Nr. 562 42. Jahrg. Ausgabe A nr. 287
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Sonnabend, den 28. November 1925
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Der Reichstag hat gestern in der Schlußabstimmung das Locarnogesetz mit 281 gegen 174 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen.
Ueber Artikel 1 wurde namentlich abgestimmt. Es stimmten 474 Abgeornete ab, davon 174 mit ein, 300 mit Ja. Der Artifel 1 ist also angenommen.
Ueber den deutschnationalen Antrag: dem Artikel 2 folgenden Absah 2 hinzuzufügen:
gelehnt.
angenommen.
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ihren demnächst erfolgenden Rücktritt angekündigt hat, entzieht die den Vertrag von Locarna vorläufig unterzeichnet hat, nach der Reichstag der Reichsregierung, das Ber: der Wendung der bisher stärksten Regierungspartei gegen trauen, dessen sie nach Artikel 54 der Reichsverfaffung bedarf." den Vertrag im Reichstag teine Mehrheit mehr besitzt. Das 285 Abgeordnete stimmen mit Rein, 121 mit Ja, 61 Abge. Verhältnis der Parteien, die im Reichstag für das Gesetz ordnete haben sich der Stimme enthalten. Der Antrag ist also abgestimmt haben Sozialdemokraten, Demokraten, Zentrum, Deutsche Volkspartei , Bayerische Volkspartei gegen die Opposition, die sich aus Deutschnationalen, Kommunisten und Böifischen zusammensetzt, gibt ein Maß für die Kräfte des Friedens gegenüber den Anhängern der alten Gewaltpolitik im Parlament. Im Bolte selbst sind die Kräfte des Friedens unzweifelhaft noch stärker, als es in den Abstimmungsziffern im Reichstag zum Ausdruck kommt.
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Der Reichstag hat das Gesetz über den Vertrag von Zum Eintritt Deutschlands in den Bölkerbund bedarf Locarno und den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund es eines besonderen Gesetzes" mit großer Mehrheit 300 gegen 174 Simmen- anwurde wiederum namentlich abgeffimmt. genommen. Der Reichspräsident wird heute das Gesetz unterzeichnen. Es wird sofort verkündet werden. Am 1. De zember werden die Vertreter der deutschen Regierung den Bertrag von Locarno in London unterzeichnen.
471 Abgeordnete gaben diesmal ihre Karten ab. 4 2bgeordnete enthielten sich der Stimme. 183 ffimmten mit Ja, 284 mit ein. Der deutschnationale Antrag ist also abgelehnt. Ueber den Artikel 2 selbst wurde gleichfalls namentlich abgestimmt.
Für den Artikel 2 ftimmten 278 Abgeordnete mit Ja, 183 mit Rein, 6 Abgeordnete haben sich der Abstimmung enthalten. Der Artikel ist also angenommen.
Auch die Schlußabftimmung war namentlich. 468 gaben ihre karte ab. 3 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten, 174 mit ein, 281 mit Ja gestimmt. Das Geseh ist also angenommen.
Präsident Löbe stellt feft, daß bei einem verfassungsändernden Gesetz zwei Drittel der Mitglieder des Reichstags sich an der Abstim. mung beteiligen müßten. Diese Zahl sei erreicht. Dagegen hätten nicht zwei Drittel der anwesenden Abgeordneten für das Gesetz ge= stimmt, es sei also mit einfacher Mehrheit angenom= men worden.( Abg. Graefe ruft: Es ist also abgelehnt!) Präfident Löbe: Ich habe das lediglich festgestellt, ohne zur Frage der Berfaffungsmäßigkeit Stellung zu nehmen.
Die Entschließung der Bayerischen Boltspartei: Der Reichstag wolle beschließen: die Reichsregierung zu ersuchen, von der Ermächtigung des Ar. tifels 2 des Gefeßes nur Gebrauch zu machen, wenn sich auch durch weitere Tatsachen die Auffassung der Regierung bestätigt, daß die Gegenfeite in den schwebenden Fragen, insbesondere den Fragen der Rheinlande, eine Politik der friedlichen Berständigung befolgt,"
wird in einfacher Abstimmung abgelehnt, dagegen die Entfcließung des 3entrums, der Demokraten und der Deut schen Boltspartei:
„ Der Reichstag wolle beschließen, die Reichsregierung aufzufordern, mit allen Kräften bemüht zu sein, bis zum Eintritt Deutschlands in den Völkerbund eine dem Sinne des Vertragswerts von Locarno entsprechende Erweiterung der jogenannten Rüdwirkungen zu sichern,"
angenommen.
Ueber den völkischen Antrag:
„ Der Reichstag molle beschließen:
Für den Fall der Annahme des Entwurfs eines Gesetzes über die Verträge von Locarno und den Eintritt Deutschlands in den Böllerbund: Die Verkündung dieses Gesetzes ist um zwei Monate auszusehen,"
wird auf Vorschlag des Präsidenten wiederum namentlich abgeftimmt. Es geben 481 Abgeordnete ihre Karten ab. 109 Ab.
Die Tatsache, daß die Annahme des Gesetzes durch den Reichstag noch vor dem Beginn der Debatten über Locarno feststand, darf nicht verdunkeln, daß der Beschluß des Reichs Der Gedante des Friedens und der Berständigung ist im Bartags von großer geschichtlicher Bedeutung ist. lament zum Siege geführt werden, trotzdem die Regierung,
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Es wurde viel bemerkt, daß sich an den Abstimmungen auch Herr Schiele beteiligte. Er stimmte mit den Deutsch nationalen gegen den Vertrag von Locarno . Er hat die Parteidisziplin über seine frühere beffere Einsicht gestellt. Das ist die Treue, wie die Deutschnationalen sie verstehen: die Treue gegenüber der Partei über die Treue gegen das Baterftimmung Schieles tritt bie Unehrlichkeit der deutsch land und über die Treue gegen sich selbst. In dieser Abnationalen Oppofition hervor. Herr Schiele stimmte mit
Das Kabinett Briand- Loucheur.
Ohne Sozialisten.
Keine sichere Kammermehrheit.
bis in die späten Abendsfunden von den Parteien der neuen Mehrheit Radikalsozialisten, die von einer Koalition mit den bisher mit der Paris , 27. nov., 9,30 Uhr abds.( Eigener Drahtbericht.) Die| den französischen Genossen, sondern auch bei einem großen Teile der geführten Verhandlungen haben zu einer Einigung geführt, die das Reaktion liiert gewesenen Mittelgruppen nichts wissen wollten, auf Zustandekommen eines neuen Kabinetts Briand , das in letter minute durch neue Unstimmigkeiten in der Finanzfrage gefährdet erfchien, als nunmehr gesichert gelten läßt. Havas gibt folgende vorläufige Minifterlifte aus, die aber, da die Berteilung der Portefeuilles noch nicht endgültig fein foll, noch Veränderungen erfahren fann:
Ministerpräsident und Außenminifter: Briand ( Republitanischer Sozialist),
Juftiz: Chau temps( Demokratische Linke), Inneres: Daladier ( Radikalfozial), Finanzen:£ oucheur( Radikale Linke). Krieg: Painlevé ( Republikanischer Sozialist), Marine: Lengues( Cinksrepublikaner), Landwirtschaft: Roustan( Demokratische Linte), Handel: Daniel- Bincent( Radikale Cinke), Arbeit: Durafour( Radikalfozial), Kolonien: Périer( Demokratische Linke), Unterricht und Kunst: Durand( Radikalfozial), Staatssekretäre im Ministerpräsidium und Minister der Auswärtigen Angelegenheiten: Caval( Republikanischer Sozialiff), Technischer Unterricht: Rameil( Republifanischer Sozialist, Krieg: Ossola( Radikalfozial), Luftfchiffahrt: Eynac( Radikale Linke).
Briand nicht weniger als zehn Mitglieder des letzten kabinetts Painlevé , davon 7 Miniffer und 3 Unterstaatsfekretäre, in fein Ministerium übernehmen.
Nach dieser Lifte, die noch nicht vollständig zu sein scheint, da fie geordnete ha ben sich der Stimme enthalten( hört! die Inhaber der Portefeuilles der öffentlichen Arbeiten und das hört! und großer Lärm bei den Kommunisten.), 64 Abgeord- Unterstaatssekretariat für die zerstörten Gebiete nicht enthält, wird nete mit Ja, 308 mit ein gestimmt. Präsident Löbe erklärt hierzu, daß es zweifelhaft sei, ob zur Annahme eines solchen Antrags ein Drittel aller Abgeordneten oder nur ein Drittel aller anwesenden Abgeordneten notwendig sei. Er stellt fest, daß das Drittel in beiden Fällen nicht erreicht fei.( Gelächter bei der Mehr heit.) Damit ist der Antrag, der das Gesetz als dringlich erklären will, erledigt.
Bräsident Cobe: Bir tommen jetzt zur Abstimmung über die Dorliegenden Mintrauensanträge. Zuerst stimmen wir ab über die unbegründeten Mißtrauensanträge der Kommunisten und der Bölkischen.( Stürmische Heiterfeit im ganzen Haufe megen des Ausdrucs unbegründet".) Die Völkischen beantragen für ihren Antrag namentliche Abstimmung, zur Unterstützung des Antrags erhebt sich aber nicht einmal ihre eigene Fraftion, was wiederum große Heiterfeit auslöft. Die unbegründeten Mißtrauens. anträge werden darauf in einfacher Abstimmung abge.
lehnt.
Es folgt eine namentliche Abstimmung liber den Mißtrauensantrag der deutschnationalen Frattion:
Der Reichstag wolle beschließen: Angesichts der Erflärungen, die die Reichsregierung zu Lo. carno und Bölkerbundfrage abgegeben hat, obwohl sie gleichzeitig
für die Marine und Rouffan für Landwirtschaft. Neu sind einstweilen nur Coucheur für die Finanzen, Lengues
Paris , 27. november, 9,45 Uhr abends.( Eigener Drahtbericht.) Briand hat soeben den im Quai d'Orsay versammelten Vertretern der Presse erklärt, daß die definitive Konffitulerung des Minifteriums, wenn das Zustandekommen gefichert sei, erst im Caufe Minifteriums, wenn das Zustandekommen gesichert sei, erst im Cause des morgigen Vormittags, erfolgen wird.
Briands Absichten.
Paris , 27. November. ( Eigener Drahtbericht.) Die am Sonntag durch den Sturz des Ministériums Painlevé ausgelöste Krise hat am Freitag nach fünftägiger Dauer ihre Lösung gefunden. Briand , der am Donnerstag zum zweiten Male mit der Bildung der Regierung beauftragt wurde, hat am Freitag nachmittag das Kabinett tonstituiert. Als er am Montag zum erstenmal sich um die Lösung der Krise bemühte, scheiterte er daran, daß die von ihm in Aussicht genommene Kombination, die von den Sozialisten bis zu den gemäßigten Republikanern der Mitte gehen sollte, nicht nur bei
energischen Widerstand stieß. Erst nachdem am Mittwoch die sozialiftische Fraktion einstimmig abgelehnt hatte, in ein Kabinett Herriot einzutreten und die in der Frage des Finanzprogramms ausgebrochenen Meinungsverschiedenheiten die Bildung eines neuen Ministeriums der ausgesprochenen Linten unmög lich gemacht hatte, war der Boden für eine neue Mehrheit. wie sie Briand in Aussicht genommen hatte, perfeft geworden. In dem neuen Ministerium sind außer den drei bürgerlichen Gruppen der bisherigen Mehrheit die Gruppe der Lintsrepublitaner und die in der vergangenen Woche aus ihr hervorgegangene Gruppe der unabhängigen Linten sowie die kleine Fraktion der tatholischen Demotraten vertreten.
Von der Presse wird das neue Ministerium als ein Kabinett der Konzentration mit ausgesprochener Drientierung nach lints" bezeichnet. Tatsächlich haben am Freitag morgen in einer Delegiertenversammlung der drei bürgerlichen Kartellgruppen, der Radikalsozia listen, der republikanischen Sozialisten und der radikalen Linken, sämtliche Redner den Wunsch zum Ausdruck gebracht, alles zu tun, um in engem Kontatt mit den Sozialisten zu bleiben und zufammen mit ihnen eine Basis für die Fortsetzung des parlamentarischen Zusammengehens zu suchen. Der Umstand, daß in dieser Bersammlung einmütig die von Briand vorübergehend in Aussicht genommene Betrauung des Senators Doumer mit dem Finanzministerium aufs entschiedenste abgelehnt worden ist, zeigt, daß der Wunsch zweifellos ehrlich und aufrichtig ist. Auf der anderen Seite aber läßt die Verschleppung des Konflikts in der Einstellung zum finanziellen Programm den Wunsch Mehrheit zu gewinnen, zunächst als eine rein platonische Kundgebung erscheinen. Da nach Auffassung der Parteien, die die Regierung übernommen haben, eine Lösung der augenblicklichen Schwierigkeiten ohne Maßnahmen inflationistischer Natur nicht möglich ist, und da bereits die sozialistische Fraftion fich erneut mit aller Schärfe gegen jede Politi? diefer Art ausgesprochen hat, ist vorläufig nicht abzusehen, mie das Finanzprogramm der neuen Regierung die Zustimmung der Soziafiften finden sollte. Auch ohne sie kann das neue Kabinett auf eine, wenn auch nur schwache Mehrheit in der Kammer redinen, da die in ihm vertretenen Gruppen für sich allein bereits 275 bis 280 Stimmen haben und von Fall zu Fall Unterstützung von rechts erhalten dürften.
der bürgerlichen Linken, die sozialistische Fraktion für die neue
Die Sozialisten danken Herriot .
Paris , 27. November. ( Eigener Drahtbericht.) Die sozialistische taltion bat, um tendenziöfen Auslegungen ihrer Haltung gegene über Herriot entgegenzutreten, beschlossen, als Ausdrud ihrer eine Adresse an ibn zu richten und ihre Stellungnahme in der Sympathie und Dankbarkeit für Herriot und fein Friedenswert testen Strife in einem Manifest an das franzöfifche Bolt zu rechtfertigen.