Sonntag
1. November 1925
Alus der Film- Welt
Die Filme der Woche.
, 1000: 1 Harold Lloyd."
=
( 3m Ufa- Palast am 300.)
Benn ein Filmspiel nichts anderes böte als den Anlaß zu unbändigem, bedenkenlosem Lachen, es hätte darum allein immerhin schon seine Existenzberechtigung; führte dadurch allein schon aus der Misere heraus, in die einen diese sacharingetränkten und mit Tränensäure beträufelten typischen Filmgeschichten ansonst, tausend Zu eins immer wieder stürzen. Daß dieser Butschrei gegen den nach wie vor wuchernden und blühenden Filmkitsch nicht den menigen qualifizierten, fünstlerisch zu wertenden Filmen gilt, ver. steht sich von selbst.
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Ja, dieser wunderbar närrische Film 1000: 1= Harold Lloyd ist aber mehr, meit mehr als nur Quelle des Lachens. In der grotest und übermütig ausschwingenden Komit des Harold Lloyd liegt schon an und für sich etwas Menschlich- Belangvolles: das in Uebertreibungen getauchte, verstiegen ausgewertete, aber eben sehr menschliche Schlemihlgeschic. Sehr Rührendes also in sehr heiterer und dadurch sehr verföhnlicher Linienführung; ohne Tragit und ohne Berhöhnung, nur in einer föstlichen grotesten Häufung von Berhängnissen, die dem liebenswürdigen, schauspielerisch vortrefflich maßhaltenden, eindringlich und nie ermüdend mirksamen Mimiter Harold Lloyd paffieren. Auch diesmal stürmt auf ihn, den Mann mit der typischen Hornbrille, allerlei Unerwartetes, luftig Tolles ein; er gerät in phantastisch- komische Situationen und benimmt sich in ihnen mit seiner bekannten quedfilbern- pfiffigen Unbeholfenheit. So ist dieser neue Lloyd- Film reich an mirtlich wizigen Einfällen, er überrascht durch äußerst lustige Tridaufnahmen und hält vom erften bis zum legten Bild ein famoses Tempo.
Aber: dieser Film ist auch, mehr als jede ernsthaft gemeinte, Propaganda, eine( vielleicht unfreiwillige) unerhört schlagträftige antimilitaristische Auftlärungsgeschichte. Er vers hohnepiepelt die Bickelhaube mit einem geradezu klassischen Witz, so agend, so erledigend, daß selbst das Fridericus- Rer- trächtige Publifum des Ufa- Balastes in helles Entzüden geriet. Diese schießgewehr. feindlichen satirischen Bildstreifen haben geradezu fonferenzmäßige Eindringlichkeit.
Ein Film, in jeder Hinsicht erfreulich. Mit dem Beiprogramm dürfte die Ufa , die sich an dieser Stelle befanntlich großartig, feudal henehmen und amerikanisch übernehmen will, etwas freigebiger sein. Gewiß, der neue Musikmann, Rappé, hat Schmiß und Wiz. Aber das übrige Beiprogramm ist teils üblich, teils übel.
„ Die Moral der Gaffe." ( Primus- Palaft.)
-17.
die Einzelfigur wurde absichtlich von Staubwolten verschlungen, die Bewegung als Ganzes aber deutlich gewahrt. Diese Szenen und einige Arabertypen waren von gewissem Reiz. Josef Schild. traut war sympathisch, Norma Talmadge aber hat nichts von einer Orientalin an sich. Was sie spielte, war schlechte Maste rade. Barum man Programme verkauft, ist unerklärlich, enthalten fie doch nicht einmal den Namen des Regisseurs. c. b.
Jaap Speyer hat in diesem Film von heute Belten einander gegenübergestellt: Borderhaus und Hinterhaus und auch zwei Gene rationen: das alte solide Bürgertum, das fleißig Geld verdient hat und die Jugend, die es im Genußleben verausgabt. Die Mädchen der Gasse sind natürlich die Opfer der Vorderhäuser, in denen der Reichtum und in der zweiten Generation das Lurus- und Amüsier. bedürfnis eingezogen ist. Die Gasse verförpert in zmei symbolhaft ghaltenen Figuren der Litfaßsäule und der giftigen Bunge, begleitet die ernsten und fomischen Begebenheiten mit ihrem Chor: die Klatschmäuler sprechen das Vedikt aus. Das Thema( die Lebe melt und die Töchter der Kleinbürger, die teils in wirtlicher Liebe, tels in dem Drang, am Leben der vornehmen Welt teilzunehmen, mit den Herren Söhnen sich einlassen) ist seit Sudermanns Tagen oft genug behandelt worden. Jaap Speyer schwimmt gern in diesem Milieu, aus dem heraus man hübsche Tanzdielenszenen mit feigenden Negern der Jazzbande und allerlei Abenteuer zwischen Verheirateten und Unverheirateten vorführen kann. Er spekuliert auch auf das gute Herz und die Tränendrüsen, dem ausschweifenden Laster muß Die Moral gegenübergestellt werden, und der gute Ausgang schließlich alle gewagten Situationen vergessen lassen. Vor allem muß man Die Typen mit zugträftigen Darstellern befezen, dann wird das Schiff des Erfolges schon vom Stapel laufen. Was für ein prächtiger, sonniger Mensch ist doch der Viehhändler en gros, wie ihn Werner Krauß auf die Beine stellt. Er hat weiß Gott noch das Herz auf dem rechten Fleck und obwohl er es zu was gebracht hat, möchte er des Fleischermeisters Gräbert Witwe, die in der Gasse ihren Laden hat, gern heiraten. Aber sie muß erst mit ihrer Tochter reden, und Diese Tochter erwartet von dem Sohne des Viehhändlers, den Ernst Sofmann als rechten Lebejüngling spielt, ein Kind. Die Mutter muß sich opfern, da der Sohn des Borderhauses die Tochter des Hinterhauses nicht heiraten will. Margarete Kupfer weiß die Frau Gräbert mit allen Tugenden einer echten Mutter auszustatten, die sich für ihr Kind einseht und nach einer längeren Reise das inzwischen eingetroffene Baby als das ihre ausgibt. Mit köstlichem Humor weiß fie der Klatschsucht der Gaffe zu begegnen und am Schluß fann fie triumphieren, es findet sich ein Vater für das Kind und ein Mann für die Tochter in Hans, den das Programm mit einiger Jronie als Idealist und Schlächtergeselle" vorstellt. Marie Odette gibt die Tochter mit den vermeinten Augen und dem hübschen Gesicht, wie sie für unglückliche Mädchen norgeschrieben sind, die den Zuschauer rühren sollen. Zwischendurch läuft eine fleine Auseinandersetzung zu Dritt zwischen befagtem Lebe jüngling und dem Befizer einer Tanzdiele und seiner Frau. Trotz aller verführerischen Situationen geht die Affäre natürlich anständig aus. Die Frau friegt nur ein Kind von ihrem Mann. Moralisch bleibt auch der alte ehrliche Schustermeister, den Hermann Picha gut charakterisiert. Er will von dem Sündengelde, das seine Tochter ( Evi Eva ) einem ausgelernten Lebemann( von Adolf Engers hervorragend getroffen) abnimmt, nichts haben. Ganz vorzügliche Chargen steuern Rosa Valetti und Ellen Blessom als Vertreterinnen der Gasse bei. In der Sucht, zu glänzen, ist das Milieu sowohl der Schlächtermeisterin wie des Viehhändlers weit überzeichnet. So wohnt meder die eine noch der andere. Aber man foll diese Art Filme überhaupt nicht zu ernst nehmen, weder ihre Moral noch ihre Unmoral. D.
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DIE LEUCHTE ALIEN
GOTAMA BUDDHAS KAMPF UM LIEBE UND ENTSAGUNG
REGIE: FRANZ OSTEN
DER GROSSE INDISCHE FILM DER ENELKA
品
URAUFFÜHRUNG
DIENSTAG, DEN 3. NOVEMBER 1925 ANLASSLICH DER EROFFNUNG DES
PICCADILLY
CHARLOTTENBURG, BISMARCKSTRASSE 93/94 UNTERGRUNDBAHNHOF BISMARKSTRASSE
47 UHR
9 UHR
Versäumen Sie nicht
sich den First- National- Film der Deulig- Film A.-G.
„ Dr. Camerons seltsamster MAXIATE Fall"
Die Premiere
fand
rauschenden
Mit dem Problem der orientalischen Tänzerin haben sich ernsthafte Männer beschäftigt. Man dente nur an Gobineau . Er lebte in fremden Ländern, fühlte mit fremden Bölfern. Die Amerikaner aber gehen vollkommen verantwortungslos an das gleiche Thema. Sie nahmen feinen Orientalisten als Berater, das hätten sie auch gar nicht nötig gehabt, denn schon der einfachste, vielleicht in gedrückter Stellung in Amerita lebende Orientale hätte fie andauernd auf Fehler aufmerksam gemacht. Man läßt die orientalische Tänzerin einen Ungläubigen lieben, den sie vorerst für einen Araber hält. Wenn man sich diesen, die Tänzerin mit einem Handfuß be grüßenden Araber befieht, dann fann man ihren Irrtum unmöglich verstehen. Jedoch der Pseudoaraber ist ein Offizier, und Offiziere find im Film immer Mordsterle, die bringen alles fertig. In zwischen gibts dann noch im tiefen Orient, wo bei genauer Betrachtung des Films freilich Rasen in der Wüste wachsen, einen Ueberfall auf die Weißen, der zur Folge hat, daß zum Schluß Tänzerin und Offizier fich triegen. Also, es gibt wirklich allerlei fürs Geld. Die Hersteller wollten den Filmreißer auf jeden Fall. Photographisch waren die Reiterszenen recht gut gelungen. Man ließ nette, wendige Pferde durch Sand galoppieren. Um die Wüste Dorzutauschen, brachte man die ganze Photographie milchig heraus,
Beifall!
mit
Dazu:
Die ausgezeichnete Bühnenschau Die unübertroffene Deulig- Woche 44
ALHAMBRA
Kurfürstendamm 68
Wochentags 630, 900:: Sonntags 4,30 630, 900
Beilage
des Vorwärts
Wenn Männer ausgehen".
( Ufa- Theater, Kurfürstendamm .)
Wenn man die amerikanische Seele nach der Filmproduktion dieses Landes beurteilt, muß man zu dem Ergebnis tommen, daß sie vor allem aus zwei entgegengesetzten Empfindungen besteht: einem findlichen Vergnügen an lustigen Ereignissen und Zaten und einer etwas meinerlichen Sentimentalität. Nach diesen Empfindungsgruppen lassen sich denn auch die amerikanischen Filme einteilen, mit dem Unterschied, daß die humoristischen mit ihrem drastischen Griff nach dem feelisch und gegenständlich Komischen unsere Teilnahme und unseren Beifall haben, während wir für die etwas findliche Gefühlsduselei dieses unverbrauchten Voltes weder das nötige Berständnis noch die längst verlorene Raivität aufbringen. Der Unterschied der beiden Gruppen zeigt sich meist leider auch im Tempo, das bei den humoristischen Filmen blizzugartig, bei den elegischen schnedenhaft ist. Der neue Film ,, Wenn Männer ausgehen" fucht beide Arten miteinander zu verbinden. Indem er zeigt, wie ein junger Ehemann, undankbar gegen die etwas hausbadene Güte feiner felbstverständlich zuderfüßen, jungen Frau, auf Abwege gerät und einer zweiten Frau mit schlechtem Charakter in die Hände fällt, die ihn erst die Borzüge der ersten schäzen lehrt und dadurch zu diese zurückführt, will er die kleine Tragikomik der Che mit ihren heiteren und ihren trüben Seiten versinnbildlichen. Leider gelingt dies infolge der vielen Unwahrscheinlichkeiten der Handlung und des schleppenden Tempos mur unvollkommen, obwohl viele fleine Wintelzüge aus dem Eheleben reizend und die Darstellung durch Lewis Stone , Mary Carr , Alma Benett unb Helen Chadwid recht gut ist.
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Warum hat uns die Ufa aber die auf dem Programm ange fündigte Aesop Fabel Der Knabe und sein Hund" vorenthalten? f. h. c.
Dr. Camerons feltfamster Fall wird zugleich ein sehr seltsamer Fall im Film. Wohl noch nie hat man es so deutlich verspürt, daß der Weg ein unrichtiger ist, der den guten Abschluß auf jedent Fall mill. Durch diesen Film geht ein Riß. Dabei sind Gedanken verwendet worden, aus denen sich bestimmt hätte ein Wert aus ganzem Guß formen lassen. Dr. Cameron, Jrrenarzt und Dichterafpirant, ist ein Sittlichkeitsapostel. Darum läßt er ein Stüd verbieten, das gerade der erste, große Erfolg einer temperamentvollen Diva mar. Sie hängt am Glanz, fie hängt an den Ehrungen, trbeitete sie sich doch vom Fabritmädel zur Schauspielerin empor. Darum will fie sich rächen an diesem Dr. Cameron. Sie geht in sein Haus und spielt ein hilfloses Geschöpf, das sein Gedächtnis verlor. So wird die Unglückliche dem Arzt interessant, er behält fie zur Beobachtung bei fich. Er hält wissenschaftliche Vorträge über biesen seltsamen Fall. Da er entdeckt, daß die junge Dame schaus Spielerisch begabt ist, foll sie die Hauptrolle in seinem Drama fpielen, um ihr so gegebenenfalls das verloren gegangene Gedächtnis zurüd zugewinnen. Der Theaterdirektor, der von dem Streich der Diva meiß, mill das Drama zur tollsten Groteske perzerren. Das wäre tatsächlich eine Lustspielidee gemefen, ein Nasenstüber für den Wissenschaftler, der alle Menschen für anormal hält, und eine glänzende Rache der Diva. Doch nein, fie fällt eben vor der Aufführung um, fie macht nicht mehr mit, denn sie liebt den Arzt. Das verzeiht ihr der Zuschauer faum. Der ganze Film steht und fällt mit Colleen Moore . Man will fie uns als Schönheit aufzwingen, das stößt auf Widerstand. Im Profil wirft sie unschön. Ihr Gesicht ganz photographiert hat großen Reiz. Sie hat diesen aparten egotischen Einschlag, den Peggy und Jackie haben. Als Schauspielerin ist sie groß. Glänzend schon in der Erzentrit ihrer Bewegungen, als sie Die Hauptrolle in dem pifanten Stück spielt, unartig und unerzogen in ihren temperamentvollen Wutausbrüchen und völlig geändert, innerlich und äußerlich, als liebendes Weib. Wirklich, Colleen Moore fann sehr viel. -8.
, Der Leibgardist." ( Marmorhaus.)
Rann man Romödien, deren Reiz im prickelnden Dialog liegt, verfilmen? Gewiß, wen der Regisseur es versteht, sich vom Borbilde loszulösen und für das, was er ihm nicht nachfilmen kann, anderes, Filmmäßigeres zu geben. Rober: Wiene ist es nicht ganz gelungen, bei der Verfilmung von Molnars bekannter Ko mödie„ Der Gardeoffizier diese Marime in die Tat umzusehen. Er bleibt zu sehr in den Spuren der Vorlage, die dünne Handlung mird im Film zu breit ausgesponnen, es fehlt nicht an Längen und Wiederholungen. Aber von dem föstlichen Geist Molnars ist doch genug gerettet und in die bildmäßige Form übersetzt worden, so daß wir eine Filmfomödie mehr haben. Der Grundgedanke, wie der eifersüchtige Schauspieler selbst einen Rebenbuhler spielt, um feine Frau auf die Probe zu stellen und dabei selbst in die schönsten feelischen Konflikte gerät, als er Erfolg zu haben beginnt, ist auch im Filim höchst wißig herausgearbeitet. Alfred Abel mit seinen prägnanten Zügen ist der geeignetste Darsteller der Rolle die er so oft auch auf der Bühne gespielt hat. Sein Mienenspiel drückt in raschem Wechsel den Zwiespalt seiner Natur aus, die beglückt ist, wenn er als Leibgardist keinen Erfolg hat, und schmerzlich berührt wird, wenn seine Frau auf sein Spiel eingeht. Durch den raschen Szenenwechsel zwischen der Bühne, wo er den Hamlet spielt, seinem Anfleidezimmer, morin er in rafender Eile sich zum Leibgardisten umtostümiert, und der Loge seiner Frau, in der er in größter Eile seine Gastrollen [ pielen muß, entsteht ein fesselndes Hin und Her, wie es auf der Theaterbühne nie möglich wäre. Die Darstellerin der Frau Maria Corda ist freilich nicht die Partnerin, die man für Abel erwarten müßte. Sie gibt ihm im ganzen nur die Stichworte, aber es fommit fein Duett zustande. Eine prächtige Type ist Alice Hetsey als Elefant. Wenig glücklich bedacht ist der Kritiker, der bei Molnar die Rolle des Räsommeurs spielt, Anton Edthofer hat in der stummen Rolle des Films geringe Möglichkeiten. Der Erfolg des Films war, besonders auch dant der vorzüglichen Photographie, eflatant.
r.
Piccadilly ist der Name einer der Hauptstraßen im Westen Londons . Er hat in der ganzen Welt einen besonderen Reiz, daher ist es tein Wunder, daß ein neues Lichtspieltheater Berlins diesen Ramen trägt. Für den Bau intereffiert sich wohl jeder, dem an einem schönen Aussehen der Straßen gelegen ist, denn das neue Theater, dessen Eröffnung in den nächsten Tagen bevorsteht, liegt gerade dem Charlottenburger Opernhaus gegenüber. Architekt Friz Wilms hat das neue Theater erbaut ohne Fenster für die Luftzufuhr an der Straßenfront. Diese wird von einem aus Muschelfalfstein- Maßwert hergestellten sogenannten Lichtfenster beherrscht, das in immer neuen Farben die Geschäftssprache der Jeztzeit, die Lichtreflame, in das Duntel der Straße hinausschreien farn. Für eine gute Durchlüftung des Raumes wird durch die modernsten Anlagen gesorgt, die im Sommer vorgefühlte, im Winter vorgewärmte Luft zuleiten. Da man vom Rang aus im Kino oft ein schräges Bild hat, ist dieses Theater, obwohl es für 1200 Personen Sigpläge bietet, ohne Rang gebaut. Man spricht diese Maßnahme für eine ganz erhebliche Verbesserung an. Die Bühne ist, dem Zuge der Beit folgend, auch für Barieté- Borstellungen eingerichtet. Für die Sicherheit des Publitums ist nach bestem Wissen gesorgt, führen doch zehn Ausgänge, unmittelbar, ohne Treppen, ins Freie.