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So zeigt die Handelsbilanz Japans   seit 1919 einen immer steigenden Einfuhrüberschuß. 1920 betrug er 2S7 Millionen Ben. 1923 schon 537 Millionen Jen, 1924 gar 646 Millionen Ben und in der ersten Hälfte dieses Jahres 520 Millionen Den. Von der sogenannten �unsichtbaren Aus- fuhr" hat Japan   fast nichts, zumal die Schiffahrt jetzt mit Verlust arbeitet. Japan   hat, wie schon gesagt, auch keine be» deutenden Kapitalanlagen im Auslande. Es besteht also keine Aussicht, die Bedürfnisse der rapid zunehmenden Bevölkerung zu befriedigen. Abgesehen von den blinden Militaristen, die alle Fragen der Welt mit dem Säbel lösen, sind sich alle politisch denkenden Japaner der ungeheuren Schwierigkeiten dieser Lage wohl bewußt. Unter den führenden Staatsmännern sind viele der Ansicht, daß das Bevölkerungsproblem nur durch Aus- Wanderung nach Korea  , der Mandschurei  , der Südsee und eventuell auch nach Südamerika   und durch wirtschaftliche Er- schließung dieser Gebiete gelöst werden kann. Viele verlangen auch eine Erniedrigung der Lebenshaltung der japam- schen Arbeiter. Aber eine einmal erhöhte Lebenshaltung kann ohne die schwersten sozialenFolgen nicht erniedrigt werden. Daß die japanischen Arbeiter mit den völlig an- spruchslosen Koreanern oder Chinesen in Korea   oder in der Mandschurei   konkurrieren könnten, ist ganz ausgeschlossen: arbeiten doch diese Leute für einen Tagelohn von 60 Pf. Hier muß daran erinnert werden, daß Kolonialpolitik noch nie zur Lösung des Uebervölkerungsproblems getrieben worden ist, sie war vielmehr immer kapitalistisch, d. h. ihr Zeil war, durch Kapitalanlage die billigen Arbeitskräfte der Eingeborenen in den Kolonien auszubeuten. Kapital kann leicht in die Kolonien marschieren, Arbeitermassen können es nicht. Nur nach einem Lande der h ö h e r e n Lebenshaltung kann die Auswanderung erfolgreich gefördert werden, aber nicht nach einem Lande, in dem billigere Arbeitskräste reichlich vorhanden find. Japaner des alten Regimes träumen von dieser Unmöglichkeit. Fort- schrittliche Staatsmänner fordern rationelleGeburten- k o n t r o l l e. Nirgends hat der Malthusianismus mehr Anhänger als in Japan  , denn in keinem anderen Lande sind die Unheilsprophezeiungen des englischen   National- ökonomen in stärkerem Maße eingetroffen als hier. Aber die Polizei verfolgt die Agitation für die Einschrän- kung der Geburten, weil das Militär Soldaten braucht!
Die �Erneuerer" Veutschlanös. Eine Ttahlhelmgröste. Dem HalleschenLondboten" wird aus Liebenwerda berichtet: Das Bild derReiniger Deutschlands vom roten Sumpf" beginnt sich zu runden. Fast täglich werden Unterschlagungen und Betrügereien von prominenten Mitgliedern der'.vater- ländischen" Verbände und der Rechtsparteien aufgedeckt. Nament- lich hat diese Tätigkeit dernationalen Fachleute" in den strammen m'tionalen Organisationen der Landwirtschaft rege Entfaltung gesunden und sie glücklich durch die damit verbundenen Millionen- verluste an den Ruin gebracht. Jetzt ist auch im hiesigen Kreise eine solche Blüte geknickt worden. Bei einer Revision der Kasse der Landwirts cha ftlichen Ein- und Der. kaufsgenossenschaft Wahrenbrück  , der meist kleine Landwirte angeschlossen sind, wurden schwer« Versehlungen ausgedeckt, die zunächst zur sgfo rt ig an- Amtsenth eb ung des Rendanten führten. Einige Wochen war nichts mehr zu vernehmen, was vielleicht darum verständlich wird, weil der Rendant Voigt Vorsitzender d e s. S t o h l h e l m. Orssgnrppe Wahrenbrück, und Vorsitzender des Kriegervereins ist. Dieser saubere Herr verkehrte nach wie vor in echter teutscher Frechheit in besseren Tanzgescllschaften und erfreute sich wegen seiner robusten Stahl- helmmaniereu in den nationalen Kreisen bester Beliebtheit. Die Sache schien aber doch nicht mehr länger unterderhand zu er- ledigen zu sein, denn jetzt ist gegen Voigt bei der Staatsanwaltschaft Strafantrag wegen Unter- Ichlagung und schwerer Wcchselfälschung ge> stellt worden. Die veruntreute Summe be- läuft sich auf zirka 20000 Mark. Di« Ge-
schädigten sind die kleinen Landwirte der Oe- n o s s e n s ch a f t." Die sogenanntenErneuererkreise" in Deutschland  , die Deutsch  - nationalen, die Stahlhelmer, die Vaterländischen Verbände und noch viele andere nationalistische Klibimvereine werden im Augenblick von einem furchtbaren Pech und Malheur verfolgt. Kaum haben sie«ine Blamage überstanden, wird ihnen schon wieder ein« neue bereitet. Uns soll das nur recht sein Je gründlicher und an- haltender die Blamagen werden, je mehr besteht Hoffnung, daß das deutsche   Volk endlich von einer Bewegung befreit wird, die sich all- mählich zu einem Krebsschoden und Schandfleck deutschen   Gemein- schast-lebens entwickelt hat.
putschistenfrechheit. Erst amnestiert dann noch Entschädigungsfordernng. Der bekannte Putschist Roßbach ist von dem Staatsgerichtshof nunmehr auch für die vor dem Hitlerputsch begangenen politischen Straftaten amnestiert worden. Aber selbst diese Großmütigkest bei der republikanischen Iustizinstanz genügt dem Organisator der verschiedensten Femen nicht. Er oerlangt jetzt außer der Amnestie auch noch eine Entschädigungwegen unschuldig erlittener Untersuchungshaft". DieVossische Zeitung" bemerkt hierzu:Wollen jetzt alle Putschisten ihre Putschpläne vom Reich finanzieren lassen?" In der Tat, bei der deutschen   Justiz ist kein Ding unmöglich!
von öen Klaftern zu Wilhelm Sohn  . Friedrich Wilhelm   Kronprinz in Saffian. Der.Wahrheitssucher" läßt seinen Verleger neben der«in- fachen Wahrhest noch«in« in Saffian gebundene Wahrheit fabrizieren. Der Verlag Cotta offeriert für je 100 M. ein Exem- plor des BuchesIch suche die Wahrheit" von Friedrich Wilhelm  Kronprinz,in rot Saffian in Goldpressung, handgebunden, und deren jedes Exemplar Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz eigen- händig mit seinem Namenszug oersehen hat." Cotta war einst der Verleger von Goethe und Schiller!
Auchthausurteil. Das Republitschutzgesetz gegen Kommunisten. Leipzig  , 14. November.  (Eigener Drahtbericht.) In dem Kommunistenprozeß gegen Benzmann und Genossen wurde am Freitag nacht nach viertägiger Verhandlung folgendes Urteil gefällt: Die Angeklagten werden nach Z 6 im Sinne des Republik­schutzgesetze« und nach Z 6 des Sprengstoffgesetzes und zwar Benz- mann zu S Jahren Zucht ha us und 600 M. Geldstrafe, Kühn und Kazmierzak zu je 2 Jahren 6 Monaten Gefäng- n i s und je 2S0 M. Geldstrafe verurteilt. Bei dem ersten Angeklag- ten werden 1 Jahr 4 Monate und bei den anderen Angeklagten 1 Jahr S Monate Gefängnis und die Geldstrafe angerechnet.
Etatsberatung im llanüiag. Der Etat des Finanzministeriums. Auf der Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung steht die zweite Beratung des Haushalts des Finanzministeriums. Mit der Besprechung verbunden wird eine Reche von Anträgen, ins- besondere über Beamtenrecht und Beomtenbesoldung. Ein Antrag Leid(Soz.) auf Aufhebung der Veterinärpolizei- lichen Verordnung über dic_Etnfuhr holländischer Milch zur Ver- Hinderung der mit einer Stillegung von Margarinewerken ver- bundeney Arbeitslosigkeit von Tausenden von Arbeitern am Nieder. rhein wird dem Landwirtschaftsausschuß überwiesen. Abg. Rhiel-Fulda(Ztr.) erstattet den Ausschußbericht über die von der Regierung vorgelegt« Gegenüberstellung d« Grundgehälter verschiedener Gehaltsklassen nach dem Stands vom 1. April 1014 und 1. Dezember 1924- Abg. Neumann-Allenstein(Soz.) berichtet über die Ausschuß- beratung zu dem gemeinsamen Antrag über Erholungsurlaub, Ein- sichtnohme in die Personalakten, Abbau im besetzten Gebiet, Amts- bezeichnungen usw. In der allgemeinen Besprechung wünscht Abg. waeolig(Soz.) Zentralisierung der Hochbauverwastung beim. Ftnanzministerium, um«ine Einhettlichkett in den Arbetten
zu ermöglichen. Es fehle an dem notwendigen Zusammenarbeiten zwischen den einzelnen Ministerien. Ein Beispiel bietet der Fall G i e s ch e, bei dem der Finanzminister doch wohl zu große Passivi- tät gezeigt habe._ Tagung öes verbanöes öer Landgemeinden Im großen Sitzungssaal des Preußischen Staatsrats hielt heute vormittag der Verband der Preußischen Landgemein- den, die Spitzenorganisation der Landgemeinden, Amts- und Guts- bezirke Preußens, mit Ausnahme von Rheinland   und Westfalen  , eine öffentlich« Tagung ab, um zu den laufenden kommunal- politischen Problemen Stellung zu nehmen. Der Vor- fitzende, Bürgermeister Lange- Weihwasser, griff in seiner Be- grüßungsansprache in sehr scharfer Weise die Privatwirtschaft an. Er erklärte, daß die Angriffe aus die angebliche Verschwendungssucht der Gemeinden, ihrer nicht einwandfreien Wirtschaft von der Privat- Wirtschaft aus unsachlichen Gründen erhoben würden, und daß das Prioattapital, namentlich das Großkapital, diese Angriffe nur erhebe, weil es eine früher innegehabte Stellung der Gemeinden aus diese Weise wieder erobern wolle. Merkwürdigerweise sind die Referate dieser Tagung fast aus- schließlich Referate, die nicht aus den Kreisen des Verbandes selbst erstattet werden� sondern von Regierungsstellen oder von Abgeordneten gewissermaßen an die Adresse des Verbandes gerichtet werden. An Stelle eines ursprünglich vorgesehenen Referat»
Ausammentritt des Völkerbundsrates. Ei« reiches Tagungsprogramm. Genf  , 14. November.  (WTB.) Die 37. Session des Völkerbunds- raics wird in Genf   am Montag, dem 7. Dezember, ihren Anfang nehmen. Die provisorische Tagesordnung sieht u. a. vor die Frage der Festsetzung der Grenzen zwischen der Türkei   und dem Irak  . Dann wird über den griechisch-bulgarischen Grenzzwischenfall beraten. Weiter wird der Rat die Berichte seiner Kommissare über die Lage der griechischen Minderheiten in Konstantinopel  und der türkischen   Minderheiten in Westthrazien   entgegen- nehmen, wie auch die Lage der j ü d i s ch e n Minderheiten in Ungarn  prüfen. Ferner wird sich der Rat mit der Ausführung der von ihm im September gefaßten Beschlüsse über die finanzielle Wiederher- stellung Oesterreichs  , d. h. mit der unter gewissen Be- dingunaen erfolgenden Einstellung der Funktionen des General- kommissars befassen. Eine weitere Frage wird durch die von der Völkcrbundsver- sammlung gefaßten Refulutionen über die R ü st u n g s b e s ch r ä n- kung aufgeworfen. Die Versammlung hatte den Rat«ingeladen, vorbereitende Studien für die Organisation einer Kon- ferenz zur Beschränkung und Herabsetzung der Rüstungen anzu- ordnen. Dem Ratskomite« liegt die Aufgabe ob. diejenigen Fragen zu bestimmen, welche einer vorhergehenden Prüfung hinsichtlich einer eventuellen Konferenz zu unterziehen sind. Die Schweiz   setzt sich sür die Schiedsgerichtsbarkeit ein. Die Mitgliedstaaten des Völkerbunds können sich oerpflichtkn. die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes als o b l i g o> t o r i I ch anzuerkennen. Solche freiwilligen Anerkennungen des Obligatoriums für Rechts- oder für polittsche Fragen werden ge- wohnlich sür fünf Jahre«ingegongen. Die schweizerisch« Delegation hatte bereits wif der letzten Völkerbundstegung im vergangenen Herbst angeregt, diese Arter kennung ollgemein auf zehn Jahre auszudehnen. Noch einer Europa- Preß-Meldung ermächtigt« gestern der schweizerisch  « Vundesrat dos politische Departement, eine auf zchn Jahre befristete Anerkennuna des Obligatoriums auszusprechen.
Die amerikanische   Regierung verweigert Russen die Einreiie. Die amerikanische   Regierung hat den Antrag der russischen Gelehrten Joffe und Oldenburg   um' Ausstellung eines Einreisevisums nach Amerika   abgelehnt. Die Ablehnung der amerikanischen   Regierung hat in russischen wissenschaftlichen Kreisen große Erregung hervor- gerufen.
Verbrechensursachen. Der Zuchthausarzt Dr. Michel in Graz   hat an 3SS Schwerver- brechern Studien über die Motive zur Tai, über ihre Herkunft und ihr Vorleben angestellt und das Ergebnis seiner Arbeit in der �Zeitschrift für Kriminolpsychologie" veröffentlicht. Don den RS ihm als Studienobjskt dienenden Menschen stamm- ten 188 vom Lande, S7 aus Städten, 85 aus einer Großstadt(Wien  ) und der Rest 15 Schwerverbrecher aus dem Auslande. Es erregt Verwunderung, daß sich fast 60 Proz. dieser Menschen aus Angehörigen der Landbevölkerung rekrutieren, der sonst meist ge- ringerer Hang zum Kriminellen nachgesagt wird als dem Städter. Nicht weniger als 256 Mann, demnach inehr als zwei Drittel der Grazer Zuchthausinsasscn, sind gewohnheitsmäßige Schwerver- brecher mit zusammen 2035 Vorstrasen. 36 dieser Verbrecher lebten ständig im Konkubinat mit Frauen, als deren Zuhälter sie materielle Vorteile bezogen. Obwohl unter etwa 100 verheirateten Verbrechern gam) oute Ehen bestanden, haben diese keine Kinder. Es ist dos die natürliche Auslese zum Wohle der Menschheit. Die kinderlosen Der- brecher selbst aber stammen sast ausschließlich aus sehr kinderreichen Familien. 99 Mann sind unehelich geboren, verwahrlost aufgewach- sen. waren sich von kleinouf selbst überlassen und sind bereits in ihrer Jugend straffällig geworden. 42 von ihnen haben bei ihrer Der- urteiwng die schlechte Erziehung und Vernachlässigung in der Jugend und die mangelnde Liebe der Eltern als Milderungsgrund ange- rechnet erhalten. Interessant ist die bei der Prüfung aller zur Strasfälliakeit führenden Momente als maßgebend angesehen« Zeit der Konzeption. 38 Proz. sind in den Weinmonoten August und September, ein ebenso großer Prozentsatz im Faschingsmonat Februar gezeugt war- den. Bei ihnen darf man wohl annehmen, daß sie im Rausche ge- zeugt worden sind. 200 Verbrecher, also 72 Proz. aller von Dr. Michel beobachteten Krimineller, haben Säufer zum Vater gehabt und sind mit ererbter Anlage zur Welt gekommen. Die restlichen 28 Proz. können nicht a priori als Desperados bezeichnet werden, sind aber infolge moralischer Haltlosigkeit, die durch äußere Ein- flüsse vorhanden war, fremden Einfluß und schlechtem Beispiel, roenn nicht gar der Verführung erlegen. Ein ungemin wichtiger Faktor für die Beurteilung der Ver- brechensursachen sind die wirtscho'tlichen Verhältnisse im Eltcrnhause. 194 Verbrecher sind allerdings in ganz erträglichen Verhältnissen aufgewachsen, während 71 bereits in frühester Jugend Hunger und bittere Not kennen lernten und in den bekannten, die Brutstätte für Blutschande, Geschlechtskrankheiten und Verbrechen bildenden Wah- nungsverhältnissen lebten. 42 unehelich geborene Mogdkinder sind irgendwo in Ställen und Scheunen zur Welt gebracht und aufgezogen, absr nicht erzogen worden. 10 Schweroerbrecher haben Mittelschulen besucht, 13 Fachschulen, 18 Handelsschulen, fünf unehelich geborene M-gdkinder, welche niemals zur Schule gegangen sind, sind Analpha- beten geblieben, während der Rest, mit Ausnahme eines akademisch gebildeten Verbrechers, bloß eine Gemeindeschule besucht hat. Um ein vollständiges Bild der kriminellen Motive zu gewinnen, mußt« Dr. Michel auch die Art der Belustigung, des Sichvergnügen« und die Lektüre hieser Menschen einer genauen Prüfung unterziehen. Dabei stellte es sich heraus, daß die Gefahr schlechter Filme und
Schundliteratur aus naive Gemüter noch immer nicht genügend ge- würdigt wird. 113 Gewohnheitsverbrecher schwärmen sür Detektiv- romane schlimmster Sorte und beziehen aus diesem Hintertreppen- und Anleitungen zu Verbrechen. 92 Mann aber haben Stuart- ebbs-Filme und Sherlock Holmes   Verfolgte erfolgreich im Leben gemimt und bei diesen Helden Ratschläge für Raub und Diebstahl in sichtbarer Vorführung erhalten. 15!4 sind Gewohnheitssäuser, welche ihr ganzes bei Einbrüchen und dergleichen erbeutetes Geld sofort für Alkohol und Gasienhauer in Kaschemmen ausgaben. Dr. Michel vertritt die nicht uninteressante Ansicht, daß Menschen, deren Eltern bei der Geburt in einem der Natur nicht entsprechenden Altersoerhältnis stehen, kriminell prädestinierter sind als die übrigen. Nach der Ansicht des Kriminalpsychiaters ist diese gefährlich« Alters- differenz dann, wenn der Voter jünger als 24 Jahre ist, während die Mutter das 40. Lebensjahr bereits überschritten Hai. Menschlichkeit ist unsere Bestimmung! Es geschieht nicht genug, um zu helfen, vorzubeugen und moralisch noch nicht Angesteckte vor dem Abgrunde zu bewahren. A. L.
Aufruhr und Nevolution. Durch den allzuhäusigen Mißbrauch des Wortes und durch phrasenhaftes Pathos wurden wir unpathetisch. Um so schwieriger, Wirkung erzielen zu wollen mit Historischem und nur ganz indirekt Vermitteltem. Erklärlich auch, daß der gestrige Abend in der P h i l- Harmonie ziemlich mißlang. Er fand zugunsten der Zeppelin- Eckener-Spende statt, führte den TitelDer Redner" und sollte instruktive Beispiele von Rhetorik und Massenwirkung bieten. Dr. Kurt B a s ch w itz verbreitete sich einleitend lehrhast, ja sogar lehrerhaft, über das Thema. Ruse zu Aufruhr und Revolution in Reden berühmter Politiker sprachen dann Friedrich Kayß- ler, Fritz Kartner und Theodor Loos  . Wir im Saal waren leider nicht französische, englische oder deutsche   Parlaments- abgeordnete, waren nicht sowjetrussische ideenbesessene Jugend, waren nicht italienisches Volk in wilder Rationalschwelgerei damit mußt« man sich natürlich abfinden. Aber es war notwendig, auch Eni- täuschung darüber zu verwinden, daß Danton  , Robespicrre und Pitt ebenso wie Kerensky  , Lenin  , Mussolini   und Bismarck  nur nach dem Manuskript lasen. Aber nicht nur kürzeres, sondern auch eine sorgfältigere Auswahl wäre angebracht: kaum ist es zu verstehen, was Bismarcks Reichstogsrede vom 29. Dezember 188t, in der er seine überfraktionelle Politik verreidigt, mit Ausruhr und Revolution zu tun hat: daß Herr Kayßler gerade in diesem Falle rhetorisch und wohl auch historisch brillierte, sei gern bestätigt. Um bei der Einzelleistung zu bleiben: Herr Kortner   war bei seiner Dantonrede immerhin eindrucksvoll, wenn auch erst ganz zum Schluß mitreißend und eindringlich, Kerensky   gelang daneben, Lenin   wurde fast zur Parodie: es ist gefährlich, einem so intellekt durchgossenen Schauspieler gerade Leninsche Worte zu übertragen, bei denen ohnedies die Freude an der Logik mindestens so spürbar ist, wie die Lust am Pathos. Auch Herr Loos hatte das Pech, am Robes- pierre zu scheitern und an Musiolini gar nicht erst heranzukommen; da» letzte übrigens war gewiß nicht feine Schuld, sondern einzig und allein die des Stückwählers: die Musikalität der italienischen Sprache, der bunte Klang der vielen Einzelworie in jedem Satz, die immer neuen, sich überstürzenden Bilder, die Wirkung der Ueber-
treibung das olles läßt sich im Deutschen   in wirkungsvoller Rede nicht wiedergeben. So war es wohl kann man nach alledem schließen nur den Gesetzen der Sprache zufolge, daß Herr Kayh- ler, der nur Unpathetisches, Pathosloses und Unreoolutionäres sprach, an diesem Abend des Aufruhrs und der Revolution Sieger blieb. Vielleicht hätten auch die anderen und«ir mit ihnen besser abgeschnitten, wenn man etwas aus den deutschen   Bauernkriegen, aus der Zeit von 1848 oder aus dem November 1918 gesprochen hätte. Aber weil es sich hier um unsere Sache gehandelt hätte, um Gegenwärtiges, suhrte man das Publikum lieber nach Rom  , Poris, London   und Moskau  . Erich Gottgetreu.
vier, Schnaps und Spielkarten. Ein« neue englische   Statistik über den Verbrauch von Bier,«chnaps und Spielkarten im Ver- einigten Königreich Hot zu der Feststellung geführt, daß die Eng- länder, die früher sehr starke Schnapstrinker waren, jetzt in weitem Ilmfang dem Schnaps den Rücken gekehrt haben und zum Bier ab- gewandert sind. Gleichzeitig sind sie ollem Anschein nach gewaltige «pielrotten geworden. Im letzten Jahr sind nicht weniger a!s 489 481 Dutzend Spielkarten das ist mehr als doppett soviel wie im Jahre 1913! oersteuert worden. Der Bieroerbrouch hat sich mit rund 35 Millionen Hektolitern gegen die Vorkriegszeit ver- cchtzigfocht, während der Schnapsverbrauch auf 600 000 Hektoliter gesunken ist. Ziemlich konstant geblieben ist der Tabakverbrouch. nachdem er während der Kriegsjahre und in der ersten Rachkricgs- zeit eine jähe Steigerung erfahren hat. Aehnlich verhält es sich mit dem Stand der privaten Vewassnung. Während die Behörden sich vor noch nicht longer Zeit vor Ansorderungen von Wasfenpässen kaum zu retten vermochten, werden gegenwärtig weniger Waffen- Pässe verlangt als 1913. Dafür ist die Vorliebe für Hunde außer- ordentlich gewachsen. Im Lause des Jahres wurden rund 2!-- Mil- lionen neue Hundemarken ausgegeben. Aus der Kriminalstatistik ist hervorzuheben, daß 4169 Personen sich gegen die«chmuggelgcsetze vergangen haben. Da sich unter ihnen mehr als 50 Proz. Frauen befinden, liegt der Schluß nahe, daß es sich in der Hauptsache um den Schmuggel von Seide gehandelt haben wird, die seit einiger Zeit in England mit einem hohen Einfuhrzoll belegt ist.
Erstlwssilhrangen der Woche. Sonst. Kleines Tb.:Himmel auf Erden'. Dienst. Lessing  -Tb.:Der junge Aar". Arelt. Tribüne: Heinrich IV'. Th. am Knrsürilendamm:Regen". llraoia'vorlräge. Theolcr. Moni.(S. 7, S), Dienet.(5, S), Mittw.<5. 7, S), TonnerSt.. ftreit., Sonnab.(5,9), Sonnt.(5,7,9):Im Wunder- lande des ewigen ElleS". Dienst.(7.9):Henro FordS Riesenbetrieb'. DonnerSt.. Freit., Donnab(7):Auf Jagd in der kannadtichen Wildnis'. Hörsaal Mont. bis Sonnt. (8):Ernährung und Genuß". Sonnab.(SO,):Die Grundlagen der Starkstromtechnik'. Sonnt.(S>: .Jihuancu. der Untergang einer Welt'. Mont.(7): Körperbau und Charakter'. Dienst.(7):Vom AtlaS i n S Herz der Sahara". Mittw.(7):GoetbeS Farben­lehre». Freit.(7);.Heine« Prosadichtung". vte Momle Tvtaachamon» wurde dieser Tage au« ihrer llmhlillung herausgenommen. Der Körper war mit Gold bedeckt, ebenso Herz und Lunge mit goldenen Sternen. Ein großer goldener Dolch lag nebe» dem Körper.