Sormtag 22. November 1H2S
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Seilag» öes vorwärts
Wie Grabhügel entstehen! Von Wsewolod Iwanow . (Au» dem Russisch«» übersetzt vp»«'») (Schluß.) Dom Flusse kam ein Krachen, wie bei einem Eisgang, Der Stationskommandant ließ meinen Wagen den Leichenstapeln näher- bringen. Der Sekretär gab wieder eine Mobilmachung der Fuhr. werke bekannt. Ein Rotarmist trat ein. Er war mächtig, mit Fäusten wie aus Eisen gegossen.> .Da ist irgendein Kerl zu dir gekommen. Soll ich ihn rem- lassen, was?' Ein kleiner Mann im Ziegekihalbvelz, der nach cheu roch, ver- beugte sich vor mir tief nach Altgläubigenart. .„Meinen Namen zu hören, hat es Ihnen wohl noch nicht be- stebt,' sprach er halbstngend, als wollte er die Wörter in Reih und Glied stellen,„Unternehmer Gluschkin. Früher, unter dem alten Regime, baute ich Schulen und jetzt Hot man mich laut der allge- meinen Arbeitspflicht airsgehoben. S'ist auch sehr peipstch: zu denken, daß ich soundsoviel Menschen zur Aufklärung verholfen habe und jetzt— solch eine Dankbarkeit! Der Unternehmer setzt« sich mit dem Rücken zum Fenster, sein Bart taute allmählich ab und wurde fuchsig. Es roch noch schSrser noch Heu. „Sie wollen den Fluß verunreinigen, habe ich gehört. Anstatt Pest kann dann Cholera ausbrechen. Haben Sie schon mal gehört, daß man Menschen im Fluß beerdigt? Es sind wohl auch lauter Christen. In einem Grabe wird man beerdigt. Und wenn es einer nicht versteht, so braucht er eben nicht zu morden.' Das Krachen am Flusse wurde immer stärker. „Wollen die da etwa den ganzen Fluß sprengen?' dachte ich ärgerlich. „In ivelcher Angelegenheit sind Sie«igentstch gekommen?' „Ohne Not besuchen wir Militärp misiar. Einen guten Gedanken habe ich.
„Ohne Not besuchen wir jsiilitärpersonen nicht, Herr Kam it. Einen guten Gedanken habe ich.' „Sie möchten wohl einen Auftrag erhallen?' Gluschkin lächelte eigentümlich, als lächelte er mit dem Haar: „Aufträge werden heutzutage nicht mehr vergeben. Alle wollen jetzt aus eigener Kraft emporstreben. Doch wenn Sie fix sind und es auf Ihre Berantworwng nehmen, können wir auch ohne jegliche Grausamkeit begraben.' „Was braucht man dazu?' A Der Unternehmer löste seinen Gurt, ging zur" Schwell«, reinigte sorgfältig seine Stiefel und nahm die Mütze ab. Sein Haar«nt> puppte sich plötzlich als rot, lustig und geträufelt. Beinahe hätte ich jetzt sein„Ha.nlächeln" begriffen. „Mit Umlagen hat man mich zu Tode gequält, Bürger-Genosie, das ganze Vieh nahmen sie mir weg, zwei Kühe, Pferde hatte ich auch für eigenen Bedarf, an Schafen acht Stück...' „Schreiben Sie eine Meldung an das Kreisernährungsamt,' sprach ich zum Sekretär,„sofort herausgeben...' „Mehl nahmen sie mir auch fort. Und wie kann ich ohne Mehl denken, wo ich vielleicht all« zwei Wochen einmal einen guten Ein- fall habe. Zwei Wochen muß ich vorher mich satt csien. Denken kann ich nur mit vollem Bauch."- „Zwei Säcke Mehl, ein Kübel Buller..>. „Ganz richtig... 2luch sind die Kleider abgetragen. Don den kleinen Kindern rede ich gar nicht, die können auch bei nacktem Leib auf dem Oien sitzen, Mein Haar war zu der Zeit in wüste Mähnen ausgewachsen. meine Brille war geplatzt. Ich.fror an den Händen und trug kochssale Chausfeurhandschuhe. M«w ganzes Aussehen war recht unheimlich.'...'.'' Ich schnallte die Pistolentasche ab und fragte den Unternehmer: „Weißt du auch, daß ich unbeschränkte Dollmacht besitze?" Der.Unternehmer schwitzte plötzlich hefllg und durch dos rote Haar sah man. wie eine bläuliche Mattigkeit von seinem Hals emporstieg. „Du weißt es? Run also, wenn du mir nicht in drei Worten und innerhalb von drei Minuten erklärst, worum'es sich handelt, laste ich dich sofort hier, am Trittbrett meines Wagens, erschießen, entkleiden und zu den übrigen Achttausend werfen! Der Anblick seiner lustigen Locken und seines neuen Halbpelzes tat einem direkt leid., „Eine Grube ist hier', mehr mit dem Halbpelz als mit dem Mund sprach Gluschkin,„ein Dreisponn kann hineinfahren.,r. Dort, liegt der best�Sand für Ziegelsteine... In diese Grube also... Jetzt liegt dort Schnee, aber wenn man ihn hinausschafft...'
Und wirklich. Der Schnee war zwar dicht und schwer wie Eis, doch mühelos zogen kleine Tajgo -Pferdchen die klirrenden Klumpen hinaus. Nach und nach entblößten sich die gelben. Ränder der Grube, je tiefer, desto dunkler wurde der Lehm und endlich riß die Erde ihren finsteren Grabeerachcn auf.'» Leicht huschte der Unternehmer Gluschkin hin und her, pflaum- weich war seine Rede und feingemustert waren die Gedanken. „Diese hier haben wohl auch für einen schönen Traum gekämpft. Ein festeres Heim sollte man ihnen bauen, Meister-Kommissar!' „Bau nur, Gluschkin". sprach ich.„bau nur." * lind als die drei Stockwerk tiefe Grube breit genug war, als der in ihr liegende Schnee nicht wie Eis, sondern wie Flocken er- schien,— da wurde aus der Korrektionsanstalt die eingesperrte „Bourgeoisie' herbeigeholl, und mit Leichen beladen« Wagen zogen in langer Kette von der Station. Die Bourgoj/ie, die man bei un« damals die„Dohlen' nannte. nielleicht, weil man sie so einfach, als seien es nur Dohlen, um- brachte, vielleicht auch wegen ihres' sinnlosen Geschnatters— diese Bourgeoisie stand am Grabenrande, packte die Leichen— der eine bei den Armen, der andere bei den Beillen, und warf sie hinunter. Es war noch kalt. Die Leichen klirrten wie Metall oder trockenes Holz Die Erde war auch wie au» Metall, und von diesem gegen- leitigen Aufeinanderprallen sprangen den Leichen Finger, Füße, leichte Kinderköpse ob.., � � Es mute schon, und in der Steppe zeigten sich durch den Schnee einzelne Gräschen. Und gräschenfein erschien die Wärme aus den Wangen. Zu drei'Vierteln wurde die Grube mit Leichen gefüllt, oben- drauf kam mit Schnee vermischter Lehin und Sand. Aus zwei schwarzen Balken bastelte man ein Kreuz zusammen.— Ich reist« ab.,. m Drei Wochen später kam auf meinen Namen in Orsk ein Tele- gramin von der Krcst-Exetutive an:„Geborsten, kommen Sie dringend.')... m - Und schon wieder bin ich in diesem Stadtchen, wo dl« Menschen uuoerständjq und plump sind, als seien sie aus Stückchen ge- kMde,?. Sie hotten mich nicht bestellt, weil sie selbst nicht» unter- nehmen konnten, sondern weil alle« sinnlos war und weil die Sinn- lvsigkelt furchtsam ist...........' tJ.-u....." Das Grab war mit Sand und Schnee zugeschüttet gewesen, halb um halb. Im Frühling sanken die Leichen, dann schwollen sie auf. die Erde barst, und pestileuzartige Fäulnis umhüllte die Stadt. Mher als auf hundert Kkaster an das Grab heranzufahren, war eine Sache der Unmöglichkeit. Das Kreuz war heruntergerutscht, und grauer, citriger Brei quoll aus dem Spall hervor. Wieder holt« nmn die. Bourgeoisie hqrbci. den Mund mit.einem Nossen Lappen verstopft. Auf Handkarren über ein Brettergerüst
Musiolmi unö„ER".
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Herr Mussolini klimmt Se« Seeg hinan Und stimmt Sie fürchterlichsten Reden aa: »Zum Sprung bereit stehu zwei Mtllloaeu Männer Und warten ln Gehorsam auf mein wort!' wir sind ln solchen Schwätzereleu Kenner» sta ihren Zolgen schleppend fort und fort. „Zwanzig Rrmeekorps laß' ich auf der Strecke!
Zerschmettert wird, wer stch entgegenstellt!" Zum Schluß zleht für„SGZNVolk" das Schwert solch Reck» Und hat zum Zeind die ganze weite Welt. Noch klettert Mussolini . Unser Kämpe Ist abgestürzt und brach sich strm und Sein. sta einem Stranch hängt jammervoll die Plempe. Und was, Senlt», wird dela End» fein!
fuhr sie den Lehm zum Spall(Pferde weigerte« sich, z« fahre») und oerstopft« ihn.., Und als er einigermaßen geschlossen war. fuhr ein mit Ziegel- steinen schwerbeladenes Lastauto über da» Grab. Und wie da» erst« Eis unter dem ersten Fußgänger— so bebt« die Erde. Wieder warf man Lehm hinzu, und dos Lastauto lief solange hin und her, bis es wie auf fester Erde stehen konnte. Dann stellte man wieder das ichworze Balkenkreuz in den Hügel hinein. Unternehmer Gluschkin trieb fein« vom Kreisernährungsamt zurückgegebenen Kühe in die Steppe zur Weide hinaus, ich ging nach Orsk , die Bourgeoisie in» Gefängnis, und in der Steppe bliof «in schwarzer, eingebauter Pfosten stehen. Bald fällt der Pfosten hinunter. Ei» Geier setzt stch auf ihn nieder. Dann— auf faulem Holz ein orangegelber Schmetterling, den man bei un»„Totenwächter' nennt. Und die Abendwolken werden wie jetzt sein und trocken fein, wie der Staub auf den Flügeln de« Schmettemng». Und einst, noch taufend Jahren,«ird irgendein jungen Ar- chöologe und Dichter den Hügel ausgrasen. Etwas verstehen wird er nicht. die Zurcht vor dem Tode. Von Otto Meier . Unser aller Leben hat ein feste«, unverrückbare« Ziel: den Tod. allen
Er ist das Schicksal, das uns allen vorausbestimmt ist, dem niemand sich zu entzieh-? vermag. Wir werden geboren um zu sterben. Zwischen den Polen Wieg« und Gnab spielt stch ab. was wir„das leben" nennen. Jene» Leben, das wir unbewußt an unfer Emp-
finden, an unsere Persönlichkeit knüpfen und da» doch lang« vor uns war und nach uns sein wird: ein Teilchen nur der geheimnisvollen Urtraft, der Mutter Natur. Unser Sterben Ist nicht da« End«. E» ist im ewigen Kr.-ßilouf des unerschöpflichen Kräftespiel« der Natur die Auflösung der Form, der natürliche Uebergong, ja, die Borau»« sctzung zu neuem Leben und als solche ein Teil de» Leben» selbst. Es ist da» Schwinden de? Bewußtseins, dos an die komplizierte Form und Berbindung der Stoffe gebunden ist. Deshalb ist da« Sterben die natürliche Äeußerung de« Lebens. Deshalb ist es m ullen Irrungen und Wirrungen das Einzige, was uns gewiß ist. Deshalb darf es, als das Unvermeidliche, uns nicht als Uebel erscheinen, sondern als die Äeußerung der Unsterblichkert des Kreislaufs und der Höherentwicklung. So sollte es wenigstens sein. Und doch ist mit dem Gedanken an den Tod scheinbar unaus- löslich, die Borstellung von etwa» Schrecklichem, unaussprechlich Grauenhaftem verbunden. Fast olle Religionsshsteme hoben vorsucht, die Angst und die Furcht vor ihm durch den Hinweis auf«in Weiter- leben, auf ein Jenseits, auf eine A u f« r st« h u n g zu überwinden. Die Liebe zu den Toten, die Pietät ihren Ruhestätten gegenüber ist den Völkern aller Zeiten eigen gewesen. Aber es hat keinen Sinn, die Augen zu verschließen: das Dogma der zweitausendjährigen christ- lichen Kirche von der Auserstehung hat es nicht verhindern können, daß heute noch«ine an L i e b los i g k« i t g r e nz« nd« Toten- scheu bei den meisten Menschen vorhanden ist. Seinen sprechenden . Ausdruck findet-das Grauen vor dem Tod« in dessen„nllherge- brachtem",«Melalterlichem, mönchischen, Geiste entstammenden Symbol: dasgrinsendeTotengerippc mit der Sense. Diese Borstellung vom Tode ist unsorer Generation durch das Beharrungsvermögen jahrhundertealler Tradition in Fleisch und Blut übergegang»n. Di« Ausklärung unseres Zettalters der Wissenschaft und modernen Technik hat es noch nicht vermocht, hier Wandel zu «schaffen. Nach einen, Worte G o t t h o l d Ephraim L« s f.i« g s .st es zwar»ein Beweis für die wahre, fitt die richtig' verstandene
wahr« Religion, wenn sie un» überall auf da» Schöne zurückbringt.' Aber er hat dies« Feststellung in ausdrücklichem Gegensatz zur christ- lichen Religion in seiner bekannten Streitschrift.„Wie die Allen den Tod gebildet'(1769) getroffen. Und mit der ihm eigenen Klarheit und Schärfe hat er in derselben Schrift formuliert, wie überhaupt der Tod und die Begrifft de» Schreckens und Grausen» zusammen kommen konnten: „Gleichwohl ist es gewiß, daß diejenige Religion, welch« dem Menschen zuerst entdeckte, daß auch der natürliche Tod die Frucht iiiüz der Sold der Sünde sei, die Schrecken des Todes unendlich ver- mehren mußte. Es hat Wellweise gegeben, welche das Leben für eine Strafe hisllen: aber den Tod für«ine Strafe zu halten, das konnte ohne Offenbarung schlechterdings in keine» Menschen Ge- danken kommen, der nur seine Bernunst brauchte. Bon dieser Seite wäre es alfo zwar vermutlich unser« Religion, welche dos heiter« B i l d d e s T o d« s aus den Grenzen der Kunst verdrunaen hätte!" Ist es ein Wunder, wenn die Menschen zwangsläustg mtt der Idee der zu erwartenden Strafe des Tode» auch die Furcht vqr dem Schrecklichem, das durch avltlichen Richterspruäh über st« verhängt wurde, verbanden? So donnert« am 22. März l8S9 im Abge- ordnetenhause der Abg. Pastor Schall mtt folgender Begründung gegen die Feuerbestattung: „Dann aber widerspricht unserer Ausfossung nach die Leichenoer- brennung durchaus dem christlichen Denken und Fühlen. Nach christ- licher Denkweise, die stch stützt auf die heilige Schrift, ist der Tod. dos Grob, die Verwesung die Straf« der Sünde, welche die Menschen in Adam und Eva, ihren Stammeltern, im Paradiese be- gangen haben.„Sobald du davon essen wirst, wirst du des Todes sterben.' So lautet das Gebot de» Herrn, und der Tot folgt« die Strafe nach dem Richterspruch« Gottes. Darin aber, in dem Charakter des Todes, der Trennung von Leib und Seele als Strafe der Sünde, darin liegt der Stachel, den der Tod und da» Grab für uns Menschen überhaupt haben, und gegen den sich unser« menschliche Natur aufbäumen möchte. Aber— der Strafe sich unterwerfen, dem Richterspruche Gottes sich beugen, das ist christlich. Und das ist es, was die Leichenverbrennung will, dem Grabe und der Verwesung entgehen, dem Richterspruch Gottes stch entziehen." Eine Straf« muß notwendigerweise etwa» übles sein. Wenn es anders wäre, hätte sie ihren Zweck verfehlt. Durch die Stiamati- fierung des Todes als schrecklich« Strafe nach göttlichem Richterspruch hat die christliche Religion jene lähmende Todesangst vor dem grinsenden Gerippe hervorgerufen, die bei den meisten Gläubigen auch nicht durch die sehr problematiich« Hoffnung aus die einstige Auserstehung und die etwaigen Freuden des Paradieses überwunden wird. Es ist nicht immer so gewesen. Hessing smach bereits von einem „heiteren Bilde des Todes. Es ist sein Verdienst, in seiner schon er- wähnten Streitschrift nachgewiesen zu haben, daß die alten Griechen und Römer weit«nsfemt davon waren, dem Tod« ein höhliches abschreckendes Bild zu verleihen. Es entspricht ganz der religiösen Anschauungsweise der Alten und ibren Borstellung«» vom Tode, daß sie ihn als Sinnbild des Genius varstellien. der sich in der Gestalt eines schönen Jünglings auf die umgestürzte, ver- löschende Fackel stützt. Wie grandios symbolisierten s«« die Unsterblichkeit im Schmetterling, in der Derwandtung der Raupe ttber den Schlaf m der Puvpe zum geflügetten Esten, länd wie mit hauchzarter Poest.' Übergossen erscheint uns heute dt« griechisch« Allegorie von den Parzen, die den Lebensfaden spinnen und zerschneiden. Für die Atten hatte Thanatos, der Genius de» Todes, nichts Abschreckendes. Sie hielten ihn für den Bruder des Schlaf«», H y p n o». Sie hatten de» verschiedensten Uebeln Altäre errichtet, um sie fern zu halten. Dem Tode wurd« kein Altar gebaut: man hielt ihn für natürlich, für Unabweisbar, für die B e- dingung de» Lebens. Nichts kann die völlige Vorurteils- losigkeit der Alten dem Tode gegenüber besser illustrieren, als ein