Geheimer Rat unÜ Spekulant. Holstein als Börscnspleler entlarvt. Das System der guten alten Zeit tat sich immer mächtig etwas darauf zugute, nicht nur fähig, sondern auch moralisch intakt zu sein. Der wilhelminische Byzantinismus verstand es, den braven Untertan einzuseifen. Di« Männer des alten Systems wandelten vor den Augen der„elenden Menge' auf olympischen chöhcn. Der Spießer begreift erst seit dcm Untergang der Monarchien ihre faule Korruptheit. Eine Flut von Memoiren wälzte Massen stinkenden Schlammes aus dem chofleben Wilhelms II., seiner Adjutanten, Generale und Paladine. Jetzt ist wieder eine Säule des alten Systems auch moralisch geborsten. Bisher war nur der politisch unheilvolle Einfluß des(5e- heimrats Baron von Holstein bekannt, der unter drei Kanzlern—- Eaprivi bis Bülow— des deutschen Kaiserreichs auswärtig« Politik mit Memoranden, Denkschriften, Weisungen an Botschafter, Ge- sandte und Staatssekretäre leitete— ein Untergebener, dessen Schakals» äugen selbst Bismarck unheimlich dünkten. Sein Nachlaß ist zun, Teil vernichtet— zum Teil der Oeffentlichkeit vorenthalten geblieben. Er wäre für die politische Geheimgeschicht« des Kaiserreichs unentbehrlich. Heut« morgen veröffentlicht nun das„Berliner Tagcbl.' Briefe Holsteins— den man bisher zwar politisch für ver- derblich. aber persönlich für ungeeignet hielt—, die ihn als einen gewöhnlichen Börsenspekulanten entlarven. Dem„Berliner Tageblatt' liegt ein Haufen Briefe Holsteins an seinen Bankier vor. Auch in ihnen ist von Politik die Rede Aver von der Politik nur, soweit sie die Börsenkurse beeinflußt, soweit man an ihr Mark und Pfennig verdienen kann. Das mögen ein paar Beispiele illustrieren, deren ganzer Reiz sich wohl nur dem erschließt, dom Jargon und Fachsprache der Börse ganz geläufig sind. Mittwoch Abend.(17. 8. 92 nach Ischl .) Ich nehme an, daß nach den übertriebenen Erwartungen dieser Tage der ult. August schlecht sein wird. Zwischen Ultinw und heute wird den Sanguinikern noch allerlei Kühles über ben Kops gegosien werden. Deshalb rate ich zu einer Rückprämie August in Diskonto oder Noten. In Rieden muß höllisch schwere Haulic-Position sein. Diskonto waren heute ult. Aug. Rückpr. 1�. Der Rückschlag wird ein lebhafter sein, denn das Publikum ist ja im großen Ganzen pessimistisch und war nur vorübergeliend auf falschen Lärm hin erregt worden.— Ich erwarte, daß Sie die jüngsten K<X)3 an die Rückprämie setzen werden. Wenn Die Donnersiag oder Freitag etwas gemacht haben und telegr. Ant- wort erhallen, können Sie mir noch hierher schreiben. Ich bin dann noch hier. Stets Ihr Phillip». Donnerstag, 9 Uhr früh. Ich bm enttäuscht, daß die beiden gestrigen Nachrichten— die zwelle war wegen der Dardanellen — nicht mehr gewirkt haben. Auch heute ist, wie Sie sehen, wieder etwa» eher ungün- stiges. Wenn die Curse fest bleiben, rat« ich dringend, daß Sie herausgeben und warten, bis wir etwas wissen. Das kann ja vielleicht sehr bald der Fall sein. Aber lassen Sie anderersclls morgen Witte eine Schwindel- Nachricht in die Welt schleudern, so ist unser kleiner Gewinn weg und wir verlieren womöglich noch. Dies alles sage ich für den Fall, daß Noten sich heut« halten. Wenn sie abbröckeln, dann können wir? mit ansehen. 1898. Sie wissen natürlich schon, daß Earnot von einem Italiener ermordet ist und daß infolgedessen da» Dolk in Lyon , wo der Mord vorkam, mehrere Exzesse gegen Italiener begangen hat.— Solch« Exzesse werden vielleicht noch mehrere vorkommen, jedenfalls wird man sie fürchten. Deshalb wird heute in Paris Panik für Italiener sein. Also rate ich dringend, heute wenigstens zwei Millionen Italiener mit Prämie kaufen. Oernuttlich wird nun Casimir Perier Präsident und jeden» fall» wird der Dorfall nicht lange nachwirken.— Eine solche Ge» legcnheit kommt nicht leicht wieder, denn Paris wird heute ganz den Kopf verloren haben! Das Staatsoberhaupt Frankreich « wird ermordet—„eine solche Gelegenheit(zum Spekulieren) kommt nicht wieder': das ist die Gesinnung, mit der der heimlich« Lenker der Außenpolitik Deutsch - lands die verrucht« Tat eine» Fanatikers„diskontiert'. An der Echtheit solcher Briefe ist nicht zu zweifeln. Sie passen in das Charakterbild jenes wahrhaft„Geheimen Rate,', der aus Scheu vor der öffentlichen Derantwortung die Beförderung in«in nach außen sichtbares Amt ablehnt, und Geheimdiplomati« nicht nur mit anderen Staaten, sondern auch seinen nächsten Kollegen gegen» über treibt und sich selber m der Doppelrolle„Börsenspieler und Pollliker' gefällt. So liefern Holstein» Börsenbriefe ein neues Beispiel, wie da» System der Geheimdiplomati« geheime Machen- schaften erzeugt und nicht die Politik in den Dienst der Wirtschaft, sondern die Polttik in den Dienst des Spekulantenttims zwingt.
Wiener Kommunistenfchwunö. Das Ende der„Roten s?ahne". Zum Eingehen der Wiener„Roten Fahne' schreibt die Wiener „Arbeiter.Zcitung' folgende interessante Einzelheit«»: „Die„Rote Fahne ' ist seit dem 11. d. M. nicht mehr er- schienen. Da» Blatt, das es bis auf 2000 Abnehmer gebracht hat, ist bei der Druckerei so stark verschuldet— man erzählt von Schulden in der Höhe von mehr als 800 Millionen Kronen—, daß«ine Fortführung des Betriebes ausstckztslos erschien. In der Tat wurden schon vor einiger Zeil die Redakteure Brill und W i s ch n i tz e r. der Redattionsbcamte Schlesinger und der Redaktionsbot« Brauner zum 15. Dezember gekündigt: und zwar alle, also auch die Redakteur«, v i« r z e h n t ä g i g. E» ist ein« alte Gepflogenheit der Kommunistischen Partei, ihren Angestellten und Redakteuren die in den sozialpolitischen Gesetzen und Kollektiover» trägen begründeten Rechte zu verweigern. Di« Redakteure und Angestellten der Kommunistischen Partei werden tief unter dem Kollektivvertrag, der übrigens Satzung und daher für all- Unternehmer rechtsverbindlich ist, bezahst. die Ansprüche aus die im Gesetz und im Kollektivvertrag vorgesehenen Kündigung»- fristen und Abfertigungen werden mißachtet, kurz, in der„einzigen Arbeiterpartei'— zweieinhalbtausend Mann stark— sind regelrechte A u s b e u t e r p r a t t i k e n zu Ha: se. Kommunisten als Arbeitgeber sind ganz besonders jympath sche Gestalten. So wie mit den vier jüngst Entlassenen wurde mit den früheren Redakteuren der„Roten Fahne' Kalischer . Samisch . Meth und eigent- lich mit allen anderen Redakteure» und Redaktionsbeamten verfahre«: sie wurden in der Regel fristlos entlassen, bestenfalls wurde ihnen die Gnade einer 14tägigen Kündigung zuteil. Begehrte einer der Entlassenen auf, heischte er die gesetzlich begründet« Abfertigung. so w. rde ihm mit der Drehung geantwortet, daß erausderPor- tei ausgeschlossen werde. Mit diesen Entlassungen, die dar- auf hinauslaufen, daß die Angestellten einfach auf die Straß« ge- worsen werden, beendet die„Rote Fahne' vorläufig ihre Tätigkeit — nämlich bis zum nächste« Scheck au» Moskau .' Die Z5C0 Mann starke Ulsterarme«...Polizeitrupp«' genannt. soll gemäß dem Londoner Abkommen aufgelöst werden. Sie hat deshalb Kasernen besetzt, Offiziere verhastet usw„ um 200 Pfund Entlassungsgelder pro Mann z« erlangen.. Man will ihnen, nur zwei Monatsgehälter gebe»,___
Sparfamkeits-Mpostel. Angesichts des Umstandes, daß„Sparen' nur dort angebracht ist, wo„Bargeld' locht, ist jeder Bersuch, das Volk zur Sparsamkeit erziehen zu wollen, von vornherein mit dem Odium der Lächerlichkeit behaftet. Daß man sogar„Sparkomttees' gründet und Sitzungen veranstalten läßt, ist eine Unterhaltung, die uns nichts angeht, eine Spielerei von Leuten, die eben an Zeit— und Zeit ist Geld— nicht zu sparen brauchen. Daß man aber die Gründung dieses„Spar- Apostel-Klubs' ausgerechnet im teuersten Hotel der Stadt vor sich gehen läßt, bei einem Fünfuhrtee mit reichlichen Kuchengedecken. Schlagsahne, Likören und dicken Zigarren— das ist eine Satire, wie sie auch das Hirn des erfinderischsten Grotesk-Dichters nicht erfinden könnte! So mag also von diesem Spar-Tee gesprochen sein: Eine vielgeschästige Exellenz hatte als Gründer dieses Spar- kuratorium zusammengetrommelt. Wie gesagt, im teuersten Hotel. Wie bemerkt zu Tee, Kuchen, Schlagsahne, Likören und dicken Zi- garren! Es war«ine pompöse Versammlung sehr ehrenwerter Männer, die sichtlich an Garderobe nicht zu sparen gewohnt sind. Prima Stoffe, wie l» Pelze und ausgesuchte Lackpumps, saßen in der Dersammlung. Und preisend mit viel schönen Reden wurde von Sparsamkeit gesprochen, die unserem Volk not tue wie«inst- mal? der Retter! Und einig, einig, einig war man sich und— wäre auch in der Kardinalfrage einig gewesen, daß der Staat vor allem am Sozialetat zu sparen habe, an den Ausgaben für das Bolls- wohlfahrtswesen und die Fürsorge. So wäre das doch zu verstehen, nicht wahr? Wie gesagt: man wäre sich auch darin einig gewesen, wenn nicht in dieser illustten Gesellschaft ein unpassender Mensch gewesen wäre, der dieser merkwürdigen Exzellenz zu sagen wagte, daß— er sagte es etwas höflicher— diese exzellente Sparide« vollendetster Unsinn sei.... Worauf die Herren Sparapostel bei Kuchen. Schlagsahne und Likören erstarrten und ihnen die dicken Zigarren fast aus den Mündern herausgefallen wären. Unruhen im Gbüach losen aspl. Na Asylist verletzt, 11 verhaftet. Im Obdachlosenasyl in der Fröbelstraß« kam es gestern abend gegen 9 Uhr zu Unruhen der Asylisten, die zu einem Eingreifen der Polizei und zu insgesamt 11 Verhaftungen führten. Unter den Asylisten herrscht wegen der scharfen Kontrolle, dl« die Kriminalpolizei an den Äsyleingängen vornimmt, und die zu gewissen Stockungen beim Einlaß der Obdachsuchenden führt, lebhaste Erregung. Als gestern abend wiederum eine gründliche Kontrolle einsetzte, kam es schon aus der Straße zu lärmenden Austritten, die sich im Innenraum fortsetzten und zu Schlägereien mit den dienst- tuenden Beamten führten. Die sofort alarmierte Schutzpolizei rückte in Stärk« von zirka 25 bis 40 Mann an und stellte die Ruhe wieder her. Es wurden insgesamt 11 Derhaftungen vorge» nommen. Die Festgenommenen werden der Abteilung I» zur näheren Untersuchung der Affäre vorgeführt, da man als Ursach« kommunistisch« Hetzereien vermutet. Ein Asylist wurde verletzt, angeblich jedoch von einem anderen Obdachlosen, mit dem in der ollgemeinen Erregung in Streit geraten war. Eine näherö Untersuchung scheint unbedingt erforderlich. Jedenfalls dürften die Unruhen wohl weit mehr durch die fast unerträgliche NoUage der Obdachlosen als durch politische Verhetzung oeranlaßt sein. Der Direktor de» städtischen Obdachs teilt zu den Vorfällen mit: Am 15. Dezember 1925, abends gegen 9 Uhr, brach im Der- sammlungssaal des nächtlichen Obdach» ein Streit aus, wobei ein Obdachloser geschlagen und mit einem Messer gestochen worden ist. Em Aufseher, der Ruhe stiften wollte, fühlt sich plötzlich hochgehoben und konnte neben einem Hausdiener nur mit Müh« au» dem Der- sammlungssaal herausgeholl werden Zum Schutze der Obdach- losen und des Personals wurde polizeilich« Hilf« herbeigeholt. die einige Obdachlose, darunter den verletzten und die Zeugen mll sich nahm. Später traf noch ein verstärktes Polizeiaufgebot im Obdach«in, um für etwaige Vorfälle in der Nacht bereit zu sein. Seit einiger Zell wird den Aufsehern von Besuchern der Dienst erschwert. Wiederholt mußten Sprecher, die in den Schlafsälen be- obachtet wurden, zur Ruh« verwiesen werden.
Der nene Vothmer-Prozest. vor der großen Potsdamer Strafkammer begann heute der Derufungsprozeß gegen die Gräfin Ellinor v. Bothmer. Den Borsitz führt Landgerichtsdirektor Dr. H e l l w i g. Die An- klage»ertreten der Oberstaatsanwall Pfaffe und Staats- anwaltschaftsrat Stargardt. Am Eingang des Sitzungssaales liegt ein« Anwesenhellsliste aus, in die sich Press« und Personen eintrug»« müssen, die im Verhandlungsraum Platz nehmen dürfen. Auf dem Beweistisch funkell Kristall, Römer und Basen. Gegen mo Uhr wird die Angeklagt«, Gräfin Bothmer, hereingeführt. Zur Verhandlung, für die acht Tage in Aussicht genommen sind, sind 47 Zeugen geladen. Als medizinische Sachverständige fungieren der Potsdamer Gerichtsarzt, Kreismedizinalrat Dr. Geisseler und Dr. Simm. Chefarzt des Sanatoriums Neubobels- berg. Bon der Verteidigung, die wieder Iustizrat Iosefsohn und Dr. Brandt führten, sind neue Zeugen für den Polziner Fall ge- laden, und auch für die Glaubwürdigkeit der Bondura. Bekanntlich wurde die Gräfin Ellinor o. Bothmer, geb. Gierck«, nach neuntägiger Sitzung am 17. November d. I. wegen Diebstahl» in vier Fällen zu insgesamt 1 Jahr Gefängnis verurteilt. Frau v. Bothmer ist seither in Hast und hat im Gefängnis immer wieder ihre Unschuld beteuert. Sie bezeichnet sich al» Opfer der Potsdamer Gesellschaft. Berufung ist sowohl von der Angeklagten, al» auch von der Staatsanwallschaft eingelegt worden. Nachdem die Verlesung der Urteilsgründ« 2 14 Stunden in An- spruch genommen, ermahnt« der Vorsitzende die Angeklagt«, streng bei der Wahrheit zu bleiben. Der Verdacht sei sehr stark gegen sie und er möchte ihr mitteilen, daß auch der Zweite Schreibsachver- ständig, Kriminalkommissar Schneider, Berlin , die Brief« an den katholischen Geistlichen al» von ihr, der Gräfin, geschrieben hält. Di» Angeklagt« bestreitet, die Brief« geschrieben zu haben und beteuert immer wieder ihre Unschuld.
Berlin nnd die Eharlottenburger Wasserwerke. Zur Auseinandersetzung der Stadt Berlin mll den privaten Charlottenburger Wasserwerken ist ein Vergleich geplant. Da» Nachrichtenamt des Magistrat» teiv darüber mit: „Zwischen der Stadt Berlin und der Aktiengesellschaft Chor- lottenburger Wasserwerk« sind heute unter der Leitung de» Ober» Präsidenten Dr. Maier die Dergleichsverhandlungen betr. die Wasserversorgung von Schöneberg und Steglitz beendet worden. Es ist eine Einigung dahin«rziell. daß dieWasserversorgungvon Schöneberg und Steglitz am 1. Ottober 1928 auf die Stadt Berlin übergeht. Zu diesem Zellpunkt gehen auch das Rohrnetz, die Hau-anschlüsse und die Wossermesser auf die Stadt Berlin über. Die Stadt Berlin zahll für da, übergehend« Rohrnetz, die Hausanschlüsse und Wassermesser einen Preis von 2,5 Millionen Mark. Bis zum 1. Oktober 1928 verbleibt die vertragsmäßige Lieferung des Wassers in Schöneberg und Steglitz den Cba-lattenburger Wasserwerken. Die gegen die Stadt Berlin «rhodene Klage nehmen die Charlottenburger Wasserwerke zurück. Der vergleich bedarf der Zustimmung der städtischen Körperschaften.'
Das Milieu als Erzieher. ver Bund entschiedener Schulreformer ver- anstaltct« am Dienstagabend im Werner-Siemens-Realgymnasium ein« Dersammlung, in der hauptsächlich die Einflüsse des Milieus auf da» Kind m Borträgen behandelt wurden. Die ganze Milieu» cheorie, die ehemals, zurzeit de» Naturalismus da» größte Aufsehen
erregte, ist heute zu einer Sekbstoerständlichkell geworden, aber immer wieder wird vielleicht zu stark die Bedeutung de» Einflusses der menschlichen Umgebung gegenüber dem der Sachen und Gegenstände betont: auch diese unbelebte Umgebung beeinflußt aus» stärkste die Psyche des Kindes. Auf dieser Dahn bewegten sich die Ausführungen Bernfelds, Segals und Taut», be» sonders des letzteren, der derells in der Ausstellung„Die schön« Wohnung' im Gesundheitshaus neue Wege zur Wohnungsgestallung gewiesen hatte. In einer typischen Berliner Hinterhauswohnung mll ihren zerrissenen Tapeten und beschmutzten Möbeln kann sich nur schwer ein starkes, gesundes Menschentum entwickeln. Die Wohnungsnot verelendet den Menschen, hier ist eine Reform nötiger als auf manchen anderen Gebieten.
vor städtischen Tariferhöhungen! In einem Teil der Presse werden heute Mittellungen über an» geblich beabsichtigte Tariferhöhungen zur Deckung de« städtischen Defizit» gemacht. Da der Magistrot erst heute vormittag über alle diese Fragen berät, sind schon aus diesem Grunde alle dies« Angaben vorläufig nur Kombinationen. Auch gehören die Stadt» verordneten zu einer solchen Beschlußfassung noch dazu, und es ist nach unserer Kenntnis ganz ausgeschlossen, daß die Stadt- verordnetenversammlung für die Beseitigung de» Defizit» den Weg einer Tariferhöhung sei es bei der Straßen- bahn, fei es bei den Städtischen Werken geht. Morgen vormtttag tritt der städtische Haushaltsausschuß zur Beratung dieser Frage zusammen und erst dann wird sich ergeben, welcher Betrag wirklich durch Neueinnahmen hereingebracht werden muß. Der Haushaltsausschuß wird die Bewilligung von Neueinnahmen Zweifel» los erst dann vornehmen, wenn die Lage des Haus- Halts nach allen Seiten hin genau geprüft worden ist. Stellt sich dann die Notwendigkeit der Beschaffung neuer Ein- nahmen als unvermeidlich heraus, dann gibt es vor der Erhöhung der Tarife noch andere Mittel, diesen Zweck zu erreichen. Es wäre deshalb richtiger, nicht durch falsche Alarmmeldungen eine ganz unberechtigte Beunruhigung des Publikum» herbeizuführen.
Voltsvot und hohenzolleroforüerungen. Di« SPD . Schön«5erg-Friedenau hatte gestern abend nach der Echulaula im Fichte-Gymnasium in der Kolonnenstraße zu einer Kundgebung unter der Devise„Die Not des Volkes und die Forderung der Hohenzollern ' aufgerufen. Genosse H a x d a x, Mit» glied des englischen Parlaments und des Generalrats der englischen Gewerkschaften war einer dringenden Abstimmung in England wegen am geplanten Erscheinen verhindert, bot aber in einem aus» führlichen Schreiben den deutfcken Genossen seinen Gruß. Der Hauptreferent des Abends, Genosse Landtagsabgeordneter Meier, behandelte dann eingehend das Thema des Abend» und lebhaft ging die Versammlung mll seinen temperamentvollen Ausführungen mll. Wie der Redner eine Denkschrift des Wohliahrtsministerium»„Die Wirtschaftsnot' des Proletariats erwähnt, erschallt der Ruf.„Zahlen angeben'. Genosse Meier nennt erschütternde Ziffern. Bitterste Not spiegeln sie, und die Arbeiter im Saal werden tief von ihnen ge» packt. In Düsseldorf oerstarben in der ersten Hülste de» Jahres 1924 22 Personen infolge der Ernährungs- f ch w i« r i g k e i t« n: das ist nur so ein einzelner Satz aus der Denkschrift des Wohlfahrtsministers. Wie aber mag nun ein solches Dokument, das für 1922 Gülligkeit hat, aussehen? Wie grausam und grotesk muß es wirken, neben dem Dokument des Hohenzollern » Vergleichs? Es ist bekannt, wie unerhört die Forderungen de».an» gestammt«« Herrscherhauses' sind. Dabei ist es geradezu toll, auf Grund welcher Manipulationen die Hohenzollern , die arm in, Land gekommen sind, in den Besitz ihrer sogenannten Eigentümer kamen. Besonders Wilhelm II. gehörte �enau wie jeder andere Schieber wegen mancherlei Mißbrauchs seiner Amtsgewalt vor ein Gericht gestellt, wenn auch der Wunsch verständlich ist, diesen Ritter von der traurigen Gestall überhaupt nicht mehr sehen zu wollen. Die Der« mögensfragen der ehemaligen Fürsten sind politische Fragen, die nur gelöst werden dürfen im Interesse der Republik . Der neue Dergleichsoorschlag des Finanzministers liegt nicht In diesem Interesse und infolgedessen wird dieser Pergleich Im Fall« einer Abstimmung im preußischen Landtag von der Sozialdcmo» kratie abgelehnt werden. Möglich ist es. daß es schließlich zu einem Volksentscheid kommt, aber fraglich darf es jedenfalls bestimmt nicht sein, daß in dieser ganzen Anoelegenheit die deutsch « Arbeiterschaft unter ollen Umständen einheitlich handeln muß. Wie einheitliches und zielbewußtes chondeln hierbei von den Komm«nisten aufgefaßt wird, bewiesen sie zum Schluß durch einig« Tumultszenen, in denen sie ihrem Aerger darüber Luft machten, daß es ihnen bei dieser öffentlichen Kundgebung verwehrt lein sollte, ihr spezielles Parteisüppchen zu kochen. Rur durch das energisch« Vorgehen der Versammlungsleiter gelang es schließlich, die im übrigen hervor» ragend verlaufene Kundgebung durch einen weiteren Liedvortrag und durch ein begeistert aufgenommenes Hoch aut die Sozialdemokratie zu Ende zu führen.__ Infolge der Glätte, die durch den täglichen Schneefall und an- haltenden Frost hervorgerufen ist, stürzten gestern wieder ein» größere Anzahl von Personen, die sich mehr oder mmder gefäb'-liche Verstauchungen zuzogen So stürzte gestern abend in der Delle-Alliance-Stratze eine 21 jährige Hausangestellte aus Süd» ende und zog sich einen Knöchelbruch zu. Sie wurde durch einen Wogen des städtischen Rettungsamtes nach dem Krankenhau» am Urban transportiert. Erneut muß die dringend« Mahnung an die Hausanlieger gerichtet werden, daß der Schnee beseitigt und der Streuverpslichtung unverzüglich nachgekommen wird. Na ll ebersall? Vielen Berliner Zeitungen ging heute vormittag«ine telephonische Meldung zu, noch der heute nacht ein Journalist in der Nähe der Mauritluskirche in Lichtenberg überfallen worden sei. E« handele sich um«Ine Rachehanv« lung der Völkischen da sich dieser Journalist eingehend mit der Ent» deckung der Fememorde beschäftigt haben soll. Merkwürdig ist allerdings, daß nichts auf dem Polizeipräsidium von diesem Ueber- fall bis in den M'ttagsstunden bekannt war. Besonders auffallend ist auch, daß die Meldung, die den Zeitungen zugestellt wurde, nicht von dem Ueberfallanen stammt. Das Polizeipräsidium teilte mit, daß zu derselben Zeit, In der der Ueeberfall— es war 2 Uhr nacht» — stattgefunden haben soll, eine doppelte Polizeistreife gerade diese Gegend Lichtenbergs absuchte.
Einjlurzkataftrophe im Steinbruch. Acht Arbeiter gekZlet. Vassaa. 18. Dezember. (WID.) Gestern mittag ereignete sich im Steinbruch der Firma Bornhagen u. Schätzel in L o h w i e s e bei Fürftenstein ein schweres-Unglück. Durch her- abstürzende Felsmassen wurden fünf Arbeiter ver» schüttet, die bisher noch nicht geborgen werden konnten. Drei weiter« Arbeiter wurden durch nachrollende Felsmassen erschlagen und drei andere schwer verletzt. Die acht getöteten Ardeiter waren sämtlich verheiratet. Die Bergung der Verschüteten dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Eine weitere Meldung besagt: Don den Opfern de» Unglücks in Fürstenheim sind bisher drei Tot« geborgen. An der Bergung der fünf weiteren Toten arbeiten Tag und Nacht 290 Mann, ihre Freilegung dürft« längere Zeit In Anspruch nehmen. Don den drei Derletzten befindet sich keiner in Lebensge- fahr. Alle Getöteten sind Familienväter mit zum Teil vielen Kindern. Das Unglück wird darauf zurückgeführt, daß ge- srorgue» Wasser die Fels» pnd Erdmasseu sprengte,