Einzelbild herunterladen
 

Abendausgabe

Nr. 468 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 231

Bezugsbedingungen und Anzeigenpreffe find in der Morgenausgabe angegeben Redaktion: 5m. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-28% Tel.- Abreffe: Sozialdemokrat Berlin

Vorwärts

Berliner Dolksblatt

10 Pfennig

Sonnabend

3. Oktober 1925

Berlag und Anzeigenabteilung: Sefchäftszeit 9-5 Uhr

Berleger: Borwärts- Berlag GmbH. Berlin SW. 63, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-29%

Zentralorgan der Sozialdemokratifchen Partei Deutschlands

Es wird weiter notifiziert.

Mit Zustimmung Luthers und Stresemanns.

=

Heute morgen ist hier die Frage aufgeworfen worden, ob die absonderliche Regierungserklärung, worin die weitere Noti­fizierung des Kriegsschuldmemorandums an die Signatar mächte des Vertrags von Versailles angekündigt wird, die 3u stimmung des Reichsfanzlers und des Reichs außenministers erhalten habe. Das wird jetzt von zu ständiger Seite bejaht. Unsere Vermutung, daß dieses neue Schriftstück ohne Luthers und Stresemanns Mitwirkung ver­faßt sein könnte, war also ein unberechtigtes Rompliment an diese beiden Herren.

Die Sache liegt mun offenbar so, daß die Regierung dem fortdauernden Druck der Deutschnationalen nachgegeben hat und eine Aktion fortsett, die nach ihrer eigenen besseren Kenntnis der Dinge zum Scheitern verurteilt und geeignet ist, die vernünftigen Richtlinien der deutschen Außenpolitit zu durchkreuzen.

Die Deutschnationalen haben einen unbestreitbaren Erfolg

Interessanter noch als das Blatt, dem die Ehre dieser Unterredung widerfuhr, ist ihr Inhalt. Tschitscherin wendet sich darin nämlich mit allen Argumenten, die wir von den Deutschnationalen fennen, gegen den Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund. Ihrem Inhalt nach hätte die Unterredung noch beffer in die Deutsche Zeitung" gepaßt als in die Deutsche Allgemeine".

Die Argumente Tschitscherins gegen den Völkerbund sind, mie gesagt, nicht neu. Wir haben uns schon unzählige Male mit den Deutschnationalen über sie auseinandergesezt. Wir brauchen daher nicht ausführlich wiederholen, daß Deutschland nach unserer Meinung nicht in den Bölferbund eintreten foll, un dort die Rolle eines zahmen Haustiers" zu spielen, son­dern um die Rechte des deutschen Volfes zu der treten.

Falsche Einheitsfront.

Stadtverordnetenwahl und Kommunisten.

Als die neue unbekannte Zentrale der KPD. auf An= meifung des Etfi der Berliner Bezirksleitung den Auf­trag gab, der Sozialdemokratie zur Berliner Stadtverord­netenwahl eine Art Wahlbündnis in Form der Listenverbindung zur Ausnutzung der Reststimmen vorzu­schlagen, waren sich die Herrschaften selbstverständlich darüber im flaren, daß ein solches Angebot rundweg abge­lehnt werden würde. In den Beratungen des Etti über die Parteiverhältnisse in Deutschland ist von den maßgeben den Männern in Moskau den deutschen Delegierten eindeutig bestätigt worden, daß die deutsche KPD. in der Deffentlichkeit jedes Ansehen verloren hat, daß sie ihre Rolle in der Arbeiterbewegung gründlich ausgespielt habe. so daß die Kommunisten selber mit der Annahme ihres An­gebotes nicht rechnen fonnten und auch nicht gerechnet haben. Was sie beabsichtigten, war nichts weiter als eines der zahla reichen Manöver", mit denen sie zu operieren pflegen. Sie wollten eine Gelegenheit fuchen, um aus der vollständigen moralischen Isolierung herauszukommen, in die sie

zu verzeichnen. Zwar ist Wilhelm II. noch nicht zurückgeholt, der deutschen Regierung zu durchkreuzen versucht, indem er die gebrauchten eine Ablenkung, um ihre verräterische Po

Der Auftakt von Locarno . Die Unschuldserklärung ist amtlich. Die neueste deutsche Veröffentlichung zur Kriegsschuldfrage, die wir in unserer heutigen Morgenausgabe nach Gebühr gewürdigt haben, ist vom Reichstanzler und Reichsaußen­minister vor ihrer Beröffentlichung gebilligt worden. So wird von zuständiger amtlicher Stelle auf direkte Anfrage

erflärt.

Tschitscherin gegen den Völkerbund.

Aber für ein demokratisches China .

Nach dem Berliner Tageblatt" und der Boffischen Zeitung hat der russische Außenminister Tschitscherin noch einem dritten Blatt eine Unterredung gewährt, und zwar

Bemerkenswerter scheint uns, daß der russische Außen­die Außenpolitit Opposition gegen sie stärkt. Er zeigt sich sehr besorgt darum, daß die ohnehin schon beschränkte Bewegungsfreiheit der deutschen Politik und Wirtschaft immer mehr eingeschränkt und beengt" werden könnte. Die Sorge, daß das nicht geschieht, tönnte Tschitscherin den deutschen Parteien, ganz besonders der deutschen Sozialdemokratie überlassen. Aber auch hier hat sich eine bemerkenswerte Wandlung vollzogen. Früher hießen wir die Sozialpatrioten", weil wir uns dem Schicksal unseres eigenen Volkes gegenüber nicht gleichgiltig verhielten, jezt erscheinen wir im Lichte des Nationalboliches mismus beinahe als vaterlandslose Gefellen". Was Tschit scherin betrifft, fo halten wir ihn für einen viel zu guten ruffifchen Sozialpatrioten, als daß mir glauben fönnten, seine Sorge um Deutschland sei nicht gut russisch empfunden. Wir möchten aber Deutschland ebensowenig zu einem In­strument der russischen Politik gegen England werden lassen

wieder nicht der Roten Fahne", sondern der von Paul Lensch wie zu einem Instrument der englischen Politik gegen Rußland. 3ersplitterung war es dem gefchloffen auftretenden Bürger

geleiteten Deutschen Allgemeinen Zeitung". Ein neuer Be weis dafür, wie wenig die Außenpolitik mit Gefühlen zu tun hat. Denn daß Herr Paul Lensch , der ehemalige radikale Marrist, der jetzt jeder zahlungsfähigen Kapitalistengruppe ihre journalistischen Geschäfte besorgt, dem einstigen Sozial­demokraten und jetzigen Bolschewit Tschitscherin eine besonders sympathische Figur sein könnte, ist nicht anzunehmen.

Deutschnationaler Mißtrauensantrag

gegen Severing.

Die Deutschnationale Landtagsfraktion hat zum Haushalt des Innenministeriums, dessen Beratung für die Woche nach der Baufe, die bekanntlich in der nächsten Woche eintreten soll, ansteht, den folgenden Antrag eingebracht:" Der Landtag entzieht dem Minister

des Innern das Bertrauen."

Die Gewerbesteuer vor dem Landtag. Der Gesetzentwurf über die Bereinigung der Landgemeinde Rauschwalde mit Görlig geht an den Gemeindeausschuß. Ein stimmige Annahme findet ein Zentrumsantrag auf Schaffung von Wohnungen für angewiesene verheiratete Schußpolizeibeamte des Ruhrgebiets.

Es folgt die zweite Beratung des Gefeßentwurfs zur Ueberleitung der Gewerbesteuer in das regel mäßige Beranlagungsverfahren. Der Hauptausschuß schlägt unveränderte Annahme vor.

Der Entwurf trifft Bestimmungen über die Ablösung ber Gewerbesteuer für die Zeit bis zum 31. März 1925 und über die Borauszahlungen für das Rechnungsjahr 1925.

Finanzminister Dr. Höpfer- Aschoff legt die Stellung der Regie­rung dar und verweist in der Frage der Ablösung auf den im Ent­wurf zum Ausdrud gebrachten Grundsaß, daß ein Korrektiv der Borauszahlungsbeträge, die für die Zeit bis zum 31. März 1925 zu leisten waren, weder durch Erhöhung noch durch Ermäßigung der Ablösungsbeträge stattfindet. Die Vorauszahlungen für 1925 sollen fich möglichst der endgültig festzusetzenden Steuer anpassen. Abg. Dr. Jacobshagen( Onat.) bringt Bedenken seiner Fraktion Finanzminister Dr. Höpfer Aschoff warnt vor Anträgen, die dem Grundgedanken der Gewerbesteuer widersprechen und ver­weist im übrigen auf ein fommendes neues Gesez.

zum Ausdrud.

Eine längere Aussprache ergab sich sodann noch zu einem von den Deutsch nationalen, der Deutschen Boltspartei, dem Zentrum, den Demokraten und der Wirtschaft­lichen Vereinigung unterstützten gemeinsamen Antrag auf Einfügung einer neuen Bestimmung in den Entwurf über eine Her abfeßung des Ablösungsantrages der Gewerbeertragssteuer.

Schließlich tam Tschitscherin auf die Fragen des fernen Ostens zu sprechen, wobei er erflärte:" Wir treten auf als die wirklichen Freunde eines demokratischen, unab­hängigen China ." In dieser Erklärung erblicken wir einen großen Fortschritt. Denn wer für die Demokratie in China eintritt, wird sie Deutschland und vor allem auch Rußland selbst nicht verweigern wollen.

Grundlagen dafür schafft, daß in Gemeinden mit besonders hohen Ruschlägen zu den Grundbeträgen der Gewerbefapital- bzw. Lohn­fummensteuer im Intereffe notleidender Gewerbesteuerpflichtiger eine wesentliche Senkung der Gewerbekapital- bzw. Lohnfummensteuer­beträge eintreten kann. In den Ausführungsbestimmungen soll des ferneren festgelegt werden, daß bei Berücksichtigung eines Antrages auf Herabjegung die Herabsehung des Gewerbeertragssteuergrund­betrages im gleichen Verhältnis wie die Herabsehung des Ablösungs­betges der Reichseinfommen bzw. Körperschaftssteuer erfolgt. Wenn ferner dem Antrag mit Rücksicht auf besondere wirtschaftliche und persönliche Verhältnisse entsprochen wurde, so soll die Herab. fegung unter billiger Würdigung der Gesamtlage und maßgebender Berücksichtigung der hinsichtlich der besonderen wirtschaftlichen Ver­hältnisse gewährten Herabsetzung des Ablösungsbetrages der Reichs­einfommen bzw. Körperschaftssteuer erfolgen. Damit war dieser Gegenstand erledigt.

Spanischer Erfolg.

Ajdir eingenommen.

Paris , 3. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Uleber Madrid wird gemeldet, daß es den spanischen Truppen gelungen ist, die Haupt­stadt des Rifs Ajdir nach intensiver Beschießung einzuneh men. Das ganze Tal, in dem Ajdir liegt und die es umgebenden Höhen sollen ebenfalls von den spanischen Truppen besetzt worden fein. Eine Menge Kriegsmaterial sei den Spaniern in die Hände gefallen. Die Riftabylen sollen erhebliche Verluste an Ma­terial erlitten haben. Obwohl Ajdir eigentlich nur ein größeres Dorf ift, legen die Spanier dieser Eroberung große Bedeu­tung bei und hoffen, daß der Erfolg erhebliche Rückwirkungen auf die Gesamtlage in Marotto haben werde. In Madrid und den übrigen spanischen Städten hat die Bevölkerung geflaggt. Der König und die Mitglieder des Direktoriums haben an Primo de Rivera ein Glüdwunschtelegramm abgesandt.

Sozialistischer Vorstoß.

litik im Berliner Rathaus vergessen zu machen. Dabei irren sich die Kommunisten sehr, wenn sie ans nehmen, die Sozialdemokratie beabsichtigte, im Wahlkampf mit ihnen irgendwie fänftiglich umzugehen. Sie irren sich noch viel mehr, wenn sie mit ihren Agitationsaufrufen glauben, sich und anderen einreden zu können, die Sozialdemokratie habe es ihnen gegenüber nötig, sich wegen irgendwelcher Vor würfe über ihre Politik im Berliner Rathaus in den letzten Jahren verteidigen zu müssen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Dieser Wahlkampf muß nicht nur eine gründliche Abrechnung mit den Bürgerblöcklern der Rechtsparteien werden, er muß ebenso gründlich dazu benutzt werden, um die verhängnisvolle Rolle der Koms munisten im Roten Hause auch dem letzten Arbeiter deuts lich vor Augen zu führen. Der Wahlkampf des Jahres 1921 hatte eine schwere der Dant ihrer blod möglich gewesen, mit fünf Stimmen Majorität ins Rote Haus einzuziehen. Die eben erst gegründete Einheitsgemeinde war nicht nur in ihrem Umfange und in ihrer Verfassung sondern in ihrer ganzen Existenz heftig umstritten und ge= fährdet. Die ungeheuren Schwierigkeiten der Inflation drohten die Riesenarbeit der Zusammenschweißung der Vier­millionenstadt zu einer Kommunalverwaltung mehr wie ein mal unmöglich zu machen. Die Arbeiterschaft aber war die Schöpferin diefes neuen Verwaltungswertes gewesen; aus ihren Reihen waren die Anregungen erfolgt, und nur mit ihrer Hilfe war es möglich gewesen, das Gesetzgebungswert 1920 zu verabschieden. Jede wirkliche Arbeiterpolitik im Rathause mußte darauf ausgehen, die Arbeiterschaft weiterhin als bewußten und verantwortlichen Träger diefes großen fortschrittlichen Werkes erscheinen zu lassen und durch pofitive fortschrittliche Arbeit den Bürgerblod poli tisch auseinanderzusprengen und ihn zur An­erkennung der geschaffenen Tatsachen zu zwingen.

Die Politik der Rechtsparteien ging planmäßig darauf aus, die Arbeit der Stadtverordnetenversammlung zu sa bo tieren, sie zu sprengen und das Funktionieren der Einheits­gemeinde als unmöglich erscheinen zu lassen. Unter der Führung des Herrn Pfarrer Roch haben die Deutschnation nalen jahrelang planmäßig auf die Diskreditierung des Rat­hauses in den Augen der Bevölkerung hingearbeitet. Sie wollten durch die von ihnen dauernd begünstigten und provo­zierten Radauszenen zeigen, daß Berlin nicht lebensfähig sei. Die Kommunisten haben diese Taftit der Rechtsparteien ständig unterstüßt und haben ihren Kurs erst recht verschärft, als ein Sozialdemokrat an die Spitze der Stadta verordnetenversammlung trat. Es ist nicht ihre Schuld, wenn der vereinigte Ansturm nach rechts und links abgeschlagen wurde. An dem festen Willen der Sozialdemokratie sind alle Angriffe abgeprallt, so daß heute Groß- Berlin als Einheits gemeinde unangetastet, leistungsfähig und zukunftssicher dasteht.

Dasselbe traurige Spiel haben die Kommunisten bei dent Kampf um die Werte und Betriebe der Stadt getrieben. Sie sind es gewesen, die jahrelang durch ihre Taktik die Existenz und den fommunalen Besitz an diesen so ungeheuer wichtigen öffentlichen Unternehmungen aufs äußerste gefährdet haben. Es war äußerst billig und bequem, es war vielleicht auch manchmal populär, wenn die Kommu nisten wider ihre eigene Einsicht sich stets geweigert Aufruf der französischen Partei. haben, einer Anpassung der Einnahmen der Werke an die Paris , 3. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Die Leitung der fortschreitende Geldentwertung zuzustimmen. Jeder, der Schließlich fand die Menderung in folgender Fassung Annahme: sozialistischen Partei Frankreichs , bei der die ablehnende Ant fehen konnte, wußte, daß diese auch von den Deutschnationalen Der für den Ablösungsbetrag des Rechnungsjahres 1924 maß mort des Ministerpräsidenten auf ihre Forderung die Rammer unterstüßte Tattit nur dazu führen konnte, daß Berlin seinen gebende Steuergrundbetrag für die Gewerbeertragssteuer tann auf fofort zusammenzuberufen, Unzufriedenheit hervorgerufen hat, großen wertvollen Besitz los wurde. Wäre es nach den Antrag herabgelegt werden, wenn bei einem Unternehmen besondere ruft ihre Anhänger auf, die Erfüllung folgender Forde. Kommunisten gegangen, dann hätten die Berliner Werke nicht wirtschaftliche Verhältniffe vorgelegen haben, die seine Steuerfähig rungen zu verlangen: 1. Friedensschluß in Marotto und mehr existieren können, der Verkauf an private feit wesentlich beeinträchtigt haben. Als wirtschaftliche Verhältnisse| Syrien gemäß den Entschließungen der sozialistischen Kongresse; Konzerne wäre der einzige Ausweg gewesen. dieser Art können auch wesentliche Verluste in Betracht kommen, die 2. Wiederherstellung der französischen Finanzen durch Bermö Die KPD. hätte uns vielleicht mit einem sehr schönen revo­sich bei einem Vermögensvergleich ergeben." Mit dieser Aenderung fand der Entwurf in En- bloc- Abstim schiebung des Gesetzes über die Sozialversicherung; 4. Re- fümmert hätte. Deswegen ist es eine lächerliche De­Mit dieser Aenderung fand der Entwurf in En- bloc- Abftim. gensabgaben und andere Maßnahmen; 3. schleunigste Berab. lutionären Aufruf beglückt, um den sich kein Mensch ge nung die Annahme des Landtages. Dazu wurden ferner mit formen auf dem Gebiete des Wohnungswesens, der Gemagogie, die nur bei ganz Dummen noch Eindrud machen ben Stimmen der Rechtsparten und des 3entrums zwei formen auf dem Gebiete des Wohnungswesens, der Ge­Don der Deutschnationalen Fraftion eingebrachte Entschließungsan fundheitspflege und des Unterrichtswesens sowie Ausdeh­träge angenommen. In ihnen wird ein Entwurf gefordert, der die nung und Verpoffommnung der Staatsmonopole.

fann, wenn die Kommunisten in ihrem Wahlaufruf und auch in ihrem Schreiben an die Berliner Sozialdemokratie sich als