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Nr. S2S»42.IahrgtMg
2. Seilage öes VorWärts
§xs!tag, H. November 1�25
Das Problem öer Hetriebsverbesserung Ein Streifzug durch die Ford-Literatur.
Es blieb einem deutschen   Professor sGottl-Ottlilienfeld, .Fordismus', 2. Aufl.. Verlag Gustav Fischer, Jena  , 1S2S) vor­behalten, im Ford-System denweißen' Sozialismus zu entdecken. Aber in weiten ftreisen hat sich ein ähnliches Wunschbild festgesetzt. Illusionen sind ja immer bequemer als Lösungen, um die man erst kämpfen muß. Diese Ford-Psychose hält heute die Köpfe nicht nur manches Arbeiters, sondern auch manches Industriellen umnebelt. Das bekannte Buch von Henry Ford  (Henry Ford  ,Mein Leben und mein Werk', Verlag Paul List  , Leipzig  , 1Y2H war ja eine Zeit- long geradezu eine Bibel für das deutsche   Unternehmertum ge- worden; gleichzeitig setzte jener großeZug nach den Vereinigten Staaten  '(Prof. Riebensahm,Der Zug nach den Dereinigten Staaten', Verlag Julius Springer  , Berlin  , 1924) ein. Man kam mit allerhand Rezepten zurück; aber heute ist es von der Einführung des Ford-Systetns doch merkwürdig still geworden. In Deutschland  fehlt der Markt. DennM a s s« n a b s a tz' ist die Voraussetzung des Systems der.Massenproduktion', und diese wieder die Vorbedingung jener weitgehenden Arbeitszerlcgung, die für das Ford-System charakteristisch ist. Und die Atomisierung der Arbeit, die auch die Beschäftigung von Blinden, Krüppeln und Verbrechern durchaus gestattet und damit schon Fords Humanitär« Anschauungen zwanglos erklärt, sie brachte eine derartige Steigerung der Arbeits- intensität, daß Vershofen mit Recht feststellte, Henry Ford   kaufe trotz seiner unvergleichlich hohen Löhne die Arbeitskraft in aller Welt am allerbilligften(Prof. Wilhelm Vershofen  ,Ueber das Verhältnis von technischer Vernunft und wirtschaftlicher Wertung'. Ein Beitrag zum Problem des Fordismus. Keramos-Verlag A.-G., Bamberg  . Vgl. auch Vershofens AufsätzeFordismu»' im.Wirtschaftsdienst', Hamburg  ). Diesem Nürnberger Professor wird überhaupt die bis- her einzige wirklich kritische Abhandlung über den Fordismus ver- dankt. Kommunistische Hilflosigkeit. Nicht, wie man erwarten möchte, dem marxistischen   Schriftsteller Walcher(Walcher,Ford oder Marx', Viva-Verlag, Berlin  , 192.',). Auch Walcher möchte wohl Kritik üben. Aber er steht in Wahrheit dem ganzen Phänomen des Fordismus völlig hilflos gegenüber. Er sieht nur die große Verführung, die von Fords sozialen Theorien auszugehen droht, und er hat nur die eine Sorge, dieser falschen Religion vorzubeugen. Daher ist er in seinen Argumenten wenig wählerisch. Walcher führt in der Tat keinen wissenschaftlichen, son- dorn einen religiösen Kampf gegen Henry Ford  . Und da ihm nirgends eine materiolistifchc Auflösung dieser gefährlichen Idco- logisn gelingt, geschweige denn eine Widerlegung, so macht er es wie die Jesuiten   mit den heidnischen Religionen: wenn sie die Götzen und den Götzendienst nicht brechen konnten, ließen sie einfach die heiligen Elefanten mit in der Fronleichnamsprozcssian hinter dem Allerheiligsten hermarschieren. Und damit war der neue Gott ein- geführt. Oder sie ließen die alten Götter überhaupt bestel*n und tauften sie nur um. Ob das nun aber ein Sieg des reinen Cyristcn- tums zu nennen ist? Ein Kritiker, der sich mit solchen Methoden begnügt, wie Walcher es leider tut, ist kein Soziologe, son- dcrn ein Theologe und nicht einmal ein orthodoxer. Walcher hat im Grunde nur zwei Mittel der Beweisführung: entweder wird Ford einfach Marx vorgespannt(mit seinen Aussprüchen) das istweißer' Sozialismus: Ford ist der Crfüller von Marx und Marx gewissermaßen sein Vorläufer. Oder Fordismus wird sich in der Zukunft schlechthin mit Sozialismus decken. Dabei nimmt er Ford» sozial-ethische Ideologien überall und stets wort-wörtlich, ohne auch nur versucht zu haben, diese ver- blüffend gerechten und menschlichen Anschauungen einmal von dem tcchnisch-wirtschaftlichcn Unterbau, also von der Wirklichkeit aus, zu beleuchten, ohne jemalsIdeal und Leben' in Vergleich zu fetzen. Mit dem primitiven logischen Bedürfnis eines deutschen  Gretchens begnügt er sich vielmehr damit, so gut oder so schlecht es geht, Ford und Marx zur Deckung zu bringen.So ähnlich sagt es der Pfarrer auch, nur mit ein wenig anderen Worten." Gewiß wäre es verkehrt, Fords wirtschaftliche und soziale Theorien als pure Heuchelei hinzustellen. Aber wie gesagt eine ideologische Kritik ollein vermöchte sie nicht auszulösen. Erst wenn man weiß, daß Ford einen ungeheuren Arbeiterver- brauch und Arbeiterwechsel hat eben wegen der Ueber- steigerung der Arbeitsleistung, versteht man, daß ihm Krüppel usw. als friedliebendes, weil anderswo unbrauchbares Element um so willkommener sind, als sie, zur Unterwürfigkeit gezwungen, einen Schutzwall bilden nicht nur gegen Unruhen, sondern auch gegen jenes störende Fluktuieren. Der verblüffende Ausspruch Fords, es sei ihm gleichgültig, ob einer von Haoard konnne oder aus Sing Sing' von der Universität oder aus dem Gefängnis> verliert
von dieser nüchternen betriebswirtschaftlichen Einsicht aus viel von seiner Großzügigkeit. Man erinnert sich, daß auch die Kirche des Mittelalters auf Krüppeln usw. ein außerordentlich einträgliches kapitalistisches Ausbeutungssystem aufgebaut hat. Und in der arbeitszerlegten Produktionsweise, in der za nur noch kleine Teil- Verrichtungen und Handgriffe dem einzelnen Arbeiter zugeteilt sind, sind diese physisch minderwertigen Kräfte eben von neuem verwend- bar geworden. Diese Tatsache, die sich mithin einfach aus den ver- änderten Produktionsverhältnissen erklärt ist für die Krüppel selbst zweifellos eine psychologisch höchst wertvolle Selbstbetätigung für Ford ein großer Nutzen, für die Tthiker aber kein taug- liches Objekt ideologischer Begeisterung. Wir möchten meinen, daß eine solche soziologische Cnt- l a r v u n g des Fordismus auch dann nicht ganz überflüssig ist, wenn man das Ford-Buch nur als Reklameschrift aufgefaßt wissen will, wie das V e r s h o f e n in seiner erwähnten bedeutsamen Nürnberger Rektoratsrede tut. Aber allerdings. Walcher gegenüber hat er nur zu sehr recht. Der kapitalistische Pferdeverstand. Seltsam genug ist es, daß die gleiche pfäffifche Angst um die Entführung der mühsam in Schach   gehaltenen Herden, die Walchers einziges Motiv zu fein scheint, gleichzeitig auch die Unternehmer be- sorgt macht. Der Generaldirektor der Siemens-Schuckert  -Werte, Karl Köttgen, schreibt in seinem Aufsatz?Das Ertz�einen der deutschen   Uebersetzung des Ford  -Buches gerade in dem Augenblick, wo wir in Deutschland   von jedem einzelnen Mehrarbeit verlangen, scheint aber eher«in Unglück(l) wie ein Glück zu sein. Denn von allen Seiten hört man: macht es wie Ford, dann werden wir schon mehr Produktion erzielen. Es ist die alte Forderung der linksstehenden Kreise, nicht durch persönliche Arbeit des Arbeit- nehmers, sondern durch Maßnahmen, die dem Arbeitgeber zufallen, durch Verbesserung der Arbeitsmethoden und der Organisation soll« das notwendige Mehr erreicht werden. So glaubt man bei seinen alten Versprechungen und Forderungen bleiben zu können.' Dieser offenherzige Ausspruch ist aeich die wenig verhüllte Tendenz des Amerika  -Buches von Köttgen(Dr. b. c. Kött­gen,Das wirtschaftliche Amerika', VDJ.-Verlag, Berlin  , 1925). Die rettende Parole heißt auch hier immer wieder:Steigerung der Produktion pro Mann' von den sonstigen volkswirtschaftlichen Banalitäten zu schweigen. Das ist alles, was er von Amerika   gelernt zu haben scheint. Die amerikanische Lohnpolitik und Preispolitik wird nicht gewürdigt. Und damit ist das ganze Problem des inneren Marktes' übergangen. Denn die Amerikaner machen es genau umgekehrt wie die deutschen   Unternehmer, die aus der Massen- cntbehrung und Massenenteignung den.Wiederaufbau' ihres Pro- duktionsapparatcs bestritten haben und auch nach dieser Jnflations- kur noch glauben, ihre Profitrate am besten sichern zu können, indem sie durch schärfsten Lohndruck einerseits, durch künstliche Hoch- Haltung der Preise(Kartellunwesen) andererseits die Spanne zwischen Löhnen und Preisen möglichst groß hallen. Höchste Löhne und niedrigste Preise stärken in Amerika   die Kaufkraft und ver- breitern zugleich den Konsum, so daß mit Hilfe des Massenabsatzes bloß auf dem inneren Markte jene Massenproduktion aufgebaut werden konnte, die Amerika   nun auch auf dem Weltmärkte so unge- heuer wettbewerbefähig machte. Denn durch das System der Massenproduktion wurden die Arbeitsmethoden derartig rational!- siert und vervollkommnet und die Produktion so verbilligt, daß eben auf der Basis des inneren Konsums trotz des viel höheren Lohnniveaus und Lebensstandardes der Export möglich blieb. Man erinnere sich daran, daß ein kleines Ford-Auto drüben 269 Dollar kostet, das billigste deutsche Produkt etwa das Fünffache davon. Was aber tun die deutschen   Unternehmer? Statt durch Lohnsteigerungen die Kaufkraft der Massen zu heben und durch Rationalisierung der Betriebe die Preise zu senken, werden sie ver- suchen, durch einen Schutzzollwall Deutschland   eine Weile vonder Welt abzusperren, die überlegene Konkurrenz fernzuhalten und damit die Umstellungskrise nach dein ganzen Irrweg der Inflation von neuem hinaus­zuschieben. Mit Recht sagte ein Gewerkschaftsführer kürzlich, wenn sie bloß von Amerika   das eine annehmen würden, den kapitalistischen   Pserdeveistand etwas mehr anzuwenden'. Denn wir täuschen uns nicht: auch die amerikanische   Preis- und Lohnpolitik ist nur eine kapitalistische Wirtschaftsweise, aber allerdings eine bessere: auch Henry Ford   ist nur ein kapita- listischer Unternehmertypus, aber eben ein überlegener. Und die deutschen   Arbeiter würden es immerhin dls einen Fortschritt be- trachten müssen, wenn die deutschen   Arbeitgeber begreifen wollten,
daß eine Arbeits in tensivierung nicht möglich ist ohne gleichzeitige Kapital in tensivierung und daß eine ein- seitige Vermehrung der Lasten auf dem Rücken der Arbeitnehmer niemals jene Wiederherstellung des inneren Kreislaufes der deutschen  Wirtschaft herbeiführen kann, durch die allein Amerika   die allgemeine Weltwirtschaftskrise' überwunden hat, jener Anpassungsprozeß an die völlig veränderte Rachkriegslage der alten und neuen Industriestaaten, der für Deutschland   zwar yufgeschoben, aber nicht aufgehoben worden ist. Dr. K. Die(dktoberbilanz der Neichsbank. Der Reichsbankbericht gibt für Ende Oktober wieder die Ziffer des Gesamtgeldumlaufs bekannt, die wir Ende September vermißt hatten. Der Umlauf an Reichsbanknoten, Rentenbankscheinen, Noten der Privatbanken und Münzen betrug insgesamt S,08 Mil- l i a r d e n: derselbe Betrag wie am Ende September, wie der Bericht hervorhebt. Der reine Umlauf an Reichsbanknoten ist gegenüber dem Vormonat um 1S3,7 Mill. gestiegen; die Zunahme gegenüber dem 1. Quartal 192S beträgt 488 Mill. Da der G e f a'm t Umlauf an Zahlungsmitteln etwa gleich geblieben ist, macht sich in der Zunahme des Notenumlaufs der Rückfluß und die Einziehung von Rentenbankscheinen bemerkbar.» Ende Ott. 3. Quart. 2. Quart. 1. Quart. (in Millionen Mark) Noten und Schulden: Reichsbanknotenumlauf.. 2 803 2S4S 2 474 2 315 Giroeinlagen der Wirtschaft. 618 620 564 743 Kredite an die Wirtschaft: Lombardkredite  ..... 22 56 46 27 Wechselkredite...... 1 630 1 717 1 691 1 578 Notendeckuug: durch Gold 1 207 1 175 1 061 1 004 durch Devisen...... 348 810 854 334 zusammen....... 1545 1 404 1 415 1 388 DeckungSverhältniS: durch Gold und Devisen% 55,6 56,4 57,2 67,8 Gesamtgeldumlauf: Reichsbank-. Rentenbanksch. Priv. Bk., Noten u. Münze« 5 080 5 080 5 000 5 351 Auch der Bestand an G i r o e i n l a g e n ist gegenüber dem Bor- mono! stationär. Der Monatsabschluß hat gegenüber der Vor- woche zwar die für das Monatsende gewohnten stärkeren Lom- bardierungen und Wechseleinreichungen gebracht, in denen die Haupt- sächlichen Kreditgewährungen an die Wirtschaft stecken. Gegenüber dem Ende des 3. und 2. Quartals zeigt sich aber ein beträchtlicher Rückgang der Lombarde und Wechseldiskonte(121 bzw. 85 Mill.), was eine Verschärfung der Kreditrationierung im Gefolge der Krise anzeigen dürste. Di« Bestände an Goldmetall und Deckung«- d e v i s e n mit zusammen 1545 Mill. sind der Vermehrung des Umlaufs an Reichsbanknoten nicht ganz gefolgt. Sie haben natur­gemäß den höchsten bisher überhaupt erreichten Stand, decken aber den Notenumlauf nur mehr mit 55,5 gegenüber 56,4 Proz. Ende September und 57,8 Proz. am Ende des 1. Quartals. Die Deckungs- Vorschrift Im neuen Reichsbankgesetz lautet bekanntlich auf 40 Proz.
Nicht Preußen, sondern harriman saniert Giesches Erben. Die Verwaltung der Bergwerksgesellschaft Georg v. Giesches Erben gibt über die gestrige Gewerkenversammlung, von der die Presse aus­geschlossen war, ein längeres Kommunique heraus. Nach mehr- tiindigen Beratungen wurden beide Angebote der a m e r i k a- nischen Reflektanten für den polnischen Besitz, der W. A. Har- riman u. Co., New Dort, und der Anaconda Copper Mining Com- vany os Montena angenommen. Das geschlossene Abkommen ver- spricht eine völlige finanzielle Sicherung von Giesche. Das Zu- sammengehen von Harriman, Anaconda und Giesche wird zur Folge haben, daß die Bergwerksgesellschast Georg v. Giesches Erben, bekanntlich das älteste deutsche Bergwcrksunternehmen, in ihrem Aufbau erhalten bleibt und die volle Verfügung über ihren deutschen   Zinkerzfeldbesitz behält. Die Gewerkschaft Giesches Erben soll einen Kredit von 50 Millionen Mark erhalten, der ihr die Bezahlung des größten Teils der Schulden(60 Millionen) erlaubt. Dafür erhält die amerikanische   Gruppe eine Option auf die neuen Aktien des polnisch-obekschlesischen Besitzes der Gewerk- schuft. Wie vorauszusehen war, haben die Amerikaner gegenüber der Preußag, der Preußischen Bergwerks- und Hütten-A.-G.. die zur Nutzbarmachung der deutschen   Zinkerzfelder die Gründung einer Aktiengesellschaft von 60 Millionen Reichsmark Aktienkapital vor- geschlagen hatte, von denen sie selbst zwei Drittel und Giesche ein Drittel erhalten hatte, gesiegt. Der schlesische Adelskonzern, dem die Gewerkschaft Giesches Erben gehört, hat es jedenfalls oortreff- lich verstanden, sich durch Kredite von Staatsbanken(Sechandlung und Reichskredit-A..G.) so lange flottzuhalten, bis durch das preu- ßische Sanierungsangebot das der Amerikaner in die Höhe getrieben wurde.