Abendausgabe
Nr. 490 42. Jahrgang Ausgabe B Nr. 243
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Vorwärts
Berliner Volksblatt
10 Pfennig
Freitag
16. Oktober 1925
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Sefchäftszeit 9-5 Uhr
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Sonnabend Schluß!
Parlamentarische Erklärungen über die Rückwirkungen.
Cocarno, 16. Oktober. ( WTB.) Die Rechtsfachverständigen| fragen" beziehen. Die Stellungnahme zu diesen Fragen find heute vormittag zur weiteren Beratung der Offschieds- einzelnen verträge zusammengetreten.
Eine ursprünglich auf heute mitfag 12 Uhr vorgesehene Bo11fitzung der Konferenz ist auf eine spätere Nachmittags. ftunde, die noch festzusehen ist, verlegt worden.
Parlamentserklärungen in den Vertragsländern. Paris , 16. Oktober. ( WTB.) Der Sonderberichterstatter des „ Matin" in Locarno meldet: Es ist der Wunsch aller, die in Locarno Malin" in Cocarno meldet: Es ist der Wunsch aller, die in Locarno miteinander verhandelt haben, daß die Ausführung der von der Botaftertonferenz festgelegten Bedingungen hinsichtlich der Abrüstung Deutschlands es ermögliche, in wenigen Tagen die Truppen aus der Kölner 3one zurüdzunehmen. Außerdem jollen, was die Verwaltung des befehlen Gebiets und die Stärke der Befehungstruppen anlangt, weitgehende Aenderungen zur gegebenen Jcit erfolgen. Aber es ist auch nötig, auf die Aenderungen hinzuweisen, die natürlich der Eintritt Deutschlands in den Böllerbund und sein Wiedereintritt in das Konzert der Großmächte herbeiführen wird. Dem gefunden Menschenverstand entspricht es, daß Deutschland , wenn es dem Geiste der Friedensverträge und den in Locarno abgeschlossenen Abkommen treu bleibt, nicht mehr dem bis jetzt notwendigen Regime unterworfen bleibt. Das Ergebnis des Meinungsaustausches von Locarno wird nicht, wie man in gewissen Kreisen angenommen hat, in einer Erklärung, die auf der Konferenz verlesen wird, niedergelegt werden. Es handelt sich hier um die Folgen und nicht um die Bollziehung der Unterzeichnung. Aber es if jetzt schon ausgemacht, daß Chamberlain, Brland und Bandervelde vor ihren Parlamenten, sobald sie wieder zusammentreten, gleichlaufende Erklärungen abgeben werden, die den Deutschen die vernunftgemäße Befriedigung geben werden.
Das Mißverständnis der Polen .
V. Sch. Locarno, 16. Oftober.( Eigener Drahtbericht.)
Gegenüber der am geftrigen späten Abend eingetretenen Spaunung ist eine gewisse Entspannung eingetreten. Noch in der Nacht teilte die polnische Delegation Ministerialdirektor Gaus mit, daß anscheinend ein„ Mißverständnis" hinsichtlich der Bedeutung der von Polen in die östlichen Schiedsverträge hineinge
wünschten Klausel vorliege. Also ein offenkundiger Rüdzug. Diese Haltung dürfte damit zusammenhängen, daß die polen aus der einmütigen Haltung der deutschen Pressevertreter ertanut haben, daß die deutsche öffentliche Meinung, ohne Unterschied der Parteien, nicht gesonnen war, diesem Druck der letzten Stunde nachzugeben.
Presseboykott gegen Mussolini .
V. Sch. Cocarno, 16. Oftober.( Eigener Drahtbericht.) Mussolini hatte für heute vormittag zu einem Preffecmpfang im Balasthotel eingeladen. Die sozialistischen Pressevertreter erklärten fofort, daß sie der Einladung eines solchen Mannes feine Jolge leisten würden. Im Hinblick auf die Unterdrüdung der Breß freiheit in Italien erflärten zahlreiche Berichterstatter demofratischer Blätter aller Länder, daß sie sich dieser Demonstration an
schließen würden.
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Tatsächlich sprach Mussolini nur vor einem fleinen Audi. torium. Französische Berichterstatter, alle Bressevertreter aus Nord- und Südamerika, alle Engländer, mit zwei Ausnahmen, die Vertreter der holländischen Presse und einzelne Berichterstatter Vertreter der holländischen Presse und einzelne Berichterstatter deutscher demokratischer Blätter waren ferngeblieben.
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Als er den Saal verließ und die Halle betrat, wo die Fern gebliebenen in Gruppen fanden, ereignete fich ein 3mischen fall. Er ging auf den ihm von früher he: bekannten Berichter statter des Daily Herald" zu und fragte iromich auf franzöfifh: Nun, geht es dem Kommunismus gut?" Weiß ich nicht, bin nicht Kommunist" war die fchroffe Antwort. Darauf Mussolini :„ So, dann irre ich mich." Da fagte ein Daneben stehender Holländer verächtlich:„ Das paffiert Ihnen öfters, mein Herr." Mussolini war wie vom Blig getroffen, da er solche Antwort seit Jahren nicht gewöhnt ist. Die Sprache blieb ihm aus, er drehte sich um und sagte dann verlegen: Bielleicht."
Cocarno, 16. Oftober.( Drahtbericht unseres Sonderforrespon denten.) Am Sonnabend vormittag dürfte unter den Klängen der Glocken der Friede von Locarno mit den Anfangsbuchstaben der Dele gierten unterzeichnet werden. Für den 13. November ist in London die feierliche Ratifizierung unter Borsiz des englischen Minister. präsidenten Baldwin geplant. Bis dahin sollen die Parlamente tie Verträge angenommen haben. Als erste dürfte die französische Kammer, dann das englische Unterhaus und anschließend die belgische Kammer den Verträgen zustimmen. Der Reichstag, deffen Su fammentritt erst für Anfang November vorgesehen ist, wird seine Zustimmung also erst zu geben haben, wenn die Ratification durch die anderen in Frage kommenden Barlamente erfolgt ist und von den Tribünen dieser Abgeordnetenhäuser durch die Minister wichtige ergänzende Ertlärungen zu den Verhandlungen in Locarno abgegeben worden sind.
Es ist anzunehmen, daß diese Erklärungen sich auf die von deut fcher Seite angeschnittenen und am Donnerstag abend in einer mehr als breistündigen Sigung von 6½ bis 10 Uhr erörterten Neben
schriftlich festzulegen, haben die alliierten Minister einmüfig
abgelehnt,
im
weil sie nicht den Eindruck erweden wollen, als sei der Sicherheits. rertrag von Locarno zu einem Handelsobjekt gemacht worden. Bon alliierier Seite werden die Verhandlungen über diese Neben fragen als„ völlig erschöpft" betrachtet, und man behauptet, daß sich die Miniſter in der gegenseitigen Auffassung, alle strittigen, nicht effiziellen Fragen gründlich und wenigstens vorläufig ab fchließend durchgesprochen zu haben, abends um 9% Uhr verab. ichiedeten. Auf deutscher Seite scheint man diese Auffassung nicht ganz zu hegen. In einem amtlichen Kommuniqué der Delegation vom Donnerstag abend wird z. B. behauptet, daß die Schwierigkeiten in den Nebenfragen noch nicht völlig behoben sind, und es wird hinzugefügt, daß der Termin für weitere Verhandlungen noch
Heute 8 Uhr Gendarmenmarkt: Republikanische Kundgebung
gegen Monarchismus in Talar und Uniform
unbefannt ist. Was soll man damit anfangen? Die eine Seite betrachtet die Erörterungen für erledigt, während die andere noch Schwierigkeiten sieht oder noch entdeckt hat, nachdem Herr Schiele, über den Gang der Verhandlungen unterrichtet, wahrscheinlich neue deutschnationale Forderungen angemeldet hat. An ihnen dürften sicherlich auch neue Verhandlungen nichts ändern. Das wird uns von franzöfifcher offizieller Seile bestimmt versichert.
S
Dem Außenminister Briand find bei seiner Handlungsweise genau so gut Grenzen gesetzt wie der deutschen Delegation, und da er nach seiner eigenen Erflärung über die Grenze des Möglichen bereits gegangen sein soll, hält man in seiner Umgebung weitere Besprechungen, denen man sich im Bedarfsfalle auf alliterier Seite ficherlich nicht verschließen dürfte, für wenig angebracht. Was ist nun erreicht worden? Es kann nicht der geringste 3weifel darüber bestehen, daß zunächst die
Räumung der Kölner Zone unmittelbar bevorjtcyt.. Der Termin ist abhängig von der Lösung der Entwaffnungsfrage, und da hier nach verschiedenen Konzessionen der Entente mit einer Bereinigung der letzten noch schwebenden Fälle nach der Rück tehr des Außenministers in wenigen Tagen zu rechnen ist, dürfte sich die Räumung wahrscheinlich vollziehen, während der Reichstag im Begriff steht, über das Ergebnis von Locarno fein Urteil zu fällen. Was die anderen Probleme des besetzten Gebietes anbetrifft, so wurden den deutschen Vertretern auch hier bestimmte 3uge ständnisse in Aussicht gestellt, die bei der Konfequens, mit der Briand entschlossen ist, seine jezige Politit auf jedes Gebiet der auswärtigen Fragen auszudehnen, sicherlich auch ohne deutschen Antrag in Erfüllung gegangen wären. Bielleicht nicht ganz fc eilig, wie es jetzt geschehen wird. Es handelt sich dabei um die Menderung und Milderung der bestehenden Ordonnanzen über
das Befahzungsregime in der Koblenzer und Mainzer Zone. Beziehung vor der Kammer grundsägliche Erklärungen Wir sind überzeugt, daß der französische Außenminister in dieser abgeben wird, die den Beift seiner Politit bestätigen. Auf welche Art im Verlauf der nächsten Wochen zu einer Aenderung bzw. Milderung der Ordonnanzen geschritten wird, ob durch Vorschläge eines aus alliierten und deutschen Vertretern zusammengefegten gemischten komitees oder auf Grund diretter Wünsche der Reichsregierung, ist eine Frage, die man späteren Berhandlungen überlassen fann. Bei der Beurteilung dieser Dinge, insbesondere des provisorischen Charatters ihrer Erörterung in Locarno , darf nicht vergessen werben, daß als allein zuständige Instanz formell die Botschafterfonferenz in Frage tommt, während die alliierten Regierungen natürlich ihre Instruktionen erteilen können, und, wie bestimmt erklärt wird, erteilen werden. Vorerst aber soll das Gesicht gewahrt werden.
Im Berlauf der geftrigen Erörterungen sind außerdem eine ganze Reihe anderer Fragen, die unmittelbar mit dem Rheinland zu fammenhängen, gestreift, aber von den Alliierten negativ be antwortet worden. Hier war weniger der Wille ber Minister, als die Rücksicht auf die Stimmung in den einzelnen Entente tändern maßgebend. Es handelt sich hier u. a. um die
Abkürzung der Befahungsfristen für die Mainzer und Koblenzer Zone.
Die Ablehnung einer bestimmten Zusage durch die Entente schließt auf die Dauer trotzdem auch in diesem Bunkte ein weitgehendes 3u geständnis nicht aus. Erst aber soll die Zeit reifen. Gerade aber in bezug auf die Befagungsfristen, so wird uns vor allem von fran zösischer Seite immer wieder versichert, ist sich Briand des Mißverhältniffes bewußt, das zwischen der in Locarno beschlossenen Berständigungspolitik und der Besetzung weiter deutscher Gebiets teile durch fremde Truppen besteht. Der Ausgleich soll jedoch auch hier in stetiger Form unter Berücksichtigung der Berhältnisse zu gegebener Beit erfolgen.
Bürgerliche Zersplitterung.
Sozialdemokratischer Vormarsch.
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Trotzdem nur eine verhältnismäßig furze Zeit uns von
den Berliner Stadtverordnetenwahlen am 25. Oftober trennt, scheint das Interesse der Oeffentlichkeit, soweit es durch die Presse zum Ausdrud tommt, an diesen Wahlen ein verhält nismäßig geringes zu sein. Gewiß halten alle Parteien ihre Wahlversammlungen ab. Aber es fehlt in den Berfammlungen wie in der Presse dem Gegner an jeder Stoßfraft, an jeder zugkräftigen Parole gegen die Sozialdemokratie. Berschwunden ist das Gerede von der so zialistischen Mißwirtschaft, aufgehört hat der fanatische Kampf gegen die Einheitsgemeinde Groß- Berlin. Geblieben ist der a Benjammer und die 3ersplitterung. Nicht weniger als 18 Wahlvorschläge sind für die Stadtverordnetenwahlen eingereicht und fast ausnahmslos zerfällt diese Zersplitterung auf das Konto der bürgerlichen Gegner. Deutschnationale und Volksparteiler haben sich zusammen mit der Splittergruppe der nationalliberalen Reichspartei zwar zu einem geschlossenen Rechtsblod zusammenschließen können, aber hinter ihnen stehen die zahllosen Splitter der Enttäuschten und Berratenen, hinter ihnen steht die Deutschvöltische Freiheitspartei, die mit ihrem Lärm die Versammlungen der Nationalisten erfüllt. Hinter ihnen steht Knüppel- Kunze mit seiner plumpen Demagogie, ber auf den Dummenfang spekuliert. Gegen sie wendet sich ein evangelischer Gemeinschaftsbund", eine richtiggehende Arbeiterpartei", ein Deutsch nationa ler Bund der Hauswirte", der ganz offen in seiner Propaganda gegen die Deutschnationale Boltspartei als eine Hypothefengläubiger haben ihren Sparerbund" ins Betrugspartei polemisiert. Die enttäuschten Sparer und Feld geschickt, weil sie den Redensarten der Deutschnationalen nicht mehr glauben. Eine ,, Nationale wirtschaftliche Bereinigung zeugt davon, daß die Landbundfreundlichkeit der Deutschnationalen, ihre großfapitalistische Einstellung im Mittelstand auf Widerstand stößt. Die Rechtsentwidlung der Wirtschaftspartei bringt die Absplitterung der ,, Deutschen Mittelstandspartei" und schließlich prangt auf der Liste der Unzufriedenen, Verärgerten und Kirchturmpolitiker noch der Wahlvorschlag einer Deut fchen Arbeitnehmerpartei".
Das Bild bürgerlicher Eigenbrötelei und bemitleidenswerter Kliquenwirtschaft ist so beschämend, daß die Rechtspresse ihre Unzufriedenheit und Enttäuschung nicht verbergen tann. Jammernd berechnen die Organe der Rechtsparteien, daß dem„ ordnungsliebenden Teil der Bevölkerung" durch diese Zersplitterung zwei bis drei Mandate verloren gehen werden. Bielleicht ist aber noch größer als der Jammer über diefen eventuell zu befürchtenden Verlust der Unwille darüber, daß diese 3ersplitterung die klägliche und unhaltbare Position enthüllt, in die sich die Bürgerblödler allmählich hineinmanöveriert haben. Die Unfähigkeit großer Teile des Bürgertums zur Schaffung leistungsfähiger politischer Parteien, zur Ueberwindung fleinlicher Sonderinteressen fonnte nicht besser illustriert werden, als durch die 15 Listen, mit denen das Bürgertum in den Wahlkampf zieht. Hier zeigt sich deutlich, wie wenig den Agenten des Großkapitals und den Hütern fleinlicher und lächerlicher Privatinteressen der Blid aufs große Ganze und der Wille zu wirklich schöpferischer staatlicher Leistung eigen ist, ohne den auch in einer Rommune wie Berlin , diefem großen Stadtstaat, keinerlei zukunftgestaltende Leistung möglich ist.
In der Tat, was fönnen die Apostel des Bürgerblocks in diesem Wahlkampf noch der Sozialdemokratie entgegenmochte ihre verlogene Demagogie vielleicht Dumme finden, die halten? Vor vier Jahren, in der schwersten Zeit der Inflation, die Schuld für die schwere Zeit, die wir damals durchmachen mußten, der Sozialdemokratie zuschob. Inzwischen hat sich gezeigt, daß die Schaffung der Einheitsgemeinde Groß- Berlin in der Tat einige der wenigen großen Verwaltungsreformen der Nachkriegszeit ist, und daß bie Sozialdemokratie recht behalten hat, wenn sie auf ihr bestand. Es hat sich gezeigt, daß die Sozialdemokratie in ihrer Haltung in der Stadtverordnetenversammlung allein ein wirklich positives Arbeiten ermöglicht hat und daß fie unermüdlich dafür eingetreten ist, Berlin auf die Beine zu stellen. Durch ihre Haltung ist immer wieder der Bürgerblod auseinander gesprengt. An ihrem festen Willen find all diezahlreichen Bersuche, Berlin von innen zu sprengen, die Unmöglichkeit der Einheitsgemeinde durch die Arbeitsunfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung sinnbildlich zu demonstrieren, gescheitert. Die Sozialdemokratie ist in der großen fommunalpolitischen Auseinandersehung, um die in den legten vier Jahren gerungen wurde, der moralische Sieger geblieben, und ihr Sieg zeigt sich in der Zer. splittterung und in der Verwirrung der Gegner, denen jede Angriffsluft vergangen ist. Wenn Blätter wie der ,, LokalAnzeiger schließlich in diesem Wahlkampf aus Verzweiflung nichts anderes zu erfinden wissen, als fo lächerliche Behaup tungen, wie: die Soziademokraten beabsichtigten, die Steuern zu erhöhen, oder sie würden sofort die Gesellschaftsbildung der Werke rückgängig machen, oder menn man sich in Rombinationen über den zu wählenden Stadtschulrat für Berlin ergeht, so zeigt das nur, daß den Reaktionären der Atem ausgegangen ist. Sie wissen, daß ihre Politik, die gegen Berlin gerichtet war, volltommen gescheitert ist, sie wissen, daß die Bevölkerung ihre Sabotage fatt hat und daß ihre Leistungen in der Reichsregierung sowieso nicht dazu angetan