Bsrletzima d«r ZZersailler Artikel 42 und-lZ noch hinsichtlich des von chm beansvruchten Rechts zur bewaffneten Intervention im Falle «tues deutschen Angriffs auf Polen oder die Tschechoslowakei irgend- welche Konzessionen machen könne, so ist es doch andererseits für den hier eingetretenen Umschwung der Stimmung ungemein be- zeichnend, wenn selbst Blätter wie der.M a t i n" am Donnerstag offen und ohne Rückhalt sich zu der Ueberzeugung bekennen, daß nur eine d e u t f ch- f r a n z ö s i s ch e Verständigung auf breitester Basis Europa den Frieden sichern könne und daß diesem Ziel gegenüber alle Detailftagen von sekundärer Bedeutung seien. Sogar dem deutschen Standpunkt wird das Blatt in überraschendem "Umfang gerecht, wenn es zugibt, daß dos von Frankreich ge- forderte Recht zur Intervention in einem deutsch -polnischen Konflikt auf schwachen Füßen stehe, da die Politik der militärischen Konventionen und die der Slcherhell»- verträge schwer miteinander in Einklang zu bringen sei. lieber die Unterredung der beiden Staatsmänner berichtet das Blatt, die beiden Staatsmänner hätten da» deutsch -franzöfische Problem von viel höherer Warte aus behandelt. Sie feien sich darin einig gewesen, daß Deutschland und Frankreich in der Zukunft auf breitester Basis zusammengehen müßten, wenn sie sich nicht eines Tages von neuem bekämpfen wollten. Ein Mittel- ding gebe es nicht. Wirtschaftlich ergänzten sich beide Länder in der günstigsten Weise. Durch eine gemeinsame Aktion und gestützt auf die englische Freundschaft könnten Deutschland und Frankreich nicht nur in ganz Europa den Frieden sichern, sondern auch seine Prosperität wieder herstellen. Die Fortsetzung der Feind- schaft und der Zwietracht aber würde beide neuen finanziellen Kata- strophcn und dem wirtschaftlichen Ruin aussetzen. Auch der„T e m p s* geht im Gegensatz zu seiner früheren ihaltung m seinem Verständnis für die Notwendigkeit gegen- ieitiger Konzessionen überraschend weit. Er schreibt, daß, wenn Frankreich bei allem Entgegenkommen eine gewisse Grenze der Konzessionen nicht überschreiten könne, man andererseits in Paris sehr wohl verstehe, daß auch die deutsch « Regierung dem von den Deutschnationalen bearbeiteten Teil der öffentlichen Meinung Rech- nung tragen müsse und deshalb außer der Befreiung der besetzten Gebiete im Westen auch die Möglichkeit einer späteren Revision der Ost- und Süd grenzen des Reiches offen- halten wolle. Die chauptsach« dabei sei, daß man die absolute Gewiß- eit haben müsse, daß Deutschland ebenso aufrichtig den frieden wolle wie Frankreich und daß Luther und Stresemann von dem gleichen Geiste der Verständigung beseelt seien wie Briand . Dazu müsse Deutschland das Prinzip der obligatorischen Schiedsgerichtsbarkeit ohne Bedingungen und Vorbehalte anerkennen, denn erst dann sei wirklich sed« Gefahr eines brüsten Angriffs aufgehoben, und erst dann fei es möglich, Vertrauen in die Absichten Deutschlands zu haben und die Situation von einem wirk- lich europäischen Gesichtspunkte aus zu betrachten. Im chin- blick hieraus sei es besonders erfreulich, daß alle aus Locarno vor- liegenden Jnsormationen dahin übereinstimmten, daß die Unter- redung zwischen Briand und Luther einen sehr guten Eindruck hinterlassen und nach der Meinung aller Beteiligten dazu beigetragen habe, den Fortgang der Verhandlungen zu erleichtern. Englanö erklärt Pessimismus für grunülos. London , 8. Oktober. (Amtlicher britischer Funkdienst.) Dir große Anzahl falscher Gerücht«, die seit Beginn der Konferenz in Locarno in Umlauf gesetzt worden sind, hat trotz dadurch hervor« gerufener Schwierigleiten nicht vermocht, die ausgezeichnete Stimmung, welche vom ersten Konferenztage an vorherrscht. zu beeinträchtigen. Es sind in der Tat bereits sehr wichtiae Fortschritte erzielt worden und es besteht durchaus keine Veranlassung zu irgendwelchem Pessimismus. Die Verhandlungen tonnen natürlich nicht in einem Tage zum Abschluß gebracht werden. Aber dadurch, daß sich der feste Wunsch aller Delegationen, ein Abkommen zu erreichen, mit der vollen Erkenntnis der Folgen eines Fehlschlages der Konferenz paart, ist die feste Aussicht auf ein erfolgreiches Ende gegeben. Tschechischer Situationsbericht. Prag . 8. Oktober.(WTB.) Der tschechoslowakische Presse- bertcht meldet aus Locarno : Wenn auch der Horizont noch nicht ganz klar ist. so sind doch Anzeichen vorhanden, daß die Situation bald geklärt sein dürfte. Vorläufig handelt e» sich darum, daß dem B erlangen Deutschlands zu entsprechen sei. daß die not- wendige(?) Garantierung der Schiedsgerichtsverträge durch Frank-
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reich in Einklang mit dem Völkerbund zu bringen sei Dabei bemüht sich Frankreich naturgemäß, eine solche Formel zu sinden, durch welche die Stellung seiner östlichen Verbündeten in keiner Weise geschwächt würde. Es ist nicht ausgeschlossen, daß eine solche Formel gefunden wird, nach den Informationen unseres Bericht. erstatters wurden In den letzten Stunden die Derfchiedenheiten der Anschauungen über den Umfang der Schiedsgerichtsverträge be- seitigt. Alle beteiligten Parteien sind darin einig, daß solchen Verträgen all« nur denkbaren Streitfälle zu unterliegen hätten. wobei Streitigkeiten juristischer Art durch Schiedsgerichtsverfahren solche politischer Art durch ein Schiedsverfahren zu schlichten seien.
Geffentliche Gelüer für Werkswohnungen. Für kinderreiche Familien ist kein Geld da. In dem aufblühenden Industrieort Hennigsdorf . Kreis Osthavelland , entwickeln sich Zustände, die an Sklaventum erinnern. Dort sind zwei groß« Industriewerte errichtet worden, und zwar die AEG. und das Walzwerk. Mit dem letzten haben wir uns schon einmal in Nr. 163 vom 6. April d. I. in der Ausgabe S Nr. 81 beschäftigt. Um sich einen Stamm willenloser Arbeiter zu schaffen, er- richtet die„G'em. Heimstättengesellschaft' Werkswohnungen für die Arbeiter des Walzwerks, und die Hennigsdorfer Siedlung sgefellschaft m. b. H. für die Arbeiter der AEG. Beide Gesellschaften sind Tochter- gesellschaften dieser Werte. Diese haben größere Summen aus dem Msgleichsfonds der Hcmszinssteuer von der Regierung zu Potsdam mit Umgehung der Gemeinde und des Kreisausschusses erhalten. Uebernimmt nun ein Arbeiter eine derartig« Wohnung, so ist er aus Gnade oder Ungnade dem Unternehmer ausgeliefert. Verliert er aus irgend einem Grunde sein« Arbeitsstelle, dann verliert er damit auch seine Wohnung. Er wird mit seiner Familie brot- und obdachlos. In dem dortigen Walzwerk wurden kürzlich Loh�lredu» zierungen vorgenommen. Das Cinkommen eines Familien- vaters mit 6 Kindern ist von 69 M. auf 44 M., mit 5 Kindern von 50 M. auf 35 M. usw. pro Woche herabgesetzt worden. Würden sich diese Arbeiter nun weigern, diese Lohnreduzierung anzunehmen. so müßten sie laut Vertrag ihre Werkswohnung innerhalb 14 Togen räumen. Und die Gerichte sanktionieren jede Räumungsklage. Noch nie war die Wohnungsnot in Hennigsdorf so groß, als feit der Errichtung dieser Werkswohnungen. Diesen Gesellschaften wird, so unglaublich das auch klingen mag, von der Regierung zu Potsdam geholfen, indem man ihnen Mittel aus der Hauszinssteuer für die zu errichtenden Werkswohnungen gibt. Um den Skandal vollzumachen, erklärt man gleichzeitig sür kinderreiche F a- willen:.Es ist kein Geld da!' Trotzdem Verfügungen vom Wohffahrtsministerium herausgegeben worden sind, den minderbemittelten Familien in erster Linie zu helfen, setzt man sich über diese Verfügungen einfach hinweg. Eine andere Verfügung besagt, daß Werkswohnungen nicht beliehen werden dürfen. Kennt das Wohlfahrtsministerium dies« un- erhörten Zustände? Duldet und billigt es diesen Skandal? Zu welchen unmöglichen Verhältnissen diese Politik führt, dafür einig? Zahlen. In Hennigsdorf sind 7792 Einwohner gemeldet, mit etwa 2800 Haushaltungen. Davon hat die gem. Heimstättengesell- schaft des Walzwerk« 309 Werkswohnungen und die Hennigsdorfer Sisblungsgesellschast der AEG. 600 Werkswohnungen erbaut. Wlo fast ein Drittel sämtlicher Haushaltungen sind Wertswohnung en. Wer dort die Arbeitsstelle verliert, wird sofort wohnungslos und fällt der Wohnungsfürsorge zur Pap. Auch vor dem Kriege gab es Werkswohnungen. Aber damals konnte der Arbeiter ein« andere Wohnung finden. Heute ist das aus- geschlossen. Sind die Gelder, die von den Steuerzahlern zum Wohnungsbau aufgebracht werden, dazu da. um den Groß- industriellen hilf- und willenlose Arbeitssklaven zu verschaffen? Sind sie insbesondere dazu aufgebracht, um die Wohnungsort in den Jndustrieorten noch zu verschärfen?
Schlußsitzungen ües Sarmat-Ausschusses. Vortrag über de« Fall Kuhmanu-Caspari. Im Barmat-Ausschuß des Landtags führt« gestern der zweite Berichterstatter Dr. Ladt(Soz.) über den Fall Kußmann-Caspari aus: Einstimmigkeit herrschte darüber im Ausschuß, daß die Unter- suchungen nur unter dem Gesichtspunkt erfolgen konnten, inwieweit irgendwie unzulässige politische Einflüsse bei dem Strafverfahren mitgewirkt haben. Im einzelnen waren folgende Fragen zu beantworten: 1. Hat in den Fällen Barmat und Kutisker ein« unzu- lässige Beeinflussung des Justizministeriums im Sinne einer anderen als sachlichen Bearbeitung durch politische Beamte stattgefunden? 2. Haben Beamte des Justizministeriums ihrerseits versucht, in unzulässiger Weise auf das Verfahren aus politischen Gesichtspunkten einzuwirken? 3. Hat das Justizministerium bei den Arbeiten des Unter- fuchungsausschusses unter politischem Druck oersucht, da» Ergeh- nis zu verschleiern? 4. Haben Beamte der Staatsanwaltschaft von sich aus oersucht, die Fälle Barmat und Kutisker anders als sach- l i ch zu behandeln und haben sie insbesondere amKIches Akokecial tu unzulässiger Weise an parieren für poliklsche Zwecke gegeben? 5. Hat die vom Regicrungsdirektor Weiß zu verantwortende Durchsuchung unter politischen Einflüssen von Abgeordneten ge- standen, oder ist sie von ihm aus eigener Initiative unter anderen als sachlichen Gesichtspunkten vorgenommen worden? Ist von po- litischen Persönlichkeiten versucht worden, irgendeinen Druck auf das Justizministerium auszuüben, daß Kußmann und Casoari das Kommissorium, das nicht verlängert war, wiedererteilt werbe? Der Berichterstatter geht dann ausführlich auf die zu den einzelnen Fragen gemachten Zwssagen ein. Er kommt im wesent- lichen zu dem Ergebnis, daß unsachliche Einflüsse sowohl des Ministeriums wie auf das Ministerium nicht vorge« legen haben, daß auch für die Entziehung des Kommissoriums der Staatsanwälte Kußmann und Easpari politische Einflüsse nicht maßgebend gewesen find. Insbesondere sei kein Leweis dafür er- bracht, daß der Abgeordnete Heilmann in dieser Hinsicht gewirkt habe. Im Fall« Werthauer könne als widerlegt angesehen werden, daß der Untersuchungsrichter nicht mit der Verhaftung einverstanden war. Aus der Beweisausnahme habe sich dagegen ergeben, daß die Assessoren kußmann und Casparl. wegen seiner Un- ersahrenheit besonders der lehlere, für die ihnen überlragenea schweren Aufgaben nicht geeignet waren, kußmann habe zugegeben. daß er Beziehungen mit den Herren Leopold, Lacmeister und knoll unterhielt. Im übrigen seien die Aussagen Kußmanns, auch be- züglich der Durchsuchung semer Wohnung, schon aus dem ganzen Eindruck heraus zu bewerten, den er bei seiner Vernehmung vor dem Ausschuß gemacht habe. Der Berichterstatter erklärt, daß er die Feststellungen des Aus- lchusses noch nicht formulieren wolle. In einer Kategorie von Fällen werde der Ausschuh sagen müssen, er habe nicht f e st g e- Stellt, daß ein« politisch« Einflußnahme stattgefunden >at, In einer zweiten Kategorie wird er oositiv feststellen können, daß politische Beeinflussungen bestimmt nicht stattgefunden haben. In einer dritten Kategorie schließlich wird sich der Ausschuß darüber zu unterhalten haben, wie weit er durch schwebende Diszi- plinarverfähren gehindert ist, Feststellungen zu treffen oder trotz dieser Verfahren Feststellungen machen kann. Zum Schluß wird es noch eine Kategorie von unterlassenen Feststellungen geben, die aus Kompetenzbedenken nicht gemacht werden können. Damit war auch der zweite Berichterstatter mit seinem Bericht zu End«. Die nächste öffentliche Sitzung findet am Fveitag 10 Uhr statt. Es beginnen dann die Plädoyers der Parteien.
r D!e öeutsihnatsonalen �Säuberer�. Vergebliche Ableugnuugsversuche i« der Affäre �Sächsisches Voltsopfer". Obwohl die Unterschlagungen der Meißner und Löffl'v'r in ganz Deutschland das größte Aufsehen erregen, ist die sächsische bürgerliche Presse geradezu ängstlich bemüht, der Bevölkerung so wenig wie nur irgend möglich darüber zu unterbreiten. Die ein« zelnen.vaterländischen Verbände' gehen jetzt dazu übe?» die Presse unter Bezugnahme auf§ 11 des Pretzgefetzes mit sog. .Berichtigungen' zu attackieren. So bchauptet der.Stahl-
Mein Schutzgeist. Von Iwan Heilbut . Ich weiß, daß ich nichts weiß. Das ist alles, was ich weih. Und das ist wenig— ich weiß. Andere Leute wissen viel mehr. Ich beneide sie darum. Aber ferne sei es von mir, meinen Neid in Spott ausschießen zu lassen. Meinen Respekt— wofern sie ehrlich« Leute sind, das versteht sich. Mein Uhrmacher zum Beispiel weiß viel, viel mehr. Er steht mit den Geistern der Abgeschiedenen in regelrechtem direkten Ber- kehr. Neulich, als ich mich interner Wertstätte befand, sing plötzlich der Teelöffel im Glase zu zitarn an. Es klirrte.— J)öcen Sie,' sagte er leise und wies mit dem Zeigefinger auf den bewegten blanken Stiel—»das ist mein Schutzgeist.'— Ich meinte bei mir, es wäre das Lastauto, das unten in der Straß« fuhr. Wer ich wagte es nicht zu sagen. Es kann in der Tat ja sein Schutzgeist gewesen sein, der da lärmte— was weiß ich kleiner Mensch davon. .Warum klappert er denn?' fragte ich. .Er uzt uns,' sagte der Meister..Die Geister sind durchaus nicht trübselig— im Gegenteil, sie haben viel Humor.' .Schade,' meinte ich,.daß man ihm dafür keine wischen kann. Wer ist es denn?' .Mein verstorbener Onkel.' sagte er.„Er war ein Uhrmacher wie ich und immer zu Spähen aufgelegt.' „Also habe auch ich einen Schutzgeist?' fragte ich.»Um Himmels- willen, den bedauere ich aber. Schutzgeist eines Schriftstellers zu sein, muß kein Vergnügen sein! Alle zwei Tage geht mir die Pumpe aus. Nun, ein Verleger ist mein Schuggeist nicht— das ist gewiß!' .Sie scheinen den Wert eines Schutzgnstes nicht begriffen zu haben,' sagte der Uhrmacher ernst.»Was mich betrifft, kann ich wohl sagen, daß mir der meine dreimal das Leben gerettet und mich mehrer« dutzendmal den entsetzlichsten Situationen entrissen hat. Als ich zum Beispiel vor ungefähr zwei Jahren die Reparatur einer Turm- uhr auszuführen hatte— ich bitte Sie, sich meine schwindlicht« Stellung hoch oben vorzustellen— bemerkte ich, als ich pausierte (denn der Arm war mir lahm geworden), unten auf dein stillen Platz einen jungen Mann, der mit einem jungen Mädchen vielerlei Zärtlichkeiten vor hatte. Sie glaubten sich beide unbeobachtet, denn. wie gesagt, befand sich niemand außer ihnen vor dem Portal der Kirche: die andere Seit« war von Bäumen und Büschen begrenzt. Ich beschloß, in diesem Schauspiel den Elfen zu spielen, der die Liebesleute mit neckischen Rufen verwirrt. Auf den Gedanken, daß aus dem Kirchturm der Uhrmacher säße, wären sie schwerlich ge- kommen. Wer ich gelangte nicht dazu, mein Vorhaben auszuführen. Denn das schöne Mädchen, das sich in den Armen des Liebsten be- fand, bog sich jetzt im Entzücken der Stund « so weit zurück, daß es da viel schöne Dinge für mich zu sehen gab und ich mich hütete, die Andacht durch ein Geräusch zu stören. Im Gegenteil! Ich hatte mich im Schaue» so weit vo» meinem Sitz heruntergelehnt, daß ich
unfehlbar im nächsten Augenblick vo» oben herab in die Bäum« oder gar zwischen die beiden aufs Pflaster geschlagen war.,. da erklang die Kirchturmuhr. Ich kam wieder zur Besinnung und rappelte mich noch mühsam in die Höhe. Fast hatte ich den letzten Halt verloren. Aber welch Wundert! Die Zeiger zeigten noch zehn Minuten vor dem Swndenschlagl Und doch hake es geschlagen! Sagen Sie mir — wer anders kann es gewesen sein als mein Schutzgeist!— Als ich den Kopf noch einmal nach unten wandt«, waren die beiden Leute verschwunden. Auch sie hatte das Schlagen der Uhr aufg»� scheucht. Und so war alle Gefahr von mir abgewendet.'— Ich ging nach Hause, Schauer rieseln mir über den Rücken. In jeder Ecke sah ich meinen Schutzgeist. Wenn ich nur wüßte, wer es ist! Der wird sich schön belustigt habeu über meine Kapriolen, die ich machte, wenn ich allein war— das heißt: mich allein glaubte.— „Wo hockst du, zum Donner?' rufe ich und ziele mit einem Pan- tcffel ins Leere..Wenn du«in Mann bist, zeige dich!'— Wer er ist wohl kein Mann, sondern ein« Frau, denn er zeigt stch nicht. Er läßt mich fluchen und kichert dazu, ich hör« es schon mit meinen Ohren. Ich mag überhaupt nichts mehr tun, er sitzt ja immer dabei und guckt zu. Die» Vergnügen, zum Teufel, gönn ich ihm nicht. Und während ich diese Geschichte schrieb, saß er vielleicht auf dem Korken vom Tintenfaß. Vielleicht hat auch mein Schutzgeist Humor—: dann wird er sich nicht rächen, wird mich nicht zwicken. Wenn er aber keinen Spaß versteht, dann hat ihn dieser Artikel über sein« Existenz wohl sehr geärgert— nun. und daran Hab ich just meine Freud«. Süt die Freiheit der Kunst lautet das Thema einer Kund- gebung, die am Sonntag um 11 Uhr vormittag» im Theater am Nollendorfplotz von den wichtigsten künstlerischen Verufsver- trctungen. dem Schutzverband deutscher Schriftsteller, der Genossen- schaft deutscher Bühnenangehöriger. Kartell lyrischer Autoren, Der- band deutscher Volksbühnen, mehreren Künstlerverbänden, dem Goethebund usw. veranstaltet wird. Die zahlreichen Angriffe der Justiz auf das freie künstlerisch« Schaffen, wie sie in den Fällen Johannes Becher, Berta Lost, der Verurteilung des Schauspielers Gärtner und unlängst in dem unerhörten Polizeiübergriff gegen den Dichter Eorrinth zutage getreten sind, werden Redner aus den verschiedensten künstlerischen und auch politischen Lagern beschäftigen. In den meisten von diesen und ähnlichen Fällen scheint ein plan- mäßiger Angriff ans die frei« Meinungsäußerung und speziell die freie künstlerisch« Betätigung erfolgt zu sein. Rieht die Kunst als solche soll getroffen werden, sondern die Stellung des Künstlers zu einer bestimmten politischen Anschauung. Was heute diesem oder jenem geschehen ist, kann infolge der herrschenden rechtlosen Willtür die Tätigkeit jedes geistig Schaffenden bedrohen. Wurde doch sogar unlängst einem bekannten Anwalt auf dessen Einwand, daß auch anerkannte Werke wie Schiller »„Räuber', Gerhart Hauptmanns „Weber' oder sogar die Bibel der Justiz zum Ops« fallen könnten, von einem Richter in Moabit erwidert:„Warum nicht? Wr gehen sogar damit um. die Bibel sür den allgemeinen Gebrauch zu zensurieren.'
Litauische pressefehde wegen des russischen Akad«nie- 3 ab iläutn s. Die litauischen Gelehrten, welche als Vertreter der Wissenschaft ihres Landes die Feier de» 200jährigen Bestehens der Russischen Akademie mitgemacht haben, veröffentlichten nach Ihrer Rückkehr aus Rußland Bericht« Über die bei der Feier gewonnenen Eindrücke, welche die sowjetrussischen Zustände und besonders das Hochschulwesen in außerordentlich günstigem Licht darstellten. Unter anderem hatte der- litauische Professor Bagdonas in einem Artikel geäußert, daß die Wissenschast in Rußland während der Zarenzeit keine so geehrte Stellung«ingenommen hätte, wie jetzt unter der Sowjetregierung. Die litauische Presse ist mit dieser Auffassung der Delegierten sehr unzufrieden, und besonders wird Professor Bagdonas wegen der oben wiedergegebenen Behauptung scharf angegriffen. Der Sejm - abgeordnete Mieleschka veröffentlicht in der offiziösen.Lietuva' einen offenen Brief an Bagdonas, in welchem er ihm Lobhudelei gegenüber Sowjetrußland vorwirft, ihn fragt, ob es ihm denn nicht bekannt fei. daß die Sowjetregierung etwa tausend russisch« Gelehrte habe umkommen lassen, daß zahlreiche Männer der Wissenschast die Sowjetgefängnisse bevSlkern und bedeutend« russische Gelehrte ol» Emigranten im Ausland ein elendes Dasein führen müßten. Weiter wird in dem offenen Brief behauptet, viel« von der Sowjetregierung angestellte Gelehrte müßten sich mit Hungergehältern begnügen, die Lektüre ausländischer Zeitschriften ohne besondere Genehmigung werde in Sowjetrußland mit Gefängnis bestraft u. dgl. m. Bag- donas sei auf die bekannten Regiekniffe der Sowsetregierung hereingefallen und er und die übrigen litauischen Delegierten hätten durch ihr«„kritiklose verhimmelung der Sowjetregierung' die litauische Oeffentlichkeit auf» schwerste enttäuscht. ProWsor jeflx Ltebermaiw.«in»rüder Max LIilerman«», ist gestern e» den Folgen eines Unfall» gestorben. Ulbert Steinrüik, der bekannte Schausvieker. ist infolge eine» ältere» Zuckerleiden» erkranlt und trnizre ein Krankenhaus aufsuchen. Ufafikchrotiik Der Liederabend von Mhra Mortimer kann am 10 Oktober im veethovensaal nicht stattfinde» und ist aus den 2t. Ttovewber verlegt. Der Beginn de« flenzert» von(Senerolaiuftt blrefter Felix Lederer (Tonilm Eioa Lau) am Sonnabend, den 10. vitober, muh um ein« ialbe Stunde»erschoben werden. E» beginnt als«»«» Uhr anstbtt um 7'/, Uhr. Wax Slevogt illustriert den.Faust». Professor Max Glevogt ist fchan sei! längerer Zell mit der Schaffung eine« reichen BildlchmuckeS zu einer großen VuSgade de» bisher noch gar nicht von Meiit-rband illustrierten zweiten Teil» von Goetbe«.Faust' beschäftigt. Die Arbeit soll au» seder- gezeichneten Randleisten, halb- und g anfertigen Krerdelithograpbien und elf groiien Radierungen, die die dlamatischea Haupvnomente wiedergeben, bestehen. Sin vubetauuter So man der Bettina. Im literarischen Kachlaß der vrüder Wrünm fand Otto Mallon b«t den Borarbeiten zu leiner kürzlich erschienenen Arnim-Bibliographi« einen bisher unoer öffenllichten Märchen- roman der Bettina von Arnim.Da« Leben der jfochzräfln Gritta von RattenzuhauSbeiunZ-. Das Ichlöstal dieses Roman » ist merkwürdig genug: er wurde von Bettinas Tochter Änela, der Frau Hermann iZriwm«. begonnen. dann aber von Betlina leibst bearbeitet, fertiggestellt und in die Druckerei gegeben. Rättekhast bleibt, warum der Zioman nie erschienen ist. gm Verlag S. Martin Fränfel, Berlin , soll da« Buch nun Anfang Ks- v ember herauskommen.