Die ersten Serllner Staötverorönetenwahlen Nur sehr ivenige werden wisien, wie die ersten Berliner Stadt- verordnetenwahlen zustande kamen. Freiherr von Stein war es, der nach dem unglücklichen Kriege von 1806 beim König« darauf drang, den Städten die Selbstverwaltung wiederzugeben. Die Grundlage dazu bot die»cm ihm geschaffene Städteordnung vom 10. November 1808. Danach durste sich die«taatsregierung nur in besonderen Fällen in die Geschäfte der Stadtverwaltung mischen. Zwei Behörden, eine gesetzgebende, die Stadtverord- n e t e n und eine verwaltende, der Magistrat, wurden eingesetzt. Die ersteren wurden von der Bürgerschaft, der letztere von den �Stadtverordneten gewählt. Wahlberechtigt und wählbar war jeder Würger, der das Bürgerrecht erworben hatte. Di« söge- nannten Einwohner, die nicht im Besitz« des Bürgerrechts waren, hatten kein Wahlrecht. Da das Bürgerrecht mit allerlei Pflichten verbunden mar., hatten es die meisten Einwohner nicht so eilig, es zu erwerben. Nur die Haus- und Grundbesitzer waren dazu ver- pflichtet. Natürlich war die Wahlhandlung damals eine andere als heute. Die Kirche spielte noch überall ein« große Rolle. Bon den Kanzeln herab wurde auf die Wahl aufmerksam gemacht und die Bürger ermahnt, ja richtt,g und ordentlich zu wählen. Einen Wahl- kämpf gab es nicht, weil man ja noch keine Parteien kannte. Am Tage der Wahl wurden von allen Kirchen die Glocken geläutet, die Bürger begaben sich in die Kirchen, wo auch die Wahlhandlung vor- genoinmen wurde. Die er sie Wahl der Stadtverordneten fand vom 18. bis 22. April 1800 statt, aber die Stadtväter fanden nirgends Platz für ihre Beratungen. Beide Rathäuser, sowohl das Cöllnische als auch das Berlinische, waren von anderen Behörden besetzt. Durch Entgegen kominen eines bekannten Adligen tonnt« die erste Sitzung, die am 25. April stattfand, und von dem damaligen Pollzeipräsi- deuten Bruner eröffnet wurde, in seinem Palast abgehalten werden. Es war damals nicht leicht, in Berlin einen Saal zu mieten der für 102 Personen genügend Raum bot. Nach großen Bemühungen gelang es endlich, in dem Haufe K u r st r a ß e 5 0 die„Belle-Etage", bestehend aus 1 Saal, 7 Stuben, 1 Küche, 2 Kammern. 1 Kabinett und 2 Holzböden auf ein halbes Lahr für den Preis von 125 Talern zu mieten. Um Geld zu sparen, wurden die Räum« zur Mitbe- nutzung dem Generalstab der Berliner Bürgergarde überlasten. Nun hatte man wohl vorläufig ein Unterkomme», aber noch keine Sitz- gelegenheiten. Der Direktor des Opernhauses war so freundUch und lieh den Stadtvätern seine Bänke. Nach Ablauf des Mietsvertrages in der Kurftraße wurden etwas größere Räum« im Haufe Nieder- lagstraße 12 gemietet, die wiederum zur Kostenersparnis der Bürger- garde zur Mitbenutzung überlasten wurden. Bald aber oerlangt« der Direktor des Opernhauses feine Bänke zurück. Nach abermaliger Bewilligung eines Kredits konnte endlich das Geld für eigen« Bänke beschafft werden und vom Jahre 1814 an hatten die Etadwerord- neten auch vorläufig ihr eigenes Heim.
Seditter Sünöen— öerliaer Wünsche. Ein Vortrag über das Wesen der Großstadt. Einer der interestantesten Vorträge aus dem vom»3)eut- sch en Archiv für Siedlungswesen"' veranstalteten Zyklus war der über das Wesen der Großstadt, der im wesenllichen die Form eines sehr instruktiven Vortrages über Groß- Berlin annahm. Regierungsrat a. D. Lang konnte darauf verzichten, den Be- weis dafür zu erbringen, daß der Berliner Grundbesitz in geradezu skandalöser Weise ohne jeden Gedanken an Gemeinnützigkeit ge- wirtschaftet hat. Es ist allgemein bekannt, daß es während der Inflationszeit möglich gewesen wäre, den Ring der Macht des Grundbesitzes zu durchbrechen, ebenso bekannt ist es aber, daß diese Möglichkeit glänzend verpaßt worden ist; es hätte damals, wie füb>de Grundbesitzer selbst zugeben, sehr viel Land in die Hand dör.�esfentlichkeit gebracht werden können. Falsch aber wäre nun natürlich der Standpunkt, sichi seinem Schicksal zu überlassen, in der Erkenntnis, daß Versäumtes nicht wieder gut gemacht werden kann. Auch heute Ist es noch möglich, auf die Bildung von S p« z l a l» gewerbevierteln hinzuarbeiten. Das speziell Großstädtische muß natürlich— im Gegensatz zu allen spezialwirtschaftlichen Instituten und Spezialbehörden, Versicherungen usw.— in der Großstadt bleiben: die Wirtschaftsverwaltungen, die Ministerien, die geistigen Zentralinfttttite, wie die Universität, Vergnügungsstätten, Kaufhäuser und Wohnhäuser je nach Notwendigkeit. Was man nun zur Bildung neuer Stadtteile auf dem zur Verfügung stehenden Bauland vorgeschlagen hat, war im wesentlichen nur Schlagwort« mäßiges, das kein organisatorisches Wachsen, sondern nur ein mecha- nisches Größerwerden der Stadt zur Folge haben kann. Es ist selbstverständlich, daß mit jeder aus der Stadt hinausverlegten Fabrik
Das unbegreifliche Ich. 69' GeschichteeinerIugend. Roman von Tom krisievsea. (Berechtigte Uebcrsetzung aus dem Dänischen von F. T. Vogel.) (Schluß.) „Gott , was quatscht du da, Richard!" «Ich quatsche nicht. Die Menschen erobern den Welten- räum auf gar zu leichte Art. Sie nehmen sich eine Hand voller Sterne und freuen sich darüber. Sie nennen sie den Orion. Das ist schön. Doch sie behalten die Sterne in der Hand und sagen zu einander: Weißt du nicht mal, daß das der Orion ist? Das ist der Orion und nicht Petersen I Und schließlich sind sie soweit, daß sie sagen: Na, da haben wir ja den Orion. Das ist nur der Orion." Ich redete kein Wort. Ich ahnte nicht, wo hinaus er mit seinem Sternengespräch wollte: doch Richard hatte die ganz« Zeit das Gesicht zum Himmel gekehrt und der verschleierte Schein der Sterne fiel daraus hernieder. Er redete weiter und ich konnte an seiner Stimme hören, daß er froh war, zu sprechen. Ich selbst war merkwürdig uninteressiert. Ich hörte auf seine Gedanken und Vorstellungen, wie man den auf- steigenden Rauch eines brennenden Holzstoßes betrachtet. „Und so sind die Religionen auch. Das ist nur das Himmelreich. Das ist nur die Hölle. Das ist nur der Hades. Das ist nur Nirwana. Als ob ein Nur den Weltenraum ausfüllen könnte. Sobald ich den Sinn einer Religion ver- standen habe, werfe ich sie über Bord. Keine von ihnen ist die richtige. Selbstverständlich sind sie verkehrt. Das ist nur die Gerechtigkeit, das ist nur die Absicht, das ist nur das Streben. Alle mit einander. Ich weiß nur. daß keine von ihnen groß genug ist. Der Raum verschlingt sie alle." Er lachte leise. «Nein, die schwarze Tafel in der Schule ist mächtiger als alle Religionen. Wir zeichneten Kreise darauf und wischten sie wieder aus. Wir rechneten Aufgaben und wischten sie wieder aus. Und der Raum ist ebenso. Wir haben den Himmel und die Hölle gezeichnet: aber wir sollten sie wahr- hastig wieder auslöschen. Wir zeichnen den aufwärtsgehenden Bogen nach Karmai doch weshalb soll der Kreidestrich bis zur nächsten Stunde stehen bleiben. Nein, die Menschen sind faul und können das Schwindelgefühl nicht vertragen." „Und du kannst das auch nicht!" fügte er neckend hinzu. «Aber»ch kann es. Das Schwindelgefühl im Raum und das Schwindelgefühl in mir selbst. Und das ist meine einzige
das Kreuz in Äste Eins. Zwei Stimmzettel müssen abgegeben werden. Ein weißer für die Stadt- verordneten- und ein grüner für die Bezirksverordnelen- wählen. Auf beiden Zetteln muß das kreuz in das Feld der Liste 1. der Sozialdemokratischen Partei Deutsch - lands. eingezeichnet werden.
nicht nur das gesundheitliche Niveau gehoben, sondern auch die Verkehrskalamität, die sich nachgerade zu einer Katastrophe erweitern könnte, gemildert wird. Aber heute ist man sich nicht einmal über die Notlösungen im klaren. Man vergesse bei künftigen Planungen auch nicht, was dadurch versäumt wurde, daß man die geographischen Eigenheiten des Lodens nur in ganz geringem Maße beim Bau der Stadt beachtete: was für eine ideale Grünstätte hätte z. B. das Panketal werden können! Auch der Bedarf an Kleingärten wurde früher kaum berücksichtigt, und leider ist das bis jetzt ebenfalls nicht besser geworden. Falsch ist es nun, einen Rettungsweg in der steten Vergrößerung zu sehen. Der Eingemeindungswahn kann in seinen Uebersteigerungen geradezu zu einer Gefahr im Gesamtleben des Staates werden: nicht Quantität, sondern Qualität muß das Ziel sein. Danach ist zu streben, daß landwirtschaft- lich« Jntensivzonen wie ein Gürtel die Stadt umgeben. Hier ist ohnehin schon aus der Tendenz des Bodens Neues, ja sogar Vollendetes zu entwickeln. Und über eines muß man sich auch im klare» fein: Großstadtwerden ist ein Problem, das nur in modernem
Staötifihes Werk.
Aus karger Erde wuchs der Arbeit Schwur Zu hohen Türmen klingt das Leben wieder Hier schuf des Lichtes mächtige Spur Zn stetem Kampf die Schar der Arbeitsbrüder. werktätig Volk, aus dem die Zukunft winkt. Wo taufeudfältig Same in die Erde sinkt, Laß heiligen Ruf aus tiefer Flamme glüh'nr Schaff' heut' ein sozialistisches Verlin!
Entschuldigung. Und deshalb habe ich dich auch gequält. Man kann schwindlig davon werden, einen Menschen zu miß- handeln, den man gern hat. Weißt du das nicht?" „Wirft du auch Bibeke— Fräulein Dreyer mißhandeln?" fragte ich zögernd. „Haha, für einen Proleten bist du gar nicht so dumm. Ja, das müßte ich eigentlich. Ja, das— müßte ich. Er schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken los zu werden. „Du bist doch ein Teufel, Waldemar! Und hier meinte ich endlich einen Ausweg gefunden zu haben. Siehst du, Raavad hat dich mißbraucht, weil er sich an den Kunstsnobs und dem Publikum rächen wollte. Er hätte es gern gesehen, daß du mit all deiner Talentlosigteit berühmt geworden wärst. Raavad ist stets er selbst. Alles dient ihm als Mittel, und braucht er einen Gott, dann macht er sich einen. Aber ich— ja, ich will schwindlig sein." „Schwindel und Dummheit!" höhnte ich.„Wozu müssen denn Striche an den Himmel? Der Himmel ist ein einziges großes Loch." Ich erhob mich schwankend und griff nach der Leiter, und als wir endlich herunter gekommen waren, sagte ich: „Es ist weiter gar nichts draußen im Weltenraum. Als Junge ging ich einmal in einen Keller, um auf einen Knopf zu drücken. Dann fällte sich eine Falltür öffnen, und ich sollte in eine unerhörte Orgie herabgleiten: doch— es— war— gar— kein— Knopf da. Und so ist es immer gewesen. Geht man im Leben dem Geheimnisvollen direkt zu Leibe, ist bloß ein Loch da." Richard zwinkerte mit den Augen. „Du bist ja mächtig überlegen geworden!" antwortete er. „Ich mache mir jedenfalls keine Wellanschauung, um ver- antworten zu können, daß ich einen Kameraden gequält habe. Na, lebe wohl, wir haben uns wohl nichts mehr zu sagen!" Ich streckte die Hand aus: doch Richard ergriff sie nicht. Er drehte sich um und ging weg. Ich starrte seiner dahinschlendernden Gestalt nach. Er gehörte zu dem Typ, der ab und zu in Samuelsens Laden aufgetaucht war, um zu fragen, ob wir eine rquchbare Zigarre hätten. Dann drehte ich mich gleichfalls um und schlug die ent- gegengefetztc Richtung ein. Am Vormittag kam ich an Samnelsens Geschäft vorbei, und ich dachte einen kurzen Augenblick daran, hinein zu gehen und den astralen Plan und Karma zu verhöhnen: doch ich gab es als zwecklos auf.
Seist, also mit Hilfe der junge», moderne» Generation ffff&l werden kann. Di« ausgezeichneten Aussührungen des Redners wurden mit reichem Beifall belohnt, instinktiv wohl aber bei vielen auch mit dem Gedanken, am heutigen Sonntag nicht jenen Parteien die Stimme zu geben, die sich immer und immer wieder als bewußte und unbewußte Gegner einer großzügigen freien Entwicklung im Städtebau gezeigt haben._
Novembermiete unverändert. Wie der Amtliche Preußische Pressedienst mitteilt, tritt in der Berechnung der gesetzlichen Miete für den Monat November gegen- über dem Vormonat keine Aenderung ein. Es bleibt bei dem Oktobersatz in Höhe von 82 bzw. 78 proz.
Vie rotgestempelten Tausender. vereiusmeierllche Schaumschlägerei. Gestern fand vor dem Kammergericht als. zweiter Instanz die Verhandlung des Prozesses statt, die der„R e i ch s b a n l- gläubigeroerband Dortmund" angestrengt hat, um ein« Aufwertung der rotgestempelten Tausend- markscheine zu erreichen. Zur Verhandlung standen zwei Klagen unter dem Rubrum„Iaentsch gegen Reichsbank" und«Wini�r gegen Reichsbank". Beide verfielen der Abweisung. Di« Abgewiese- nen beabsichtigen Revision beim Reichsgericht einzulegen. Im Zu- sammenhang mit diesem Prozesse wollen wir erwähnen, daß der Auf- wertungstaumel von gewissenlosen Menschen immer noch benutzt wird, um Dumm« zu fangen. So existiert in Berlin die F i n a n z- aktiengesellschaft Zentropa, welche die mit völkischer Sauce übergössen« Wochenschrift.Panther' herausgibt. Diese Aktiengesellschaft nimmt alle auftvertunasniöglichen Forderungen und Papiere an. Der Einreicher muß sich verpflichten, an Gebühren 15 Jahre lang eine Mark pro Monat zu bezahlen. Er erhäll nach 15 Jahren den vollen Betrag, den er eingereicht hat. Ist er mit den Bedingungen der Zentropa nicht einverstanden, so kann er den Bertrag kündigen, und er erhält nach drei Monaten die eingezahlten Gebühren zurück. Ueber die Maßnahmen, die die Gesellschaft zu treffen gedenkt, um die Aufwertung zu ermöglichen, bewahrt sie vollkommenes Stillschweigen: sie verweist auf«in demnächst erscheinendes Buch von einem Dr. B. Wir warnen Neugierige!_ Wisentausstellung Im Museum für Naturkunde . Das Museum für Naturkunde in der Involidenstraße eröffnete am Sonnabend eine Sonderausstellung über den Wisenr. Dieses Tier, das letzt« Wildrind Europas , ist bis auf etwa 7 0 S t ü ck, die sich in verschiedenen Tiergärten und Gattern befinden, ausge- starben. Reben dem im 16. Jahrhundert ausgestorbenen Auer- ochsen bleibt es das einzige Wildrind, dos in Europa bekannt ist. Schon auf den Zeichnungen der Höhlenmenschen, die in Spanien vor dem Kriege entdeckt wurden, findet sich der Wisent in einer überraschend naturgetreuen Wiedergabe. Die Ausstellung im Mu- seum für Naturkunde zeigt Zeichnungen und Stiche, die den Wisent darstellen vom Mtttelalter bis zur Gegenwart: gleichzeitig sind Geweihe, Skelette und Felle ausgestellt. Zwei ausgestopfte Wisent» oervollständigen die Sammlung. Hieraus und aus den gc- fundenen Knochengerüsten au» der Eiszeit kann man feststellen, daß eine Degeneration des Wisents im Laufe der Zeit stattgefunden hat. Die Hörner— wie auch die gesamte Schädelbildung— ist zurückgegangen. Au» dem Steppenwisent wurde der Waldwisent, das Sleppentter mußte stch den neuen Lebensbedingungen anpassen und hat sich in Europa bis heute in wenigen Exemplaren«rhalteii. Während des Mittelalters waren Wisente in ganz Europa noch häusig, bis zum Spätmittelalter starb das Tier in Süd« und West-, deutschland aus und zog sich in dos Gebiet de» heutigen Ostpreußen und Bolen zurück. In unserer Zeit ist nur noch ein sehr kleines Gebiet, der Urwald von Biolowiez im heuttgen Polen , mit Waldwisenten bewohnt. Ein Verwandter de« Wisents ist der Bison Amerikas , der durch die rücksichtslose Verfolgung durch Weiße und Indianer dem Aussterben nahe gebracht wurde. Di« Schutzmaßnahmen der Regierungen hatten aber den Erfolg, daß sich der Bison wieder stark vermehrte, so daß die Gefahr des Aussterbens end- gültig beseitigt erscheint. Anders liegen die Dinge beim Wisent: durch den Krieg und durch Wilderei sind auch die Wisentbestände in Bialowicz stark gelichtet worden.— Um weite Kreise auf den Wisent und auf die ihm drohend« Gefahr des gänzlichen Aussterbens aufmerksam zu machen, hat das Museum für Naturkunde diese Aus- stellung eröffnet. Es sei noch daraus hingewiesen, daß diese Aus- flellung einzigartig ist, da kein Museum soviel Rest« von diesem seltenen Tier besitzt.
Unten in Ryhavn traf ich einen Seemann mit einem flachsgelben Bart. Es war Simon, der mich in der Todesnachl meiner Mutter mit Kaffee bewirtet hatte. Zwei Tage später wurde ich Messejunge auf dem Schiff. wo er Matrose war. Wir hatten Fracht nach Lissabon . IS. Waldemar Rasmussen war auf dem Weg nach Norden. Um ihn herum befanden sich die zitternden Wände eines Speisewagens, schmale Tische und rülpsende Chinesen, die sich mit großen Tischmessern in den Zähnen herumstocherten. Er ertappte sich dabei, wie er an die Decke des Wagens starrte und auf einige eiserne Ornamente dort. Er war der gleiche wie damals, als er in Kopenhagen im Kaffee saß und die grünen, glasierten Steine betrachtete. Um ihn herum befand sich fremdartiges Leben, waren fremdartige Dinge, die er aufgesucht hatte, um den leeren Raum und sich selber zu vergesien. Sie strömten an ihm vorbei. Vor den Fenster» drehten sich gelbe Felder mit blaugekleideten Männern und rotgekleideten Frauen. Das Leben war wie rinnendes Master. Er stand auf und öffnete feinen kleinen Handkoffer. Zwischen einigen Hemden, einigen Toilettegegenständen und einem Revolver lag ein Stoß Papier . Das war es, was er suchte. Er wollte nicht darin lesen, er wollte bloß darin blättern und daraus sein Leben spüren, so wie er ihm in diesem Fetzen Papier Form gegeben hatte. Das Leben war wie rinnendes Wasser. Spiegelbilder von Menschen und Dingen glitten darüber hin, zuweilen un- zusammenhängend und verwischt, zuweilen leuchtend und klar. Auf einmal war es, als ob er im Schlafe lächelte. Er dachte an fein Leben hier in China , an Man und an Robert Scott , und wieder mußte er lächeln. Jene Emsode erinnerte ja an all die kleinen Erlebnisse, die aus diesen Blättern empor- stiegen. Trotz stündlichem Wechsel, trotz allem Hin- und Her- schwanken war er doch immer derselbe. Was half ihm die Fremde? Was half ihm die Der- gangenheit? Charbin oder Kopenhagen ? Das waren alles bloß Aeußerllchkeiten, die funkelten, leuchteten' und lärmten: doch hinter ihnen lag der ewig leere Raum. Und in ihm drin lag dies unbegreifliche Ich, das auf seiner Flucht vor sich selbst nur seinem eigenen Gesetze folgte. Er war stets derselbe, ein kleiner Mensch, der bald seinem Schatten nachjagte und bald vor ihm floh, ein kleiner Mensch im leeren Raum. Er lächelte.