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Relchsrat onö Jürsorgegeset;. Eine Stimme aus dem Reichsrat. Von einem parteigenössischen Mitglied des Reichsrats werden wir um Aufnahme des folgenden ersucht: Es fei gestattet, zu dem Artikel des Genossen Stein köpf über.Anmaßungen des Reichsrats" in Nr. 557 des .Lorwärts" vom 25. d. M. einige Gegenbemerkungen zu machen: Der Artikel enthält in mehrfacher Hinsicht Ausführungen, die einer Richtigstellung bedürfen. Es soll hier nur die eine Streit- frage besprochen werden, die den hauptsächlichen Anlaß zu dem Artikel gegeben hat, nämlich das Gesetz über die Abänderung der Fürsorgepflicht. Es wird in dem Artikel so dargestellt, als habe es sich um eine .rigorose Haltung der Reichsregierung und des Reichsrats gegen- über den armen Sozialrentnern" gehandelt. Daß dieser Vorwurf nicht berechtigt ist, dürfte schon aus dem Umstände er- kannt werden, daß der Einspruch des Reichsrats gegen das vom Reichstag beschlossene Gesetz nicht, wie der Artikel irrigerweise be- hauptet, mit einer Mehrheit von nur 2 Stimmen, sondern mit 63: 2 Stimmen, also fast«in st immig, beschlossen worden ist. Es haben also u. a. auch Preußen und Sachsen an dem Ein- spruchsrecht mitgewirkt. Der Grund des Einspruchs lag nicht darin, daß den Sozial- rentnern nicht eine Besserstellung gegönnt wurde. Es ist immer .verkannt worden, daß dem Gesetzentwurf ein berechtigter Gedanke innewohnte. Wohl aber war es die übereinstimmende Ueberzeugung der Länder, die gleichfalls vom Deutschen Städtetag und von den Bezirksfürsorgeverbänden geteilt wurde, daß der Reichstogsbeschluß die bestehenden Fürsorgegrundsätze, die auf der individuellen Behandlung der einzelnen Fäll« beruhen, zu- gunsten eines sehr fragwürdigen Schematismus über den Hausen werfen würde. Westerhin beruhte der Einspruch daraus, daß der Reichstag unterlassen hoste, den Ländern und Kommunen die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen bedeutenden Geldmillel bereitzustellen. Für Preußen allein wurde der Mehraufwand auf fast 200 Millionen Mark im Jahr geschätzt. Di« Bezirksfürsorge- verbände waren, wie die Dinge nun leider einmal liegen, über- Haupt nicht in der Lage, den Reichstogsbeschluß wirklich in die Praxis zu übersetzen. Der Reichsrat hat es aber auch nicht bei einem bloßen Rein .bewenden lassen, sondern war zugleich bemüht, den berechtigten ' Kern des Gesetzentwurfes herauszuschälen und etwas zu schaffen, was unter Vermeidung der vom Standpunkt der Fürsorgepslicht bedenklichen Schematisierung den berechtigten Forde- rungen der hilfsbedürftigen Sozialrentner nach Möglichkeit entgegenkommen sollte. Es erfolgte ohne Verzug eine intensiv« Beratung zwischen Reichsrat und Reichsregierung und das Ergebnis war die Reichsverordnung vom 7. September 1925, in der unter Vermeidung der erwähnten Unzuträglichkeiten ein Ersatz für den Reichstogsbeschluß geschaffen werden sollte. Der Reichstag mag nunmehr möglicherweise der Ansicht sein, daß die Verbesserungen, die in der neuen Reichsverordnüng den Sozial- rentnern gewährt werden, noch nicht genügen. Jedenfalls ober ergibt sich bei sachlicher Betrachtung der Vorgänge, daß ein be- rechstgter Anlaß zu einer solchen Herabsetzung des Reichsrats, wie sie in dem in Frag« kommenden Artikel entHollen ist, nicht besteht. EineAnmaßung des Reichsrats" kann aber auch darin nicht gefunden werden, daß er den Beschluß des Reichstages als«inen nicht verfassungsmäßig zustande gekommenen bekämpft hat. Man darf es ihm nicht verübeln, wenn er sich dagegen zur Wehr fetzt» daß sein Einspruch, der nunmehr auf einer einstimmigen Begrün- ding beruhte, ohne jede vorherige Ankündigung überraschend auf die Tagesordnung de» Reichstages gesetzt wurde und daß ihm so die Möglichkest genommen blieb, seine Stellungnahme vor dem lleichstag zu vertreten, wie es durch die Reichsverfassung gewähr- leistet ist. Es werden sich in Zukunft solche Reibungen zwischen Reichstag und Reichsrat gewiß vermeiden lassen, wenn man auf beiden Seiten ehrlich bemüht sein wird, Konflikten vorzubeugen. Schließlich noch ein« Bemerkung: Warum denn olles zusammentragen, um den Reichsrat als reaktionäre Körperschaft auszugeben und anzuklagen? Gerade als Sozialdemokrat sollte man nicht außer acht lassen, daß doch eine stattliche Anzahl sozialdemokratischer Regierungsmitglieder der deutschen Länder Mitglieder des Reichsrats sind und daß das preußische Staatsministerium, an dessen Spitze ein Sozialdemokrat steht, das stärkste Stimmenkontingent im Reichsrat führt. Es ist doch vielleicht aus jüngster Zeit die Tatsache kennzeichnend, daß in dem vermeinstich so besonders reaktionären Reichsrat die L o- carno-Verträge mit 44: 4 Stimmen, bei einigen Enthal» tungen, angenommen worden sind. Ein Stimmenverhältnis, wie es so günstig im Reichstag entfernt nicht erreicht worden ist.

�itlertreue unÜ Monarchiftenwünsche. Momentbilder auS einem Freistaat. Braunschweig . 27. November.(Eigener Drahtbericht.) Anfang November haste bekonnstich Adolf Hitler in öffentlichen Ver- sammlungen in Braunschweig reden dürfen. Der deutschnatio- n a l e Innenminister Lieff hat trotz des Einspruches der Sozia» demokratie, des Reichsbanners und der freien Gewerkschaften den Oberputschisten reden lassen, der außer in Mecklenburg und Braun- schweig nirgends in Deutschland sprechen darf. Unser Parteiblatt, derVolksfreund". entrollte in einem ArttkelHerr Minister Liess, kennen Sie Hitler " ein Bild von dem verbrecherischen Wirken Hitlers und ersuchte den Innenminister, diesen Hochverräter von Braun» schweig fernzuhalten. Al» die Genehmigung nicht zurückgezogen wurde, wandte sich derDolkssreund" in einem ArtikelDer Schutz» engel des Hochverräters' gegen den Innenminister. Auch im lokalen Teil erschienen kleinere Artikel, in denen die Arbeiterschaft zur Gegendemonstration aufgefordert wurde, umer anderem ein Aufruf des Reichsbanners. Am Tage nach der Hitler-Verfamm- lung war dieLandeszeitung bereits in der Lage, mitzuteilen, daß legen die Redaktion desVolksfreund" ein Strofoerfahren wegen Beleidigung des Ministers eingeleitet würde. Tatsächlich entfalteten tzolizei' und Justiz sofort eine eistige Tätigkeit. Im Bureau des Reichsbanners wurde nach einem Rundschreiben gebaussucht. Der polstische Redakteur unseres Parteiblattes muhte schon zur Bor- Vernehmung vor der Kriminalpolizei erscheinen, wo ihm eröffnet wurde, daß gegen ihn wegen Verletzung der§{j 186 und 187 de» StGB, und des§ 8 Abs. 1 des Republikschutzgesetzes da» Straf- verfahren eingeleitet werde, ebenso gegen den Lokalredokteur, der als Landtagsabgeordneter vorläufig den Schutz der Immunität hat. Allerdings besteht nach früheren Ersahrungen kein Zweifel darüber, daß die schwarzweißroie Einstimmenmehrheit im Braunschweiger Parlament die Immunität ausheben wird. Vermutlich wird man auch noch den Vorsitzenden des Bezirkskartells der freien Gewert- schaften vor den Kadi ziehen, weil er damals Handzettel verbreiten ließ, in denen zur Gegendemonstration, aber auch zur unbedingten Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung aulgesoidert wurde. Die Braunscbweiger Justiz wird also die Redakteure des einzigen republikanischen Blattes im ganzen Lande obuiteilen, weil sie an- geblich einen Minister beleidigt haben, der als Mitglied der deutsch - nationalen Partei für sich da» Republitschutzgesetz in Anspruch nimmt!

> Für den notwendigen Humor bei dieser ernsten Sache sorgt der neue Chefredakteur derBraunschweigischen Staatszeitung", der Volksparteiler Dr. Goldammer, der bis vor kurzem in Berlin an Stresemanns inzwischen eingegangenerZell " wirkte. In der Polemik gegen unser Braunschweiaer Parteiblast verkündet er, die Redeerlaubnis für Hiller sei der Triumph wahrer Demo­kratie! Die Braunschweiger Regierung habe zum erstenmal in Deutschland die erhabenen Grundsätze politischer Toleranz und Gleichberechtigung zur Durchführung gebracht. Neuerdings hat sich dieser Staatsredakteur im Ueberfchwang seiner Gefühle als M o n- a r ch i st bekannt. In einem Artikel des Regierungsblattes nahm er zu Locarno Stellung, beklagte das Versagen der Deutsch - nationalen, empfahl die Locarno -Verträge als einen Anfang zur Herstellung des europäischen Friedens, trat sogar für die Abrüstung und für den Verzicht aus Elsaß-Lothringen ein, well ja doch niemand mehr um dieses Landes willen in den Schützengraben wolle und weu sich in dem Lande selbst keine Stimme mehr für Deutschland erhebe. Um aber die unausbleibliche Erregung der Braunschweiger Ratio- nalisten von vornherein abzudämmen, schrieb er zum Schluß: wir sähen es wohl alle lieber, wenn heule noch ein mächtiger Kaiser die Parade einer buntbewimpellen Flotte abnähme oder in deutscher Generalouniform als Garant des Weltsriedens vor dem Tore des Zanustempels stünde. Was Hüft aber alles Rückschauen? Wir haben auch einen Bismarck gehabt, der uns gelehrt hat, mit nüchternen Tatsachen zu rechnen, und wenn man einen Krieg ver- loren hat und in einer derartigen wirtschaftlichen und sozialen Zerrüttung lebt, wie wir sieben Jahre nach 1913, dann muß man vernünftig genug sein, sich nicht die Sterne vom Himmel zu wünschen, sondern Schritt für Schritt das verlorene Terrain wiederzugewinnen suchen und dl« Führer auf diesem furchtbaren Wege durch die Wüste nicht für Menschen halten, die jeder Vorsitzende irgendeines politischen Stammtisches für Hochverräter und Idioten erklären darf." Der Redakteur des Regierungsorgans eines republi- kanischen Freistaates gesteht damll ein, die Monarchie zu er- streben, nur will er es nicht laut und lärmend, sondern heimlich, still und leise tun. Die braunschweigische Regierung schweigt natür- lich zu derEntgleisung" ihres Redakteurs.

Srianü versucht öie Koalition üer Mitte. Loucheur �iuanzmiuister? Paris, ??. November.(Eigener Drahtbericht.) 8 r t a n d. der am Donnerstag abend nach der Ablehnung herriots vom Präsidenten der Republik erneut mit der Bildung der Regierung beauftragt worden ist. hat seine Besprechnngen aus heute Freitag verlagt. Seine Bemühungen dürsten diesmal der Bildung eine» ausge­sprochenen Konzentratioasministerinms gelten, gegen das der bisherige Widerstand der Radikalsozialen nach der Weigerung der Sozialisten, sich an einem Kabinett Herriol zu beteiligen, beträcht- lich abgenommen hat. Briand wird voraussichtlich versuchen, außer den drei bürgerlichen Gruppen de» Kartell» die republikanischen Mitlelgruppen zur Mitarbeit heranzuziehen. In dem von Briand zu bildenden Kabinett wird voraussichtlich Loucheur das Ministerium der Finanzen znsallen. Weilerhin soll Briand beabsichtigen, sich die Mitwirkung herrlot» und P a i n l e v 6 s und des ehemaligen Ministerpräsidenten£ e y g n e» als Vertreter der Mitlelgruppen zu sichern.

Gegen Sie Klassenjustiz in Gnglanü. Protcstfeldzufl der Arbeiterpartei und der Gewerkschaften. £ o n d o n. 27. November. (Eigener vrahtbericht.) Da» Klassen- urteil gegen die Kommunisten hat bei der britischen Arbeiterschaft tiefe Erregung hervorgerufen. Da» kommt in der Tatsache zum Ausdruck, daß der Vorstand der Gewerkschaften und der A r- beiterpartei am Vonnerstag zu einer außerordentlichen ge­meinsamen Sitzung zusammentrat. Die Vertreter der Ar- beiterpartei und der Gewerkschaften einigten sich aus eine Ent­schließung. in der der po l i t i s ch e Charakter des Urteils gegen die Kommunisten betont und auf den Kontrast hingewiesen wird, zwischen dem Urteil gegen die Kommunisten nnd der jüngsten F r e i l a s s n a g der F a s ch i st e n. die ein Auto de»Daily herald" überfallen und beraubt haben. Gewerkschaflea und Arbeiterpartei werden ansgesordert, lm ganzen Lande einen protestseldzug gegen diese Klassenjustiz und Unterdrückung der Meinung»- und Redefreiheit einzuleiten. Protest der Kommunisten und der Unabhängige«. London . 27. November. (WTB.) Der zentrale Vollzugsaus­schuß der Kommunistischen Partei veröffentlicht ein« lange Kund» gebungAn alle britischen Arbeiter", worin der Prozeß gegen die zwölf Kommunisten alserste Bewegung in dem neuen allgemeinen Angriff auf die Löhne, die Arbeitszeit und die Freihesten der Arbeiterklasse" bezeichnet wird, zu dem die kapitalistische Klasse durch die Liverpooler Beschlüsse der Arbeiterpartei ermutigt war- den sei. Der Nationalrat der Unabhängigen Arbeiterpartei veröffensticht einenenergischen Protest" gegen das Strafverfahren und die auferlegten Strafen, und fordert die 1100 Ortsgruppen der Partei auf, sofort öffentliche Kundgebungen zu veran- stalten, umdie tyrannische Tollheit" der Regierung zu brandmarken und die Freilassung der Häftlinge zu fordern. Der Vollzugsausschuß der Bergarbeiterföderation erwog den Worstaut einer Protestentschließung gegen die Verurteilung der Kom- munisten und gegen denVersuch der Regierung, dos Recht der Redefreihest zu verletzen".

Tstbitstherm bei GriaaÜ. Die rusfisch-französtsche Schuldeuregelung. Pari». S7. November.(Eigener Drahtbericht.) Der russische Volkskommissar des Auswärtigen T s ch i t s ch e r i n. der am Donners- tag früh in Paris angekommen war, hast« im Laufe des Nachmittags «in« längere Unterredung mit dem Außenminister Briand und daran anschließend mit dem Generalsekretär des Auswärtigen Bert Helot. Beide Unterredungen haben vor allem der Rege- lung der russischen Schulden an Frankreich gegasten. Wie derPetit Parisien" mitteilen zu können glaubt, soll vereinbart worden sein, diese Frage be- einem zweiten längeren Aufenthalt Tschitscherin » nach seiner Rückkehr au» Südsrankreich in etwa 14 Tagen einer gründlichen Prüfung zu unterziehen, um eine baldige Regelung herbeizuführen.

General 5eng besetzt Peking . London . 27. November.(Eigener Drahtbericht.) Der Ehristen- general F« n g D u h S i a n g ist mit einer Truppenmacht von zwei Divisionen in Peking eingerückt.

Die Zaternatioual« Frauen-Liga für Frieden und Freiheit richieie an die thüringiscbe Siaaldregieiung ein Protest- schreiben wegen der ihrer«nsicht nach verfassungswidrigen Verhinderung der letzien öffentlichen Versammlung. Sie erwartet eine baldige Rückgängigmachung deS Verbote« und behält sich bor , die ihr entstandenen pekuniäre» Verluste geltend zu mache».

Gewerksthoftsbewegung Die flufkiärungsarbeit unter öen?ugcnö1?chen. In einer Zusammenkunft der Metallschleiser- und Gal- vaniseurlehrlinge in Ewalds Bereinshous am Dienstag sprach H e l 1 w i g, Jugendsekretär des Metallarbeiteroerbandes über .Lugend und Organisatio n". Mit manchen Hoffnungen und Zukunftsträumen tritt der Jugendliche in die Lehre, um nur zu schnell seine schönen Träume zerrinnen zu sehen. Gar bald sähst er, daß seinen ästeren Kollegen die Arbeit nicht eine freudige Eni- saltung innersten Betätigungsdranges, sondern eine drückende Fron ist. Eine drückende Fron deshalb, weil die meist ungenügende Be- zahlung, die zermürbende Akkordarbeit, die bange Sorge um die nächste Zukunft und das Aster eine Freude an dem Werke nicht aus- kommen lassen. Und so merkt er auch bald, daß nicht nur der in Zest- oder Stücklohn beschäftigte ältere Kollege, sondern auch er als Lehr- ling für den Unternehmer nur ein Mittel zum Zweck, und zwar zum Zwecke des Prositmachens ist. Diese Erkenntnis soll nun aber der Jugendliche»'cht dumpf brütend in sich aufnehmen und sich damst abzufinden suchen, daß es schon immer so gewesen sei, sondern er soll sich damit beschäftigen, wie dem wohl abzuhelfen sei. Vor 20 oder 30 Iahren waren die Lehrverhältnisse bedeutend schlechter als sie es heute sind. Da sind es die alleren Kollegen gewesen, die durch unermüdliche Arbeit in den freien Gewerkschaften dafür gesorgt haben, daß das Lehrverhältnis wenigstens etwas sozialer gestallet wurde. Erinnert sei nur daran, daß der zur Erweiterung des Fach- Wissens nötige Fortbildungsschulunterricht jetzt durch gesetzliche Regelung während der Tagesstunden erteist werden muß, während er früher in die Stunden nach Feierabend fiel, wo der Lehrling abgespannt und wenig aufnahmefähig war. Damals war es den Jugendlichen unter 18 Jahren durch das Vereinsrecht untersagt, selbst durch die Zugehörigkeit zu den Gewerkschaften mit einzutreten für die Erkämpfung besserer Arbeitsbedingungen. Heute ist ihnen die Möglichkeit aber geyeben und nun müssen sie sie auch nach besten Kräften ausnützen. Sie müssen in die freien Gemerk- schaften hineingehen, in denen ihnen auch das nötige Wissen bei- gebracht wird, daß sie als Rüstzeug für den wirtschaftlichen Daseins- und Befreiungskampf der gesamten Arbetterklasse gebrauchen. Sie dürfen sich nicht in mehr oder weniger militärisch aufgezogenen Vereinen und Verbänden betätigen und sich zu politischen Zwecken mißbrauchen lassen, sondern sie sollen sich durch Schulung in den freien Gewerkschaften zu wissenden Trägern einer besseren Gesell- schaftsordnung heranbilden. Nur wenn Jung und All in den Ge- werkschasten Schulter an Schulter steht, wird es möglich sein, schon ehe dieses erstrebte Endziel erreicht ist, die jetzigen Lohn- und Ar-, beitsbedingungen besser zu gestasten. Die gespannte Aufmerksamkeit während des Vortrages und die im Anschluß daran vollzogenen Neuaufnahmen vieler jungen Kol- legen waren Deweis genug, daß die Ausführungen des Referenten bei den jungen Kollegen Anklang und Verständnis fanden.

Aufficht" in der AEG. Man schreibt uns: Was in dem sogenannten Musterbetriebe der AEG/FKU., dem früheren Arbeitsfeld eines Rathenau möglich ist, zeigt folgender Borgang: Eine Stenotypistin, bewaffnet mit Seife und Handtuch, ist ge» zwungen, einen gewissen Ort aufzusuchen. Auf dem Wege dahin wird sie von einem Herrn aufgehalten mst der brüsken Frage: Wo wollen Sie hin?" Die Dame muß ihr Reiseziel anheben, worauf sie von dem Herrn gefragt wird,ob sie nicht wisse, daß eine derartig« Unterbrechung(!) der Arbeit fristlose Entlassung rw Gefolge haben könne". In der sich entspinnenden erregten Auseinandersetzung sieht dieser eigenartig veranlagte Herr ein, daß er zu well gegangen ist und läßt beim Weggehen gleichsam als Entschuldigung dem Gehege seiner Zähne die Worte entfallen:Das haben sich die Damen durch ihre Uebertreibung(!) selbst zu- zuschreiben." In den Zeiten des rücksichtslosen Abbaues ist bei der AEG. Gelt da, zur Unterhaltung von mit derartig taktlosen Funktionen be­trautenBeamten". Daß nebenbei sich ein verabschiedeter Ossi-' zier zu solch einem Latrinenbeobachterposten drängt, ist bei der Charakterveranlagung vieler solcher Typen begreiflich. Es fragt sich nur, ob durch solchen Vorgong wie diesen, die Arbestsfreudigkett der so kärglich bezahlten Angestellten erhöht wird.

Salüwla über Sozialpolitik. Aktennoliz für die deutschen Unternehmer. Wie ruhig und sachlich auch heikle Fragen der Sozialpolitik betrachtet werden können, dafür zeugen Ausführungen, die kürzlich der englische Mini st erpräsident Baldwin auf einei Festsitzung des Nationalen Instituts für indu- strielle Psnchologi« machte. Baldwin, der nicht nut englischer Ministerpräsident, sondern auch einer der größten Stahl- und Eisenindustriellen Großbritannien « ist, sprach bei seiner Tischrede von der Bedeutung des Instituts für dos Studium des ganzen Produktionsfaktors Mensch in Beziehung zur Maschine und zur Arbeit. Er verglich die Stel- lungnahme zu der arbeitspsychologischen Bewegung mit der Ein- stellung der Völker zum Völkerbund. Zwei Widerstände müßte« überwunden werden: das V o r u r t e i 1 der Leute, die von ihr nichts erwarten, aber auch die Unterstützung derjenigen, die an ihre All- macht glauben. Echt englisch stellte er sein Beispiel für die Nütz- lichkeit von Anpassung und Auslese«ms dem Gebiete des Sport». Er bestritt den Widerwillen der Menschen gegen die Arbeit, insofern diese nur in einer schmackhaften Form geboten werden könnte und der Arbester ein vernünftiges Maß von Erholung erhält. Er schloß: Nein, die wahren Feinde sind Ueberarbeitung, Unterbezahlung. Unsicherheit und schlechte Arbeitsbedingungen.(Hört, hört!) Da» sind die wahren Uebel. Weil sie ein hochstehender Unternehmer ausspricht, klingen dies« Worte, die von den Gewerkschaften fest Iahrzebmen ver- treten werden, wie eine Offenbarung. Wo fit der deutsch « Unternehmer solchen Formats, der vor seinen Standesgenossen sich öffentlicher zu dieser auch wissenschaftlich als vernünftia an­erkannten Auffassung bekennt? Der Unterschied zwischen der sozicch politischen Auffassung des englischen Unternehmers Baldwin und der der deutschen Unternehmer, soweit sie in der Vereinigung deutscher Arbeitgeberverbände tonangebend sind, wird so recht klar, wenn man sich die Tätigkeit dieser Vereint- g u n g vergegenwärtigt. Dieunwissenschaftliche" Denkschrift gegen den Achtstundentag und die nicht weniger wissen- schoftliche für den Lohndruck, sie sonstigenA u f k l ä- r u n g s s ch r i s t e n", die unter der Arveiterslyaft verbreitet werden, die direkten und die aus derAktennotiz" bekannten indirekten Ver- suche, die Behörden gegen die Arbeitnehmerschaft zu b e e i n- s l u s s e n, die Manöver zur Irreführung der Oeffent- l i«b k e i t zur Ablenkung von offenkundigen Mißständen, der Sturm- laus gegen dievielen L a st e n", kurzum die ganzen hinter- hältigen Treibereien lassen erkennen, wie weit unsere st i l l« g e n- den.Wirtschaftsführer" noch von der Erkenntnis eine» Baldwin entfernt sind und wieviel unsere Gewerkschaften deshalb noch zn tun haben.

Der SiemengeSchuckert-Lohnüruck in?r!anü. London , 25. November.(Eigener Bericht.) Aus dem Freistaat Irland wird gemeldet, daß nunmehr in den Ortschaften Cork und L i m e r i ck die Kampagne der irischen Arbeiterpartei gegen die Löhn« eingesetzt hat, wie sie von der deutschen Firma Siemens den Ar- besten» an den Shannonbauten geboten wurden. Die 32 Schilling, die Siemens für eme 50.Swnden.Woche bietet, siegen unter den gewerkschaftlichen Löhnen und stellen eine gefährlich-