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Nr. 483 42. Jahrg.

Ausgabe

Nr. 246

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Zentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

Redaktion und Verlag: Berlin SW. 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297.

Dienstag, den 13. Oftober 1925

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Der Reichspräsident am Rachedenkmal Hugo Preuß zum Gedächtnis.

Verlegenheit rechts.

Die standalösen Vorgänge bei der Denkmalsweihe für die Gefallenen des Regiments Augusta haben in der Berliner demokratischen Presse entschiedenen und entrüsteten Protest hervorgerufen. Die Deutsche Tageszeitung" und die Lägliche Rundschau" bemühen sich, den fata Strophalen Eindruck der Demonstration für Monarchie und Revanche durch falsche Berichte abzubiegen, die teils wesent­liches verschweigen und teils direkt falsch sind.

Die Deutsche Tageszeitung" berichtet: " Als Erst er legte Hindenburg einen Kranz am Denkmal nieder mit den Worten: Eurer Blut fann und wird niemals ver­

gebens gefloffen sein." Der Kaiser, die Königin Don Schweden und der Großherzog von Baden ließen durch Beauftragte Kränze niederlegen."

Die Tägliche Rundschau" geht über die im Auf­trage Wilhelms II. durchgeführte Demonstration mit folgen den Worten hinweg:

,, Unter den dann in ungeheurer Fülle am Denfmal nieder­gelegten, schleifengeschmückten Kränzen bemerkte man u. a. folde vom Kaiser, als früheren Obersten Kriegsherrn, vom Kron prinzen, von der Königin von Schweden in den Landes. farben blaugelb, vom Großherzog von Baden und von der Stadt Koblenz , als ehemaligen Garnison des Regiments."

Diese Darstellungen find falsch. Ein ausführlicher Bericht der Deutschen Zeitung" bestätigt völlig die Darstel­lung der monarchistischen Demonstration, die mir gegeben haben. H

So steht fest: das Denkmal ist im Namen Wilhelms II. enthüllt worden. Der Reichspräsident hat dem Bertreter Wilhelms II. den Boriritt gelassen. Er hat an einer Feier teilgenommen, in der die Reichswehr zum Eidbruch aufgefors dert wurde.

Die Bossische 3eitung" schreibt über den Vor­gang: Chambrus

" Er ist eine unerhörte Propofation der verfa fungstreuen Mehrheit des deutschen Boltes und eine gefährliche Bloßstellung der Reichswehr in den Augen des Voltes. Und weil er das alles ist, weil er ein unglaub. licher Standal ist, so sagen mir: Genug! Genug des Miß brauchs der Anhänglichkeit an die Toten, die nicht für Kriegs­

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Das Friedenswerk.

Proteststurm links.

artikel oder Fahneneid, die aus Liebe zum ringsum bedrohten Baterland ihr Leben hingaben, mit ihren Leibern die Heimat deckten! Genug des Mißbrauchs der Kameradschaftlichkeit und des An­dentens an gemeinsam überstandene Schicksale! Genug vor allem des Mißbrauch ss, der mit der Person des Präsidenten der deutschen Republik getrieben wird. Wenn ein alter General eine Rede" heruntersagt, wie er sie schon hundertmal heruntergesagt hat, seit er Kompagniechef ge­worden, so ist das seine Sache und die Sache derer, die sich das iſt Sache und die Game bent trend bes anhören wollen. Wenn ein Verein ein Denkmal aufstellt und dies mit Festlichkeiten für Vereinsmitglieder verbindet, ist das auch seine Sache. Aber es beginnt sich um die Sache des deutschen Volkes und des deutschen Staates zu handeln, wenn bei solchen Gelegenheiten die Wehrmacht des Reiches offi ziell mitmacht und der Präsident der Republit durch feine Gegenwart der Feier öffentlichen Charakter ver­leiht. Und um diese Tatsache fommt man auch nicht herum, wenn man, wie gestern, durch weglassen der Flagge des Reichspräsidenten am Automobil die Fiction eines unpolitischen Besuchs des Feld­marschalls" hervorzurufen versucht. Dieses Spiel, heute Feld­marschall, morgen wieder Reichspräsident" dient weder dem Manne Hindenburg , nach dem Amte, das er inne hat."

Nicht minder scharf schreibt das Berliner Tage blatt":

Der ganze Borgang lehrt mit aller Deutlichkeit, wohin die Schwäche des Reichswehrministers geführt hat. Sie muß ein Ende haben. Die staatstreuen Kreise erwarten und fordern, daß das Reichswehrministerium endlich solche, den hoch verrät propagierende Borgänge unmöglich mache und die Reichs mehr in der Zukunft endgültig und radikal davor behüte, Mithelferin monarchistischer Wühlereien, unter Teilnehme von Hohenzollernprinzen, zu spielen."

Wir erwarten Erflärungen der beteiligten amtlichen Stellen über die ungeheuerliche Provokation, die im Beisen einer Reichswehrtompagnie und des Reichspräsidenten erfolgt ist. Wir lassen teinen Zweifel darüber, daß die Wiederholung solcher Propofationen wuchtige Gegendemonstrationen der Republifaner hervorrufen wird, die sich gegen alle richten werden, die an monarchistischen Kundgebungen auf Befehl Wilhelms II. teilnehmen werden.

der parallelen Behandlung beider Fragenkomplete zu vermuten be­rechtigt ist mit dem offensichtlichen Ziel, die 3 u geständnisfe, die auf diesem Gebiete gemacht worden sind, nicht als Reful­dern als freiwillig gemachte 3ufagen erscheinen zu laffen, zu denen die Alliierten sich durch das wieder erwachende Bertrauen hätten bestimmen laffen, zu dem die Haltung der deutschen Delegation in Locarno Anlaß gegeben habe. Wie dem auch sei, das Entscheidende ist jedenfalls, daß nicht nur in der Frage der Räumung von Köln , sondern auch hinsichtlich der fünftigen Gestaltung des Ottupations. regimes fowohl im Rheinland als auch im Saargebiet das deutsche Volt allen Anlaß haben wird, mit den Verhandlungs­ergebnissen von Locarno zufrieden zu sein.

Verständigung über das Völkerbundproblem. Paris , 12. Oktober. ( Eigener Drahtbericht.) Der Optimismustat deutscher kompenfationsforderungen, fon­der französischen Berichterstattung scheint gegenüber der weniger zu bersichtlichen Beurteilung, die die Aussichten der Konferenz in einem großen Teile der deutschen Presse gefunden haben, recht behalten zu sollen. Nach den hier vorliegenden Meldungen scheint nunmehr auch in der entscheidenden Frage des Eintritts Deutschlands in den Bölkerbund eine Berständigung so gut wie gesichert zu sein. Ueber die zustandegekommene grundsätzliche Verständigung glaubt das offiziöse Nachrichtenbureau folgende Angaben machen zu können: Deutschland tritt unter den für alle Mitglieder gemeinsamen Be­dingungen dem Bölferbunde bei.

Um seinen Bedenken gegen den Artikel 16 der Bundesfahung Rechnung zu tragen, würden die Alliierten eine formelle Er­klärung abgeben, in der diese unter ausdrücklicher Betonung, daß die zuständige Stelle in Genf allein das Recht habe, den Bölker­bundpakt zu interpretieren, für sich den deutschen Stand­puntt anerkennen dahingehend, daß die Verpflichtungen, die für jeden der beteiligten Mächte im Falle eines Krieges aus seiner Mitgliedschaft im Bölferbund erwachsen, den Machtmitteln angepaßt sein müßten, über die die betreffenden Mächte verfügten. Auf diese Weise, fügt das offiziöse kommuniqué hinzu, jei zu gleicher Zeit dem Geifte und dem Buchstaben der Bölferbundsfatzung Ge­nüge geschehen, ohne daß Deutschland dank der Zusicherung, die es von den im Völkerbundsrat vertretenen Mächten erhalte, seine Be­denken und Borbehalte aufrechterhalten brauche.

Die politischen Zusicherungen.

Was die von den Alliierten in den verschiedenen intimen Be­fprechungen der letzten Tage der deutschen Regierung gemachten Zu ficherungen auf anderem Gebiete anlangt, so scheint man hier be fonderen Wert auf die Betonung zu legen, daß es sich hier nicht um Rompensationen handeln könne, da das Programm der Konferenz von Locarno stritte auf den Abschluß der Garantie- und Echiedsverträge beschränkt sei und die Alliierten so unter feinen Um ständen zulaffen tönnten, daß Deutschland seine Unterschrift von irgendwelchen Konzessionen, die mit der Materie selbst nicht in un mittelbaren Zusammenhang stünden, abhängig mache.

Dah trotzdem in den privaten Unterredungen über fokhe abseits vom eigentlichen Berhandlungsthema liegenden Fragen gesprochen worden ist und Deutschland entsprechende 3usagen erhalten hat, wird allerdings auch hier nicht geleugnet Was man in 26. rede stellt, ist lediglich der kaufale Zusammenhang, den man hinter

Staatssekretär Kempner nach Berlin abgereist. Locarno , 12. Oftober.( WTB.) zur Unterrichtung des Herrn Reichspräsidenten und des Reichsfabinetts über den gegenwärtigen Stand der gesamten Besprechungen in Locarno ist der Staats­sekretär in der Reichskanzlei , Dr. Kempner, heute abend von Locarno nach Berlin abgereist.

Eine amtliche deutsche Erklärung. Ueber das Ergebnis der gestrigen Zusammenkunft der Haupt­delegierten in Locarno meldet der Berichterstatter von WTB. folgendes: Wie in dem vereinbarten Kommunique der Dele­gationen mitgeteilt, ist nach einem erneuten ausführlichen Gedanken austausch über die im Zusammenhang zwischen Völker bund und Sicherheitspatt stehenden Fragen auf Grund deutscherseits gestellter Ersuchen um ergänzende Klarstellungen und deren Beantwortung festgestellt worden, daß auf dem Wege zu einer Lösung dieser Probleme ein Fortschritt erzielt sei. Wenn der heutige Havas- Kommentar von einer Beendigung der Aus­sprache über den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund spricht, sowie von einer definitiven Zustimmungen der deutschen Delegation zum Art. 16, so muß demgegenüber auf den oben wiedergegebenen Wortlaut des vereinbarten Kommunique per. wiesen und festgestellt werden, daß demgegenüber eine endgültige Lösung der Völkerbundfrage noch nicht erzielt ift.

Ebenso unzutreffend sind die in der Havas- Meldung fomie in anderen ausländischen Organen wiedergegebenen Gerüchte über eine angeblich 23stündige Bedenkzeit, die in dieser Frage von der deutschen Delegation erbeten worden sei. Zur Erwirtung einer folchen Frist bestand feinerlei Beranlassung, wie überhaupt in Locarno Bedingungen und Fristen weder gestellt noch entgegen­genommen werden.

Philipp Scheidemann

Am 28. September 1918 hatten die Generale von Hinden­ burg und Ludendorff nach Berlin telegraphiert, daß die Entente sofort um Frieden und Waffenstillstand gebeten werden müsse. Prinz Mag, der neue Kanzler, war über diese Forderung entsetzt und zögerte, um weitere Erkundigungen einzuziehen. Am 1. Oktober wurden die Herren von Hinden­ burg und Ludendorff aber noch dringlicher in ihren Tele­grammen: die Verluste unserer Truppen seien zu groß, fie fönnten nicht aus Heeresreserven ausgeglichen werden. Der Feind dagegen führe täglich neue und frische Reserven in die Schlacht. Heute nacht noch müßt Ihr an die feindlichen Re­gierungen telegraphieren!"

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Am meisten war bis dahin von Bayern aus auf den Frieden und auch auf den Rücktritt des Kaisers gedrängt worden.

Wie einer der ruffischen Schnorrer und Verschwörer, über die Fürst Bülow im Reichstag dereinst gespottet hatte, war mittlerweile Herr Ludendorff unter dem Namen Lindström nach Schweden geflohen. Mit pochendem Herzen in der Hel­denbrust und blauer Pferdebrille auf der Rase.--

Am 8. November verbot General von Linsingen in Berlin ganz kategorisch die Revolution, so daß Herr Graf von Westarp fich beruhigt schlafen legte.

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Am 9. November hatte Generalfeldmarschall von Hinden burg dem Kaiser in aller Frühe gesagt, daß es besser sei, wenn er zwischen sich und seine Truppen die holländischen Grenzpfähle bringe. Da der Kaiser alle Zeit gern auf Reisen gegangen war, folgte er der Empfehlung seines Generalissimus und reiste nach Holland. --

Oberst Bauer, die rechte Hand Ludendorffs, hat über diesen Abreisetag des Kaisers aus dem Großen Hauptquartier am 9. November 1918 geschrieben: Wo waren die 500 Offi­ziere des Großen Hauptquartiers? Auch sie rührten sich nicht.. sie wären imftande gewesen, den Kaiser zu schützen!"

Der deutsche Michel rieb sich verstört die Augen, als er am 10. November lesen mußte, daß über Nacht, trotz des Berbots des Generals von Linfingen, mehr als zwei Dukend Monarchien in Deutschland erledigt waren. Ganz allmählich erst merften die Philister, wie sie während der ganzen Kriegs­dauer belogen und betrogen waren, und zwar im Einver­ständnis mit Ludendorff . 106 மர்

Warum das an die Spitze eines Artikels zum Gedächt­nis für Hugo Preuß gefeßt worden ist? Erstens des­halb, weil gegenüber den täglichen Berdrehungen von nationa­liftischer Seite die geschichtlichen Tatsachen nicht oft genug fest­gestellt werden können. Zweitens deshalb, weil Hugo Preuß zu den Männern gehörte, die diese geschichtlichen Tatsachen am besten tannten, und weil er einer der wenigen deutschen Bürger war, die sich vom Jahre 1916 ab über den voraus­sichtlichen Ausgang des Krieges nicht mehr den geringsten Täuschungen hingegeben haben. Gerade weil tiefe Vaterlands­liebe ihn beseelte, war die Kenntnis der Dinge für ihn um so furchtbarer.

In dauernder Erinnerung wird mir ein Abend bleiben, zu dem Dr. Paul Nathan eine fleine Gesellschaft berufen hatte. Eingeladen waren unter anderem Ludo Hartmann , der stets bei Nathan wohnte, wenn er in Berlin weilte, Hugo Preuß und ich. Mit einer Eindringlichkeit, die nur erklärlich war durch seine vaterländischen Sorgen, suchte Breuß mich immer wieder zu bestimmen, den Kanzler Bethmann Hollweg noch auf dies und jenes sofort aufmerksam zu machen. Daß der Kanzler, wie ich versichern fonnte, über alles genau informiert war und sich ebensowenig wie Breuß und ich den geringsten Täuschungen über unsere Lage hingab, fonnte Preuß nicht begreifen. Wie ist es dann zu verstehen, daß der Kanzler den Generalen gegenüber nicht ganz anders auf­pocht und sich beim Kaiser durchzusetzen versucht!" Ich konnte damals auf Bismarck und die Generale von Anno 1870 ver­weisen. Heute wäre die Frage viel aktueller zu beantworten: Wie ist es zu verstehen, daß die Herren Luther und Stresemann dem deutschnationalen Wahnsinn bei der Einleitung von Locarno auch nur im geringsten Rechnung tragen fonnten???

Preuß sprach damals häufiger mit mir über wahr­scheinlich kommende Dinge. So groß wie feine Sorgen, so groß war auch sein Zorn über die Mutlosigkeit derer, die dauernd gute Miene zum bösen Spiel machten, um nicht als Miesmacher verschrien zu werden.

Mir war es gelungen, den Grafen Broddorff­Rangau, den ich gelegentlich meiner Reisen in Dänemark als Gesandten in Kopenhagen fennen und schäzen gelernt habe, zu bestimmen, das undankbare Amt des Außenministers nicht abzulehnen, wenn ihn die Volksbeauftragten rufen würden. Landsberg ist es zu danken, daß er auf Preuß auf­merksam gemacht hat. Ebert, der Preuß bis dahin über­haupt nicht fannte, war ohne weiteres einverstanden, mit Preuß Rüdsprache zu nehmen und ihn zu berufen.-

Als Innenminister war Preuß zweifellos der befte mann, den die junge Republit in kritischster Stunde be­