen eines Motor- defekts heruntergehen, daher die Verzögerung. Dann werden Reden geHallen, Hochs ausgebracht auf alle nur möglichen Dinge. Man singt die japanische Nationalhymne, photographiert die Weltflieger und verbrüdert sich beim Sekt untereinander.
vie Turmwach«« bewähre« sich. Der Brand i» der Stall- schreibe? straße am vormittag de« 17. wurde von der Turm- wache der Smmau«kir»«10 Minuten stüher al» von den übrigen Stellen gemeldet, ein Beweis dafür, daß stch die Turm- wachen bewähren.
Zum Toüe Paul �ohns. Ein Leben im Dienste des Volsies. Das tragische Ableben des Bürgermeisters Genosse» Paul Iah» läßt ältere Genjjflen erinnern an die Tätigkeit des Genossen Joch, innerhalb der Sozialdemokratischen Partei. Im Jahre 1890 waren aus Anlaß der Grubenbergarbeiterbewegung Delegierte in Berlin  beim Kaiser und trugen ihm die Lage der Bergarbeiter vor. Diesen wurden zur Beruhigung allerlei schöne Versprechungen gemacht, mit denen die Arbeiter nicht viel anfangen konnten. Im Gegenteil, als die Bergarbeiter unruhig blieben, wurde Militär mobil gemacht und die Arbeiter mit Gewehrkugeln gesüttert. Genosse John behandelle diese Angelegenheit als Referent in einer öffent- lichen Versammlung, die in Feys Festsälen in der Brunnenstrahe stallfand und sprach davon, daß man den Arbeitern a n st a t t Brot blaue Bohnen gegeben habe. Spitzel, die in der Versammlung waren, berichteten an die Staatsanwaltschaft, und diese hängte dem Genossen eine Anklage wegen Majestätsbeleidigung an den Hals. Ein Jahr Gefängnis war die Folge. Später ging John als Redakteur an dasVolksblott" in Kassel  . Hier erhielt er wegen Pretzbeleidigung drei Monate Gefängnis. Nach Berlin   an denVorwärts" gekommen, muhte John auch hier als ver- ontwortlicher Redakteur weitere Opfer an Freiheit bringen. In einem Falle erhiell er in einer Bcleidigungssache drei Monate Ge f ä n g n i, und später wegen. Veröffentlichung der sogenannten Hunnenbriefe weitere sieben Monate Gefängnis. John hat also mehr als zwei Jahre im Gefängnis zu- gebracht und für unsere Partei gelitten. John hat als Redakteur des Vorwärts" über 17 Jahre den gewerkschaftlichen Teil redigiert und auch sonst sich als Versammlungsredner in Berlin   recht eifrig be­tätigt. Die Partei hat in John einen.opferwilligen und arbeits- eifrigen Genoffen verloren. Hakenkrenzlerfrechheit! In unserer deutschen Republik kann man gegen sie recht arge Beschimpsungen wagen, ohne daß man allzuviel Unannehmlichkeiten zu befürchten hätte. Hakenkreuzlcr aus Berlin   haben am letzten Sonntag in Zossen   wieder eine Probe davon gegeben, wie solche Duldsamkeit den Feinden der Re- publik den Mut stärkt. Etwa 150 Mann von dieser Gesellschaft waren nach Zossen   gekommen, um eine Nachtübung zu veranstalten. Singend und johlend durchzogen sie in mehreren Trupps die Stadt, von Zosiener Hakenkreuzlern begleitet. Am Nachmittag marschierte, so meldet man uns aus Zossen  , ein Trupp zum Bahnhof. Vorange- tragen wurde auf einem Stock die blaue Mütze eines Reichsbanner- mannes, und den Schluß des Zuges machte eine s ch w a r z r o t- goldene Fahne, die durch den Straßenschmutz ge- l ch l e i f t wurde. Entrüsteten Zurufen vorübergehender Personen antworteten die Frechlinge mit höhnischen Bemerkungen. Wer als einzelner si chihncn entgegengestellt hätte, dem wäre es vielleicht übel ergongen. War es darauf abgesehen, die Freunde der Re- publik zu rehzen und einen Zusammenstoß herbeizuführen? Wie wir hören, ist der Zossener Polizei diese herausfordernde Bs- schimpfung der Republik   nicht unbekannt geblieben. Die Hakenkreuz- ler werden sich wenig Sorge darum machen. Der freund aus dem Wikingbund. Bor dem Landgericht III hatte sich der 23jährige Arbeiter Hans K o l a ck und der 20 Jahre alte Hausdiener Fritz P r e u ß wegen Körperverletzung, wisientlich falscher Aussage und wegen Tragens unerlaubter Waffen zu verantworten. Den Angeklagten wurde zur Lost gelegt, daß er am 28. Juni d. I. den früheren"Kaufmann und jetzigen Polizeibeamten Urbach   wissentlich falsch beschuldigt halle. daß er bei dem Zusammenstoß am Schönhauser Tor in der Silvester- nacht ein Messer gezogen hätte. Die Verhandlung vor der Berufung?- sirafkammer am 28. Juli hall« nach Zeugenaussage ergeben, daß der damalige Angeklagte Urbach  , der heute als Nebenkläger aus- getreten ist. weder ein Messer noch irgendwelche andere Waffe bei sich trug. Umgekehrt war es bei Kolack und Preuß..Kolack besaß einen Revolver und eine Stahlrute, Preuß einen Hirschfänger und Schlagring. Borsitzender(zu Kolack): Wozu trugen Sie denn den Revolver und die Stahlrute bei sich? A n.g e k l a g t e r: Ich wollt« sie meinem Freunde zu Neujahr schenken. Anders war es aber bei der Vernehmung von Preuß. Preuß sagte: Urbach   kam die Linienstraß« entlang und wurde dort von Kolack belästigt. Er ging ohne zu antworten weiter und wir gingen hinterher. Eine in Bc- gleitung von Urbach   befindliche Dame bekam unverhofft von Kolack einen Schlag vor den Magen. Urbach   stellte Kolack zur Rede, worauf Kolack ihm einen Schlag ins Gesicht gab. Vorsitzender: Von wo kennen Sie Kolack? Angeklagter: Vom Derein. Vorsitzender: Wie
Das unbegreifliche Ich. 371 j<<:': Geschichte einer I u g« n b. ' Roman   von Tom Sristensen. (Berechtigte Uebersetzung aus dem Dänischen von F.<5. Bogel) Ich fühlte ein Bertrauen zu Samuelsen, wie ich nie zuvor gespürt, und ich ging voller Zuversicht hinter ihm her. In dem Licht des Straßenbahnwagens bemerkte ich, daß er dicker geworden war. Sein Gesicht verzog sich gern zu einem unangenehmen Grinsen, das roh und zweideutig aussah? doch seine Augen waren traurig. Hin und wieder wischte er eine Träne fort. Deine Mutter hat es nie sehr gut gehabt. Es ist das traurigste Dasein, �was sie bis jetzt geführt hat', aber es ist meine Schuld, du," sagte er leise zu mir. Ich antwortete nicht. Ich war bloß froh darüber, daß einer da war, der Mutter helfen wollte. Als wir nach Haufe kamen, lief Samuelsen sofort in die stockdunkle Schlafftube. Ich. bin es, Nina! Es war hübsch von dir, daß du nach mir geschickt hast." Kannst du nicht Licht machen?" stöhnte Mutter,« ist so schrecklich hier im Dunkeln." Samuelsen lief in der Wohnung umher und suchte nach Licht. Ich wollte ihin helfen und wir kamen uns in die Quere. So. du bist das, der hur herumwimmelt. Lauf lieber »um Arzt herüber!" kommandierte er. Ich sprang hoch, bekam meine Mutze vom Haken und lief atemlos forl.,, Der Arzt war nicht zu Hause? aber es wurde mir er- laubt. zu warten Er mußte jeden Augenblick kommen. Ich wurde, in ein langwelliges Wartezimmer mit Stühlen an den Wänden und einem Tisch mit Zeitschriften in der Mitte geführt. Hier durfte ich mich setzen. Ich blätterte in den Zeitschriften und versuchte mich für die Bilder zu interessieren? doch es wollte mir nicht glücken. Jedesmal, wenn ich jemand auf der Treppe hörte, fuhr ich zusammen. Die Schritte gingen weiter nach oben. Ich wußte nicht, womit ich mir die Zeit vertreiben sollte. Hier war es so still und einsam. Hier waren keine Menschen. Mein Kummer wurde größer. Ich lehnte mich an den Tisch und hatte Lust zu weinen? doch ich konnte nicht, obgleich der Schmerz so groß war. Nur die Augen wurden naß. Es
brannte in meinem Innern? ab«? es wurde mir kewe Be- freiung.. Es wurde ein Schlüssel in dt* Tür gesteckt. ,2a sitzt ein Junge und wartet. Seine Mutter hat Dlut- erbrechen," sagte die feine Dam«, die mich hereingelassen hotte. Soo!" klang es.. Ein Herr mit faltigem Gesicht kam herew und setzte sich mir gerade gegenüber.,.t..' Ist deine Mutter sehr krank?' Ja, Tuberkeln." Er betrachtete mich flüchtig. Er hatte viele Nunzelu um die Augen, und sein Mund schien ohne Lippen. Wir wollen sofort gehen," sagte er und nahm sich zu- sammen, um seine Müdigkeit zu überwinden. Als wir nach oben kamen, hatte Samuelsen in der ganzen Wohnung Licht gemacht. Er verbraucht viel Petroleum, dachte ich.... Der Arzt ging in die Schlafstube, und ich bört« seine leise Stimme. Was er sagte, konnte ich nicht erlauschen. Kurz darauf ging er wieder. Samuelsen kam zu mir herein. Sein« Haltung war schlaff und sein Blick unruhig. Du, Waldemar," sagte er,wenn jetzt die Kranken- Pflegerin eintrifft, kommst du mit mir mit. Packe deine Schulbücher zusammen. Deine Mutter muß wieder ins Krankenhaus, und diesmal wird es. gewiß lange dauern ry- bis sie gesund wird."* 7 v! Ist Mutter sehr trank?". Ja. sehr? aber--* Weiter kam er nicht. Dann schüttelte er mit dem Kops» und ich glaubte ihn zu verstehen. Mein Kopf fiel vorn über und mein Mund fing an zu zittern. Samuelsen trieb sich ziellos herum. Kann ich uicht irgend etwas tun?" fragte er. Ja. Wasser!" stöhnte Mutter.., Als die Krankenpflegerin kam. ging ich in die Schlaf- stube hinein. Mutter war leichenblaß. Die Stirn glänzte vor Schweiß und die Augen blickten fremd? aber um ihren eingefallenen Mund lag ein schwaches Lächeln. .Lebwohl, mein Junge!" sagte sie und schüttelte meine Hand hiv und her, als ob chr das Spaß machte. Ich lächelte gezwungen und war unbeholfen in meine» Bewegungen.?-
Kommmm aber öfters und besuch mich, komm jeden Tag," sagte sie. Und lebe wohl, Samuelsen, du kommst wohl auch mal." Samuelsen nickte, trat dicht ans Bett und nickte wieder Er wollte irgend etwas sagen; aber Mutter schloß plötzlich abwehrend die Augen. In dem schwachen Licht, das das Ge- ficht mit seltsamen Schatten hervortreten ließ, sah ich nur das matte, ferne Lächeln. Und dann gingen wir. Ich freue mich darüber, daß du bei mir wohnen wirst," sagte Samuelsen in der Straßenbahn,so kann ich doch wenigstens einmal ein Versprechen halten, das ich deiner Mutter gegeben habe, und übrigens auch eins, das ich mir selber gegeben habe. Das letztere ist das wichtigste," fügte er hinzu und lachte innerlich. Ich rückte unwillkürlich ein Stück von ihm ab? doch er sah auf mich mit einem Lächeln herunter, das schlüpfrig und gutmütig zugleich war, und fuhr fort: Ja, das Versprechen, das ich mir selbst gegeben habe, ist das wichtigste. Ich will all das sentimentale Christentum und die biblischen Geschichten deiner Mutter aus dir heraus- klauben. Du bist zu schade dazu. Du hast ja gute, astrale Farben." Samuelsen, sind das die Farben, die Sie einmal hinter mir gesehen haben?" fragte ich. Er preßte überrascht das Kinn gegen den Hals.Kannst du dich darauf besinnen? Das ist alles Mögliche!" Dann nickte er vergnügt vor sich hin und täffchelte mir den Kopf.' Als wir nach Haufe in den Laden gekommen wy.ren Md er mir etwas Essen auf den ärmlichen Holztisch gestellt hatte.. goß er schleunigst zwei Schnäpse herunter, stöhnte vor Wohl- behagen und sagte: Daß deine Mutter bald stirbt, bedeutet ja an und für stch nichts!" Was sagen Sie? Stirbt Mutter? Hat der Arzt das gesagt? Nein, nein, das hat er nicht. Mutter stirbt nicht. nein!" schrie ich.' Seine runden Augen glotzten mich dumm an. Dann stieg ein Funke von Selbstzufriedenheit in ihnen auf. Nein, so war das nicht gemeint. Aber wenn deine Mutter stirbt, so stirbt ihr Ich trotzdem nicht." Ach, das weiß ich ja, ihre Seele kommt in den Himmel." Samuelsen lächelte väterlich. 7(Fortsetzung folgt,)